Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 23.01.2002, Az.: 8 LA 723/01

Ausnahmebewilligung; Ausnahmefall; Handwerksrolle

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
23.01.2002
Aktenzeichen
8 LA 723/01
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 42117
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 12.12.2000 - AZ: 12 A 4609/99

Gründe

1

Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg, weil der vom Kläger geltend gemachte Berufungszulassungsgrund ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht vorliegt.

2

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass der Kläger keinen Anspruch auf die von ihm beantragte Ausnahmebewilligung für die Eintragung in die Handwerksrolle für das Parkettlegerhandwerk beschränkt auf das Abschleifen und Versiegeln von Parkettböden und die Verlegung bzw. Verklebung einfacher Parkettböden habe. Zum einen deckten die genannten Tätigkeiten fast das gesamte Parkettlegerhandwerk ab, so dass eine Ausnahmebewilligung, die auf einen wesentlichen Teil der Tätigkeit beschränkt sei, nach § 8 Abs. 2 HwO nicht erteilt werden könne. Zum anderen liege der nach § 8 Abs. 1 HwO erforderliche Ausnahmefall nicht vor, weil die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Sätze 2 und 3 HwO nicht erfüllt seien. Die Ablegung der Meisterprüfung würde für den Kläger insbesondere keine unzumutbare Belastung im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 2 HwO bedeuten, da die Belastungen familiärer, zeitlicher und finanzieller Art, die für ihn mit der Vorbereitung und Ablegung der Meisterprüfung im Parkettlegerhandwerk verbunden wären, den Kläger nicht härter als andere Bewerber um den Meisterbrief treffen würden und sich im Rahmen dessen hielten, was einem Bewerber für den Meisterbrief allgemein zugemutet werden dürfe.

3

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der letztgenannten Begründung, die das Urteil des Verwaltungsgerichts selbständig trägt, bestehen entgegen der Annahme des Klägers nicht.

4

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 HwO ist eine Bewilligung zur Eintragung in die Handwerksrolle nur in Ausnahmefällen zu erteilen. Ein Ausnahmefall liegt nach § 8 Abs. 1 Satz 2 HwO vor, wenn die Ablegung der Meisterprüfung für den Antragsteller zum Zeitpunkt der Antragstellung oder danach eine unzumutbare Belastung bedeuten würde. Da die Meisterprüfung durch die Zulassungsvoraussetzungen mehrjähriger Ausbildungs- und Berufsausübungszeiten und durch die Förmlichkeit des Prüfungsverfahrens geprägt ist, ist ein Ausnahmefall im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 2 HwO dadurch gekennzeichnet, dass der von der Handwerksordnung vorgeschriebene Weg zur Erlangung des Meisterbriefs für den Antragsteller zu einer im Verhältnis zu der Vielzahl anderer Bewerber um den Meisterbrief übermäßigen Belastung führt (BVerwG, Urt. v. 29.8.2001 - 6 C 4.01 - GewArch 2001 S. 479, 481). Da die Belastung angesichts der Möglichkeit der Förderung der beruflichen Ausbildung durch öffentliche Mittel im Allgemeinen nicht in der Tragung der für den Erwerb des Meistertitels aufzubringenden Kosten liegt, sind regelmäßig nur die Fälle relevant, in denen die mehrjährige Ausbildung als solche und dabei namentlich die unmittelbare Vorbereitung auf die Meisterprüfung oder die Förmlichkeit der Prüfungssituation den Antragsteller mehr als die Vielzahl anderer Bewerber belastet (BVerwG, a.a.O.). Diese Belastung muss von einigem Gewicht sein, damit die Ausnahmebewilligung nicht als gleichwertige Alternative zum Meisterbrief erscheint, was sie nicht ist (BVerwG, a.a.O.).

5

Gemessen daran liegt hier kein Ausnahmefall im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 2 HwO vor. Dass der Kläger seiner Ehefrau und drei minderjährigen Kindern unterhaltspflichtig ist, bedeutet nicht, dass ihn die Ausbildung und die Vorbereitung auf die Meisterprüfung mehr als die Vielzahl anderer Bewerber um den Meisterbrief belastet. Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem Fall, in dem der Kläger eine Familie mit sechs minderjährigen Kindern zu unterhalten hatte, entschieden, dass selbst eine überdurchschnittliche Familiengröße nicht ohne weiteres einen Ausnahmefall begründet (BVerwG, a.a.O.). Eine unzumutbare Belastung ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger nicht nur den mit der Ablegung der Meisterprüfung verbundenen zeitlichen und finanziellen Aufwand betreiben, sondern auch eine Ausbildung im Parkettlegerhandwerk und die Gesellenprüfung absolvieren müsste. Der Kläger hat zwar behauptet, dass seine wirtschaftliche Existenz in diesem Fall vernichtet würde, weil er auf Jahre hinaus keiner vollschichtigen Erwerbstätigkeit nachgehen könnte. Die zeitliche und finanzielle Belastung wäre für ihn aber nicht größer als für die Mehrheit der Handwerker, die den Meisterbrief anstreben. Dass der Kläger während der Ausbildungs- und Prüfungszeit nicht wie in der Vergangenheit selbständig erwerbstätig sein kann und daher möglicherweise finanzielle Einbußen hinnehmen muss, ändert an der Zumutbarkeit der Belastung nichts, zumal er die Erwerbstätigkeit als Parkettleger unter Verstoß gegen § 1 Abs. 1 Satz 1 HwO und damit unerlaubt ausgeübt hat. Schließlich begründet auch der Umstand, dass der Kläger eine Ausnahmebewilligung zur Eintragung in die Handwerksrolle nur für einen Teilbereich des Parkettlegerhandwerks begehrt, keinen Ausnahmefall im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 2 HwO, weil dieser Umstand es dem Kläger nicht unzumutbar macht, den regelmäßigen Weg zur Eintragung in die Handwerksrolle, der die Nachholung der Gesellenprüfung sowie die Vorbereitung auf die Meisterprüfung einschließt, zu beschreiten.

6

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Es entsprach nicht der Billigkeit, dem Kläger als dem Unterliegenden auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, weil die Beigeladene keinen Antrag gestellt und sich daher keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat.

7

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 14, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.

8

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 5 Abs. 2 Satz 3 GKG).