Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 14.01.2002, Az.: 1 KN 270/01

Normenkontrollantrag hinsichtlich der Festsetzung eines eingeschränkten Gewerbegebietes in einem Bebauungsplan; Antragsbefugnis im Normenkontrollverfahren bei einer Grundstücksnutzung nur aufgrund eines Mietvertrages oder Pachtvertrages; Verstoß gegen das Abwägungsgebot durch unzureichende Planung der Gemeinde wegen von einem landwirtschaftlichen Betrieb ausgehender Geruchsbelästigungen für die gewerbliche Nutzung; Abweichung der Festsetzungen des Bebauungsplanes von den räumlichen oder inhaltlichen Darstellungen des Flächennutzungsplanes; Überschreitung der tolerierbaren Geruchswahrnehmungshäufigkeit von 10% der Jahresstunden durch einen Hähnchenmaststall in der Nachbarschaft; Beachtlichkeit von Fehlern während des Planaufstellungsverfahrens; Umweltverträglichkeit der Betriebe und Anlagen

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
14.01.2002
Aktenzeichen
1 KN 270/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 30372
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2002:0114.1KN270.01.0A

Fundstellen

  • BauR 2002, 1133-1134 (amtl. Leitsatz)
  • DVBl 2002, 723 (amtl. Leitsatz)
  • DÖV 2002, 671 (amtl. Leitsatz)
  • FStNds 2003, 470-472
  • FStNds 2003, 466-469
  • NVwZ-RR 2003, 99-102 (Volltext mit amtl. LS)
  • NordÖR 2002, 337
  • NuR 2002, 426-429
  • ZfBR 2002, 508

In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht - 1. Senat -
auf die mündliche Verhandlung vom 14. Januar 2002
durch
den Vizepräsidenten des Oberverwaltungsgerichts Schmaltz,
den Richter am Oberverwaltungsgericht Claus,
den Richter am Oberverwaltungsgericht Muhsmann, sowie
den ehrenamtlichen Richter Dangelat und
die ehrenamtliche Richterin Diers
für Recht erkannt:

Tenor:

Der vom Rat der Antragsgegnerin am 13. September 2000 als Satzung beschlossene Bebauungsplan Nr. 12 A "Erweiterung Gewerbegebiet P. S. " wird für nichtig erklärt.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Normenkontrollverfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% der Kostenforderung abwenden, wenn nicht die Antragsteller vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Antragsteller wenden sich gegen den Bebauungsplan Nr. 12 A "Erweiterung Gewerbegebiet P. S. ", mit dem die Antragsgegnerin in Nachbarschaft zu einem landwirtschaftlichen Stall der Antragsteller eingeschränktes Gewerbegebiet festsetzt.

2

Die Antragstellerin zu 1. ist Eigentümerin eines landwirtschaftlichen Betriebes, den sie an ihren Sohn, den Antragsteller zu 2., verpachtet hat. Unmittelbar benachbart in westlicher Richtung zu dem angefochtenen Bebauungsplan liegt das Flurstück 4 der Flur 27 der Gemarkung V., auf dem von dem Antragsteller zu 2. ein im Jahre 1978 genehmigter Hähnchenmaststall betrieben wird. Auf dem langgestreckten Grundstück, das südlich der P. S. in dessen rückwärtigem Bereich liegt, befindet sich ferner eine 1994 genehmigte Lagerhalle.

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Östlich des Flurstücks 4 der Antragstellerin stellte die Samtgemeinde W. in der 46. (Bekanntmachung der Genehmigung am 14.7.1995) und der 64. Änderung (Bekanntmachung der Genehmigung am 29.10.1999) ihres Flächennutzungsplanes gewerbliche Bauflächen dar. Der Bebauungsplan Nr. 12 der Antragsgegnerin nahm die Vorgaben der 46. Änderung des Flächennutzungsplanes auf und setzte für diesen Bereich (Teilbereich A des Planes) Gewerbegebiet fest. Zwischen dem Flurstück 4 und der westlichen Grenze des sich in Form eines seitenverkehrten und auf dem Kopf stehenden "L", an die P. S. im Norden angrenzenden Teilbereichs A liegen die Flurstücke 6/2 (teilw.), 6/3, 6/4, 7/2 (teilw.), 7/3 und 7/4, die in dem Flächennutzungsplan der Samtgemeinde als Fläche für die Landwirtschaft dargestellt werden. Für die Aussparung dieser Flächen im "L"-Bogen sowohl im Flächennutzungsplan - 46. Änderung - als auch im Bebauungsplan Nr. 12 war maßgeblich, dass der TÜV Norddeutschland e.V. in einem Gutachten vom 28. April 1993 zu den Geruchsimmissionen durch landwirtschaftliche Betriebe im Bereich der Antragsgegnerin zusammenfassend ausgeführt hatte, im Bereich der genannten Flurstücke komme es durch Emissionen des Hähnchenmaststalles der Antragsteller zu erheblichen Geruchsbelästigungen an mehr als 10% der Jahresstunden.

4

Die vorbezeichneten Flurstücke liegen, soweit sie nicht von den Geltungsbereichen des Flächennutzungsplanes - 46. Änderung - und des Bebauungsplanes Nr. 12 erfasst werden, ausweislich des Regionalen Raumordnungsprogramms des Landkreises Emsland aus dem Jahre 1990 in einem Gebiet mit besonderer Bedeutung für die Landwirtschaft.

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Der Rat der Antragsgegnerin beschloss am 5. April 2000, den Bebauungsplan Nr. 12 A auf den Flurstücken 6/2 (teilw.), 6/3, 6/4, 7/2 (teilw.) 7/3 und 7/4, die bisher landwirtschaftlich genutzt wurden, sowie auf den im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 12 liegenden Flurstücken 8/2 (teilw.), 8/8 (teilw.), 8/9 und 8/10 (teilw.) aufzustellen. Als Grund für die Planung wurde angegeben, für die im Gewerbegebiet des Bebauungsplanes Nr. 12 ansässige Beigeladene Erweiterungsflächen schaffen zu wollen. Die Beigeladene betreibt dort ein Bauunternehmen und einen Baustoffhandel. Sie benötigt nach der Begründung zu dem Aufstellungsbeschluss dringend Lagerflächen für Baustoffe, um an dem Standort wettbewerbsfähig zu bleiben.

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Der Planentwurf wurde in der Zeit vom 20. Juni 2000 bis 20. Juli 2000 ausgelegt. Zu dem eingeschränkten Gewerbegebiet enthielt er in § 1 folgende textliche Festsetzung: "Innerhalb des eingeschränkten Gewerbegebietes (GEE) sind Betriebe zur Produktion und zur Verarbeitung von Lebensmitteln, Geschäfts-, Büro- und Verwaltungsgebäude sowie Gebäude, in denen sich ständig Personen aufhalten (u.a. Betriebsleiterwohnungen) nicht zulässig". Während der Auslegung machten der Antragsteller zu 2. unter dem 22. Juni 2000 und die Antragstellerin zu 1. unter dem 18. Juli 2000 Anregungen geltend. Sie befürchteten wegen der Festsetzung eines Gewerbegebietes auf Flächen, die nach dem Gutachten der Landwirtschaftskammer vom 28. April 1993 innerhalb der 10%-"Isolinie" lägen, in der Zukunft immissionsschutzrechtliche Auflagen hinsichtlich des Betriebes des vorhandenen Hähnchenmaststalles in der unmittelbaren Nachbarschaft. Nach der Auslegung wurde § 1 der textlichen Festsetzungen ohne erneute Beteiligung der Träger öffentlicher Belange und der Bürger um folgende Sätze 2 und 3 ergänzt: "Zulässig ist nur die Lagerung von geruchsunempfindlichen Materialien und das Abstellen von Fahrzeugen und Maschinen; betriebsfremde Personen (z.B. Kunden) dürfen keinen Zugang zu diesem Bereich erhalten; betriebsangehörige Personen (Mitarbeiter) dürfen sich nur 10% ihrer Arbeitszeit in diesem Bereich aufhalten. Innerhalb des eingeschränkten Gewerbegebietes (GEE) dürfen die in der Planzeichnung festgesetzten immissionswirksamen flächenbezogenen Schall-Leistungspegel nicht überschritten werden". Es folgen Hinweise zu der zuletzt genannten Festsetzung eines Schall-Leistungspegels. Der Rat der Antragsgegnerin beschloss nach Prüfung der eingegangenen Anregungen den angegriffenen Bebauungsplan am 13. September 2000 als Satzung. Die Bekanntmachung datiert vom 29. Dezember 2000.

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Das rechteckige, südlich der P. S. gelegene Plangebiet grenzt im Westen unmittelbar an das Flurstück der Antragstellerin zu 1. an. Im Norden schiebt sich zwischen die nördliche Grenze des Plangebietes und die P. S. der Ausläufer des Bebauungsplans Nr. 12. Im Osten wird ein Grundstücksstreifen des Bebauungsplanes Nr. 12, für den bisher eine Fläche für naturschutzrechtliche Kompensationsmaßnahmen festgesetzt war, überplant. Nach Süden öffnet sich das Plangebiet in die landwirtschaftlich genutzte freie Landschaft.

8

Für die überwiegende Fläche des Plangebietes wird eingeschränktes Gewerbegebiet festgesetzt. Zum Flurstück 4 der Antragstellerin zu 1. werden auf einem 13 m breiten und nahezu die gesamte Länge des Plangebietes von 155 m erfassenden Grundstücksbereich Flächen zum Anpflanzen von Bäumen, Sträuchern und sonstigen Bepflanzungen festgesetzt. Wie bereits ausgeführt, werden in § 1 Festsetzungen zu den Geruchsimmissionen und zum Schallschutz getroffen.

9

Zum Immissionsschutz wird in der Begründung zu dem Bebauungsplan ausgeführt: Mit der textlichen Einschränkung des GEE werde dem Gutachten der Landwirtschaftskammer zu den Geruchsimmissionen Rechnung getragen. Die auf § 1 Abs. 4 BauNVO beruhende Festsetzung schränke die Nutzung im Erweiterungsbereich ein und stelle sicher, dass es nicht zu Immissionskonflikten komme. Entwicklungshemmnisse für den benachbarten landwirtschaftlichen Betrieb (Hähnchenmastbetrieb) seien nicht gegeben, weil dieser bereits auf einen nördlich gelegenen Tischlereibetrieb Rücksicht nehmen müsse.

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Die Antragsteller haben am 8. Januar 2001 die Normenkontrolle eingeleitet. Zur Begründung tragen sie vor: In formeller Hinsicht verstoße der Bebauungsplan gegen die Verpflichtung der Gemeinde, bei Änderungen des ersten Entwurfes des Bebauungsplanes diesen erneut auszulegen. Obwohl die Antragsgegnerin aufgrund der Anregungen der Landwirtschaftskammer Weser-Ems in dem Schreiben vom 7. Juli 2000 § 1 der textlichen Festsetzungen ergänzt habe, sei eine erneute öffentliche Auslegung unterblieben. Der Bebauungsplan widerspreche dem Regionalen Raumordnungsprogramm des Landkreises Emsland von 1990, in dem das Plangebiet als Gebiet mit besonderer Bedeutung für die Landwirtschaft dargestellt werde. Der Bebauungsplan sei nicht aus dem Flächennutzungsplan entwickelt worden. Dort werde das Plangebiet nicht als gewerbliche Baufläche dargestellt. Der Plan verstoße gegen das Abwägungsgebot, weil die von dem Hähnchenmaststall ausgehenden Geruchsbeeinträchtigungen im Aufstellungsverfahren nicht durch ein Geruchsgutachten ermittelt worden seien. Nach dem Gutachten der Landwirtschaftskammer vom 28. April 1993, das dem Verfahren zur Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 12 zugrunde gelegen habe, gingen die Geruchsbelästigungen im Plangebiet über das tolerierbare Maß hinaus. Die textliche Festsetzung, dass betriebsfremde Personen das Areal nicht und betriebsangehörige Personen nur in höchstens 10% der Arbeitszeit betreten dürften, sei tatsächlich nicht einhaltbar bzw. einer Überprüfung nicht zugänglich.

11

Die Antragsteller beantragen,

den vom Rat der Antragsgegnerin am 13. September 2000 als Satzung beschlossenen Bebauungsplan Nr. 12 A " Erweiterung Gewerbegebiet P. S. " für nichtig zu erklären.

12

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

13

Sie erwidert: Nach der öffentlichen Auslegung sei die textliche Festsetzung in § 1 lediglich ergänzt und die Begründung konkretisiert worden. Das Regionale Raumordnungsprogramm des Landkreises treffe in Bezug auf die Darstellung eines Gebietes mit besonderer Bedeutung für die Landwirtschaft keine verbindliche Festlegung. Die festgesetzte Erweiterung der bereits vorhandenen gewerblichen Bauflächen um 7.000 qm stelle die Grundkonzeption des Flächennutzungsplanes wegen der geringen Größe nicht in Frage. Die Landwirtschaftskammer Weser-Ems habe die Überschreitung der tolerierbaren Geruchswahrnehmungshäufigkeit für den Fall akzeptiert, dass tatsächlich nur eine Lagerung von Baumaterialien erfolge, wie dies vorliegend der Fall sei. Nach Einschätzung der Landwirtschaftskammer sei eine gewerbsmäßige Nutzung von Flächen auch dann möglich, wenn diese zu mehr als 10% der Jahresstunden mit Geruchsimmissionen belegt seien.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Der Normenkontrollantrag der Antragsteller ist zulässig.

16

Die Antragsteller sind gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt. Die Antragstellerin zu 1. ist Eigentümerin eines landwirtschaftlichen Betriebes, dessen Hähnchenmaststall in unmittelbarer Nachbarschaft zu dem Plangebiet liegt. Ihr Interesse daran, nicht aufgrund der heranrückenden Gewerbenutzung mit immissionsschutzrechtlichen Auflagen wegen der geruchsintensiven Tierhaltung belastet zu werden, die den landwirtschaftlichen Betrieb in seinem Bestand in Frage stellen könnten, ist ein abwägungsbeachtlicher Belang. Der Vortrag des Antragstellers zu 2. geht in dieselbe Richtung. Seiner Antragsbefugnis steht nicht entgegen, dass er nur Pächter des Betriebes ist. Die Tatsache, dass eine bestimmte Grundstücksnutzung nur aufgrund eines Miet- oder Pachtvertrages ausgeübt wird, führt nicht dazu, dass die damit zusammenhängenden Interessen bei der planerischen Abwägung unberücksichtigt zu bleiben hätten (BVerwG, Urteil vom 5.11.1999 - 4 CN 3.99 -, ZfBR 2000, 193). Der Antragsteller zu 2. hat hinreichend geltend gemacht, in seinem Recht auf gerechte Abwägung dadurch verletzt zu sein, dass seine Interessen an einer ungeschmälerten Ausnutzung des vorhandenen Betriebsbestandes nicht mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Abwägung eingestellt worden seien.

17

Der Normenkontrollantrag ist begründet.

18

Der Bebauungsplan verstößt gegen das Abwägungsgebot gemäß § 1 Abs. 6 BauGB. Er ist ferner hinsichtlich § 1 Satz 2 seiner textlichen Festsetzungen mit § 1 Abs. 4 BauNVO unvereinbar. Dies führt zur Nichtigkeit des Planes.

19

Der angegriffene Plan ist nicht wegen formeller Bedenken zu beanstanden. Es ist zwar rechtswidrig, dass die Antragsgegnerin die Antragsteller nach der Änderung des ausgelegten Bebauungsplanentwurfs durch Ergänzung von § 1 der textlichen Festsetzungen in Form der Sätze 2 und 3 mit weiteren Regelungen zum Immissionsschutz nicht erneut beteiligt hat. Dieser Fehler ist aber unbeachtlich.

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Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB ist der Entwurf des Bebauungsplanes mit der Begründung auf die Dauer eines Monats öffentlich auszulegen. Wird der Entwurf nach der Auslegung geändert oder ergänzt, ist er gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 1. Halbsatz BauGB erneut auszulegen. Öffentlich ausgelegt hatte die Antragsgegnerin einen Entwurf des § 1 der textlichen Festsetzungen, innerhalb des eingeschränkten Gewerbegebietes seien Betriebe zur Produktion und zur Verarbeitung von Lebensmitteln, Geschäfts-, Büro- und Verwaltungsgebäude sowie Gebäude, in denen sich ständig Personen aufhalten (u.a. Betriebsleiterwohnungen), nicht zulässig. Die Landwirtschaftskammer Weser-Ems hat in ihren Anregungen vom 7. Juli 2000 bemängelt, dass der Entwurf die vorhandene Geruchssituation nur unzureichend berücksichtige. Eine Überschreitung der tolerierbaren Geruchswahrnehmungshäufigkeit von 10% der Jahresstunden sei nur dann zu akzeptieren, wenn der betroffene Bereich nur der Lagerung von Baumaterialien diene, betriebsfremde Personen keinen Zugang zu diesem Bereich hätten und Mitarbeiter des Betriebes sich höchstens 10% ihrer Arbeitszeit dort aufhielten. Das staatliche Gewerbeaufsichtsamt Emden hat in seinen Anregungen vom 18. Juli 2000 ausgeführt, dass mit der Erweiterung des Gewerbegebietes der ausreichende Schutz des angrenzenden Wohngebietes vor unzumutbaren Lärmimmissionen nicht sicher gestellt sei. Den vorstehenden Anregungen ist die Antragsgegnerin dadurch nachgekommen, dass sie - dem Vorschlag der Landwirtschaftskammer folgend - § 1 der textlichen Festsetzungen um einen Satz 2 ergänzt hat. Den Bedenken des Gewerbeaufsichtsamtes hat sie dadurch Rechnung getragen, dass sie in der Planzeichnung immissionswirksame flächenbezogene Schall-Leistungspegel von 65/50 dB(A)/m² Tag/Nacht für das eingeschränkte Gewerbegebiet festgesetzt und in § 1 Satz 3 der textlichen Festsetzungen ergänzend geregelt hat, dass diese Pegel nicht überschritten werden dürfen. Bei den vorstehenden Festsetzungen handelt es sich um Ergänzungen des Entwurfs, die eine erneute Auslegung erfordern, es sei denn, sie berühren nicht die Grundzüge der Planung im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 3 BauGB. Dann reichte eine Beteiligung der betroffenen Bürger gemäß § 13 Nr. 2 BauGB aus. Von dem letzteren Fall ist auszugehen.

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Die Grundzüge der Planung sind nicht berührt, wenn die Änderung oder Ergänzung der Planung das der bisherigen Planung zugrunde liegende Leitbild nicht verändert, wenn also der planerische Grundgedanke erhalten bleibt (BGH, Urt. vom 29.11.1979 - III ZR 67/78 -, DVBl. 1980, 682; Urt. des Senats vom 22.11.2001 - 1 K 595/00 -). Abweichungen von minderem Gewicht, die die Planungskonzeption des Bebauungsplanes unangetastet lassen, berühren die Grundzüge der Planung nicht. Ob eine Abweichung in diesem Sinne von minderem Gewicht ist, beurteilt sich nach dem im Bebauungsplan zum Ausdruck kommenden planerischen Willen der Gemeinde (BVerwG, Urt. vom 9.3.1990 - 8 C 76.88 -, BVerwGE 85, 66; Urt. vom 15.3.2000 - 4 B 18.00 -, NVwZ-RR 2000, 759). Nach diesen Maßstäben weicht die Antragsgegnerin von ihrem Planungskonzept durch die Ergänzungen in § 1 der textlichen Festsetzungen nur unwesentlich ab. Das, was sie eigentlich gewollt hat, nämlich die Festsetzung des eingeschränkten Gewerbegebietes, wird nicht verändert. Die Antragsgegnerin passt lediglich den Festsetzungsinhalt an, in dem sie die eingegangenen Anregungen der Landwirtschaftskammer und des Gewerbeaufsichtsamtes zum Immissionsschutz in die Planung einarbeitet. Das hinter der Planung stehende Konzept der städtebaulichen Ordnung und Entwicklung bleibt unangetastet. Zugleich räumt die Antragsgegnerin damit die von den beiden genannten Trägern öffentlicher Belange erhobenen Bedenken gegen die Planung aus.

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Allerdings hätte die Antragsgegnerin nach der Ergänzung der Festsetzungen in § 1 Sätze 2 und 3 der textlichen Festsetzungen den Antragstellern gemäß § 13 Nr. 2 BauGB Gelegenheit zur Stellungnahme geben müssen. Dies hat sie in rechtswidriger Weise nicht getan. In dem Abwägungsvorschlag unter 3. (Anregungen der Landwirtschaftskammer vom 7.7.2000) wird zwar ausgeführt, dass die betroffenen Bürger (Grundstückseigentümer) der Ergänzung der Festsetzung in § 1 Satz 2 der textlichen Festsetzungen zugestimmt bzw. keine Bedenken geäußert hätten. Der Vorgang der Antragsgegnerin enthält aber keine Hinweise darauf, dass die Antragsteller noch einmal zu der Ergänzung gehört worden sind. In ihren Anregungen vom 18. Juli 2000 bzw. 22. Juni 2000 haben sich die Antragsteller ausdrücklich gegen eine Erweiterung des vorhandenen Gewerbegebietes ausgesprochen.

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Der vorstehende Mangel, der innerhalb der Jahresfrist des § 215 Abs. 1 Halbs. 1 Nr. 1 BauGB gerügt wurde, ist unbeachtlich. Gemäß § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Halbs. 2 2. Alternative BauGB ist es für die formelle Gültigkeit eines Bebauungsplanes unbeachtlich, wenn die Gemeinde bei Anwendung des § 3 Abs. 3 Satz 3 BauGB (i.V.m. § 13 Nr. 2 BauGB) die Voraussetzungen für die Durchführung der Beteiligung nach diesen Vorschriften verkannt hat. Der Begriff des Verkennens setzt nicht voraus, dass sich die Gemeinde in den Planaufstellungsvorgängen ausdrücklich und im Einzelnen mit den Anforderungen des § 3 Abs. 3 Satz 3 i.V.m. § 13 Nr. 2 BauGB auseinandergesetzt hat. Es reicht zur Unbeachtlichkeit des Fehlers unterlassener Beteiligung vielmehr aus, wenn die Gemeinde zumindest stillschweigend angenommen hat, so verfahren zu dürfen (BVerwG, Beschl. vom 15.3.2000 - 4 B 18.00 -, a.a.O.; Urt. des Senats vom 22.11.2001 - 1 K 595/00 -). Ein derartiger Fall ist hier gegeben. Ausweislich des zitierten Abwägungsvorschlages ist die Antragsgegnerin fehlerhaft davon ausgegangen, angesichts der Ergänzung der immissionsschutzrechtlichen Festsetzungen in § 1 Sätze 2 und 3 von einer erneuten Beteiligung der Bürger absehen zu dürfen.

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Mit ihrem Vortrag, der Bebauungsplan verstoße gegen § 1 Abs. 4 BauGB, dringen die Antragsteller nicht durch. Die Festsetzung des eingeschränkten Gewerbegebietes widerspricht nicht Zielen der Raumordnung und Landesplanung. Das überwiegende Plangebiet - ausgenommen ist lediglich der östliche Grundstücksstreifen, der bereits durch den Bebauungsplan Nr. 12 überplant war - ist in dem hier maßgeblichen Regionalen Raumordnungsprogramm des Landkreises Emsland aus dem Jahre 1990 - das Regionale Raumordnungsprogramm 2000, dessen Bekanntmachung für den 14. September 2001 angekündigt war, war zum Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses noch nicht erlassen - als Fläche mit besonderer Bedeutung für die Landwirtschaft dargestellt. Die Darstellungen von Flächen mit besonderer Bedeutung sind nur als Abwägungsdirektive und nicht als Ziele der Raumordnung und Landesplanung zu charakterisieren (Urt. des Senats vom 29.8.1995 - 1 L 894/94 -, BRS 57, Nr. 273). Mit ihnen wird keine landesplanerische Letztentscheidung getroffen, so dass sie auf der Ebene der Abwägung überwindbar sind.

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Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge der Antragsteller, der angegriffene Plan genüge nicht dem Entwicklungsgebot gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB. Nach dieser Vorschrift sind Bebauungspläne aus dem Flächennutzungsplan zu entwickeln, d.h., dass durch ihre Festsetzungen die zugrunde liegenden Darstellungen des Flächennutzungsplanes konkreter ausgestaltet und damit zugleich verdeutlicht werden (BVerwG, Urt. vom 28.2.1975 - 4 C 74.72 -, BVerwGE 48, 70). Weichen Festsetzungen des Bebauungsplanes von den räumlichen oder inhaltlichen Darstellungen des Flächennutzungsplanes ab, ist der Bebauungsplan noch aus dem Flächennutzungsplan entwickelt, wenn sich die Abweichungen aus dem Übergang in eine konkrete Planungsstufe rechtfertigen und die Grundkonzeption des Flächennutzungsplans unberührt lassen (BVerwG, Urt. vom 28.2.1975 - 4 C 74.72 -, a.a.O.). Im vorstehenden Fall bestehen Bedenken, ob für den - engeren - Bereich des angegriffenen Bebauungsplans die Grundkonzeption des Flächennutzungsplans noch unangetastet bleibt, wenn die Zuordnung der Bauflächen zu den von Bebauung freizuhaltenden Gebieten, hier der gewerblichen Bauflächen zu den Flächen für die Landwirtschaft, verändert wird, obwohl die bisherige Grenze zwischen diesen Flächen an einer hinsichtlich des Immissionsschutzes sensiblen "Nahtstelle" verlief. Mit dem angegriffenen Bebauungsplan wird eine Fläche von 7.000 qm überplant, die bisher nicht als gewerbliche Baufläche, sondern als Fläche für die Landwirtschaft im Flächennutzungsplan der Samtgemeinde W. dargestellt ist. Die Samtgemeinde hat im Zuge der 46. Änderung ihres Flächennutzungsplanes bewusst darauf verzichtet, die südlich der P. S. darzustellenden gewerblichen Bauflächen in Richtung auf den Hähnchenmaststall des Antragstellers zu 2. auszuweiten. Maßgeblich für die Grenzziehung war die Einschätzung der Landwirtschaftskammer in dem Geruchsgutachten vom 28. April 1993, wonach die Geruchsschwelle außerhalb der zur Darstellung in Aussicht genommenen gewerblichen Bauflächen an 10% der Jahresstunden überschritten werde (vgl. S. 10/11 des Erläuterungsberichts zu der 46. Änderung des Flächennutzungsplanes). Es ist deshalb bedenklich, wenn diese für den fraglichen Bereich des Bebauungsplans aufgezeigte Grundkonzeption eines Abschlusses der gewerblichen Bauflächen wegen der angrenzenden emissionsträchtigen landwirtschaftlichen Betätigung aufgegeben wird. Zudem ist fraglich, ob bei einer Erweiterung der gewerblichen Nutzung von 7.000 qm noch von einer geringfügigen Verschiebung der Darstellung der bebauten und unbebauten Flächen bzw. von einer Einbeziehung von Randflächen gesprochen werden kann. Dem muss hier aber nicht weiter nachgegangen werden, weil die vorstehend näher angedeuteten Mängel gemäß § 214 Abs. 2 Nr. 2 BauGB unbeachtlich sind.

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Eine Verletzung des Entwicklungsgebotes ist nach der genannten Vorschrift unbeachtlich, wenn die sich aus dem Flächenutzungsplan ergebende geordnete städtebauliche Entwicklung nicht beeinträchtigt worden ist. Da bereits § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB bei der Frage, ob ein Abweichen noch dem Entwicklungsgebot genügt, auf die Einhaltung der Grundkonzeption des Flächennutzungsplanes abstellt, werden von § 214 Abs. 2 Nr. 2 BauGB nur die Fälle erfasst, in denen der Bebauungsplan zu stark (für seinen Bereich) vom Flächennutzungsplan abweicht, ohne jedoch die großräumige Konzeption des Flächennutzungsplanes in Frage zu stellen (Schmaltz, in: Schrödter, BauGB, 6. Aufl., 1998, § 214, Anm. 37; Bielenberg, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Loseblattsammlung, Stand: Mai 2001, § 214, Anm. 24): Es lässt sich nicht feststellen, dass die Grundkonzeption des Flächennutzungsplanes der Samtgemeinde W. für das ganze Gemeindegebiet der Antragsgegnerin bzw. für über das Bebauungsplangebiet hinausreichende Teile des Gemeindegebiets durch die Abweichung beeinträchtigt wird. Angesichts der im Gemeindegebiet der Antragsgegnerin dargestellten gewerblichen Flächen hat die hier in Abweichung von den Darstellungen des Flächennutzungsplanes überplante Fläche ein untergeordnetes Gewicht. Der Flächennutzungsplan der Samtgemeinde stellt im östlichen Bereich der Antragsgegnerin großräumig nördlich und südlich der P. S. gewerbliche Bauflächen dar. Allein die gewerblichen Bauflächen südlich der P. S. summieren sich auf 12,62 ha (6,47 ha im Bereich der 46. Änderung und 6,15 ha im Bereich der 64. Änderung des Flächennutzungsplanes). Für den größeren Raum ergeben sich auch deshalb keine nachteiligen Auswirkungen, weil das Verhältnis von gewerblichen Bauflächen und von Bebauung freizuhaltenden, der Landwirtschaft dienenden Flächen bei einer Inanspruchnahme von 7.000 qm nicht ernsthaft ins Wanken gerät.

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Der Plan verstößt gegen das Abwägungsgebot gemäß § 1 Abs. 6 BauGB, weil die von dem landwirtschaftlichen Betrieb des Antragstellers zu 2. ausgehenden Geruchsbelästigungen für die gewerbliche Nutzung im Plangebiet nur unzureichend durch die Planung der Antragsgegnerin bewältigt worden sind. Die genannte Vorschrift verpflichtet die Gemeinde, die öffentlichen und die privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Die maßgeblichen Gesichtspunkte für die Abwägung ergeben sich aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Dezember 1969 (- IV C 105.66 -, BVerwGE 34, 301, 309) [BVerwG 12.12.1969 - IV C 105/66]. Sie lassen sich wie folgt zusammenfassen: Eine sachgerechte Abwägung muss überhaupt stattfinden. In diese muss eingestellt werden, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss. Dabei darf die Bedeutung der betroffenen privaten Belange nicht verkannt und muss der Ausgleich zwischen den von der Planung betroffenen öffentlichen Belangen in einer Weise vorgenommen werden, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange im Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet. Diesen Anforderungen genügt die angegriffene Planung der Antragsgegnerin nicht.

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Die Antragsgegnerin hat erkannt, dass der Hähnchenmaststall des Antragstellers zu 2. erhebliche Geruchsbelästigungen in der Nachbarschaft verursacht. Nach dem Geruchsgutachten der Landwirtschaftskammer Weser-Ems vom 28. April 1993 überdeckt die 10% Isoplethe, die den Bereich markiert, in dem der Geruchsschwellenwert von 1 GE/m³ an mehr als 10% der Jahresstunden überschritten wird, "blasenförmig" weite Teile des Plangebiets. Mit den zur Bewältigung der vorhandenen Geruchsimmissionen getroffenen textlichen Festsetzungen in § 1 Satz 2 wird der Konflikt nicht bewältigt. Für die textliche Beschränkung, nur geruchsunempfindliche Materialien zu lagern bzw. Fahrzeuge und Maschinen abzustellen, für das Zugangsverbot an betriebsfremde Personen und für die zeitliche Beschränkung des Aufenthalts betriebsangehöriger Personen auf 10% ihrer Arbeitszeit ist eine Rechtsgrundlage nicht ersichtlich. Gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 24 BauGB können zwar Festsetzungen hinsichtlich Flächen und Vorkehrungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen getroffen werden. Unter "Vorkehrungen" sind allerdings nicht allgemeine Verhaltensanforderungen zu verstehen, wie sie in § 1 Satz 2 der textlichen Festsetzungen zum Ausdruck kommen. Vorkehrungen sind Einrichtungen baulicher oder technischer Art, die an einer baulichen oder sonstigen Anlage angebracht werden, um diese vor schädlichen Umwelteinwirkungen zu schützen oder um an der Anlage die Entstehung von schädlichen Umwelteinwirkungen zu verhindern bzw. zu mindern (Bielenberg, a.a.O., § 9, Anm. 153). Solche baulichen oder technischen Vorkehrungen werden in § 1 Satz 2 nicht festgesetzt. Die Festsetzung beschränkt sich darauf, aus Gründen des Immissionsschutzes die genannten Verbote oder Zugangsbeschränkungen festzulegen.

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Der von der Antragsgegnerin zur Begründung herangezogene § 1 Abs. 4 BauNVO rechtfertigt die Festsetzung in § 1 Satz 2 ebenfalls nicht. Mit der Formulierung in der genannten Festsetzung werden die zulässigen Gliederungsmöglichkeiten nach der genannten Vorschrift überschritten. Gemäß § 1 Abs. 4 Satz 1 BauNVO können für die in den §§ 4 bis 9 bezeichneten Baugebiete im Bebauungsplan für das jeweilige Baugebiet Festsetzungen getroffen werden, die das Baugebiet nach der Art der zulässigen Nutzung (Nr. 1), nach der Art der Betriebe und Anlagen und deren besonderen Bedürfnissen und Eigenschaften (Nr. 2) gliedern. Die textliche Festsetzung in § 1 Satz 2 gliedert das eingeschränkte Gewerbegebiet nicht nach der Art der Nutzung gemäß § 1 Abs. 4 Nr. 1 BauNVO. Unter "Nutzungen" sind die einzelnen Nutzungen zu verstehen, wie sie in den Absätzen 2 der bezeichneten Baugebietsvorschriften aufgezählt sind, und zwar nicht die in einer Nummer der jeweiligen Baugebietsvorschrift zusammengefassten Nutzungen "en bloc", sondern jede innerhalb der Nummern genannte Nutzungsart für sich genommen (Roeser, in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 1. Aufl., 1999, § 1, Anm. 51). § 1 Satz 2 der textlichen Festsetzungen in dem angegriffenen Bebauungsplan stellt nicht auf allgemein oder ausnahmsweise zulässige Nutzungen im Gewerbegebiet ab, sondern schränkt die Möglichkeit einer Nutzung als Lagerplatz weitergehend ein, in dem nur die Lagerung geruchs-unempfindlicher Materialien und das Abstellen von Fahrzeugen und Maschinen zugelassen wird. Das Verbot des Zugangs für Kunden und die zeitliche Beschränkung des Zutritts für Betriebsangehörige bezieht sich nicht auf eine bestimmte Art der Nutzung.

30

Mit § 1 Satz 2 der textlichen Festsetzungen wird das eingeschränkte Gewerbegebiet auch nicht nach den besonderen Bedürfnissen der Betriebe und Anlagen gegliedert. § 1 Abs. 4 BauNVO erfasst nur objektiv bestimmbare Typen von Nutzungen, Betrieben und Anlagen (Roeser, a.a.O., § 1 Anm. 49). Das Merkmal der "besonderen Bedürfnisse" bezieht sich deshalb nicht auf die Interessen eines einzelnen, konkreten Betriebes oder einer Anlage, die im Baugebiet liegen oder sich dort ansiedeln wollen. Es handelt sich vielmehr um betriebs- und anlagenspezifische Anforderungen, die für eine bestimmte Art von Betrieben und Anlagen kennzeichnend sind. Objektiv notwendig sein kann danach zum Beispiel die Festsetzung, mit der ein Unternehmen, das hochwertige optische Geräte herstellt, verpflichtet wird, an einem durch Staubimmissionen vorbelasteten Standort Schutzfilter in seine betrieblichen Anlagen einzubauen. Diesen Bereich einer zulässigen Gliederung verlässt die Antragsgegnerin, in dem sie auf die betriebliche "Empfindsamkeit" des konkret vorhandenen gewerblichen Betriebes abstellt. Der Betrieb der Beigeladenen beansprucht nur deshalb hinsichtlich der zukünftigen Lagerfläche Schutz vor den Geruchsbelästigungen des landwirtschaftlichen Betriebes des Antragstellers zu 2., weil er (zufällig) in dem Bereich liegt, der von der 10% Isoplethe des Betriebes des Antragstellers überwiegend überlagert wird. Objektive Gründe, die eine Festsetzung des getroffenen Inhalts für Lagerplätze von Baumaterialien und Baustoffen erfordern, sind nicht ersichtlich.

31

§ 1 Satz 2 der textlichen Festsetzungen ist auch unvereinbar mit § 1 Abs. 4 Nr. 2 3. Alternative BauNVO. Die Gliederungsmöglichkeit nach den besonderen Eigenschaften der Betriebe und Anlagen dient in besonderem Maße dem Umwelt- und Immissionsschutz. Deshalb gehört zu den besonderen Eigenschaften in erster Linie die Umweltverträglichkeit der Betriebe und Anlagen. Ein Baugebiet kann deshalb nach dem Emissionsverhalten der in ihm ansässigen oder anzusiedelnden Betriebe und Anlagen gegliedert werden (vgl. z.B. zum immissionswirksamen flächenbezogenen Schall-Leistungspegel: BVerwG, Beschl. vom 18.12.1990 - 4 NB 6.88 -, BRS 50 Nr. 25). Mit der Anknüpfung an das Emissionsverhalten der Betriebe und Anlagen wird deutlich, dass die Vorschrift nur Betriebe und Anlagen in dem Baugebiet erfasst. Es liegt auf der Hand, dass Festsetzungen eines Bebauungsplanes, die das Emissionsverhalten von Betrieben und Anlagen steuern sollen, die außerhalb des Baugebietes liegen, ins Leere gehen. Mit der Festsetzung in § 1 Satz 2 knüpft die Antragsgegnerin an das Emissionsverhalten des landwirtschaftlichen Betriebes des Antragtragstellers zu 2. an. Dessen Hähnchenmaststall liegt außerhalb des Plangebiets und ist deshalb hinsichtlich der von ihm für das Plangebiet ausgehenden Geruchsbelästigungen nicht einer Festsetzung für das Baugebiet zugänglich. Die Festsetzung in § 1 Satz 2 spiegelt lediglich ein tatsächlich vorhandenes Immissionsgeschehen wieder, nämlich den Umstand, dass der Geruchsschwellenwert im überwiegenden Planbereich an mehr als 10% der Jahresstunden überschritten wird.

32

Die textliche Festsetzung in § 1 Satz 2 verletzt weiterhin das Abwägungsgebot, weil der Regelungsinhalt in Bezug auf das Betretungsverbot für betriebsfremde Personen und die Beschränkung des Zugangs für Mitarbeiter nicht vollzugsfähig ist und deshalb schon nicht geeignet ist, den dargelegten Immissionskonflikt zu schlichten. Das eingeschränkte Gewerbegebiet soll als Lagerplatz für geruchsunempfindliche Baumaterialien und Baustoffe dienen. Es müssen also Baumaterialien und Baustoffe angeliefert und abgeholt werden. Diese Transporte können nicht durchgeführt werden, weil betriebsfremden Personen., also auch Anlieferern und Kunden, der Zutritt zu dieser Fläche nach § 1 Satz 2 der textlichen Festsetzungen nicht gestattet ist. Es ist auch nicht überprüfbar, dass sich betriebsangehörige Personen nur in dem Umfang von 10% ihrer Arbeitszeit auf dem Gelände aufhalten. Weder die Antragsgegnerin noch die Bauaufsichtsbehörde könnten verlässlich ermitteln, ob die Mitarbeiter der Beigeladenen ihr für den Aufenthalt auf der Lagerfläche verfügbares Zeitkontingent eingehalten oder bereits überschritten haben. Unklar bleibt ferner, ob die Festsetzung an die regelmäßige Arbeitszeit anknüpft oder auch Überstunden berücksichtigt. Die Antragsgegnerin hat auch nicht nachvollziehbar erläutert, warum die zeitliche Dauer des Aufenthalts auf 1/10 der Arbeitszeit begrenzt ist, während das Geruchsgutachten der Landwirtschaftskammer Weser-Ems vom 28. April 1993 mit der Darstellung einer 10% Isoplethe den Bereich bezeichnet, in dem die Geruchswahrnehmungsschwelle an mehr als 10% der Jahresstunden überschritten wird.

33

Die vorstehenden Fehler führen zur Nichtigkeit des Bebauungsplanes. Die inhaltlichen Mängel sind nach Art und Schwere nicht durch ein ergänzendes Verfahren behebbar (vgl. § 215 a Abs. 1 Satz 1 BauGB). Die Problematik landwirtschaftlicher Gerüche ist selbst bei Einbeziehung des Flurstücks 4 der Antragstellerin zu 1. in das Plangebiet nicht durch eine textliche Festsetzung des getroffenen Inhalts zu bewältigen. Dem steht entgegen, dass § 1 Satz 2 der textlichen Festsetzungen nach den vorstehenden Ausführungen nicht vollzugsfähig ist.

34

Die Nichtigkeit des Bebauungsplans ist auch nicht beschränkt auf § 1 Satz 2 der textlichen Festsetzungen auszusprechen. Mit der verbleibenden textlichen Festsetzung, insbesondere mit Satz 1, der innerhalb des eingeschränkten Gewerbegebietes Betriebe zur Produktion und zur Verarbeitung von Lebensmitteln, Geschäfts-, Büro- und Verwaltungsgebäude sowie Gebäude, in denen sich ständig Personen aufhalten, ausschließt, bliebe der aufgezeigte Immissionskonflikt in Bezug auf die landwirtschaftlichen Gerüche, die von den dem Hähnchenmaststall ausgehen, unbewältigt. Ein solcher Plan könnte den Anforderungen nach § 1 BauGB, eine sinnvolle städtebauliche Ordnung unter Ausgleich der widerstreitenden Interessen zu bewirken, nicht gerecht werden. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass der Rat der Antragsgegnerin nach seinem im Planverfahren zum Ausdruck gekommenen Willen einen Bebauungsplan dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte.

35

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.

36

Die Beteiligung der Beigeladenen am Verfahren beruht auf § 47 Abs. 2 Satz 4 VwGO in der Fassung des Gesetzes zur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I 2001, 3987). Diese Vorschrift ist am 1. Januar 2002 in Kraft getreten. Eine Erstattungsfähigkeit der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen ist zu verneinen, weil sie einen Antrag nicht gestellt und außerdem erfolglos auf der Seite der Antragsgegnerin gestritten hat.

37

Die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO (i.d.F. von Art. 2 Nrn. 90 a und b des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses vom 27.7.2001, BGBl. I, S. 1887).

38

Gründe für eine Zulassung der Revision sind nicht gegeben.

39

Beschluss

40

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 25.564,59 EUR (= 50.000,-- DM) festgesetzt.

Schmaltz
Claus
Muhsmann