Verwaltungsgericht Göttingen
Urt. v. 22.03.2004, Az.: 3 A 3231/01

Bewilligung; Erwerbsfähigkeit; Minderung; Neubewertung; Neufeststellung; Rücknahme; Unfallausgleich

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
22.03.2004
Aktenzeichen
3 A 3231/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 50548
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zur fehlenden "Sperrwirkung" des § 35 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG, wenn in einem nachträglich eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten bei im Wesentlichen unverändertem Befund eine wesentlich niedrigere Bewertung der aktuellen dienstunfallbedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit vorgeschlagen wird.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des gegen sie festzusetzenden Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

1

Die Klägerin wendet sich gegen den Wegfall der Unfallausgleichszahlungen mit Ablauf des 31.7.2001.

2

Die am I. geborene Klägerin ist Grundschullehrerin im Dienst des Landes Niedersachsen. Sie erlitt am 8.9.1982 einen Unfall (Sprunggelenksdistorsion rechts). Dieser wurde mit bestandskräftig gewordener Verfügung der Beklagten vom 22.12.1982 als Dienstunfall anerkannt. Zur Frage, ob der Dienstunfall abgeschlossen werden könne, wurde die Klägerin am 25.8.1987 durch das Gesundheitsamt J. amtsärztlich untersucht. Nach der amtsärztlichen Stellungnahme vom 23.9.1987 bestand eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 45 % (Bl. 68 der Beiakte A). Da dem zuständigen Sachbearbeiter der Beklagten die angegebene MdE zu hoch erschien, wurde der Vorgang dem Medizinaldezernat der Beklagten zu Stellungnahme vorgelegt. Mit Vermerk vom 1.10.1987 (Bl. 69 R der Beiakte A) hielt dieses Medizinaldezernat eine MdE von maximal 20 % für wahrscheinlich. Mit bestandskräftigem gewordenem Bescheid der Beklagten vom 8.10.1987 wurde die MdE auf 30 % festgesetzt und der Klägerin rückwirkend ab dem 8.9.1982 ein Unfallausgleich bewilligt (Bl. 70 f. der Beiakte A).

3

Am 24.1.1991 wurde eine amtsärztliche Nachuntersuchung angeordnet. In seinem Gutachten vom 20.2.1991 (Bl. 77 ff. der Beiakte A) bestätigte der Amtsarzt, dass eine Erwerbsminderung vorliegt. Vom Medizinaldezernat der Beklagten wurde am 9.3.1991 folgende Stellungnahme abgegeben (Bl. 78 der Beiakte A): „Nach dem neuerlichen Gutachten des K. Amtsarztes keine wesentliche Befundänderung. MdE von 30 % kann als sachgerecht bestätigt werden.“

4

Im Jahre 1998 kam es anlässlich der Prüfung der MdE erneut zu einer Nachuntersuchung. Nach der amtsärztlichen Stellungnahme vom 13.7.1998 (Bl. 83 der Beiakte A) lag die MdE nun bei 25 %. Dies wurde der Klägerin mit bestandskräftig gewordenem Bescheid der Beklagten vom 23.7.1998 mitgeteilt mit dem zutreffenden (sich aus § 31 Abs. 2 BeamtVG ergebenden) Hinweis, die Höhe der Zahlung des Unfallsausgleichs werde dadurch nicht berührt (Bl. 85 der Beiakte A).

5

Auch nach der amtsärztlichen Nachuntersuchung des Gesundheitsamtes J. vom 23.8.2000 wurde die MdE von 25 % bestätigt; gleichzeitig wurde nun allerdings davon ausgegangen, dass es sich hierbei um einen Dauerzustand handele (Bl. 88 der Beiakte A).

6

Diesbezüglich wurde von der Beklagten das Medizinaldezernat des Hauses um Stellungnahme gebeten. Der leitende Medizinalrat L. M. machte in seiner Stellungnahme vom 18.9.2000 (Bl. 90 f. der Beiakte A) darauf aufmerksam, sowohl der Verlauf der amtsärztlichen Untersuchungen als auch die Festlegung der MdE müssten im vorliegenden Fall als „ausgesprochen unglücklich“ bezeichnet werden. Nach Auffassung des Medizinaldezernats der Beklagten sei lediglich die Einschätzung von Herrn L. N. vom 1.10.1987 zutreffend gewesen, in der dieser eine MdE von maximal 20 % angenommen habe.

7

Auf der Grundlage dieser Stellungnahme wurde von der Beklagten unter dem 27.11.2000 ein fachorthopädisches Gutachten der Orthopädischen Gutachtenstelle im Klinikum O. zu der Frage veranlasst, ob bei der Klägerin eine MdE von mindestens 25 % auf Dauer als Folge des Dienstunfalls vom 8.9.1982 bestehe. Dieses Gutachten vom 9.5.2001 kommt zu dem Ergebnis, dass aufgrund der erhobenen klinischen und radiologischen Befunde eine Minderung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin aktuell auf unter 10 % dauerhaft festzustellen ist (Bl. 99 bis 108 der Beiakte A).

8

Mit dem angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 6.7.2001, zugestellt am 19.7.2001, wurde – gestützt auf das Gutachten vom 9.5.2001 und § 35 Abs. 3 BeamtVG – festgestellt, dass die Voraussetzungen der Zahlung des Unfallausgleichs nicht mehr gegeben seien; gleichzeitig wurde der Wegfalls des Unfallausgleichs mit Ablauf des 31.7.2001 verfügt. Hiergegen legte die Klägerin unter dem 26.7.2001 Widerspruch ein mit der Begründung, es bestünden noch täglich Schmerzen und Beschwerden aufgrund des Dienstunfalls vom 8.9.1982. Dazu reichte sie ein Attest von L. P. Q. vom 27.8.2001 (Bl. 124 f. der Beiakte A) ein, in dem dieser darlegte, er halte eine Erwerbsminderung der Klägerin von mindestens 25 % für geboten.

9

Mit Widerspruchsbescheid vom 1.11.2001 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück und führte zur Begründung aus: Durch die Feststellungen des fachorthopädische Gutachtens vom 9.5.2001, denen sie sich angeschlossen habe, sei gemäß § 35 Abs. 3 BeamtVG eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen eingetreten, die für die Feststellung des Unfallausgleichs maßgebend seien. Denn gemäß § 35 Abs. 1 BeamtVG werde Unfallausgleich nur gewährt, wenn die auf einem Dienstunfall beruhende Minderung der Erwerbsfähigkeit mindestens 25 % betrage. Die MdE sei nach der körperlichen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben zu beurteilen, so dass es nicht darauf ankomme, inwieweit die Beeinträchtigung Einfluss auf die Dienstfähigkeit der Klägerin habe. Da die diesbezügliche MdE der Klägerin aufgrund der erhobenen Befunde des Gutachtens vom 9.5.2001 aktuell dauerhaft unter 10 % liege, seien im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für die Zahlung des Unfallausgleichs nicht mehr gegeben. Der Wegfall des Unfallsausgleichs trete ein mit Ablauf des Monats, in dem der Änderungsbescheid vom 6.7.2001 zugestellt worden sei, hier also mit Ablauf des 31.7.2001. Den Argumenten der Klägerin könne nicht gefolgt werden. Bei dem von ihr vorgelegten Schreiben von Herrn L. Q. vom 27.8.2001 handele es sich um kein fachärztliches Attest im Sinne der betroffenen Fachrichtungen (Orthopädie oder Chirurgie). Hinsichtlich des aktuellen orthopädischen Befundberichtes verweise auch er auf das vorliegende fachorthopädische Gutachten vom 9.5.2001. Dort sei die Beschwerdesymptomatik der Klägerin vollständig erfasst. Dieses fachorthopädische Gutachten beziehe sich nur auf die dienstunfallbedingte MdE und nicht auf eine ggf. unter Umständen vorliegende Gesamt-MdE (z. B. Bandscheibenschaden o. ä.). Eine Änderung des allgemeinen Gesundheitszustandes, die mit dem Dienstunfall in keinem Zusammenhang stehe, beispielsweise durch Alterserscheinungen, bleibe außer Betracht. Die Bewertung der MdE im fachorthopädischen Gutachten sei schlüssig und nachvollziehbar. Da das eingeholte Gutachten keine erkennbaren Mängel aufweise, bestehe keine Veranlassung, an den dort getroffenen Feststellungen zu zweifeln.

10

Vor Erlass des Widerspruchsbescheides hatte die Beklagte auf Seite 2 eines Vermerks vom 1.11.2001 (Bl. 132 der Beiakte A) dargelegt, im vorliegenden Fall komme nur die Regelung in § 35 Abs. 3 BeamtVG über die Neufestsetzung des Unfallsausgleichs mit Wirkung für die Zukunft in Betracht. Die rückwirkende Aufhebung der Verfügung über den Unfallausgleich als rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt gemäß § 48 Verwaltungsverfahrensgesetz scheide demgegenüber schon deshalb aus, weil die Klägerin hinsichtlich der Vergangenheit Vertrauensschutz genieße. Sie habe sich jeder der angeordneten amtsärztlichen Untersuchungen zur Prüfung der MdE unterzogen und aufgrund der vorab durchgeführten Untersuchungen bis zum Erlass des Änderungsbescheides vom 6.7.2001 auf den Bestand der Verfügungen über die Festsetzung des Unfallausgleichs vertrauen können.

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Mit ihrer am 28.11 2001 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren auf Weitergewährung des Unfallsausgleichs ab 1.8.2001 weiter. Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend: Die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig. Soweit sie sich auf das fachorthopädische Gutachten vom 9.5.2001 stützten, werde dieses von dem fachärztlichen Attest des sie seit Jahren betreuenden Facharztes für Allgemeinmedizin L. Q. vom 27.8.2001 widerlegt. Sie sei – wie L. Q. bestätige – weiterhin mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 25 % belastet. Die Folgen des Dienstunfalls vom 8.9.1982 seien bis heute spürbar. Seit vielen Jahren könne sie, die Klägerin, keinen Sportunterricht mehr erteilen. Zudem könne sie seit dem Unfall und den daraus resultierenden immer wiederkehrenden Verletzungen (Zerrungen und Bänderdehnungen durch häufiges Umknicken wegen eingetretener Bänderschwäche) Klassenfahrten mit den Schülern schon seit ca. 15 Jahren nicht mehr durchführen. Abgesehen von den Schmerzen sei das Risiko zu groß, dass sie als Lehrerin durch die ständig gegebene neue Verletzungsgefahr ausfalle und die Klasse deshalb die erforderliche Betreuung nicht mehr erfahre. Außerdem sei schon täglich eine Bewegungseinschränkung im Schulhaus wegen des Treppensteigens gegeben. Im Übrigen berufe sich die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden über den Wegfall des Unfallausgleichs zu Unrecht auf § 35 Abs. 3 BeamtVG, denn dessen Voraussetzungen lägen hier nicht vor. Die Verhältnisse, die für die Festsetzung des Unfallausgleichs maßgebend gewesen seien, hätten sich nicht wesentlich, sondern vielmehr überhaupt nicht geändert. Geändert habe sich lediglich die Bewertung ihrer Erwerbsminderung. Eine solche Änderung der MdE-Bewertung sei aber von § 35 Abs. 3 BeamtVG nicht erfasst.

12

Die Klägerin beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 6.7.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1.11.2001 aufzuheben,

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hilfsweise,

15

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 6.7.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1.11.2001 zu verpflichten, der Klägerin ab 1.8.2001 weiterhin Unfallausgleich nach einer dienstunfallbedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit von 25 % zu gewähren.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

18

Sie hält ihre Bescheide für rechtmäßig und tritt den Ausführungen der Klägerin im Einzelnen entgegen. Vorliegend habe die erneute Untersuchung der Klägerin durch die Orthopädische Gutachtenstelle im Klinikum O. auf der Grundlage der am 9.5.2001 vorliegenden Befunde eine MdE von aktuell unter 10 % ergeben. Dies stelle im Vergleich zu den Vorbegutachtungen sehr wohl eine wesentliche Änderung im Sinne von § 35 Abs. 3 BeamtVG dar. Naturgemäß könne sich der Gutachter nicht abschließend zum Vorliegen einer MdE in der Vergangenheit äußern.

19

Die Kammer hat den Rechtsstreit nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss vom 19.2.2004 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

20

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten. Diese Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat keinen Erfolg.

22

Die Klage ist entsprechend dem Hauptantrag als reine Anfechtungsklage zulässig. Wird der angefochtene, für die Klägerin ungünstige Neufeststellungsbescheid der Beklagten vom 6.7.2001 (Feststellung, dass die Voraussetzungen zur Zahlung des Unfallsausgleichs mit Ablauf des 31.7.2001 nicht mehr gegeben sind) gerichtlich aufgehoben, so wird für die Unfallausgleichsleistungen ab dem 1.8.2001 wieder der frühere Feststellungsbescheid der Beklagten vom 8.10.1987 in der Fassung des Bescheides vom 23.7.1998 maßgebend, mit welchem der Klägerin auf unbestimmte Zeit Unfallausgleichsleistungen nach einer dienstunfallbedingten MdE von 25 % zugesprochen worden waren. Eines zusätzlichen Verpflichtungsbegehrens entsprechend dem Hilfsantrag bedarf es demzufolge hier nicht.

23

Die Klage ist aber nicht begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 6.7.2001 in der Fassung des ihn bestätigenden Widerspruchsbescheides vom 1.1.2001 verletzt die Klägerin nicht im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO in ihren Rechten.

24

Rechtsgrundlage für die Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 8.10.1987 in der Fassung des Bescheides vom 23.7.1998 durch den angefochtenen Bescheid vom 6.7.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1.11.2001 ist § 48 des Verwaltungsverfahrensgesetzes – VwVfG – i.V.m. § 1 Abs. 1 des Nds. Verwaltungsverfahrensgesetzes – NVwVfG –. Diese Vorschrift regelt u.a. die Rücknahme eines rechtswidrigen, auf eine laufende Geldleistung gerichteten Verwaltungsakts mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit. Dagegen scheidet – entgegen der Ansicht der Beklagten – § 35 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG in der hier nach § 85 Abs. 8 dieses Gesetzes anzuwendenden Fassung der Bekanntmachung der Neufassung des Beamtenversorgungsgesetzes vom 12.2.1987 (BGBl. I S. 579) – BeamtVG 1987 – als Rechtsgrundlage aus. Nach dieser Vorschrift wird der Unfallausgleich neu festgestellt, wenn sich die Verhältnisse wesentlich geändert haben, die für seine (ursprüngliche) Feststellung maßgebend gewesen sind. Darum geht es hier nicht. Die Beklagte hat mit ihrem angefochtenen Bescheid vom 6.7.2001 in der Fassung ihres Widerspruchsbescheides vom 1.11.2001 nicht eine nachträglich eingetretene Änderung der Sachlage berücksichtigen wollen, die für die Bewilligung des Unfallausgleichs maßgebend war. Sie hat den Bewilligungsbescheid vom 8.10.1987 in der Fassung des Bescheides vom 23.7.1998 – allerdings nur mit Wirkung für die Zukunft – vielmehr aufgehoben, weil sie der Ansicht war, die Voraussetzungen für die Gewährung des Unfallausgleichs hätten wohl (allerdings nicht mehr nachweisbar) schon von Anfang an (d. h. bereits ab dem 8.9.1982) nicht, zumindest aber im Juni 2001 nach Kenntnisnahme des von ihr eingeholten fachärztlichen Gutachtens der Orthopädischen Gutachtenstelle im Klinikum O. vom 9.5.2001, nicht mehr vorgelegen (vgl. zur Anwendung der allgemeinen Vorschriften über die Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte im erstgenannten Fall: BVerwG, Beschluss vom 10.10.1979 – 6 B 4.79 –, ZBR 1980, 181; VGH Mannheim, Urteil vom 17.1.1989 – 4 S 546/87 – RiA 1989, 215; zur Anwendbarkeit im zweitgenannten Fall: OVG Münster; Urteil vom 11.9.1980 – 12 A 2104/78 –, juris; OVG Bremen, Urteil vom 16.2.2000 – 2 A 113/99 –, NordÖR 2001, 271).

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Gemäß § 48 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 NVwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt, der eine laufende Geldleistung gewährt, darf gemäß § 48 Abs. 2 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 NVwVfG nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen schutzwürdig ist. Schließlich ist die Rücknahme gemäß § 48 Abs. 4 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 NVwVfG nur zulässig innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme der Tatsachen, die die Rücknahme des Verwaltungsakts rechtfertigen.

26

Die Voraussetzungen für die Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 8.10.1987 in der Fassung des Bescheides vom 23.7.1998 liegen jedenfalls ab Juni 2001 vor.

27

Es kann dahinstehen, ob der Bewilligungsbescheid bereits bei seinem Erlass rechtswidrig war, weil die dienstunfallbedingte MdE der Klägerin – wie im Vermerk des Medizinaldezernats der Beklagten vom 1.10.1987 angenommen – von Anfang an unter 25 % lag und die Klägerin deshalb den aufgrund des Dienstunfalls vom 8.9.1982 gewährten Unfallausgleich niemals beanspruchen konnte. Selbst wenn dies zu verneinen sein sollte, wurde dieser als ursprünglich rechtmäßig erlassen zu behandelnde Verwaltungsakt mit Dauerwirkung jedenfalls nachträglich im Juni 2001 – mit Eingang des eingeholten fachorthopädischen Gutachtens vom 9.5.2001 bei der Beklagten – rechtswidrig und konnte demzufolge nach § 48 Abs.1 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 NVwVfG zweifelsfrei zumindest mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.11.1989 – 2 C 43.87 –, BVerwGE 84, 111/113 f.; OVG Münster, Urteil vom 26.8.1987 – 6 A 1910/84 –, NVwZ-RR 1988, 1/2, bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 2.11.1987 – 2 B 100.87 –; VG Göttingen, Urteil vom 16.12.1998 – 3 A 3001/97 – UA S. 5; in allen vorgenannten Entscheidungen wurde sogar die Zulässigkeit der rückwirkenden Rücknahme, bezogen auf den Zeitpunkt des Eintritts der Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides, bejaht). Dies gilt selbst dann, wenn die Voraussetzungen des § 35 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG 1987 nicht vorliegen, da diese Vorschrift insoweit keine abschließende Sperrwirkung entfaltet. Wenn sich – wie hier bei der im Jahre 2001 durchgeführten fachorthopädischen Nachuntersuchung – ergibt, dass aufgrund geänderter medizinischer Bewertung bei im Wesentlichen gleich gebliebener Befundlage die dienstunfallbedingte MdE (erheblich) niedriger als bisher – nämlich deutlich unter 25 % – anzusetzen ist, so mag darin – wie zugunsten der Klägerin unterstellt werden kann – keine Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG 1987 liegen. Gleichwohl kann ihr aber diese abweichende MdE-Beurteilung des Jahres 2001 nachträglich unter Einhaltung der Voraussetzungen der allgemeinen Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes (§ 48 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 NVwVfG) entgegengehalten werden (vgl. OVG Bremen, Urteil vom 16.2.2000, a. a. O.; Schütz/Maiwald, a. a. O., § 35 BeamtVG Rdn. 35), zumal die hier gegebene Konstellation einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG zumindest gleichzusetzen ist (so ausdrücklich OVG Münster, Urteil vom 11.9.1980, a. a. O.; im gleichen Sinne BVerwG, Beschluss vom 16.9.1980 – 6 B 44.80 –, Buchholz 232.5 § 35 BeamtVG Nr. 1: Sofern die Klageabweisung in erster Linie darauf gestützt sei, dass bei der klagenden Partei aufgrund eines eingeholten fachärztlichen Gutachtens die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 BeamtVG für die Weitergewährung des Unfallausgleichs nicht mehr gegeben seien, sei die Rechtsfrage, was im Sinne des § 35 Abs. 3 BeamtVG unter einer „wesentlichen Änderung“ der für die Feststellung des Unfallausgleichs maßgebenden Verhältnisse zu verstehen sei, „für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht entscheidungserheblich“).

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Als Anspruchsgrundlage für den gewährten Unfallausgleich kommt nur § 35 Abs. 1 BeamtVG 1987 in Betracht. Nach dieser Vorschrift erhält die Verletzte, wenn sie infolge eines Dienstunfalls in ihrer Erwerbsfähigkeit länger als sechs Monate wesentlich beschränkt ist, solange dieser Zustand andauert, neben den Dienstbezügen oder dem Ruhegehalt einen Unfallausgleich in Höhe der Grundrente nach § 31 Abs. 1 bis 4 des Bundesversorgungsgesetzes – BVG –. Wesentlich ist eine Erwerbsbeschränkung, wenn sie mindestens 25 % beträgt, wie sich aus der Verweisung auf § 31 Abs. 2 BVG ergibt (vgl. Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum BeamtVG – BeamtVGVwV – Tz. 35.1.3 Satz 1; VGH Mannheim, Urteil vom 24.3.1993 – 4 S 1645/91 –, NVwZ-RR 1994, 170/171 m.w.N.; Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Teil D BeamtVG, Stand: Oktober 2003, § 35 BeamtVG Rdn. 17). Der Dienstunfallausgleich soll grundsätzlich Benachteiligungen der Beamten gegenüber den unfallgeschädigten Angestellten und Arbeitern ausgleichen, denen neben den Arbeitseinkünften eine Verletztenrechte nach § 56 SGB VII (früher: § 581 RVO) zusteht. Deshalb ist die MdE nach der körperlichen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben zu beurteilen (§ 35 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG 1987). Es kommt also nicht darauf an, welchen Einfluss die Beeinträchtigung auf die Dienstfähigkeit oder die Art der dienstlichen Tätigkeit der Beamtin, ihr allgemeines Wohlbefinden oder ihre Fähigkeit hat, Aufgaben des täglichen Lebens wahrzunehmen, sondern allein darauf, ob und inwieweit abstrakt die Fähigkeit der Beamtin nicht nur geringfügig beeinträchtigt ist, auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens, dem „allgemeinen Arbeitsmarkt“, Erwerbseinkommen zu erzielen (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.9.2000 – 2 C 27.99 –, NVwZ-RR 2000, 168/170; VG Göttingen, Urteil vom 29.5.2002 – 3 A 3106/00 – UA S. 4; Schütz/Maiwald, a. a. O., § 35 BeamtVG Rdn. 18). Die Gewährung des Unfallsausgleichs setzt also voraus, dass die Fähigkeit der Klägerin, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Erwerbseinkommen zu erzielen, durch den als Folge des Dienstunfalls vom 8.9.1982 anerkannten Körperschaden (Sprunggelenksdistorsion rechts) um mindestens 25 % gemindert ist, wobei bei der MdE-Feststellung – wie dargelegt – nicht auf ihren Beruf als Lehrerin oder Sportlehrerin abzustellen ist. Das Vorliegen dieser Voraussetzung hat die Beklagte mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 6.7.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1.11.2001 für den Zeitraum ab dem 1.8.2001 zu Recht verneint.

29

Die Beklagte hat ihren angefochtenen Bescheid vom 6.7.1991 in der Fassung ihres Widerspruchsbescheides vom 1.11.2001 maßgeblich darauf gestützt, bei der Klägerin seien die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 BeamtVG für die Weitergewährung des Unfallausgleichs jedenfalls seit Mai 2001 nicht mehr gegeben. Aufgrund des eingeholten fachorthopädischen Gutachtens vom 9.5.2001 stehe fest, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit der Klägerin aktuell dauerhaft nur noch weniger als 10 % betrage. Nach § 35 Abs. 1 BeamtVG könne aber die durch den Dienstunfall vom 8.9.1982 verletzte Klägerin einen Unfallausgleich nur erhalten, solange ihre Erwerbsfähigkeit um mindestens 25 % gemindert sei. Demgemäß erfolge der Wegfall des Unfallausgleichs mit Wirkung für die Zukunft, d. h. ab 1.8.2001. Hiergegen sind aus Rechtsgründen Einwände nicht zu erheben.

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Nach den vorstehend dargelegten Grundsätzen ist die Feststellung eines Grades der MdE von bis zu 10 % ab Mai 2001 in den angefochtenen Bescheiden der Beklagten rechtlich nicht zu beanstanden. Da weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, dass bei der Klägerin bei Eintritt des Dienstunfalls vom 8.9.1982 bereits eine (bestehende) abschätzbare Minderung der Erwerbsfähigkeit bestanden hat, bleibt § 35 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG 1987 außer Betracht. Die Beklagte stützt sich bei ihrer hier strittigen Feststellung der – aus Rechtsgründen ausschließlich maßgebenden – dienstunfallbedingten MdE zu Recht auf das von ihr eingeholte fachärztliche Gutachten der Orthopädischen Gutachtenstelle im Klinikum Göttingen vom 9.5.2001, das Oberarzt L. P. R. und Klinikassistentin S. erstattet haben. Der Vortrag der Klägerin und die von ihr eingereichte ärztliche Stellungnahme von L. Q. vom 27.8.2001 sind nicht geeignet, die von den Gutachtern vertretene Auffassung in Frage zu stellen; auch im Übrigen sind Zweifel an der von ihnen vorgenommenen Bewertung nicht gerechtfertigt. Die Gutachter haben im Wesentlichen ausgeführt: Bei der Klägerin finde sich eine leichte schmerzhafte Bewegungseinschränkung des rechten Sprunggelenkes und eine Weichteilschwellung insbesondere über dem rechten Außenknöchel; ein Anhalt für eine Instabilität liege nicht vor (Gutachten S. 8). In den aktuellen Röntgenaufnahmen finde sich kein Hinweis auf einen fortgeschrittenen posttraumatischen Gelenkverschleiß, sondern allein klinisch eine leichte Minderbeweglichkeit des rechten Sprunggelenkes und die (von der Klägerin) beklagten Schmerzen (im Bereich des rechten oberen Sprunggelenkes, besonders bei Belastung). Aufgrund der erhobenen klinischen und radiologischen Befunde lasse sich eine Minderung der Erwerbsfähigkeit „aktuell auf unter 10 % dauerhaft“ festlegen (Gutachten S. 9). Zur Erklärung ihrer von den Vorgutachten deutlich abweichenden Bewertung verweisen die Gutachter darauf, nach der einschlägigen Fachliteratur im Bereich der medizinischen Begutachtung entspreche eine MdE von 30 % bis 40 % „einer Versteifung des oberen Sprunggelenkes in ungünstiger Gelenkstellung“ und eine solche von 20 % „einer Versteifung des oberen Sprunggelenkes in günstiger Gelenkstellung oder einer fortgeschrittenen Arthrose“ (Gutachten S. 9 f.). Das Gericht hat keinerlei Zweifel oder Bedenken gegen die Seriosität des von Oberarzt L. P. R. und Klinikassistentin S. erstellten Gutachtens vom 9.5.2001 oder gegen ihre fachliche Kompetenz; die getroffenen Schlussfolgerungen und Wertungen, die logisch und nachvollziehbar sind, hält das Gericht für überzeugend. Das Gericht ist verfahrensrechtlich berechtigt, seine Überzeugungsbildung auf das im Verwaltungsverfahren eingeholte fachorthopädische Gutachten zu stützen (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 20.2.1998 – 2 B 81.97 –, in: Schütz/Maiwald, ES/C 3.4 Nr. 7 S. 21/24, sowie Beschluss vom 7.6.1995 – 5 B 141.94 –, Buchholz 310 § 86 Abs. 1 Nr. 268; OVG Lüneburg, Beschluss vom 8.11.2002 – 2 LA 12/02 – BA S. 6). Soweit die Klägerin Zweifel an den Ergebnissen des Gutachtens maßgeblich darauf stützt, dass insbesondere ihre Schmerzen im Bereich des rechten oberen Sprunggelenkes besonders bei Belastungen und die Unmöglichkeit, Sportunterricht zu erteilen sowie an Klassenwanderungen teilzunehmen, nicht hinreichend berücksichtigt worden seien, ist dem entgegenzuhalten, dass es beim Unfallausgleich – wie dargelegt – gerade nicht um eine Beeinträchtigung des allgemeinen körperlichen Wohlbefindens oder der gerade ausgeübten beruflichen Tätigkeit geht, sondern ausschließlich um einen Vergleich zwischen der Erwerbstätigkeit im allgemeinen Berufsleben mit und ohne die fraglichen Beeinträchtigungen. Insoweit ist es zwar bedauerlich, dass die Klägerin über Schmerzen im Bereich des rechten oberen Sprunggelenkes klagt und dass es ihr schon seit längerem nicht mehr möglich ist, Sportunterricht zu erteilen bzw. an Klassenwanderungen teilzunehmen. Auf ihre Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt hat dies jedoch nur den in dem fachorthopädischen Gutachten vom 9.5.2001 bescheinigten Einfluss von aktuell und dauerhaft bis zu 10 %, da es – abgesehen von der Tätigkeit einer Grundschul- bzw. Sportlehrerin – eine Vielzahl von Berufen gibt, in denen die von der Klägerin beklagten Schmerzbeschwerden bzw. Funktionsminderungen nur eine unwesentliche Rolle spielen. Der von der Klägerin geforderte Grad der MdE von mindestens 25 % ist im Übrigen schon im Vergleich zu den festgelegten Mindestsätzen bei Verlust von Gliedmaßen (vgl. hierzu BeamtVGVwV, Tz. 35.2.4: bei Teilverlust eines Fußes, bei Verlust sämtlicher Zehen an beiden Füßen oder bei Verlust des ganzen Daumens einschließlich des Mittelhandknochens einer Hand jeweils 30 %, wobei dieser Wert gemäß § 35 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG i.V.m. § 31 Abs. 2 BVG einen Wert von mindestens 25 % mit umfasst) aufgrund der mit diesen Schädigungen einher gehenden Funktionseinbußen und Schmerzbeschwerden deutlich überzogen, weshalb die Überzeugungskraft der MdE-Festsetzung in dem fachorthopädischen Gutachten vom 9.5.2001 nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden kann. Hieran vermag auch das von der Klägerin beigebrachte Attest des Facharztes für Allgemein- und Rettungsmedizin sowie Badearztes L. P. Q. vom 27.8.2001 nichts zu ändern, denn dieser verweist auf das vorgenannte Fachgutachten, zieht jedoch teilweise andere medizinische Schlüsse. Die Qualität dieser Schlüsse muss insbesondere deshalb in Frage gestellt werden, weil L. Q. – zum einen – kein fachärztliches Gutachten im Sinne der betroffenen Fachrichtung (Orthopädie oder Chirurgie) erstattet hat (zudem auch nicht erstatten kann) und weil er – zum anderen – seine Annahme, eine Erwerbsminderung von mindestens 25 % sei geboten, unfallausgleichsrechtlich fehlerhaft maßgeblich daraus herleitet, die Erwerbsfähigkeit der Klägerin „als Lehrerin“ sei „in vielen Bereichen eingeschränkt, teilweise unmöglich“ (Attest S. 2). Im Übrigen ist die Beschwerdesymptomatik der Klägerin nach Ansicht des Gerichts von dem fachorthopädischen Gutachten vom 9.5.2001 vollständig erfasst. Dieses Gutachten bezieht sich – im Einklang mit der gesetzlichen Regelung des § 35 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG 1987 – zu Recht ausschließlich auf die dienstunfallbedingte MdE und nicht auf eine auf anderen Ursachen beruhende sonstige MdE, die möglicherweise im Jahre 2001 vorgelegen hat. Änderungen des allgemeinen Gesundheitszustandes, die mit dem Dienstunfall vom 8.9.1982 und der dienstunfallrechtlich allein anerkannten Folge „Sprunggelenksdistorsion rechts“ in keinem Zusammenhang stehen – z. B. Alterserscheinungen oder sonstige Gesundheitsbeeinträchtigungen (vgl. etwa S. 5 des Gutachtens vom 9.5.2001: postthrombotisches Syndrom des linken Unterschenkels; Bandscheibenvorfall L4/5 im Jahre 1988, starke Rückenschmerzen/„Wirbelgelenksarthrose“ im Jahre 1994) – sind in dem Fachgutachten vom 9.5.2001 zu Recht außer Betracht geblieben (vgl. dazu BeamtVGVwV Tz. 35.2.2 und Tz. 35.3.1 – letzter Satz).

31

Für die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens besteht kein Anlass. Ein weiteres Gutachten ist erst dann einzuholen, wenn die Grundvoraussetzungen für die Verwertbarkeit des bereits vorliegenden Gutachtens – sei es im Allgemeinen oder sei es mit Blick auf die besonderen Verhältnisse des konkreten Streitfalles – nicht gegeben sind, weil das Gutachten offen erkennbare Mängel aufweist, namentlich von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht oder unlösbare Widersprüche enthält, wenn Zweifel an der Sachkunde oder Unparteilichkeit der Gutachter bestehen oder wenn ihnen ein spezielles Fachwissen fehlt, das für die Beantwortung einer besonders schwierigen Fachfrage erforderlich ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.2.1998 – 2 B 81.97 –, a. a. O. S. 24; Beschluss vom 30.3.1995 – 8 B 167.94 –, Buchholz 310 § 98 Nr. 48; Beschluss vom 4.12.1991 – 2 B 135.91 –, Buchholz 310 § 86 Abs. 1 Nr. 238; OVG Lüneburg, Beschluss vom 8.11.2002 – 2 LA 12/02 – BA S. 6; Beschluss vom 23.8.2001 – 5 L 454/99 – BA S. 4). Derartige Zweifel an der Richtigkeit des Gutachtens oder an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit der Gutachter sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Das Gutachten ist auch in sich nicht widersprüchlich. Das Gericht ist nicht allein schon deswegen verpflichtet, ein weiteres Gutachten einzuholen oder in sonstige Ermittlungen einzutreten, weil die Klägerin das bereits vorliegende fachorthopädische Gutachten vom 9.5.2001 als Erkenntnisquelle für unzureichend hält (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 20.2.1998, vom 30.3.1995 und vom 4.12.1991, jeweils a. a. O.; OVG Lüneburg, Beschluss vom 23.8.2001, a. a. O.).

32

Bei der hier gegebenen Sachlage kann der in den angefochtenen Bescheiden der Beklagten vom 6.7.2001 und 1.11.2001 fehlerhaft verfügte „Wegfall“ des Unfallausgleichs gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG ab 1.8.2001 zulässigerweise in eine auf § 48 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 NVwVG gestützte Rücknahme des ursprünglichen Bewilligungsbescheides der Beklagten vom 8.10.1987 in der Fassung des Bescheides vom 23.7.1998 mit Wirkung für die Zukunft – d. h. mit Ablauf des 31.7.2001 – umgedeutet werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.11.1999 – 9 C 16.99 –, NVwZ 2000, 575). Denn die diesbezügliche Rücknahme des ursprünglichen Bewilligungsbescheides ist auf das gleiche Ziel wie die fehlerhafte „Wegfall“-Entscheidung, nämlich darauf gerichtet, verbindlich festzustellen, dass der Klägerin aus dem Dienstunfall vom 8.9.1982 ab 1.8.2001 keine Unfallausgleichsleistungen mehr zustehen. Einen Verwaltungsakt diesen Inhalts hätte die Beklagte in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßigerweise erlassen können. Da aufgrund des eingeholten fachorthopädischen Gutachtens vom 9.5.2001 feststeht, dass bei der Klägerin die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 BeamtVG für die Weitergewährung des Unfallausgleichs seit dem Zeitpunkt der Gutachtenerstellung nicht mehr gegeben waren, war das Rücknahmeermessen der Beklagten hier dergestalt „auf Null“ reduziert, dass jede andere Entscheidung als diejenige, den ursprünglichen Bewilligungsbescheid mit Wirkung für die Zukunft (d. h. mit Wirkung zum Ablauf des Monats, in dem der angefochtene Bescheid vom 6.7.2001 zugestellt wurde) zurückzunehmen, ermessensfehlerhaft gewesen wäre. Da die durch einen Dienstunfall verletzte Beamtin gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG einen Unfallausgleich nur erhalten kann, „solange“ ihre Erwerbsfähigkeit um mindestens 25 % gemindert ist, ist der Unfallausgleich mit Wirkung für die Zukunft zu entziehen, wenn aufgrund einer nachträglichen medizinischen Neuwertung die bisher angenommene MdE von mindestens 25 % auf – wie hier – (deutlich) unter 25 % sinkt; insoweit steht die Bewilligung des Unfallausgleichs unter dem gesetzlichen Vorbehalt des Gleichbleibens der Bewilligungsvoraussetzungen. Die Klägerin kann sich insoweit auch nicht mit Erfolg auf Vertrauensschutz berufen. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn die Begünstigte die gewährten Leistungen verbraucht hat oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die sie nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (§ 48 Abs. 2 Satz 2 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 NVwVfG). Die Klägerin mag zwar darauf vertraut haben, dass sie auch in der Zukunft den Unfallausgleich zusätzlich zu ihren Dienstbezügen erhalten wird. Dieses Vertrauen ist jedoch rechtlich nicht schützenswert. Die Klägerin hat nicht im Vertrauen auf den Fortbestand des ursprünglichen Bewilligungsbescheides vom 8.10.1987 in der Fassung des Bescheides vom 23.7.1998 in die Zukunft wirkende Vermögensdispositionen getroffen, die in diesem Zusammenhang Berücksichtigung verdienten. Sollte sie die Unfallausgleichsleistungen ihren Familienangehörigen zuwenden oder in ihr Haus bzw. ihre Wohnung investieren, so stünden diese Vermögensdispositionen mit dem Zweck des gewährten Unfallausgleichs in keinem Zusammenhang. Der Unfallausgleich dient nicht der Deckung des Lebensunterhalts. Er soll vielmehr pauschalierter Ersatz echter Mehraufwendungen sein, die durch eine wesentliche Minderung der Erwerbsfähigkeit der dienstunfallgeschädigten Beamtin erfahrungsgemäß eingetreten sind (vgl. Schütz/Maiwald, a. a. O., § 35 BeamtVG Rdn. 8). Der Beamtin steht es zwar frei, den Unfallausgleich auch anders zu verwenden. Wurde dessen Bewilligung zu einem bestimmten Zeitpunkt – wie hier im Mai 2001 – rechtswidrig, ist es der Beamtin jedoch im Sinne des § 48 Abs. 2 Satz 2 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 NVwVfG zuzumuten, derartige an sich zweckwidrige Vermögensdispositionen ab dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme (hier: ab dem 19.7.2001, dem Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen Bescheides vom 6.7.2001) rückgängig zu machen. Beanstandungsfreie individuelle Ermessensüberlegungen im Zusammenhang mit der „Rücknahme der Verfügung über den Unfallausgleich als rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt“ mit Wirkung für die Vergangenheit bzw. die Zukunft hat die Beklagte hier vor Zustellung des Widerspruchsbescheides vom 1.11.2001 aktenkundig angestellt (vgl. S. 2 des Vermerks vom 1.11.2001; Bl. 132 der Beiakte A), wobei sie sich in sachgerechter Weise gegen eine Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit ausgesprochen hat; bei einer solchen Fallgestaltung stellt es keinen Ermessensmangel dar, wenn diese Überlegungen in den angefochtenen Bescheiden nicht ausdrücklich als solche verlautbart worden sind (vgl. BVerwG; Beschluss vom 15.1.1988 – 7 B 182.87 –, NVwZ 1988, 525/526). Die für die Rücknahme geltende Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 NVwVfG, die frühestens im Juni 2001 mit Eingang des Gutachtens vom 9.5.2001 bei der Beklagten zu laufen begann (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.7.1985 – 4 C 23, 24.82 – NVwZ 1986, 119; Beschluss vom 19.12.1984 – Gr. Sen. 1, 2.84 –, NJW 1985, 819 = DVBl. 1985, 522), war bei Erlass der angefochtenen Bescheide vom 6.7.2001 und 1.11.2001 gewahrt.

33

Die Klage ist hiernach mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.