Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 31.03.2004, Az.: 3 A 3244/01
Einzelne Beitragssätze zum Fremdenverkehrsbeitragsaufkommen; Wirtschaftliche Abhängigkeit des Beitragssatzes vom Vorteilssatz; Verstoß gegen das Verbot der Schlechterstellung durch Festsetzung des Vorteilssatzes
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 31.03.2004
- Aktenzeichen
- 3 A 3244/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 38060
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGGOETT:2004:0331.3A3244.01.0A
Rechtsgrundlagen
- § 2 Abs. 1 S. 2 NKAG
- § 9 NKAG
- § 3 Abs. 1 FVBS
- § 3 Abs. 2 FVBS
- § 4 Abs. 1 S. 2 FVBS
Verfahrensgegenstand
Fremdenverkehrsbeitrag
Heranziehung 2000 und Vorausleistung für 2001
In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Göttingen - 3. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 31. März 2004
durch
den Richter am Verwaltungsgericht H. als Einzelrichter
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin, insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des gegen sie festzusetzenden Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zum Fremdenverkehrsbeitrag für das Jahr 2000 und zu Vorausleistungen für das Jahr 2001.
Die Klägerin ist Inhaberin des Spar-Marktes I. in J., einer Mitgliedsgemeinde der Beklagten. Nach ihren Angaben im Erhebungsbogen für das Jahr 2001 hat der Markt eine Verkaufsfläche von 170 qm.
Mit Bescheid vom ... 2001 zog die Beklagte die Klägerin zur Deckung des Aufwandes für Fremdenverkehrswerbung unter anderem für die Gemeinde J. zu einem Fremdenverkehrsbeitrag für den Spar-Markt I. nach Maßgabe ihrer Fremdenverkehrsbeitragssatzung im Zeitraum vom 1. April 2000 bis zum 31. Dezember 2000 heran. Je Quadratmeter Verkaufsfläche setzte sie 2,87 DM, insgesamt 365,93 DM fest. Für das Jahr 2001 setzte sie eine Vorauszahlung von 487,90 DM fest.
Am 18. Juli 2001 erhob die Klägerin Widerspruch gegen diese Festsetzungen und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, die vorgenommene Beitragskalkulation beruhe auf einer Marktanalyse sowie auf statistischen Angaben des Landesverwaltungsamtes in Bezug auf Umsatz. Es sei nicht nachvollziehbar, wie sich die einzelnen Beitragssätze zum Fremdenverkehrsbeitragsaufkommen im gegenseitigen Verhältnis zusammensetzten und wie der angenommene wirtschaftliche Vorteil, der durch die Fremdenverkehrsbeitragssatzung erzielt werden solle, für die einzelnen Branchen anteilmäßig umgelegt werde. Auch die in der Satzung vorgenommene Bestimmung des Abgabentatbestandes sei unvollständig. Dort sei nicht festgelegt, welcher prozentuale Anteil des Aufwandes für die Herstellung, Anschaffung, Erweiterung, Verbesserung, Erneuerung und Unterhaltung beitragsfähig sei. Es sei nicht berücksichtigt, dass zur Deckung des einrichtungsbezogenen Aufwandes außerdem ein Kurbeitrag erhoben werden könne und das Recht unberührt bleibe, Benutzungsgebühren zu erheben. Es würden auch Kurbeiträge erhoben, wobei nicht ersichtlich sei, für welche Einrichtungen diese Beiträge verwandt würden. Die dem Satzungsgebiet unterliegenden Selbständigen würden unverhältnismäßig durch die Beiträge belastet. Außerdem sei rechtswidrig, dass Steuerberater beitragspflichtig seien. Insgesamt sei die Abgrenzung des Kreises der Beitragspflichtigen zweifelhaft.
Zudem seien die Beitragssätze fehlerhaft festgesetzt worden. Zwar dürften keine übersteigerten Anforderungen an die Bestimmung dieser Beitragssätze gestellt werden, aus dem Sitzungsprotokoll vom 14. Juli 1999 ergebe sich jedoch, dass die Einführung des Fremdenverkehrsbeitrages auf sehr unsicheren Faktoren beruhe. Erst in der Ratssitzung sei der Satzungsentwurf verteilt und die Ratsmitglieder mit dem Beschluss dieser Satzung mithin überrumpelt worden. Kurzer Hand sei von einer Berechnungsgrundlage von 70.000,- DM ausgegangen worden, die wenige Minuten später auf 80.000,- DM erhöht worden sei. Der Niederschrift lasse sich nicht entnehmen, welche Berechnungsfaktoren hierzu herangezogen worden seien. Mithin handele es sich bei der Berechnungsgrundlage um eine einfache Schätzung, die das vom OVG Lüneburg geforderte Kalkulationserfordernis völlig vernachlässige.
Mit Widerspruchsbescheid vom ... 2001 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, nach § 1 Abs. 1 ihrer Fremdenverkehrsbeitragssatzung vom 14. Juli 1999 in der Fassung des 1. Nachtrages vom 22. März 2000, veröffentlicht am 28. März 2000 und in Kraft getreten am 1. April 2000 (FVBS), werde ihr Fremdenverkehrsbeitrag nur für die Fremdenverkehrswerbung erhoben. Nach Absatz 2 der Norm solle der Fremdenverkehrsbeitrag 90 % des Gesamtaufwandes für die Fremdenverkehrswerbung abdecken. Der danach verbleibende Anteil solle zu 100 % aus Fremdenverkehrsbeiträgen abgedeckt werden. Die Kosten für die Fremdenverkehrswerbung könnten nur durch den Fremdenverkehrsbeitrag, nicht aber durch den Kurbeitrag gedeckt werden. Die übrigen Aufwendungen für Herstellung, Anschaffung, Erweiterung, Verbesserung, Erneuerung und Unterhaltung der dem Fremdenverkehr dienenden Einrichtungen könnten sowohl durch Fremdenverkehrsbeitrag als auch durch Kurbeitrag abgegolten werden. Für diese Aufwendungen erhöben die Mitgliedsgemeinden E., K. und J. Kurbeiträge aufgrund ihrer Kurbeitragssatzungen.
Die in § 3 Abs. 2 FVBS i.V.m. der Spalte 3 der Anlage zum 1. Nachtrag der festgelegten Beitragssätze sowie der in§ 4 FVBS ermittelte Beitragssatz von 3,0014846 % seien auf der Grundlage einer Beitragskalkulation ermittelt worden. Dem liege das sogenannte "Fallingbosteler Modell" zugrunde. Ihr Fremdenverkehrsbeitrag sei eine Gegenleistung für den Vorteil, den der Beitragspflichtige vom organisierten und gezielt geförderten Kurbetrieb oder Fremdenverkehr in Form von Fremdenverkehrswerbung habe. Zu der Gruppe die einen unmittelbaren Vorteil davon habe, gehörten u.a. auch Inhaber von Betrieben des Einzelhandels und der Versorgung dienender Läden mit jeweilsüberwiegender Selbstbedienung, da diese unmittelbar in geschäftlicher Verbindung mit den Fremden stünden, da sie an die Fremden gegen Entgelt, insbesondere aber auch an Mieter von Ferienwohnungen und Ferienapartments, Waren verkauften. Auch sei die Anknüpfung an die Größe der Verkaufsfläche nicht sachwidrig, denn nach § 9 Nds. Kommunalabgabengesetz (NKAG) komme es bei dem möglichen Vorteilsausgleich nicht auf die tatsächlich erzielten Gewinne oder Umsätze an. Ebenso sei nicht zu beanstanden, dass Steuerberater zum Kreis der Beitragspflichtigen gehörten.
Die Klägerin hat am 11. Dezember 2001 Klage erhoben. Zur Begründung vertieft und ergänzt sie ihr bisheriges Vorbringen.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom ... 2001 in Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom ... 2001 aufzuheben, sowie
die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht sie sich auf den angefochtenen Bescheid und führt ergänzend aus, sie erhebe Fremdenverkehrsbeiträge ausschließlich zur Deckung ihres Aufwandes für die Fremdenverkehrswerbung. Nur diese Aufgabe sei ihr von ihren Mitgliedsgemeinden übertragen worden. Für ihre dem Fremdenverkehr dienenden Einrichtungen seien die Mitgliedsgemeinden zuständig geblieben. Sie erhöben dafür Kurbeiträge. Sämtliche Ausführungen der Klägerin zu den Fremdenverkehrseinrichtungen selbst seien daher in diesem Verfahren nicht beachtlich. Nur 90 % des Aufwandes für Fremdenverkehrswerbung würden umgelegt. Der verbleibende Anteil von 10 % entspreche dem Vorteil der Allgemeinheit. Der Anteil von 90 % werde vollständig und ausschließlich über Fremdenverkehrsbeiträge finanziert. Wer beitragspflichtig sei, sei in der Satzung richtig niedergelegt worden. Aus den ausführlichen Darlegungen im Widerspruchsbescheid ergebe sich, wie die Beiträge kalkuliert worden seien. Gleiches gelte für die Ermittlung der Beitragssätze.
Die Kammer die den Rechtsstreit nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss vom 19. Februar 2004 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakte im Übrigen sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
Der Bescheid der Beklagten vom ... 2001 in Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom ... 2001 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die angefochtenen Bescheide beruhen auf § 9 Nds. Kommunalabgabengesetz (NKAG) in Verbindung mit der Fremdenverkehrsbeitragssatzung der Beklagten (FVBS) vom 14. Juli 1999 in der Fassung der 1. Änderung vom 22. März 2000, letztere veröffentlicht im Amtsblatt für den Landkreis Osterode am Harz vom 28. März 2000, S. 112, und damit auf einer wirksamen Eingriffsermächtigung. Die von der Klägerin erhobenen Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Satzung und die ihr zugrunde liegende Kalkulation greifen im Ergebnis nicht durch.
Insbesondere hat das Gericht keine Bedenken hinsichtlich der Ermittlung des beitragsfähigen Aufwandes. Gemäß § 1 Abs. 2 FVBS soll der Fremdenverkehrsbeitrag 90 % des Gesamtaufwandes für die Fremdenverkehrswerbung abdecken. Aus Fremdenverkehrsbeiträgen sollen hiervon 100 %, aus Kurbeiträgen und sonstigen Entgelten jeweils 0 % an Aufwand für die Fremdenverkehrswerbung abgedeckt werden. Damit ist in Sinne von § 9 Abs. 5 Satz 2 NKAG eine hinreichende Bestimmung getroffen, zu welchen Teilen der Gesamtaufwand aus den einzelnen Abgabearten gedeckt werden soll; vorliegend soll (nur) der Fremdenverkehrsbeitrag ausschließlich (anteilig) den Aufwand für die Fremdenverkehrswerbung decken.
§ 9 Abs. 1 S. 1 NKAG berechtigt die Gemeinden, Beiträge zur Deckung ihres Aufwandes zu erheben. Das setzt für die Festlegung der Beitragssätze zwangsläufig eine kalkulatorische Ermittlung des voraussichtlich anfallenden, deckungsfähigen Aufwandes voraus. Es handelt sich mithin nicht um eine der allgemeinen Haushaltsdeckung dienende Steuer, sondern um eine Abgabe eigener Art, die an eine Gegenleistung der beitragserhebenden Gemeinde geknüpft und deshalb dem bundesrechtlich verankerten Äquivalenzprinzip unterworfen ist. Dieses Prinzip verlangt, dass Leistung (der Beitrag) und Gegenleistung der Gemeinde in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Ohne wertmäßige Bezifferung der Gegenleistung der Gemeinde lässt sich das Verhältnis nicht ermitteln. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
In § 4 Abs. 1 Satz 2 FVBS ist der "Beitragssatz" mit 3,001314846 vom Hundert festgelegt. Bei diesem "Beitragssatz" handelt es sich bei verständiger Würdigung allerdings nicht um den - zwingend in der Satzung zu regelnden - Abgabesatz im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 2 NKAG (vgl. dazu die Anlage der FVBS). Denn darunter versteht das Gesetz einen Quotienten, der sich aus einem festgelegten Geldbetrag pro Maßstabseinheit zusammensetzt und dann multipliziert mit der konkreten Anzahl der Maßstabseinheiten im Einzelfall die jeweilige Abgabenhöhe bestimmt. Der Abgabesatz im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 2 NKAG lässt sich demzufolge nur dann als Vom-Hundertsatz festlegen, wenn als Abgabemaßstab eine in einem Geldbetrag auszudrückende Berechnungsgröße festgelegt wird. Das ist jedoch in der Fremdenverkehrsbeitragssatzung der Beklagten nicht der Fall. Zwar wird in § 3 Abs. 1 FVBS als Beitragsmaßstab zunächst der nur als Geldbetrag auszudrückende "besondere wirtschaftliche Vorteil" der Beitragspflichtigen herangezogen. Diese Regelung wird jedoch durch § 3 Abs. 2 FVBS dahingehend modifiziert, dass für die Bemessung dieses Vorteils und die Berechnung der konkreten Beiträge die in Spalte 2 der Satzungsanlage aufgeführten (als "Produktionsfaktorenmaßstäbe" anzusehenden) Maßstäbe maßgeblich sein sollen. Diesem grundsätzlich nicht zu beanstandenden System (vgl. Nds. OVG, Urt. vom 13.11.1990 - 9 L 156/98 -, NVwZ-RR 1992, 40, 43 [OVG Niedersachsen 13.11.1990 - 9 K 11/89]) entsprechend hat die Beklagte die eigentlichen Abgabesätze im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 2 NKAG in Spalte 3 der Anlage zur Satzung als Geldbetrag pro jeweils gewählter Maßstabseinheit festgelegt.
Demgegenüber handelt es sich bei dem in § 4 Abs. 1 Satz 2 FVBS festgelegten Satz um einen Berechnungsfaktor, der sich als Vorteilssatz bezeichnen lässt. Er soll, wie sich aus§ 4 Abs. 1 Satz 3 FVBS und der Systematik der der Satzung zu Grunde liegenden Beitragskalkulation ergibt, die Quote ausdrücken, mit der die angenommenen besonderen wirtschaftlichen Vorteile der Beitragspflichtigen aus ihrer Geschäftstätigkeit im beitragsrelevanten Gemeindegebiet auf den von der Beklagten getätigten beitragsfähigen Aufwand zurückzuführen sind (Vorteilssatz). Dieser Vorteilssatz kommt nach dem von der Beklagten gewählten Beitragsbemessungssystem in einem der Festlegung der eigentlichen Beitragssätze logisch vorrangigen Schritt zur Anwendung. Erst nachdem die kalkulatorisch ermittelten gesamten wirtschaftlichen Vorteile unter Anwendung dieses Vorteilssatzes auf die aufwandsbedingten Vorteile mathematisch reduziert worden sind, ist nämlich eine Umrechnung auf einen konkreten Abgabesatz entsprechend dem jeweils gewählten Beitragsmaßstab möglich. Aus dieser mathematisch - logischen Vorrangigkeit des in § 4 Abs. 1 Satz 2 FVBS normierten Vorteilssatzes folgt, dass der festzulegende jeweilige Beitragssatz in der Höhe vom zu Grunde gelegten Vorteilssatz abhängt. Ist in der Beitragssatzung - wie hier - neben dem eigentlichen Beitragssatz auch der Vorteilssatz normativ bestimmt, kann die Festlegung des Ersteren deshalb nur rechtmäßig sein, wenn er unter Anwendung des satzungsrechtlich normierten Vorteilssatzes ermittelt worden ist. Denn der Satzungsgeber ist bei der Festlegung der jeweiligen Beitragssätze an seine eigenen satzungsrechtlichen Vorgaben gebunden.
Diese Bindung hat die Beklagte bei der Festlegung der Beitragssätze beachtet. Die gemäß § 4 Abs. 2 FVBS in Spalte 3 der Anlage zur Satzung für die einzelnen Gruppen von Antragspflichtigen festgelegten Beitragssätze wurden unter Anwendung des in § 4 Abs. 1 Satz 2 FVBS festgelegten Vorteilssatzes von 3,001314846 v.H. ermittelt. Aus den Kalkulationsunterlagen ergibt sich mit Eindeutigkeit, wie der vorgenannte Vorteilssatz i.H.v. 3,001314846 sowie die der Fremdenverkehrsbeitrag je Quadratmeter Verkaufsfläche ermittelt wurden.
Nach der weiterhin bestehenden Rechtsprechung des OVG Lüneburg (vgl. grundlegend: Urteil vom 13.11.1990 - 9 K 11/89 -, NVwZ-RR 1992, 40-44) muss nicht nur - wie bereits dargelegt - die Ermittlung der Gesamtkosten der Fremdenverkehrswerbung als ermessenabhängige Entscheidung dem Rat (und nicht der Verwaltung) überlassen bleiben, sondern auch und insbesondere der Beitragssatz (hier insbesondere der Maßstab von 2,87 DM je m² Verkaufsfläche) muss vom Rat der Beklagten auf der Grundlage einer Kalkulation, die er sich zu Eigen macht, satzungsmäßig festgelegt werden. Ohne nachvollziehbare, dem Rat bei der Beschlussfassung vorliegende Kalkulation einschließlich des für diese Nachvollziehbarkeit erforderlichen Zahlenmaterials, ist diese Voraussetzung nicht erfüllt. Nach der Rechtsprechung des OVG Lüneburg (siehe auch und insbesondere Urteil vom 13.11.1990 - 9 L 156/89 -, NVwZ-RR 1992, 45, 48), der sich das Gericht anschließt, fällt die Kalkulation des Beitragssatzes in die Kompetenz des Rates. Das bedeutet, dass der Rat einen Beitragssatz nur auf der Grundlage einer Kalkulation, die er sich zu Eigen macht, ermessensfehlerfrei durch Satzung festlegen kann. Denn nur der Rat hat darüber zu entscheiden, in welchen Umfang beitragsfähiger Aufwand durch Beiträge zu decken ist. Im Übrigen setzt die Kalkulation vielfach Schätzungen, Prognosen und Wertungen voraus, die allein dem Rat überlassen bleiben müssen. Eine Ergebniskontrolle des Beitragssatzes durch das Gericht ist damit ausgeschlossen. Das Gericht ist ebenso wie die Verwaltung nicht befugt, Ermessensentscheidungen des Rates zu ersetzen oder zu korrigieren. Dies gilt auch für die Kalkulation des Fremdenverkehrsbeitrages. Gerade im vorliegenden Fall, in welchem sehr unterschiedliche Beitragsmaßstäbe je nach Gruppe der Beitragspflichtigen festgelegt worden sind (vgl. Spalte 2 der Anlage zur FVBS der Beklagten), was grundsätzlich zulässig und vom Einschätzungsspielraum der Beklagten gedeckt ist (vgl. ausführlich dazu OVG Lüneburg, Urteil vom 13.11.1990 - 9 L 156/89 -, a.a.O., 48), muss bei der Beschlussfassung für jedes Mitglied des Rates anhand der vorgelegten Unterlagen ohne weiteres nachvollziehbar sein, wie sich der Betrag von 2,87 DM je m² Verkaufsfläche (und ebenso die weiteren in Spalte 3 der Anlage zur FVBS der Beklagten festgelegten Beiträge) ergeben. Ohne diese Angaben bleiben die beschlossenen Beitragssätze gleichsam in der Luft hängen und ohne hinreichende tatsächliche Grundlage. Vorliegend bilden die von der Beklagten im Einzelnen näher dargelegten Berechnungen eine solche substantiierte Grundlage.
Wegen des Ermittlungs- und Einschätzungsspielraums, der dem Rat bei der Festlegung der Fremdenverkehrsbeiträge zukommt, ist auch das von der Beklagten gewählte und auf statistischen Ermittlungen und Berechnungen beruhende sogenannte Fallingbosteler Modell rechtlich nicht zu beanstanden (vgl. umfassend dazu: OVG Lüneburg, Urteil vom 13.11.1990 - 9 L 156/89 -, a.a.O., 47 f.). Auch soweit in diesem Zusammenhang für die Ermittlung des sogenannten "Mindestgewinns" die Durchschnittswerte (Mindestgewinnsatz) der Oberfinanzdirektion Hannover von 1994 (beim Wareneinsatz ein Mittelwert von 11 %) zugrunde gelegt worden sind, bietet das keinen Ansatz zu rechtlichen Beanstandungen. Dadurch, dass diese Angaben dem Satzungsbeschluss zugrunde lagen, hat sich der Rat des Satzungsgeber diese Richtsätze OFD hinreichend im eingangs genannten Sinn zu Eigen gemacht. Angesichts des im Rahmen des Wahrscheinlichkeitsmaßstabs ist zudem ein gewisses Maß an Pauschalierung und Typisierung hinzunehmen.
Gem. § 9 Abs. 2 S. 1 NKAG i.V.m.§ 2 Abs. 1 FVBS sind beitragspflichtig alle Unternehmen, denen durch den Fremdenverkehr unmittelbar oder mittelbar besondere wirtschaftliche Vorteile geboten werden. Unter diese Tatbestandsvoraussetzung fallen auch Inhaber von Betrieben des Einzelhandels und der Versorgung dienender Läden mit überwiegender Selbstbedienung. Dabei liegt auf der Hand, dass mittelbare Vorteile insbesondere solche Personen bzw. Unternehmen haben, die mit dem vom Fremdenverkehr unmittelbar profitierenden Gewerbe im Rahmen der für den Fremdenverkehr notwendigen Bedarfsdeckung Geschäfte tätigen oder Dienstleistungen erbringen (vgl. Driehaus/Lichtenfeld, KommAbgR, Stand: März 2004, § 11, Rn 81). Dazu gehören nicht zuletzt Selbstbedienungsgeschäfte wie das der Klägerin, die gerade im Warensegment der Güter des täglichen Bedarfs zur Deckung desselben insbesondere bei Nutzern von Ferienapartments, Campingplätzen und sonstigen Unterkunftsmöglichkeiten, die insbesondere keine angeschlossene Gastronomie und/oder keine Ferienunterkunft mit Ganztagesverpflegung anbieten. Die Klägerin hat weder dargelegt noch ist es sonst ersichtlich, dass in ihrem speziellen Fall solche mittelbaren Vorteile durch den Fremdenverkehr nicht anfallen können. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass konkret im Einzelfall kein erhöhter Verdienst/Gewinn für den Beitragspflichtigen vorliegen muss, es reicht die erhöhte Verdienstmöglichkeit durch die Maßnahmen der Fremdenverkehrswerbung, die naturgemäß mehr Touristen auch in Ferienapartments und ähnliche Unterbringungsmöglichkeiten zieht, aus (vgl. Driehaus/Lichtenfeld, a.a.O.). Das OVG Lüneburg (Urteil vom 13.11.1990 - 9 K 11/89 -, a.a.O., 41) hatte Inhaber von Einzelhandelsgeschäften, soweit sie von Fremden typischerweise nachgefragte Waren anbieten, bereits zu den nach der alten Fassung des § 9 Abs. 2 NKAG beitragspflichtigen Personen gezählt, nämlich solchen, denen durch den Fremdenverkehr in nennenswerten Umfangunmittelbare wirtschaftliche Vorteile geboten werden.
Auch die Anforderung der Rechtsprechung (OVG Lüneburg, Urteil vom 13.11.1990 - 9 L 156/89 -, a.a.O., 45, 47 f.), dass bei der Verwendung von unterschiedlichen Maßstäben in einer Fremdenverkehrsbeitragssatzung (z.B. Bettenzahl bei Beherbergungsbetrieben, Zahl der Sitzplätze in Gaststätten) im Rahmen der Kalkulation eine Relation zwischen den verschiedenen Beitragsmaßstäben hergestellt werden muss, ist vorliegend erfüllt, denn aus der Fremdenverkehrsbeitragskalkulation der Beklagten ist durch das In-Bezug-Setzen der unterschiedlichen Branchen und der Ermittlung des Vorteilssatzes 3,001314846 v.H. daraus eine solche Relation hergestellt. Dieser Abwägungsvorgang ist zwingend mit Wertungen des zur Entscheidung berufenen Rates verbunden, die wegen dessen Einschätzungs- und Ermessensspielraums nur einer begrenzten gerichtlichen Kontrolle unterliegen. Diese Grenzen sind vorliegend angesichts der nachvollziehbaren und plausiblen Kalkulation nichtüberschritten. Vor dem Hintergrund der vielfältigen Unterschiede der diversen zu berücksichtigenden Branchen und sonstigen mittelbar oder unmittelbar durch die Fremdenverkehrswerbung Bevorteilten ist hinzunehmen, dass die Bemessung des Vorteils unter Berücksichtigung unterschiedlichster Aspekte (wie z.B. Saisongeschäft, Personalkostenanteil, Witterungsabhängigkeit) erfolgt, die eine "objektive", unmittelbare Vergleichbarkeit ungleicher Sachverhalte und Ausgangssituationen nicht bewirken können.
Die Festsetzung des Vorteilssatzes durch den 1. Nachtrag zur FVBS der Beklagten, der noch im März 2000 veröffentlicht wurde, stellt angesichts des Umstands, dass die Beitragspflicht als solche erst zum Ablauf des Jahres 2000 entstanden ist (vgl. § 5 Abs. 2 FVBS), keinen Verstoß gegen das Verbot der Schlechterstellung gem. § 2 Abs. 2 NKAG dar, zumal ohnehin ein Beitrag erst ab April 2000 festgesetzt worden ist.
Dabei ist vorliegend im Ergebnis nicht durchgreifend rechtsfehlerhaft, dass die Beklagte für die Ermittlung des (jährlichen) Aufwandes für die Fremdenverkehrswerbung offenbar nicht auf "harte" Zahlen der Vorjahre zurückgegriffen hat, sondern der Rat der Beklagten in seiner Sitzung am 14. Juli 1999 nach ausführlicher Diskussion den Betrag von 80.000,00 DM als "Berechnungsgrundlage" angesehen hat. Zwar erscheint es nicht gänzlich ausgeschlossen, dass die Mitglieder des Rates sich dabei nicht immer bewusst waren, dass dies lediglich 90 % des Gesamtaufwandes für Fremdenverkehrswerbung waren (10 % muss die Beklagte aus eigenen Mitteln beisteuern), wofür schon der jeweils diskutierte "runde" Betrag sprechen könnte, jedoch ergibt die Gesamtbetrachtung des Entscheidungsvorgangs im Zusammenhang mit den Berechnungsunterlagen, die den Ratsmitgliedern vorgelegen haben, dass jedenfalls bei der zustimmenden Zur-Kenntnisnahme der Kalkulation bei den Ratsmitgliedern das Bewusstsein, den Aufwand mit insgesamt 88.8888,89 DM zu billigen, vorhanden war. Die Aufwandsermittlung ist auch noch hinreichend bestimmt nachvollziehbar, denn durch die Beschränkung auf einen einzigen Bereich, nämlich die Aufwendungen für Fremdenverkehrswerbung, lässt sich der erforderliche Aufwand anhand der bisher schon üblichen Aufwendungen für Fremdenverkehrswerbung unter Berücksichtigung aktueller Erkenntnisse, Wertungen und Planungen auch ohne gesonderte Aufstellungen flexibel bestimmen, was der Rat der Beklagten unter erheblichem Diskussionsaufwand auch getan hat. Es lassen sich jedenfalls nicht hinreichende Anhaltspunkte dafür erkennen, dass etwa durch "Handsteuerung" vom Ergebnis, d.h. der Belastung für die einzelnen Beitragspflichtigen her, ein noch vertretbarer Aufwand bestimmt wurde.
Das Gericht hat vorliegend im Ergebnis auch keine Bedenken an der Wirksamkeit der Kalkulation für den Zeitraum von April bis Dezember 2000, obwohl die Beklagte lediglich für das gesamte Jahr 2000 kalkuliert und dabei gewusst hat, dass die Satzungsänderung erst zum Beginn des zweiten Quartals greifen würde, denn mit der Beitragserhebung nach Zwölfteln (also lediglich für ein ¾-Jahr) hat die Beklagte diesem Umstand hinreichend Rechnung betragen. Es ist nicht ersichtlich, dass Aufwand oder Vorteilslage sich mehr als unerheblich von der erfolgten Kalkulationsberechnung unterschieden hätten.
Im Ergebnis bleibt die nach dem Wortlaut unklare Bestimmung, wann die Beitragsschuld im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 2 NKAG ohne Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides. Nach der neueren Rechtsprechung des OVG Lüneburg (Urteil vom 26.02.2002 - 9 K 2694/99 -, NST-N 2002, 260, 261) führt eine lediglich fehlerhafte Bezeichnung der Beitragsschuld als Beitragspflicht nicht zur Unwirksamkeit der Satzung, sollte aber von der Beklagten im Wege der Satzungsänderung korrigiert werden. In der Entscheidung heißt es dazu:
"Tatsächlich findet sich die gesetzlich verlangte Bestimmung, ob der Beitrag täglich, wöchentlich, monatlich oder jährlich entsteht, aber in der mit 'Entstehung der Beitragspflicht'überschriebenen Vorschrift des § 5 Abs. 2, wonach die 'Beitragspflicht' mit Ablauf des Kalenderjahres entsteht, auf das sie sich bezieht. Denn mit dem Ablauf des Kalenderjahres wird inhaltlich das Zeitintervall bestimmt, für welches der Beitrag geschuldet wird."
Damit scheitert die Beitragserhebung auch nicht an dieser lediglich vom Wortlaut her unklaren Bestimmung.
Auch hinsichtlich der Festsetzung der Vorausleistungen in dem angefochtenen Bescheid bestehen keine rechtlichen Bedenken. § 9 Abs. 4 NKAG sieht ausdrücklich vor, dass die Satzung die Erhebung von Vorausleistungen bis zur voraussichtlichen Höhe des Fremdenverkehrsbeitrages vorsehen kann. Eine entsprechende Regelung enthält § 6 FVBS. Danach kann die Samtgemeinde vor dem Entstehen der Beitragspflicht Vorausleistungen auf den Fremdenverkehrsbeitrag erheben. In diesem Zusammenhang ist angesichts der vorstehend dargestellten Rechtsprechung des OVG Lüneburg (Urt. v. 26.02.2002, a.a.O.) auch nicht mehr problematisch, ob Vorausleistungen von der Beklagten erhoben werden konnten, ohne dass die Beitragspflicht schon entstanden war, denn mit der Bestimmung in § 5 Abs. 2 FVBS hat die Beklagte den Zeitraum festgelegt, für den die Beitragspflicht besteht, so dass sie rechtsfehlerfrei während dieses Zeitraums Vorausleistungen erheben konnte.
Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg gegen die Einbeziehung von Steuerberatern in den Kreis der Beitragspflichten wenden, denn deren Beitragspflichtigkeit hat das OVG Lüneburg grundsätzlich angenommen (Urt. v. 17.03.1997 - 9 K 1912/95; Driehaus/Lichtenfeld, a.a.O., § 11 Rn 105 mit zahlr. weit. Nachw.); dieser Auffassung schließt sich das erkennende Gericht an und verweist zur weiteren Begründung auf sie.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Wegen des Ausgangs des Verfahrens erübrigt eine Entscheidung über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren gemäß § 162 Abs. 2 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.