Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 15.08.2003, Az.: 4 ME 310/03
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 15.08.2003
- Aktenzeichen
- 4 ME 310/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 41432
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2003:0815.4ME310.03.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Hannover - AZ: 7 B 2568/03
In der Verwaltungsrechtssache
des Herrn A.,
Antragstellers und Beschwerdeführers,
Proz.-Bev.: Rechtsanwalt Weiss-Mattulat,
Hausener Obergasse 19, 60488 Frankfurt am Main,
gegen
das Niedersächsisches Landesamt für Zentrale Soziale Aufgaben, vertreten durch den Präsidenten, Domhof 1, 31134 Hildesheim,
Antragsgegner und Beschwerdegegner,
Streitgegenstand: Sozialhilfe (Hilfe für Deutsche im Ausland)
hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht - 4. Senat - am 11. August 2003 beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover - Einzelrichter der 7. Kammer - vom 01. Juli 2003 geändert.
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller ab dem 01. August 2003 für die Zeit von sechs Monaten Hilfe zum Lebensunterhalt unter Berücksichtigung der tatsächlichen Unterkunftskosten in Höhe von 875,00 Dollar zu gewähren.
Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens beider Instanzen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die nach §§ 146 Abs. 4, 147 VwGO zu beurteilende Beschwerde ist zulässig und begründet.
Rechtsgrundlage für das Begehren des Antragstellers ist § 12 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. §§ 22 Abs. 1 und 2, 119 BSHG, 3 Abs. 1 der Verordnung zur Durchführung des § 22 des Bundessozialhilfegesetzes (Regelsatzverordnung). Der Antragsteller hat - was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - grundsätzlich einen Anspruch auf die Gewährung von Sozialhilfe für Deutsche im Ausland gemäß § 119 BSHG. Die Beteiligten streiten allein darüber, ob der Antragsgegner verpflichtet ist, die laufenden Leistungen für die Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu gewähren. Nach Auffassung des Senats sind die vom Antragsteller geltend gemachten tatsächlichen Aufwendungen zwar unangemessen hoch. Sie sind aber gleichwohl gemäß § 3 Abs. 1 Satz 2 RegelsatzVO als Bedarf so lange anzuerkennen, als es dem Antragsteller nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel die Aufwendungen zu senken. Dem liegen folgende Erwägungen zugrunde: Grundsätzlich ist ein Sozialhilfeträger lediglich verpflichtet, laufende Leistungen für die Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen zu bewilligen, wenn diese sozialhilferechtlich angemessen sind. Der Antragsgegner geht hier auch zutreffend davon aus, dass für die Frage der Angemessenheit der Mietaufwendungen im Hinblick auf die Aufgabe der Hilfe zum Lebensunterhalt, nur den notwendigen Bedarf zu decken, auf die im unteren Bereich der für vergleichbare Wohnungen am Wohnort des Hilfeempfängers marktüblichen Wohnungsmieten abzustellen ist. Der Antragsgegner hat den Antragsteller mehrfach unter Angabe konkreter Wohnungsangebote auf die Möglichkeit hingewiesen, günstigeren Wohnraum zu mieten. Der Antragsteller hat sich im wesentlichen darauf beschränkt, diese Wohnungsangebote als unrealistisch bzw. für ihn wegen der Entfernung zu seiner gewohnten Umgebung als unzumutbar zu bezeichnen. Konkrete eigene Bemühungen um eine preisgünstigere Wohnung hat der Antragsteller nicht dargelegt. Im Gegenteil zeigt der Umstand, dass er bereits unter dem 08. April 2003 und damit unmittelbar nach Ergehen des Beschlusses des Senats vom 20. März 2003 (Az.: 4 ME 67/03), mit dem der Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet worden ist, ihm für die Zeit seines Aufenthalts in den USA laufende Hilfe zum Lebensunterhalt zu gewähren, eine neue Wohnung gemietet hat, dass er offenkundig nicht intensiv nach einer preisgünstigeren Wohnung gesucht hat. Der Antragsteller hat sich ersichtlich darauf beschränkt, eine Wohnung in unmittelbarer Nähe (in wenigen hundert Metern Entfernung) zu seiner früheren Wohnung zu suchen. Seinem Einwand, preisgünstigerer Wohnraum sei nicht zu erlangen, steht auch das von dem Antragsgegner vorgelegte Schreiben der Maklerin B. vom 12. Mai 2003 entgegen, in dem sie ausführt, dass Wohnungen - auch in C. - in einer Größe von ca. 50 qm in der Preislage von ca. 450,00 bis 550,00 Dollar laufend zur Verfügung stünden.
In dem Gutachten des Sachverständigen Dr. D. vom 28. März 2000, das der Senat in dem Verfahren 4 L 3001/99 eingeholt hat, ist zwar ausgeführt: "Zur Reduzierung der psychischen Auffälligkeiten (Suizidalität !) ist aus psychiatrischer Sicht nur die Rückkehr in die von Herrn A. phantasierte "Familie" erfolgversprechend und angemessen." Daraus kann auch geschlossen werden, dass der Antragsteller darauf angewiesen ist, in der Nähe seiner Freunde in seinem bisherigen sozialen Umfeld in E. zu leben. Er hat aber nicht glaubhaft gemacht, dass preisgünstigerer Wohnraum in zumutbarer Entfernung nicht zu erlangen ist. Selbst wenn er von einer weiter entfernt gelegenen Wohnung aus zur Aufrechterhaltung seiner sozialen Kontakte auf die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel angewiesen ist, führt dies nicht zur Unzumutbarkeit eines Wohnungswechsels. Die von ihm in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 09. Juli 2003 genannten damit verbundenen Schwierigkeiten sind ihm angesichts des Umstandes, dass der Antragsgegner nur zur Deckung des notwendigen Bedarfs verpflichtet ist, zuzumuten, soweit ihm dadurch die Aufrechterhaltung seiner sozialen Kontakte nicht unmöglich gemacht wird.
Für die Senkung der Aufwendungen auf ein angemessenes Niveau, insbesondere für die Suche nach einer billigeren Wohnung, räumt der Senat in der Regel eine Frist von sechs Monaten ein, die verkürzt werden kann, wenn der Träger der Sozialhilfe dem Hilfesuchenden vorher eine andere angemessene Wohnung anbietet oder vermittelt, und die verlängert werden kann, wenn der Hilfesuchende nachweist oder glaubhaft macht, dass er sich innerhalb der Frist intensiv, aber erfolglos um eine andere, billigere Wohnung oder um eine sonstige Möglichkeit, die Aufwendungen zu senken, bemüht hat. Diese Frist trägt hier auch dem Umstand Rechnung, dass der Antragsteller zu dem Zeitpunkt, als er die jetzige Wohnung in F. mietete, noch in Deutschland war und seine Möglichkeiten, nach einer preiswerteren Wohnung zu suchen, dadurch beschränkt waren. Weiterhin ist die aus der persönlichen Situation des Antragstellers resultierende räumliche Beschränkung bei der Wohnungssuche zu berücksichtigen, die möglicherweise bei der Frage der Angemessenheit der Miethöhe dazu führt, dass nicht auf eine Mietobergrenze von 600 Dollar abzustellen ist, zumal der Antragsgegner für die frühere Wohnung des Antragstellers schon eine Miete von 787 Dollar anerkannt hat.
Es entspricht ständiger Praxis des Senats, in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes einen Sozialhilfeträger zur (vorläufigen) Gewährung von laufenden Leistungen zum Lebensunterhalt ab frühestens dem Ersten des Monats zu verpflichten, in dem der Senat in der Sache entscheidet. Denn das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes dient nur der Abwehr gegenwärtiger oder künftig zu erwartender Notlagen. Es ist dem Hilfesuchenden regelmäßig zuzumuten, die Entscheidung über behauptete Ansprüche auf Leistungen für bereits vergangene Zeiträume im Hauptsacheverfahren abzuwarten. Gründe, von dieser Regel abzuweichen, liegen nicht vor. Der Antragsteller hat insbesondere nicht substantiiert vorgetragen, dass ihm durch die Verweigerung der Leistungen für die Vergangenheit der Verlust seiner Wohnung droht.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.
Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.
Klay Willikonsky Meyer