Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 10.01.2002, Az.: 7 MS 2624/01
Ausbaubeitrag; Gehweg; Planfeststellung; Rückbau; Straße; Verkehrssicherungspflicht
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 10.01.2002
- Aktenzeichen
- 7 MS 2624/01
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2002, 41847
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 17 Abs 1 S 2 FStrG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die Planfeststellungsbehörde braucht die Tatsache, dass Anlieger für einen neu geplanten Gehweg verkehrssicherungspflichtig sein werden, nicht in ihre Abwägung einzustellen. Gleiches gilt im Hinblick auf infolge der geplanten Baumaßnahme zu zahlenden Ausbaubeiträge.
Gründe
Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss der Antragsgegnerin, nach dem die Bundesstraße B 210 in der Ortsdurchfahrt P. verengt werden soll.
Die Bundesstraße B 210 verbindet die Städte Em. und Wi.. Im Bereich der Ortsdurchfahrt Pl. (Gebiet der Stadt Au.) besteht die B 210 derzeit aus einer zweispurigen Fahrbahn mit einer Breite von 7,50 m, an beiden Fahrbahnrändern befinden sich Mehrzweckstreifen. Der Mehrzweckstreifen an der Nordseite der Fahrbahn teilt sich in einen 1,80 m breiten Radweg und 1,20 m breiten Sicherheitsstreifen, der den Radweg von der Fahrbahn trennt. Der Mehrzweckstreifen an der Südseite hat eine Breite von 1,50 m. Einen gesonderten Fußweg gibt es auf der Südseite nicht und auf der Nordseite nur stellenweise.
Der angefochtene Planfeststellungsbeschluss sieht vor, die Ortsdurchfahrt der B 210 in Pl. von km 5,900 (Einmündung "Alter Postweg") bis km 7,665 (Einmündung "Drift" bzw. "Großer Moorweg") einschließlich des Knotenpunktes B 210 / K 121 umzugestalten. Die Fahrbahn soll auf eine Gesamtbreite von 7,00 m verengt werden. An beiden Fahrbahnrändern ist eine Hochbordanlage geplant, die einen 2,00 m bis 2,25 m breiten Pflanzstreifen mit Bäumen von der Fahrbahn trennt. Daran schließt auf der Nordseite ein 2,00 m breiter Radweg und an der Südseite ein 1,50 m breiter Gehweg an. Auf einzelnen Abschnitten des Grünstreifens sollen Parkbuchten gebaut werden. Vor der Straßenkreuzung B 210 / Großer Moorweg ist eine 2,50 m breite Verkehrsinsel als Überquerungshilfe vorgesehen.
Der Antragsteller ist Eigentümer der südlich unmittelbar an der B 210 gelegenen Flurstücke 59/1 und 57/2 der Flur 5 der Gemarkung Pl.. Auf dem Flurstück 59/1 steht ein vermietetes Mehrfamilienhaus. Das Flurstück 57/2 verpachtet er als landwirtschaftliche Nutzfläche.
Die Antragsgegnerin stellte mit Beschluss vom 15. August 2000 den Plan fest. Den Einwendungen des Antragstellers gegen einen Parkstreifen auf der Höhe seines Mehrfamilienhauses kam die Antragsgegnerin nach, indem der geänderte Plan statt des Parkstreifens eine Verlängerung des Gehweges vorsieht. Die vom Antragsteller erhobenen weiteren Einwendungen (die Verengung der Fahrbahnen würden vor allem in den Sommermonaten zu Staus mit unerträglichen Lärm- und Abgasbelästigungen für die Anwohner führen, Bäume würden die Verkehrssicherheit herabsetzen, der geplante Rückbau der B 210 könnte durch eine zukünftige Autobahnanbindung Ostfrieslands wieder rückgängig gemacht werden müssen) wies die Antragsgegnerin zurück.
Der Antragsteller erhob am 22. Dezember 2000 Anfechtungsklage gegen den ihm am 29. November 2000 zugestellten Planfeststellungsbeschluss. Auf Antrag des Beigeladenen ordnete die Antragsgegnerin nach Anhörung des Antragstellers mit Bescheid vom 06. Juli 2001 die sofortige Vollziehung des Plans mit der Begründung an, dass in Pl. trotz der Geschwindigkeitsbegrenzung auf 50 km/h höhere Geschwindigkeiten gefahren würden, die sich durch Radarkontrollen nur teilweise verhindern ließen, und der Mehrzweckstreifen trotz seiner Funktion als Radweg benutzt werde, linksabbiegende Fahrzeuge rechts zu überholen. Beides sowie die Tatsache, dass es wegen der Lage zentraler Einrichtungen auf der einen Seite und der Wohngebiete auf der anderen Seite der Bundesstraße einen erheblichen Querungsverkehr gebe, führten zu einer latent hohen Unfallgefahr.
Der Antragsteller hat am 30. Juli 2001 vorläufigen Rechtsschutz beantragt. Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen die im Planfeststellungsverfahren geltend gemachten Einwendungen im Hinblick auf die Leichtigkeit des Verkehrs und die mit den Staus entstehenden Immissionen sowie die seiner Ansicht nach nicht sparsame und nicht zweckgerichtete Verwendung öffentlicher Mittel.
Des weiteren trägt er nunmehr ergänzend vor, dass die Ein- und Ausfahrt zur und von der landwirtschaftlichen Fläche mit Nutzfahrzeugen behindert werde. Diese erschwerte Erreichbarkeit der verpachteten Flächen könnten zu einer Pachtminderung oder zur Kündigung des Pachtvertrages führen. Er wolle für den vor seinem Grundstück geplanten Gehweg die Verkehrssicherungspflicht nicht übernehmen. Er befürchte ferner, mit hohen Ausbaubeiträgen belastet zu werden.
Im übrigen sei eine Gefahrenlage für die Verkehrssicherheit, die einen Straßenumbau erforderlich mache, nicht gegeben. Die Einhaltung der Höchstgeschwindigkeit i.H.v. 50 km/h könne auch durch eine feste Radarüberwachungsanlage gewährleistet werden.
Ein öffentliches Interesse an der Anordnung des Sofortvollzuges sei nicht erkennbar; insbesondere sei eine besondere Gefahrenlage für den Bereich der Ortsdurchfahrt Plaggenburg durch häufige Geschwindigkeitsüberschreitungen nicht belegt.
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss vom 15 . August 2000 wiederherzustellen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Sie tritt den Ausführungen des Antragstellers entgegen. Die Interessen des Antragstellers am Erhalt der jetzigen Verkehrssituation müssten gegenüber dem überragenden öffentlichen Interesse an der Abwendung der latenten Unfallgefahr insbesondere für schwächere Verkehrsteilnehmer zurückstehen.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Verwaltungsvorgänge und der Gerichtsakte verwiesen.
II.
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist gemäß § 80 Abs. 5 VwGO statthaft, bleibt aber ohne Erfolg.
Soweit der Antragsteller geltend macht, die Straßenbaumaßnahme verstoße gegen den Grundsatz der Leichtigkeit des Verkehrs, sei aus Gründen der Verkehrssicherheit nicht erforderlich und widerspreche den Grundzügen der sparsamen und wirtschaftlichen Verwendung öffentlicher Mittel, fehlt es bereits an einer Antragsbefugnis i.S.d. § 42 Abs. 2 VwGO.
Die Grundstücke des Antragstellers werden für das Bauvorhaben nicht in Anspruch genommen; eine Enteignung oder ein enteignungsgleicher Eingriff findet nicht statt. Eigentümer benachbarter Grundstücke sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes (BVerwG, Urt. v. 14.02.1975 - IV C 21.74 -, BVerwGE 48, 56 (66); BVerwG, Urt. v. 24.09.1998 - 4 CN 2/98 -, NJW 1999, 592 (593)) antragsbefugt, wenn sie geltend machen können, dass die Behörde bei Erlass des Planfeststellungsbeschlusses das Recht auf gerechte Abwägung ihrer privaten Belange mit entgegenstehenden anderen Belangen verkannt hat. Im Bereich der Bundesfernstraßen ergibt sich dieses Recht aus § 17 Abs. 1 S. 2 FStrG, wonach bei der Planfeststellung die von den Vorhaben berührten privaten Belange im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen sind. Der Antragsteller hat jedoch keinen Anspruch darauf, dass allgemeine oder fremde Belange gerecht abgewogen worden sind oder die Planung insgesamt und in jeder Hinsicht auf einer fehlerfreien Abwägung beruht.
Es kommt deshalb nicht darauf an, ob der veränderte Straßenquerschnitt die Flüssigkeit des Verkehrs oder die allgemeine Verkehrssicherheit beeinträchtigt. Beides zu gewährleisten ist Aufgabe des Staates und seiner Einrichtungen, die eigenverantwortlich und selbständig entscheiden, welche Maßnahmen sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben ergreifen. Die Entwicklung des Verkehrsflusses und der Verkehrssicherheit liegt im öffentlichen, nicht im privaten Interesse. Selbst wenn staatliche Baumaßnahmen Einfluss auf die Entwicklung des Verkehrsflusses und der Verkehrssicherheit nehmen und der Antragsteller dadurch faktisch betroffen ist, wird das öffentliche Interesse nicht zu einem privaten Belang des Antragstellers, weil er kein Recht auf eine bestimmte Verkehrsführung hat.
Entsprechendes gilt auch für den Vortrag des Antragstellers, die Straßenumbaumaßnahme würden den Grundsätzen über die sparsame und wirtschaftliche Verwendung öffentlicher Mittel widersprechen. Die Verwendung und Kontrolle der öffentlichen Mittel ist Aufgabe der staatlichen Körperschaften und steht im öffentlichen Interesse. Ein privater Belang des Antragstellers ist nicht berührt.
Soweit der Antragsteller als private Belange geltend macht, dass die erwartete Verkehrslage zu unerträglichen Lärm- und Abgasbelastungen einerseits und zu einer Behinderung der Erreichbarkeit der landwirtschaftlich genutzten Fläche andererseits führen werde, sowie durch die Verkehrssicherungspflicht für den Gehweg belastet und durch die mögliche Inanspruchnahme zu Anliegerbeiträgen beschwert zu sein, ist sein Antrag zwar zulässig, aber unbegründet.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO ist sowohl formell als auch materiell rechtmäßig.
Das Interesse an der sofortigen Vollziehung ist in einer § 80 Abs. 3 S.1 VwGO genügenden Weise begründet worden. Die Antragsgegnerin hat konkret ausgeführt, weshalb ein Aufschub der Straßenumbaumaßnahme den öffentlichen Interessen in nicht hinnehmbarer Weise widerspräche.
Der begehrte vorläufige Rechtsschutz bis zur Entscheidung in der Hauptsache kann nicht gewährt werden. Die vom Gericht vorzunehmende Interessenabwägung zwischen Vollziehungsinteresse des Antragsgegners und Aussetzungsinteresse des Antragsstellers führt nicht zum Vorrang des Aussetzungsinteresses. Nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung erweist sich der Planfeststellungsbeschluss als rechtmäßig, weil er nicht an einem Abwägungsfehler nach § 17 Abs. 1 S. 2 FStrG leidet. Die privaten Belange des Antragstellers sind zutreffend erfasst und in nicht zu beanstandender Weise gewichtet und abgewogen worden.
a)Fraglich ist, ob der Antragsteller das Fehlen einer Planrechtfertigung (u.a. mit den Argumenten, eine Unfallgefahr sei von der Antragsgegnerin oder dem Beigeladenen nicht nachgewiesen, es handele sich statt dessen um eine Stadtverschönerungsmaßnahme) als Drittbetroffener geltend machen kann. Dieser Frage braucht der Senat jedoch nicht nachzugehen, da nachvollziehbare Gründe für die Straßenumbaumaßnahme ganz offensichtlich gegeben sind. Ziel der geplanten Maßnahme ist die Erhöhung der Verkehrssicherheit der schwächeren Verkehrsteilnehmer. Derzeit sind Fußgänger und Fahrradfahrer durch den Mehrzweckstreifen nicht ausreichend gesichert, da Kraftfahrzeuge diesen Streifen zum Parken, Rangieren und Ausweichen benutzen und dies zu Konflikten mit nichtmotorisierten Verkehrsteilnehmern führen kann. Das breite Fahrbahnprofil verleitet die Fahrzeugführer zu schnellem Fahren. Im Winter ist die Markierung, die den Mehrzweckstreifen von der Fahrbahn trennt, vor allem bei Schneefall nur ungenügend erkennbar. Die geplante Verengung der Fahrstreifenbreiten und der Bau mehrerer Mittelinseln sollen ebenso wie die zu pflanzenden Bäume (Torwirkung) zur Geschwindigkeitsdämpfung beitragen. Eine neu herzustellende Hochbordanlage wird den motorisierten vom nichtmotorisierten Verkehr trennen; die Querungshilfen werden mit den teilweise neu angelegten Gehwegen den Querungsverkehr über die B 210 teilweise bündeln. Auch die Trennung von Radweg- und Fußgängerverkehr wird die Sicherheit für beide Gruppen erhöhen. Demgegenüber sind die positiven Auswirkungen für das Ortsbild von Plaggenburg nur ein - wenn auch beabsichtigter - Nebeneffekt. Diese Zusammenstellung der geplanten Maßnahmen zeigt, dass die vom Antragsteller vorgeschlagene stationäre Radarüberwachung der Geschwindigkeit allenfalls einen punktuellen Sicherheitsgewinn erreichen kann, nicht aber auf der gesamten fast 1.800 m langen Ortsdurchfahrt wirksam wäre, so dass es eines Verweises auf die weitgehende Gestaltungsfreiheit im Rahmen des der Antragsgegnerin eingeräumten weiten Planungsermessens (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.02.1975 - IV C 21.74 -, BVerwGE 48, 56 (59) nicht einmal bedarf.
Dieser breite Gestaltungsspielraum besteht auch dann, wenn die jetzige Verkehrslage noch nicht zu konkreten Unfällen für Fußgänger und Radfahrer geführt hat. Das Planungsermessen kann auch darauf gerichtet sein, mögliche Gefahrenquellen zu entschärfen; es setzt nicht voraus, dass sich eine Gefahrenlage bereits verwirklicht hat.
b)Die Antragsgegnerin hat die Lärm- und Abgasbelastung des Antragstellers in nicht zu beanstandender Weise in ihre Abwägung einbezogen. Nach einer Verkehrszählung, die eine Belastung von etwa 7.800 Kraftfahrzeugen pro Tag - Kfz/d - ergab, ist die Antragsgegnerin von einer Prognosebelastung von weniger als 10.000 Kfz/d ausgegangen. Diese Prognose hat der Antragsteller substantiiert nicht angegriffen. Da zweispurige, nicht kreuzungsfreie Straßen im allgemeinen die doppelte Kapazität haben, wobei es erst ab 17.000 Kfz/d zu größeren Stauungen kommt, ist die Prognose, dass die Straßenumbaumaßnahme nicht zu Stauungen und damit zusammenhängend nicht zu vermehrten Lärm- und Abgasbeeinträchtigungen führen wird, nicht zu beanstanden. Sie wird auch bestätigt durch die Erfahrungen über Verkehrsentwicklungen in anderen Orten nach einer vergleichbaren Umbaumaßnahme. So haben sich weder in den Orten Georgsheil auf der B 210 (Verkehrsbelastung ca. 11.500 Kfz/d) noch in Hesel auf der B 72 (11.000 Kfz/d) Staus gebildet. Die Prognose der Antragsgegnerin, dass auch die geplante Ortsumgehung Aurich mit einem Zubringer zur A 31 bei Riepe nicht zu einem verstärkten Verkehrsaufkommen führe, da der Beginn der Planungsstrecke aufgrund angrenzender Siedlungsbereiche erst 2,5 km von der Ortsdurchfahrt Plaggenburg entfernt möglich sei, ist ebenfalls nachvollziehbar und vom Antragsteller substantiiert nicht angegriffen.
Die der Planfeststellung zugrunde liegende schalltechnische Untersuchung, wonach bei einer Verkehrsbelastung von 7.800 Kfz/d und einem Abstand der Bebauung von 10 m die Beurteilungspegel für Verkehrsgeräusche mit 68 dB (A) tags und 61 dB (A) nachts unter den Grenzwerten für Dorfgebiete/Mischgebiete von 72 dB (A) tags und 62 dB (A) nachts liegen (Sanierungswerte der Nr. 37.7 der Richtlinien für den Verkehrslärmschutz an Bundesfernstraßen in der Baulast des Bundes - BLärmSchR 97 - vom 2.6.1997, VkBl. 1997 S. 434 ff., 444, die einen Anhaltspunkt für eine Zumutbarkeitsschwelle bilden (vgl. Senat, Urt. v. 21.05.1997 - 7 K 7705/95 -, UPR 1998, 40)), ist nicht zu beanstanden. Da Fahrzeuge mit höherer Geschwindigkeit mehr Verkehrslärm erzeugen, ein Ziel der Planung u.a. aber eine Verlangsamung des Verkehrs ist, wird sich die Lärmsituation auf dem bewohnten Grundstück des Antragstellers eher verbessern.
c)Der Einwand des Antragstellers, die Verengung des Fahrbahnquerschnitts behindere die Ein- und Ausfahrt auf seinem landwirtschaftlich genutzten Grundstück, führt nicht zu einer Beeinträchtigung seines Anliegerrechts.
Das durch Art. 14 Abs. 1 GG gewährleistete Recht des Anliegers auf Anschluss seines Grundstückes an das öffentliche Straßennetz wird erhalten, da die Zufahrt vom Grundstück des Antragstellers auf die B 210 in der vorhandenen Breite bestehen bleibt. Einen Anspruch auf den Erhalt des Mehrzweckstreifens auf Höhe seiner Grundstücke hat der Antragsteller hingegen nicht, zumal eine veränderte bauliche Gestaltung des Straßenkörpers den Schutzbereich des § 8 a FStrG nicht berührt. Ein Anlieger muss es hinnehmen, dass er bei der Ausfahrt oder von der Gegenfahrbahn kommend längerfristig den Verkehrsfluss abwarten muss, bevor er abbiegen kann. Hinzu kommt, dass eine landwirtschaftliche Nutzfläche in der Regel nicht jeden Tag angefahren wird, so dass an die Erreichbarkeit des Grundstückes weitaus geringere Anforderungen zu stellen sind als z.B. an die Zufahrt eines Gewerbebetriebes mit Publikums- und Lieferantenverkehr; selbst für solche Betriebe besteht aber kein Anspruch, dass die Linienführung oder Gestaltung einer Straße eine optimale Nutzbarkeit eines Grundstücks oder eines Gewerbebetriebes gewährleistet. Veränderungen im Straßensystem, die die Straße als Kommunikationsmittel unangetastet lassen, aber gewisse Zu- und Abfahrtserschwernisse zur Folge haben, sind keine Eingriffe in das Anliegerrecht (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 09.06.1986 - 12 A 237/86 -, UPR 1989, 117 (118)).
Auch ist nicht erkennbar, dass der Wegfall des Mehrzweckstreifens bei Erhalt der Zufahrt zu einer Behinderung der Ein- und Ausfahrt führen wird. Wenn nach der Zielsetzung der Antragsgegnerin der Verkehr auf der B 210 langsamer fließt, eröffnen sich für die Fahrzeugführer schwerer und langer Nutzfahrzeuge bessere Möglichkeiten zum ein- und ausfahren.
Vor diesem Tatsachenhintergrund ist die Befürchtung des Antragstellers, aufgrund der neuen Verkehrssituation Pachtminderungen oder die Auflösung des Pachtverhältnisses hinnehmen zu müssen, nicht nachvollziehbar. Selbst wenn dies der Fall wäre, hätte die Antragsgegnerin dies nicht in ihre Abwägung einstellen müssen, weil das einzig hier in Betracht kommende Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nicht verletzt wird. Es ist schon fraglich, ob die Verpachtung von Grundbesitz überhaupt unter den Begriff des Gewerbebetriebes fällt, letztlich kommt es darauf aber nicht an, da Art. 14 Abs. 1 GG den Gewerbebetrieb nur in seiner Substanz schützt, jedoch nicht bloße Umsatz- und Gewinnchancen oder tatsächliche Gegebenheiten, auch wenn sie für den Betrieb von erheblicher Bedeutung sind (BVerfG, Beschl. v. 31.10.1984 - 1 BvR 35, 356, 794/82 -, BVerfGE 68, 193 [BVerfG 31.10.1984 - 1 BvR 35/82] (222)).
d)Auch die Verpflichtung des Antragstellers, für den geplanten Gehweg die Verkehrssicherungspflicht in dem Rahmen zu übernehmen, die das für seine Grundstücke geltende Ortsrecht vorsieht, musste die Antragsgegnerin nicht in ihre Abwägung einstellen. Zwischen dem Bau des Gehweges im Zuge der Umbaus der B 210 und einer Verkehrssicherungspflicht für diesen Gehweg besteht zwar ein logisch-naturwissenschaftlicher Zusammenhang, der aber aus der Sicht des Planungsrechts nicht adäquat ist, weil er ganz überwiegend durch andere Umstände bedingt ist. Zu diesen Umständen gehören die rechtlichen Verpflichtungen, die dem Anlieger aus der Lage seines Grundstücks an der Straße in ihrer jeweiligen Gestalt und der dadurch maßgebend geprägten Grundstückssituation typischerweise auferlegt sind (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11.08.1982 - 4 B 88/82 -, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 49 = UPR 1983, 28 f.). Die Verkehrssicherungspflicht für einen das Grundstück erschließenden Gehweg trägt bundesweit ein Großteil der Straßenanlieger und ist deshalb eine typische Pflicht, der Antragsteller kann insoweit nicht geltend machen, dass ihm über das Normalmaß hinaus Pflichten auferlegt werden.
e)Weder die Tatsache, dass der Antragsteller grundsätzlich damit rechnen muss, zu Ausbaubeiträgen herangezogen zu werden, noch der Umstand, dass die Antragsgegnerin im Stadium der Planung keine Angaben darüber machen kann, wie hoch diese Beiträge für jeden der (im übrigen je nach Gestaltung - Parkstreifen, Grünanlage, Gehweg - unterschiedlich betroffenen) Anlieger sein werden, haben die Rechtwidrigkeit des angefochtenen Plans zur Folge. Die Beitragsberechnung und -erhebung ist ein gegenüber der Planfeststellung gesondertes Verwaltungsverfahren. Erst durch die Ausbaubeitragssatzung der Stadt Aurich wird der Umlageschlüssel für die betreffenden Anlieger errechnet. Die Beitragspflicht entsteht gemäß § 6 Abs. 6 NKAG mit der Beendigung der beitragsfähigen Baumaßnahme und erfordert den Erlass eines Beitragsbescheides seitens der Stadt Aurich. Sollten Einwendungen gegen die Höhe des noch festzusetzenden Ausbaubeitrages bestehen, ist der Beitragsbescheid mit Rechtsmitteln angreifbar. Die Antragsgegnerin hat im Planfeststellungsbeschluss zu Recht daraufhin gewiesen, dass erst nach Abschluss des Planfeststellungsverfahren eine Kostenermittlung erfolgen kann, und selbst aufgrund des Ergebnisses der Ausschreibung ist das Investitionsvolumen nur zu schätzen, weil es bei Umsetzung des Planfeststellungsbeschlusses immer noch zu unvorhersehbaren, den Kostenrahmen beeinflussenden Änderungen kommen kann.
Auch in diesem Zusammenhang gilt das unter d) Ausgeführte, denn die Pflicht, bei Erlangen eines besonderen wirtschaftlichen Vorteils i.S.d. § 6 Abs. 1 NKAG insoweit Ausbaubeiträge zahlen zu müssen, gehört zu den typischen Folgen, die nicht als Nachteil in die Abwägung einzustellen sind.