Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 20.08.2003, Az.: 8 LA 126/03
Abschiebungshindernis; Abschiebungsschutz; Asyl; Kosovo; politische Verfolgung; Roma
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 20.08.2003
- Aktenzeichen
- 8 LA 126/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 48169
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 17.07.2003 - AZ: 12 A 1780/02
Rechtsgrundlagen
- § 51 Abs 1 AuslG
- § 53 AuslG
- Art 16a Abs 1 GG
Gründe
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg, weil der vom Kläger geltend gemachte Berufungszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) nicht vorliegt. Denn die Rechtssache wirft keine Fragen auf, die im Interesse der Rechtseinheit oder der Fortentwicklung des Rechts gegenwärtig grundsätzlicher Klärung bedürfen.
Der Senat hat wiederholt entschieden, dass die Angehörigen der Volksgruppe der Roma im Kosovo keiner politischen Verfolgung unterliegen, weil die gewalttätigen Übergriffe auf Angehörige ethnischer Minderheiten, die dort noch stattfinden, keine politische Verfolgung im Sinne von Art. 16 a Abs. 1 GG und § 51 Abs. 1 AuslG darstellen (vgl. Senatsbeschl. v. 6.5.2002 - 8 LB 9/02 –, v. 18.3.2002 - 8 LB 19/02 – u. v. 12.6.2001 - 8 L 516/97 -). Politische Verfolgung ist ausschließlich staatliche oder quasistaatliche Verfolgung (BVerfG, Beschl. v. 10.8.2000 – 2 BvR 260/98 u.a. – AuAS 2000 S. 187). Die Übergriffe im Kosovo auf Angehörige der nichtalbanischen Bevölkerungsgruppen gehen jedoch weder von einer staatlichen noch von einer quasistaatlichen Hoheitsgewalt aus. Sie können auch der internationalen Verwaltung, die dort die Gebietsgewalt ausübt, nicht zugerechnet werden, weil UNMIK und KFOR allen im Kosovo lebenden Bevölkerungsgruppen – und damit auch den Roma – mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln Schutz gewähren und dazu prinzipiell auch in der Lage sind (vgl. Senatsbeschl. v. 6.5.2002, v. 18.3.2002 u. v. 12.6.2001, a.a.O.).
Diese Feststellungen gelten nach wie vor, weil sich die Verhältnisse im Kosovo insoweit nicht geändert haben (Senatsbeschl. v. 3.6.2003 - 8 LA 94/03 -). Dem Kläger ist zwar einzuräumen, dass UNMIK zunehmend Amtswalter, die der albanischen Bevölkerungsgruppe angehören, einsetzt. Das ändert jedoch nichts daran, dass UNMIK und KFOR nach wie vor die alleinige Gebietsgewalt im Kosovo ausüben und die Verantwortung für das gesamte öffentliche Leben im Kosovo tragen (vgl. Auswärtiges Amt, Ad-hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Jugoslawien (Kosovo) vom 27. November 2002). Außerdem wäre ein etwaiges Fehlverhalten dieser Amtswalter UNMIK nicht als politische Verfolgung zuzurechnen, weil keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass UNMIK Fehlverhalten seiner Amtswalter duldet, billigt oder begünstigt (vgl. Senatsbeschl. v. 6.5.2002, v. 18.3.2002 u. v. 12.6.2001, a.a.O.).
Die Rechtssache des Klägers ist auch nicht wegen der Frage, ob für Roma nach § 53 AuslG Abschiebungshindernisse bestehen, grundsätzlich bedeutsam. In der Rechtsprechung des Senats ist geklärt, dass Roma keinen Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 4 AuslG genießen, weil ein Abschiebungshindernis nach dieser Bestimmung voraussetzt, dass die dem Ausländer im Zielstaat drohende Misshandlung von einem Staat oder einer staatsähnlichen Organisation ausgeht oder zu verantworten ist (BVerwG, Urt. v. 2.9.1997 - 9 C 40/96 - BVerwGE 105, 187; Senatsbeschl. v. 12.6.2001, a.a.O., u. v. 11.7.2003 - 8 LA 109/03 -). Der Senat hat darüber hinaus mehrfach entschieden, dass Angehörigen der Volksgruppe der Roma im Kosovo keine Gefahren drohen, die die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 53 Abs. 6 AuslG rechtfertigen könnten (Senatsbeschl. v. 25.6.2002, v. 6.5.2002 u. v. 18.3.2002, a.a.O.). Davon ist auch gegenwärtig auszugehen, da sich die Sicherheitslage der Roma im Kosovo ausweislich des zur Verfügung stehenden Erkenntnismaterials nicht verschlechtert hat (vgl. Senatsbeschl. v. 9.5.2003 - 8 LA 80/03 -). Auch der UNHCR hat in jüngster Zeit darauf hingewiesen, dass sich die Situation der Gemeinschaften von Roma, Ashkali und Ägyptern weiterhin verbessert hat und dass in vielen Regionen von einer stabilisierten Sicherheitslage gesprochen werden kann (UNHCR-Position zur fortdauernden Schutzbedürftigkeit von Personen aus dem Kosovo, Januar 2003). Dem steht nicht entgegen, dass Angehörige der Volksgruppe der Roma nach dem am 31. März 2003 von Bundesinnenminister Schily und dem ehemaligen UNMIK-Sonderbeauftragten Steiner unterschriebenen Memorandum of Understanding auch weiterhin nicht zwangsweise in den Kosovo zurückgeführt werden sollen. Denn daraus kann weder geschlossen werden, dass Roma in der Vergangenheit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt waren, noch gefolgert werden, dass sich ihre Sicherheitslage in letzter Zeit verschlechtert hat. Daher ist auch die Frage, ob für Roma Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 6 AuslG bestehen, gegenwärtig nicht klärungsbedürftig.