Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 14.01.2002, Az.: 1 L 4005/00

Baugenehmigung; bauliche Nutzung; Freistellung; Genehmigungsvorbehalt; Verkehrsfläche; vorhabenbezogener Bebauungsplan; Wohnbauvorhaben; Überbaubarkeit

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
14.01.2002
Aktenzeichen
1 L 4005/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 43976
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 22.08.2000 - AZ: 2 A 92/00

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Freistellung vom Genehmigungsvorbehalt nach § 69a NBauO gilt auch für Vorhaben im Geltungsbereich von vorhabenbezogenen Bebauungsplänen, die mit der Festsetzung von Art und Maß der baulichen Nutzung, der überbaubaren Grundstücksflächen und der örtlichen Verkehrsflächen die Voraussetzungen eines qualifizierten Bebauungsplans nach § 30 Abs. 1 BauGB erfüllen.

Tatbestand:

I.

1

Die Beteiligten streiten darum, ob die Errichtung von Reihenhäusern im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes nach § 69 a NBauO genehmigungsfrei ist.

2

Die Gemeinde B. hat - unter Mitwirkung der Klägerin als Vorhabenträger - den vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 30 -I. K.- am 18. März 1999 als Satzung beschlossen und am 22. März 1999 bekannt gemacht. Der Bebauungsplan setzt das gesamte Plangebiet als allgemeines Wohngebiet fest und enthält weiter Festsetzungen der Grundflächenzahl (0,25), der Zahl der Vollgeschosse (II), der überbaubaren Grundstücksflächen durch Baugrenzen und der öffentlichen Verkehrsflächen.

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Nachdem die Klägerin dem Beklagten die Errichtung von 14 Reihenhäusern mitgeteilt hatte, wies der Beklagte diese Mitteilung zurück, weil Wohngebäude geringer Höhe nach § 69 a NBauO nur im Geltungsbereich von Bebauungsplänen nach § 30 Abs. 1 BauGB ohne Baugenehmigung errichtet werden dürften und nicht im Geltungsbereich vorhabenbezogener Bebauungspläne. Nachdem der Beklagte mit Bescheid vom 4. Februar 2000 die Aufnahme von Bauarbeiten vor der Erteilung einer Baugenehmigung untersagt hatte, hat die Klägerin um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Auf Vorschlag des Verwaltungsgerichts haben die Beteiligten das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes mit einem Vergleich abgeschlossen. Der Beklagte hat die sofortige Vollziehung der Baueinstellungsverfügung aufgehoben. Die Klägerin hat sich verpflichtet, die Unterlagen nach § 69 a NBauO vorzulegen und die Frage der Genehmigungsfreiheit durch Feststellungsklage klären zu lassen. Für den Fall, dass § 69 a NBauO im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes nicht anwendbar ist, hat die Klägerin sich verpflichtet, die Baugenehmigung zu beantragen.

4

Die Klägerin hat dementsprechend am 12. April 2000 Klage erhoben und vorgetragen, der vorhabenbezogene Bebauungsplan, in dessen Geltungsbereich das Bauvorhaben liege, enthalte alle Festsetzungen eines qualifizierten Bebauungsplanes im Sinne des § 30 Abs. 1 BauGB. Auch ein vorhabenbezogener Bebauungsplan sei unter diesen Umständen ein Bebauungsplan im Sinne des § 30 Abs. 1 BauGB. Aus § 30 Abs. 2 BauGB ergebe sich nichts Gegenteiliges, weil diese Bestimmung die alleinige Maßgeblichkeit des vorhabenbezogenen Bebauungsplanes nur für die Fälle festlege, in denen der vorhabenbezogene Bebauungsplan nicht alle Festsetzungen eines qualifizierten Bebauungsplanes enthalte. § 69 a NBauO erwähne nur § 30 Abs. 1 BauGB, weil § 30 Abs. 2 BauGB erst später mit dem BauROG eingeführt worden sei. Da § 7 BauGB-MaßnG, der den Vorhaben- und Erschließungsplan geregelt habe, bis 31. Dezember 1997 befristet gewesen sei, habe § 69 a NBauO nicht auf ein auslaufendes Modell Bezug genommen. Die Formulierungsunterschiede in § 30 Abs. 1 und 2 BauGB seien ohne Bedeutung.

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Die Klägerin hat beantragt,

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festzustellen, dass ihr Bauvorhaben, welches Gegenstand der Baueinstellungsverfügung des Beklagten vom 4. Februar 2000 gewesen ist, keiner Baugenehmigung bedarf.

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Der Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er hat erwidert, die Genehmigungsfreiheit nach § 69 a NBauO sei auf den Geltungsbereich von Bebauungsplänen im Sinne des § 30 Abs. 1 BauGB beschränkt. Der vorhabenbezogene Bebauungsplan sei kein qualifizierter Bebauungsplan im Sinne des § 30 Abs. 1 BauGB, sondern nur ein Unterfall des Bebauungsplanes. Das spiegele auch die Überschrift des § 12 BauGB "Vorhaben- und Erschließungsplan" wider. Zur Zeit der Einführung des § 69 a NBauO habe es den Vorhaben- und Erschließungsplan in § 7 BauGB-MaßnG schon gegeben, der materiell unverändert in § 12 BauGB übernommen worden sei. Auch die Überlegung, dass ein Vorhaben- und Erschließungsplan, der nicht innerhalb der im Durchführungsvertrag bestimmten Frist durchgeführt worden ist, nach § 12 Abs. 6 aufgehoben werden solle, spreche gegen die Anwendung des § 69 a NBauO im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes, weil damit die bis dahin nach § 69 a NBauO ausgeführten Arbeiten jeden Schutzes entbehrten. Der eindeutige Wortlaut des § 69 a NBauO verbiete eine erweiternde Auslegung.

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Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 22. August 2000 die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, Sinn und Zweck der Regelung des § 69 a NBauO, die Entlastung der Baugenehmigungsbehörden, die Beschleunigung von Bauvorhaben und die kostenmäßige Entlastung der Bauherrn, legten trotz gewisser Unterschiede zwischen dem vorhabenbezogenen Bebauungsplan und dem "normalen Bebauungsplan" die Freistellung vom Genehmigungsvorbehalt nach § 69 a NBauO auch im Geltungsbereich vorhabenbezogener Bebauungspläne nahe. Der Wortlaut des § 69 a NBauO schließe mit seiner Bezugnahme allein auf § 30 Abs. 1 BauGB jedoch eine erweiternde Auslegung aus. Die Regelung des Vorhaben- und Erschließungsplanes sei bereits in § 7 BauGB-MaßnG in der Fassung vom 28. April 1993 (BGBl. I, S. 622) enthalten gewesen, so dass die Regelung des § 69 a NBauO als bewusste Entscheidung des Landesgesetzgebers gedeutet werden müsse. Auch der Vergleich mit Art. 70 BayBO und § 67 BauONW sprächen gegen eine erweiternde Auslegung.

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Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat mit Beschluss vom 21. November 2000 zugelassene Berufung der Klägerin. Sie trägt vor, das Verwaltungsgericht habe übersehen, dass ein Regelungsgegenstand in verschiedenen Normen geregelt werden könne, ohne dass dies zu einer einschränkenden Auslegung der Art zwinge, dass ein Regelungsgegenstand, der unter die eine Norm falle, nicht in den Anwendungsbereich der anderen Norm fallen könne. Ein vorhabenbezogener Bebauungsplan, der die in § 30 Abs. 1 BauGB genannten Festsetzungen enthalte, falle sowohl unter § 30 Abs. 1 BauGB als auch unter § 30 Abs. 2 BauGB. Da sowohl § 30 Abs. 1 BauGB als auch § 30 Abs. 2 BauGB trotz geringfügiger Unterschiede in der Formulierung dieselbe Rechtsfolge anordneten, nämlich die Zulässigkeit eines Vorhabens nur von der Übereinstimmung mit dem Bebauungsplan abhängig machten, gebe es keinen Anlass zu einer einschränkenden Auslegung dahingehend, dass ein Bebauungsplan nur entweder unter § 30 Abs. 1 oder unter § 30 Abs. 2 BauGB fallen könne. Ein vorhabenbezogener Bebauungsplan, der alle Festsetzungen nach § 30 Abs. 1 BauGB enthalte, sei daher ein "echter" Bebauungsplan im Sinne des § 30 Abs. 1 BauGB.

12

Die Klägerin beantragt,

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unter Änderung des angefochtenen Urteils nach dem Klageantrag zu erkennen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Berufung der Klägerin zurückzuweisen

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und nimmt auf die Begründung des angefochtenen Urteils Bezug. Die Anwendbarkeit des § 69 a NBauO auf vorhabenbezogene Bebauungspläne sei durch den eindeutigen Wortlaut der Bestimmung, die nur auf § 30 Abs. 1 und nicht auf § 30 Abs. 2 BauGB Bezug nehme, ausgeschlossen.

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Wegen des weiteren Vorbringens und des Sachverhalts im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

II.

18

Die zulässige Berufung der Klägerin hat Erfolg. Die Klägerin hat Anspruch auf die Feststellung, dass ihr Bauvorhaben im Geltungsbereich des vorhabenbezogenen Bebauungsplanes Nr. 30 keiner Baugenehmigung bedarf.

19

Nach § 69 a NBauO, der durch das 7. Änderungsgesetz zur NBauO vom 15. Juni 1995 (NdsGVBl. S. 158) eingeführt worden ist, bedürfen bestimmte Wohnbauvorhaben in Baugebieten, die ein Bebauungsplan im Sinne des § 30 Abs. 1 BauGB als Kleinsiedlungsgebiet oder als reines, allgemeines oder besonderes Wohngebiet festsetzt, unter weiteren Voraussetzungen keiner Baugenehmigung. Anders als zum Beispiel Art. 70 BayBO 1994 und § 67 BauONW 1995 erstreckt § 69 a NBauO die Freistellung vom Genehmigungsvorbehalt nicht auf Vorhaben- und Erschließungspläne, die im Zeitpunkt des Erlasses des 7. Änderungsgesetzes zur NBauO in § 7 BauGB-MaßnG besonders geregelt waren. Die Übernahme des Vorhaben- und Erschließungsplanes in das BauGB und die Fortentwicklung der städtebaulichen Satzung nach § 7 BauGB-MaßnG zum vorhabenbezogenen Bebauungsplan (vgl. Begründung des Regierungsentwurfes, BT-Drs. 13/6392 S. 51: - Unterfall des Bebauungsplanes-) haben jedoch insofern eine Änderung bewirkt, als nunmehr ein vorhabenbezogener Bebauungsplan auch ein Bebauungsplan im Sinne des § 30 Abs. 1 BauGB sein kann und damit auch in seinem Geltungsbereich eine Freistellung vom Genehmigungsvorbehalt möglich ist.

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Nach § 7 BauGB-MaßnG war die Satzung über den Vorhaben- und Erschließungsplan bis zum 31. Dezember 1997 als besondere städtebauliche Satzung ausgestaltet, auf die bestimmte Regelungen der Bauleitplanung anzuwenden waren. Nach § 7 Abs. 2 BauGB-MaßnG musste die Satzung mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung, insbesondere mit § 1 Abs. 3 bis 6 BauGB vereinbar sein und war aus dem Flächennutzungsplan zu entwickeln. § 7 Abs. 3 BauGB-MaßnG sah eine entsprechende Anwendung von Verfahrensvorschriften des BauGB über das Bauleitplanverfahren vor und regelte in Absatz 4 die Zulässigkeit von Vorhaben im Gebiet der Satzung eigenständig. Mit dem BauROG hat der Gesetzgeber den vorhabenbezogenen Bebauungsplan als vollzugsorientiertes Instrument der Bauleitplanung als Dauerrecht übernommen und als "Unterfall" des Bebauungsplanes geregelt. Auch wenn das BauGB 1998 die materiellen Besonderheiten - insbesondere Durchführungsverpflichtung für ein konkretes Vorhaben, Antrag des Vorhabenträgers, keine Bindung an den Festsetzungskatalog des § 9 BauGB - beibehalten hat, gelten für den vorhabenbezogenen Bebauungsplan die allgemeinen Voraussetzungen für Bebauungspläne, so dass § 12 BauGB keine Regelungen der allgemeinen Anforderungen (§§ 1, 1 a, 8) und des Verfahrens (§§ 2 ff, 10) mehr enthält. Auch die Regelung der Zulässigkeit von Vorhaben im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes in § 30 Abs. 2 BauGB unter der Überschrift "Zulässigkeit von Vorhaben im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes" macht deutlich, dass der vorhabenbezogene Bebauungsplan ein Unterfall des Bebauungsplanes ist.

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Mit der Bezugnahme auf § 30 Abs. 1 BauGB setzt § 69 a NBauO voraus, dass das Baugrundstück im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes liegt, "der ... mindestens Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält". Nur im Geltungsbereich qualifizierter Bebauungspläne sind die wesentlichen planungsrechtlichen Kriterien der Zulässigkeit so klar und eindeutig festgelegt, dass auf eine präventive Kontrolle verzichtet werden kann. Im Geltungsbereich einfacher Bebauungspläne, die nicht alle Mindestvoraussetzungen des § 30 Abs. 1 BauGB erfüllen, richtet sich die Zulässigkeit von Vorhaben nach § 30 Abs. 3 BauGB im Übrigen nach § 34 oder § 35 BauGB. Die Beurteilung eines Vorhabens nach diesen Vorschriften ist von unbestimmten Rechtsbegriffen abhängig und daher keineswegs so eindeutig möglich wie nach den Festsetzungen eines Bebauungsplanes nach § 30 Abs. 1 BauGB.

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Der vorhabenbezogene Bebauungsplan nach § 12 BauGB stellt - im Gegensatz zum Vorhaben- und Erschließungsplan nach § 7 BauGB-MaßnG - einen echten Bebauungsplan dar, auch wenn für ihn Sonderregelungen gelten. Diese Sonderregelungen lassen unberührt, dass der vorhabenbezogene Bebauungsplan "Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die öffentlichen Verkehrsflächen" enthalten kann. Die Gemeinde ist zwar nach § 12 Abs. 3 Satz 2 BauGB im Bereich des Vorhaben- und Erschließungsplanes bei der Bestimmung der Zulässigkeit der Vorhaben nicht an die Festsetzungen nach § 9 BauGB gebunden, es ist ihr jedoch freigestellt, die Zulässigkeit von Vorhaben in gleicher Weise wie in einem qualifizierten Bebauungsplan festzulegen. Der vorhabenbezogene Bebauungsplan, der Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren Grundstücksflächen und die öffentlichen Verkehrsflächen enthält, ist "auch" ein Bebauungsplan nach § 30 Abs. 1 BauGB.

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Daran ändert auch der besondere Zulässigkeitstatbestand des § 30 Abs. 2 BauGB nichts. Nach dieser Vorschrift ist ein Vorhaben im Geltungsbereich eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes nach § 12 BauGB zulässig, wenn es dem Bebauungsplan nicht widerspricht und die Erschließung gesichert ist. Damit wird der vorhabenbezogene Bebauungsplan unabhängig davon, ob er die Mindestfestsetzungen nach § 30 Abs. 1 BauGB enthält, in den Rechtsfolgen einem qualifizierten Bebauungsplan im Sinne des § 30 Abs. 1 BauGB gleichgestellt und - im Gegensatz zum einfachen Bebauungsplan - ein ergänzender Rückgriff auf die §§ 34 f. BauGB ausgeschlossen (vgl. Begründung des Regierungsentwurfes, BT-Drs. 13/6392, S. 56 zu § 30 Abs. 2). Diese Gleichstellung des vorhabenbezogenen Bebauungsplanes mit dem qualifizierten Bebauungsplan lässt aber unberührt, dass im Einzelfall auch ein vorhabenbezogener Bebauungsplan alle Voraussetzungen eines qualifizierten Bebauungsplanes erfüllen kann und dann die Beantwortung der Zulässigkeit von Vorhaben sowohl nach § 30 Abs. 1 BauGB als auch nach § 30 Abs. 2 BauGB möglich ist.

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Unter dem Blickwinkel des § 69 a NBauO führt die mit § 30 Abs. 2 BauGB n.F. bewirkte Gleichstellung des vorhabenbezogenen Bebauungsplanes mit dem qualifizierten Bebauungsplan nicht zu einem erweiterten Anwendungsbereich der Freistellung vom Genehmigungsvorbehalt, denn es ist nicht gewährleistet, dass ein vorhabenbezogener Bebauungsplan, der die Mindestvoraussetzungen des § 30 Abs. 1 BauGB nicht enthält, die planungsrechtlichen Kriterien der Zulässigkeit eines Vorhabens so klar und eindeutig festlegt wie ein qualifizierter Bebauungsplan. Allerdings führt die Fortentwicklung des Vorhaben- und Erschließungsplanes von der besonderen städtebaulichen Satzung zum vorhabenbezogenen Bebauungsplan dazu, dass auch ein solcher vorhabenbezogener Bebauungsplan die Mindestvoraussetzungen eines Bebauungsplanes nach § 30 Abs. 1 BauGB erfüllen kann und in diesen Fällen auch die Freistellung vom Genehmigungsvorbehalt nach § 69 a NBauO Anwendung findet. Die für die Anwendung des § 69 a NBauO entscheidende Determinierung der Zulässigkeit von Vorhaben durch die Festsetzungen des Bebauungsplanes greift auch für den vorhabenbezogenen Bebauungsplan, der die Mindestvoraussetzungen des § 30 Abs. 1 BauGB erfüllt (Große-Suchsdorf/Lindorf/ Schmaltz/Wiechert, NBauO, 7. Aufl. 2002, § 69 a Rdn. 18).

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Die in § 12 Abs. 6 BauGB vorgesehene Pflicht zur Aufhebung des Bebauungsplanes, wenn der Vorhaben- und Erschließungsplan nicht innerhalb der Frist durchgeführt wird, die der Durchführungsvertrag vorsieht, spricht nicht gegen die Genehmigungsfreiheit. Sind einzelne Wohnbauvorhaben im Geltungsbereich eines Vorhaben- und Erschließungsplanes fertig gestellt worden, wird in aller Regel nur eine Teilaufhebung des Bebauungsplanes in Betracht kommen, die gerade die Flächen ausnimmt, auf denen Wohnbauvorhaben realisiert worden sind. Sind die Bauvorhaben noch nicht fertig gestellt, muss die Gemeinde bei einer Aufhebung des Bebauungsplanes abwägen, welches Gewicht der Eigentumsausübung beizumessen ist, die in der Teilausführung der Bauvorhaben liegt, im Verhältnis zu der Fristsetzung des Durchführungsvertrages. Diese Abwägungsentscheidung der Gemeinde reicht als Schutz auch für etwaige Erwerber aus.

26

Diesem Ergebnis kann nicht entgegengehalten werden, dass die Gesetzgebungskompetenz für die Freistellung vom Genehmigungsvorbehalt beim Land liege. § 69 a NBauO macht die Freistellung vom Genehmigungsvorbehalt davon abhängig, dass das Vorhaben in einem Gebiet liegt, das ein Bebauungsplan i.S. des § 30 Abs. 1 BauGB als reines, allgemeines oder besonderes Wohngebiet festsetzt. Damit macht das Landesrecht seine eigene Regelung von der Erfüllung bestimmter bundesrechtlicher Voraussetzungen abhängig. Das schließt ein, dass der Landesgesetzgeber es auch hinnehmen muss, dass der Bundesgesetzgeber den Begriff des Bebauungsplanes neu definiert und damit auch vorhabenbezogene Bebauungspläne als Bebauungspläne i.S. des § 30 Abs. 1 BauGB akzeptiert.

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Schließlich kann auch die vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung beschworene Gefahr, dass er als Bauaufsichtsbehörde bei einer Freistellung von Vorhaben im Geltungsbereich von vorhabenbezogenen Bebauungsplänen keine Möglichkeit habe, Fehler des vorhabenbezogenen Bebauungsplanes zu korrigieren, nicht zu einer anderen Entscheidung führen. Dabei kann offen bleiben, wie fehleranfällig vorhabenbezogene Bebauungspläne im Verhältnis zu "normalen" Bebauungsplänen sind, denn jedenfalls ist es nicht Aufgabe der Bauaufsichtsbehörde im Baugenehmigungsverfahren den als Maßstab der planungsrechtlichen Prüfung dienenden Bebauungsplan zu überprüfen. Auch vor der weitgehenden Abschaffung des Genehmigungs- und Anzeigeverfahrens für Bebauungspläne war es nicht Aufgabe der Bauaufsichtsbehörde, sondern der höheren Verwaltungsbehörde, die Bebauungspläne der Gemeinden auf Rechtsfehler zu überprüfen (§ 11 BBauG, § 11 BauGB 1986). Unberührt davon bleibt die Befugnis der Bauaufsichtsbehörde als Behörde, die den Bebauungsplan anzuwenden hat, ein Normenkontrollverfahren einzuleiten, wenn sie den Bebauungsplan mit höherrangigem Recht als unvereinbar ansieht.

Sonstiger Langtext

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Beschluss

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Der Streitwert wird - unter Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 22. August 2000 - auf 34.767,85 € (= 68.000,-- DM) festgesetzt.