Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 27.08.2003, Az.: 12 ME 322/03

Besitz; Betäubungsmittel; Konsum

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
27.08.2003
Aktenzeichen
12 ME 322/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 48198
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 27.06.2003 - AZ: 5 B 1646/03

Gründe

1

Die zulässige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts, mit dem der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die mit Sofortvollzug versehene Fahrerlaubnisentziehungsverfügung des Antragsgegners vom 19. März 2003 abgelehnt worden ist, hat in der Sache insoweit Erfolg, als die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs nach § 80 Abs. 5 VwGO zeitlich begrenzt bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens - wiederherzustellen ist. Der weitergehende Antrag ist nicht begründet.

2

Nach dem derzeitigen Verfahrensstand ist zweifelhaft, ob die von dem Antragsgegner verfügte und mit Sofortvollzug ausgestattete Fahrerlaubnisentziehung auf der Grundlage der §§ 3 Abs. 1 StVG, 46 Abs. 1, 11 Abs. 8 Satz 1 FeV zu Recht erfolgt ist. Nach den dem Senat vorliegenden Akten kann nicht hinreichend sicher beurteilt werden, ob die Anordnung des Antragsgegners vom 18. Juli 2002/ 18. Februar 2003, der Antragsteller habe sich in dem Gesundheitsamt des Antragsgegners einem Drogenscreening zu unterziehen, in rechtmäßiger Weise ergangen ist.

3

Nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 bzw. Absatz 1 Satz 2 der Vorschrift des § 14 FeV, auf die der Antragsgegner in seiner Anordnung verweist, muss bzw. kann die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens angeordnet werden, wenn Tatsachen die Annahme begründen, dass ein Betroffener Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes einnimmt bzw. widerrechtlich besitzt oder besessen hat. Der Antragsteller stellt jedoch jeglichen Betäubungsmittelkonsum in Abrede und beruft sich weiterhin darauf, dass er von den 8,1 g Haschisch und 32,9 Marihuana, die Beamte der mobilen Kontrollgruppe des Hauptzollamtes C. bei einer Kontrolle des von dem Antragsteller geführten, ihm nicht gehörenden Fahrzeuges mit dem polizeilichen Kennzeichen D. am ... E. 2002 in einer Tüte unter dem Fahrersitz auffanden, keine Kenntnis hatte. Aus den in den Akten des Antragsgegners befindlichen und von dem Antragsteller vorgelegten Bestandteilen des in der Folge gegen den Antragsteller gerichteten strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens (Az: F. der Staatsanwaltschaft G.) ergibt sich, dass dieses Verfahren mit staatsanwaltschaftlicher Verfügung vom 13. Januar 2003 eingestellt worden ist. Stattdessen ist die Mutter des Antragstellers, Frau H. B., ausweislich der von dem Antragsteller im Beschwerdeverfahren vorgelegten Kopie eines Strafbefehls des Amtsgerichts I. vom ... E. 2003 (Az.: J.) wegen rechtswidrigen Besitzes von Betäubungsmitteln in Gestalt der in ihrem Pkw mit dem polizeilichen Kennzeichen D. verwahrten 8,1 g Haschisch und 32,9 g Marihuana mit einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen in Höhe von jeweils 15,-- EUR belegt worden, nachdem sie – wie der Antragsteller vorträgt – eingeräumt hatte, das Fahrzeug zum Einkauf der für den eigenen Verbrauch bestimmten Betäubungsmittel benutzt und sodann die Betäubungsmittel zum größten Teil in dem Fahrzeug belassen zu haben.

4

Der Antragsgegner hat aus der den Antragsteller betreffenden Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft G. lediglich drei Kopien – Bl. 35 bis 37 der Beiakte A – gefertigt und die die Mutter des Antragstellers betreffende Ermittlungsakte nicht beigezogen. Ebenso wenig hat er die Akten über eine offenbar im Jahr 1998 erfolgte Verurteilung des Antragstellers wegen des Erwerbs bzw. Handeltreibens mit Betäubungsmitteln beigezogen. Was einen eigenen – von dem Antragsteller bestrittenen – Rauschmittelkonsum anbelangt, hat sich der Antragsgegner allein auf eine Mitteilung des Polizeikommissariats I. vom 9. Juli 2002 gestützt, wonach der Antragsteller in einem dort anhängigen Verfahren als Konsument von Marihuana und Haschisch bekannt geworden sei. Es spricht viel dafür, dass es sich bei diesem Verfahren um das – eingestellte – Ermittlungsverfahren zum o.g. Aktenzeichen der Staatsanwaltschaft G. gehandelt hat. Dem ist der Antragsgegner jedoch nicht weiter nachgegangen, insbesondere hat er auch insoweit keine weiteren Unterlagen – etwa zu der in der Mitteilung des Polizeikommissariats I. genannten Vorgangsnummer - angefordert.

5

Vor diesem Hintergrund kann derzeit durch den Senat auch nicht abschließend beurteilt werden, inwieweit den grundlegenden Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Juni 2002 ( - 1 BvR 2062/96 – , NJW 2002, 2378 ff. [BVerfG 20.06.2002 - 1 BvR 2062/96]) und vom 8. Juli 2002 ( - 1 BvR 2428/95 - , NJW 2002, 2381 [BVerfG 08.07.2002 - 1 BvR 2428/95]) Relevanz für den Fall des Antragstellers zukommt. In diesen zu § 15b StVZO a.F. ergangenen, aber auch für die Auslegung des § 14 FeV bedeutsamen (vgl. hierzu: Beschl. des erkennenden Senats v. 24.3.2003 – 12 LA 19/03 - , S. 5 BA) Beschlüssen hat es das Bundesverfassungsgericht als unverhältnismäßig angesehen, bereits die Feststellung des unerlaubten Besitzes einer kleinen Menge Cannabis für sich allein zum Anlass zu nehmen, dem Fahrerlaubnisinhaber ein fachärztliches Gutachten auf der Grundlage eines Drogenscreenings abzuverlangen (so auch bereits: BVerwG, Urt. v. 5.7.2001 – BVerwG 3 C 13.01 - , NJW 2002, 78). Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang allerdings darauf, dass in dem der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Juni 2002 zu Grunde liegenden Fall der Betroffene mit einer Menge von lediglich 5 g Haschisch angetroffen worden war, während sich in dem von dem Antragsteller geführten Kraftfahrzeug eine größere Menge von Haschisch und Marihuana befand. Nicht ausgeschlossen erscheint zudem, dass weitere Ermittlungen Anhaltspunkte für einen Cannabiskonsum des Antragstellers jedenfalls in der Vergangenheit ergeben könnten.

6

Insgesamt hat der Antragsgegner bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens Gelegenheit – insbesondere unter Beiziehung der oben genannten Akten – den Sachverhalt weiter aufzuklären und sodann unter Beachtung der in den angeführten Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts enthaltenen Grundsätze seine Entscheidung zu überprüfen.