Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 10.01.2002, Az.: 8 LA 493/01

diabetes mellitus; Insulin; Kosovo; Kosten; Medikamente

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
10.01.2002
Aktenzeichen
8 LA 493/01
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 42116
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 05.12.2001 - AZ: 13 A 5091/00

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Versorgung von Diabetikern mit Insulin ist im Kosovo gewährleistet

Gründe

1

Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungszulassungsverfahren ist unbegründet, weil die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i. V. m. § 114 ZPO).

2

Ihr Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, da die geltend gemachten Zulassungsgründe des § 78 Abs. 3 Nr. 1 und 3 AsylVfG nicht vorliegen.

3

Eine Rechtssache ist nur dann im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG grundsätzlich bedeutsam, wenn sie eine höchstrichterlich oder obergerichtlich bislang nicht beantwortete Frage rechtlicher oder tatsächlicher Art von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die im Rechtsmittelzug entscheidungserheblich ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts einer fallübergreifenden Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf und zugänglich ist (vgl. GK-AsylVfG, § 78 Rn. 88 ff., m.w.N.; Hailbronner, Ausländerrecht, Komm., § 78 AsylVfG Rn. 140 ff., m.w.N.). Eine derartige Frage wirft die Rechtssache der Klägerin indessen nicht auf. Die Tatsachenfragen, die die Klägerin bezeichnet hat, bedürfen nämlich keiner Klärung in einem Berufungsverfahren, weil sie teilweise nicht entscheidungserheblich sind und sich im übrigen anhand des zur Verfügung stehenden Erkenntnismaterials ohne weiteres beantworten lassen.

4

Die Frage, ob die lebensnotwendige Versorgung von Diabetikern mit Insulin im Kosovo derzeit gewährleistet ist, ist nach dem Erkenntnismaterial eindeutig zu bejahen. Das Auswärtige Amt hat dem Verwaltungsgericht Köln am 5. September 2000 mitgeteilt, dass die Behandlung von diabetes mellitus mit Insulin im Kosovo möglich ist. Der Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Verwaltungsgericht Sigmaringen vom 16. Mai 2001 ist ebenfalls zu entnehmen, dass eine Diabetes-Behandlung in Prishtina möglich ist und die dazu erforderlichen Medikamente, insbesondere Insulin, dort erhältlich sind. Des weiteren hat der UNHCR dem Verwaltungsgericht Ansbach am 16. Januar 2001 die Auskunft erteilt, dass Insulin zu den Medikamenten gehört, die ausweislich einer Auflistung des UNMIK Department of Health and Social Welfare vom Juni 2000 im Kosovo verfügbar sind. Diese Medikamente werden nach der dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg erteilten Auskunft des Auswärtigen Amts vom 4. Januar 2001 u. a. in staatlichen Apotheken ausgegeben. Diese Angaben werden durch die Auskunft des ICMPD-IOM Kosovo Information Project vom 22. März 2001 an das Verwaltungsgericht Münster (G 3178) bestätigt; danach ist Insulin auch in der Apotheke des allgemeinen Krankenhauses in Peja, in der staatlichen Apotheke Peja und in der Privatapotheke " Altoni " in Peja in ausreichenden Mengen erhältlich. Demnach ist ohne weiteres davon auszugehen, dass die Versorgung von Diabetikern mit Insulin im Kosovo - auch außerhalb der Universitätsklinik von Prishtina - gewährleistet ist. Da diabetes mellitus nach dem Erkenntnismaterial in Prishtina behandelt werden kann, besteht auch kein Grund für die Annahme, dass die für die Blutzuckertests erforderlichen Teststreifen im Kosovo nicht verfügbar sind.

5

Die weitere Frage, ob Diabetikern in der Universitätsklinik von Prishtina Insulin kostenfrei oder gegen Zahlung eines erschwinglichen Geldbetrages zur Verfügung gestellt wird, verleiht der Rechtssache der Klägerin ebenfalls keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie nicht entscheidungserheblich ist. Ob im Falle der Klägerin ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG vorliegt, ist nicht davon abhängig, dass sie gerade in der Universitätsklinik von Prishtina Insulin kostenlos oder gegen ein erschwingliches Entgelt erhalten kann. Abgesehen davon ist die Frage ohne weiteres zu bejahen, da der Auskunft des ICMPD - IOM Kosovo Information Project an das Verwaltungsgericht Sigmaringen vom 8. Mai 2001 (G 5186 f.) zu entnehmen ist, dass alle Behandlungen des klinischen Zentrums der Universität Prishtina kostenlos sind und Medikamente nicht bezahlt werden müssen. Das Schweizerische Bundesamt für Flüchtlinge hat in seinem Themenpapier "Kosovo, Medizinische Versorgung, Ergänzungen und Aktualisierungen" vom 12. Juni 2000 ferner darauf hingewiesen, dass Patienten mit chronischen Krankheiten, die einer dauerhaften medizinischen Betreuung bedürfen, von einer Beteiligung an den Kosten ihrer medizinischen Versorgung grundsätzlich ausgenommen sind.

6

Die Berufung kann schließlich auch nicht wegen der von der Klägerin gerügten Versagung rechtlichen Gehörs nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG zugelassen werden. Dabei kann dahinstehen, ob die Klägerin ihren Zulassungsantrag überhaupt auf diesen nur am Rande erwähnten Zulassungsgrund stützt. Sie hat nämlich nicht dargelegt, dass das Verwaltungsgericht ihr tatsächlich rechtliches Gehör versagt hat. Das Recht auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Als Prozessgrundrecht soll es sicherstellen, dass die gerichtliche Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und mangelnder Berücksichtigung des Sachvortrags der Beteiligten haben (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.6.1985 - 1 BvR 933/84 - BVerfGE 70, 215; BVerwG, Beschl. v. 25.9.1998 - 3 B 113.98 - m. w. N.). Da grundsätzlich davon auszugehen ist, dass das Gericht seiner diesbezüglichen Verpflichtung nachkommt, ist eine Verletzung rechtlichen Gehörs allerdings nur dann anzunehmen, wenn besondere Umstände des Einzelfalls deutlich machen, dass dies wider Erwarten nicht geschehen ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 1.2.1998 - 1 BvR 426/77 - BVerfGE 47, 182 [BVerfG 01.02.1978 - 1 BvR 411/75] (187)). Das Vorliegen derartiger Umstände hat die Klägerin jedoch nicht dargetan. Ihre diesbezüglichen Ausführungen erschöpfen sich in der Behauptung, dass nicht nachvollziehbar sei, wie das Verwaltungsgericht trotz ihres Vortrags und des von ihr überreichten Erkenntnismaterials zu dem Ergebnis gelangen konnte, dass Insulin im Kosovo verfügbar sei. Damit hat die Klägerin aber nicht dargelegt, welche besonderen Umstände ihres Falles deutlich machen, dass das Verwaltungsgericht die tatsächlichen Verhältnisse aufgrund des zur Verfügung stehenden Erkenntnismaterials nicht nur anders bewertet, sondern ihre Ausführungen wider Erwarten noch nicht einmal zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat.

7

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2 VwGO, 83 b Abs. 1 AsylVfG, die Festsetzung des Gegenstandswerts auf § 83 b Abs. 2 AsylVfG.

8

Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar.