Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 15.01.2002, Az.: 8 LA 16/02

Anhörung; Gehörsrüge; Klageabweisung; Klagefrist; Prozessführung; rechtliches Gehör; Überraschungsentscheidung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
15.01.2002
Aktenzeichen
8 LA 16/02
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 43867
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 22.11.2001 - AZ: 7 A 430/01

Gründe

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Die Berufung ist nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG i. V. m. § 138 Nr. 3 VwGO zuzulassen, weil das Verwaltungsgericht den Klägern rechtliches Gehör versagt hat.

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Der Gehörsverstoß, den die Kläger hinreichend dargelegt haben, liegt darin, dass das Verwaltungsgericht ihre Klage wegen angeblicher Versäumung der Klagefrist abgewiesen hat, ohne die Kläger zuvor auf seine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben zu haben. Dazu wäre das Verwaltungsgericht zur Wahrung des Anspruchs der Kläger auf rechtliches Gehör verpflichtet gewesen, weil es einen unerörtert gebliebenen rechtlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht  und dem Rechtsstreit dadurch eine Wendung gegeben hat, mit der die Kläger auch bei gewissenhafter Prozessführung nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht rechnen mussten (vgl. dazu BVerfG, Beschl. v. 29.5.1991 – 1 BvR 1383/90 – NJW 1991 S. 2823; Kopp/Schenke, VwGO, Komm., 11. Aufl., § 108 Rn. 25 m. w. N.). Dass die Kläger nicht damit zu rechnen hatten, dass das Verwaltungsgericht ihre Klage mit der Begründung, dass sie verspätet erhoben worden sei, abweisen würde, beruht nicht nur darauf, dass das Verwaltungsgericht durch Verfügung vom 6. November 2001 dringend angeregt hat, die Klage in Anbetracht der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides zurückzunehmen, und dadurch den Eindruck erweckt hat, dass es die Klage als unbegründet abweisen würde. Erheblich ist auch, dass die Kläger ihre Klage zweifelsohne rechtzeitig erhoben haben, so dass sie eine Abweisung der Klage wegen Verfristung auch bei gewissenhafter Prozessführung nicht in Erwägung ziehen mussten. Nach § 74 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist die Klage gegen Entscheidungen nach dem Asylverfahrensgesetz – und damit auch gegen den an die Kläger gerichteten Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge – innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung zu erheben. Dabei ist die Zustellung an die Prozessbevollmächtigten der Kläger maßgebend, weil Zustellungen nach § 8 Abs. 1 Satz 2 VwZG an die Bevollmächtigen zu richten sind, wenn diese – wie im vorliegenden Fall die Prozessbevollmächtigten der Kläger bei Stellung des Asylfolgeantrags – dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge eine schriftliche Vollmacht vorgelegt haben (vgl. Renner, Ausländerrecht, Komm., 7. Aufl., § 10 Rn.14; Marx, AsylVfG, Komm., 4. Aufl., § 10 Rn. 22 f., m.w.N.). Da der Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge den Prozessbevollmächtigten der Kläger frühestens am 12. Oktober 2001 zugestellt worden ist, ist die beim Verwaltungsgericht am 26. Oktober 2001 eingegangene Klage in jedem Fall vor Ablauf der Klagefrist erhoben worden.  

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Das Antragsverfahren wird unter dem Aktenzeichen

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8 LB 25/02

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als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht (§ 78 Abs. 5 Satz 3 AsylVfG).

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Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist bei dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht, Uelzener Straße 40, 21335 Lüneburg, einzureichen (§ 124 a Abs. 3 Sätze 1 und 2 VwGO).

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Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

8

Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar.