Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 29.03.2004, Az.: 4 B 21/04

Antrag eines Studenten auf Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz gegen einen Exmatrikulationsbescheid; Exmatrikulation eines Studenten, der die Studiengebühr für Langzeitstudierende nicht bezahlt hat

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
29.03.2004
Aktenzeichen
4 B 21/04
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 30737
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGGOETT:2004:0329.4B21.04.0A

Fundstelle

  • NVwZ-RR 2005, 118-119 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Hochschulrecht (Exmatrikulation) Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO

Prozessführer

Herr A. B., C.,D.

Prozessgegner

E. -Universität D.,
vertreten durch den Präsidenten, F..D.

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Sind Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der Erhebung einer Studiengebühr für Langzeitstudierende im ordentlichen Klageverfahren erhoben worden, so kann der Studierende damit im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht mehr gehört werden. Dem Antragsteller ist es zuzumuten, die gegen ihn festgesetzte und kraft Gesetzes sofort vollziehbare Studiengebühr - notfalls unter Vorbehalt - zu leisten.

In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Göttingen - 4. Kammer -
am 29. März 2004
beschlossen:

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird für das vorläufige Rechtsschutzverfahren auf 4.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

1

I.

Der am . .1948 geborene Antragsteller befand sich nach von ihm nicht bestrittenen Angaben im Wintersemester 2002/03 im 58. Hochschulsemester. Er begann sein erstes Studium im Sommersemester 1969. Während 2 Semestern war er beurlaubt. An der Antragsgegnerin war er im Wintersemester 2002/03 im 18. Fachsemester der Studienfächer Soziologie, Wirtschafts- und Sozialgeschichte und Wirtschafts- und Sozialpsychologie immatrikuliert. Letzteres bestätigte er durch seine Unterschrift am 19. Mai 2003 auf einem ihm von der Antragsgegnerin übersandten Anhörungsbogen.

2

1.

Mit einem Bescheid vom 27. Mai 2003 erhob die Antragsgegnerin vom Antragsteller ab dem Sommersemester 2003 und für alle weiteren Semester, für die er sich an der Antragsgegnerin zurückmelde, eine Studiengebühr in Höhe von jeweils 500,00 EUR. Die Studiengebühr für das Sommersemester 2003 sei bis zum 6. Mai 2003 zu überweisen. Sein Studienguthaben betrage 13 Semester (9 Semester Regelstudienzeit + 4 Semester Zusatzguthaben). Dieses sei verbraucht.

3

Gegen den Bescheid erhob der Antragsteller unter dem 25. Juni 2003 Widerspruch mit dem Hinweis, dass die Heranziehung zu einer Studiengebühr gegen Bundesrecht verstoße und verfassungswidrig sei. Insbesondere liege ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot vor. Er mache Vertrauensschutz geltend. Im Übrigen sei die Gebühr unangemessen hoch. Er sei zwar eingeschrieben, habe aber zusammenhängend nur 8 Semester studiert. Warum und was er stattdessen gemacht habe, sei Privatsache und gehe niemanden etwas an.

4

Den Widerspruch wies die Antragsgegnerin mit einem Widerspruchsbescheid vom 8. Dezember 2003 zurück. Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Heranziehung zu einer Gebühr für Langzeitstudierende auf den Vorgaben des Niedersächsischen Hochschulgesetzes - NHG - beruhe, das mit Bundesrecht und dem Grundgesetz vereinbar sei.

5

Über die hiergegen vom Antragsteller erhobene Klage - 4 A 1/04 - ist noch nicht entschieden. Mit einem rechtskräftigen Beschluss vom 23. Februar 2004 hat die beschließende Kammer ein gegen die Bescheide vom 27. Mai und 8. Dezember 2003 gerichtetes vorläufiges Rechtsschutzbegehren des Antragstellers abgelehnt - 4 B 2/04 -.

6

2.

Der Antragsteller leistete die Studiengebühren für das Sommersemester 2003 und das nachfolgende Wintersemester 2003/04 nicht. Mit Schreiben vom 28. September 2003 wies ihn die Antragsgegnerin darauf hin, dass für das Wintersemester 2003/04 keine ordnungsgemäße Rückmeldung vorliege, gab ihm Gelegenheit, die Rückmeldung unter Einzahlung der Studiengebühr bis zum 14. Dezember 2003 nachzuholen und drohte ihm für den Fall des Unterbleibens die Exmatrikulation an. Ein entsprechendes auf den 9. Dezember 2003 datierendes Schreiben richtete die Antragsgegnerin an den Antragsteller in Bezug auf das bereits abgelaufene Sommersemester 2003 und forderte ihn unter Androhung der Exmatrikulation auf, die Rückmeldung unter Einzahlung der Studiengebühr bis zum 23. Dezember 2003 nachzuholen. Der Antragsteller reagierte auch insoweit nicht.

7

Mit dem hier streitbefangenen Bescheid vom (richtig:) 5. Januar 2004 exmatrikulierte die Antragsgegnerin den Antragsteller daraufhin mit sofortiger Wirkung unter gleichzeitiger Anordnung der sofortigen Vollziehung. In den Gründen des Bescheides wird ausgeführt, dass der Studentenstatus des Antragstellers mit Ablauf des Wintersemesters 2002/2003 zum 31. März 2003 ende. Zur Begründung wird ausgeführt, dass eine ordnungsgemäße Rückmeldung bereits zum Sommersemester 2003 fehle. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung wird gesondert damit begründet, dass nur durch Zahlung der Abgaben die Funktionsfähigkeit der Hochschulen aufrecht erhalten bleiben könne. Eine effektive und glaubwürdige Zielerreichung des Gesetzes sei nur im Falle einer möglichst raschen Umsetzung einschließlich des Einforderns der Abgaben zu erreichen.

8

Den hiergegen vom Antragsteller unter Hinweis auf seinen vorläufigen Rechtsschutzantrag gegen die Erhebung einer Studiengebühr (s.o. 1]) erhobenen Widerspruch wies die Antragsgegnerin mit einem Widerspruchsbescheid vom 1. März 2004 zurück.

9

Der Antragsteller hatte bereits zuvor mit einem am 6. Februar 2004 beim Verwaltungsgericht Göttingen eingegangenen Schriftsatz auch gegen seine Exmatrikulation Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist - 4 A 14/04 -.

10

Mit einem am 24. Februar 2004 eingegangenen Schriftsatz stellt er klar, dass er auch insoweit um vorläufigen Rechtsschutz nachsucht. In der Gestalt mehrerer Beweis- und Feststellungsanträge trägt er vor, dass er nicht auf Kosten der Allgemeinheit studiere. Außerdem dienten die Studiengebühren nicht der Verkürzung des Studiums. Ebenso wenig überwiege das Gemeinwohl. Zudem dienten Studiengebühren der sozialen Selektion und er habe nicht mit der Heranziehung zu Studiengebühren rechnen müssen.

11

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

die aufschiebende Wirkung seiner am 6. Februar 2004 erhobenen Klage 4 A 14/04 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom (richtig:) 5. Januar 2004 und deren Widerspruchsbescheid vom 1. März 2004 wiederherzustellen.

12

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzulehnen.

13

Sie verteidigt ihren Exmatrikulationsbescheid und führt aus, dass die sofortige Exmatrikulation des Antragstellers zur Erreichung der vom Gesetzgeber mit der Einführung von Studiengebühren verfolgten vernünftigen Gemeinwohlanliegen unumgänglich sei. Der Gesetzgeber verfolge mit dem Gesetz die Absicht, auf einen zügigen Studienabschluss hinzuwirken und damit die Leistungsfähigkeit und Effizienz der Hochschulen zu verbessern. Würde die Exmatrikulation nicht sofort vollzogen, bliebe den gegen eine Exmatrikulation Widerspruch einlegenden Studierenden über Jahre hinaus der Status als Studierende und damit die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Hochschulleistungen erhalten, obwohl sie keine Gebühren gezahlt und im Falle des Unterliegens im verwaltungsgerichtlichen Verfahren keinen Anspruch auf die Nutzung von Hochschuleinrichtungen gehabt hätten. Zudem würden weitere Studierende dazu angeregt, gegen einen rechtmäßigen Bescheid Widerspruch mit dem Ziel einzulegen, trotz Nichtzahlung von Gebühren die Hochschuleinrichtungen nutzen zu können, obwohl sie hierauf keinen Anspruch hätten.

14

Wegen der übrigen Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorbezeichneten Gerichtsakten und der Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin, die dem Gericht zur Einsicht vorgelegen haben, verwiesen.

15

Dem gegen die Exmatrikulation gerichteten Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO muss der Erfolg versagt bleiben.

16

Das Gericht kann die aufschiebende Wirkung der vom Antragsteller erhobenen und seit der Entscheidung über seinen Widerspruch am 1. März 2004 zulässigen Anfechtungsklage gegen den gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung versehenen Exmatrikulationsbescheid vom 5. Januar 2004 sowie den nachfolgenden Widerspruchsbescheid wiederherstellen, wenn das private Interesse des Antragstellers an dem Fortbestand seiner Immatrikulation das besonders begründete öffentliche Interesse an der sofortigen Exmatrikulation überwiegt.

17

Dies ist vorliegend nicht der Fall, weil eine summarische Überprüfung ergibt, dass die Anordnung in dem streitbefangenen Bescheid vom 5. Januar 2004 rechtmäßig ist.

18

Die sofortige Exmatrikulation des Antragstellers findet ihre Rechtsgrundlage in § 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3, Satz 3 NHG in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 der Immatrikulationsordnung der Antragsgegnerin vom 11.12.1991 (Nds.MBI. 1992, S. 616) i.d.F. vom 4.2.2004 (Amtl. Mitt. S. 57) - ImmO -. Danach hat die Exmatrikulation zwingend mit sofortiger Wirkung zu erfolgen, wenn der Studierende sich nach Mahnung unter Fristsetzung und Androhung der Exmatrikulation nicht rückmeldet. Gemäß § 19 Abs. 2 Satz 3 NHG und § 7 Abs. 2 ImmO setzt die Rückmeldung den Nachweis voraus, dass die fälligen Abgaben und Entgelte gezahlt sind. Zu den Abgaben zählt im Falle des Antragstellers nach Verbrauch seines Studienguthabens die Entrichtung einer Studiengebühr in Höhe von je 500,00 EUR für das Sommersemester 2003 und das Wintersemester 2003/04, die ihre Rechtsgrundlage in den §§ 13 Abs. 1 Satz 1, 11, 72 Abs. 12 NHG findet und gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 NHG mit Ablauf der von der Antragsgegnerin festgelegten Rückmeldefrist fällig wird.

19

Vorliegend hat der Antragsteller den Nachweis nicht erbracht, dass er die gegen ihn mit kraft Gesetzes sofort vollziehbarem Bescheid vom 27. Mai 2003 festgesetzte Studiengebühr von je 500,00 EUR für das Sommersemester 2003 und das Wintersemester 2003/04 geleistet hat. Er hat auch auf die mit der Androhung der Exmatrikulation und Fristsetzung erfolgten Mahnungen vom 28. September und 9. Dezember 2003 nicht geleistet. Vorliegend kann dahingestellt bleiben, ob für das Sommersemester 2003 noch eine nachträgliche ordnungsgemäße Rückmeldung verlangt werden kann. Eine ordnungsgemäße Rückmeldung liegt jedenfalls zum Wintersemester 2003/04 nicht vor und die Antragsgegnerin ist nach erfolgter Mahnung, Fristsetzung und Androhung der Exmatrikulation nicht nur berechtigt, sondern nach dem Gesetzeswortlaut sogar verpflichtet, den Antragsteller mit sofortiger Wirkung zu exmatrikulieren.

20

Ohne dass es darauf ankommt, hat der Antragsteller auch nach Rechtskraft des Beschlusses der Kammer vom 23. Februar 2004 - 4 B 2/04 -, mit dem sein vorläufiges Rechtsschutzbegehren gegen die Heranziehung zu Studiengebühren abgelehnt worden ist, nicht nachträglich geleistet.

21

Mit seinen Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der Heranziehung zu einer Studiengebühr für Langzeitstudierende kann der Antragsteller im vorliegenden - gegen seine Exmatrikulation gerichteten - Verfahren nicht gehört werden. Sie sind Gegenstand des noch anhängigen Klageverfahrens 4 A1/04 und in dem vorerwähnten Beschluss der Kammer vom 23. Februar 2004 bereits abgehandelt. Dem Antragsteller war es zuzumuten, die gegen ihn festgesetzten und kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Studiengebühren - notfalls auch unter Vorbehalt - jedenfalls bei der von ihm beabsichtigten Rückmeldung zum Wintersemester 2003/04 zu leisten. Dies ist unterblieben. Härtefallgründe im Sinne von § 14 Abs. 2 NHG, die zu einem Billigkeitserlass führen könnten, hatte er nicht vorgetragen. Sie wären von der Antragsgegnerin auch in einem gesonderten Verfahren zu prüfen gewesen.

22

Einen Verstoß gegen den noch allein zu prüfenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.7.2001, NVwZ 2002, S. 206, 208) [BVerwG 25.07.2001 - 6 C 8/00] stellt deshalb die gesetzlich zwingend vorgesehene Exmatrikulation des Antragstellers nicht dar. Ebenso wenig ist vorgetragen, geschweige denn glaubhaft gemacht, dass dem Antragsteller mit der Exmatrikulation vom 5. Januar 2004 die Möglichkeit genommen wird, an einer unmittelbar bevorstehenden Abschlussprüfung an der Hochschule teilzunehmen, so dass vom Gericht eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Sicherheitsleistung nach § 80 Abs. 5 Satz 4 VwGO zu erwägen gewesen wäre.

23

Nach alledem war der Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert wird für das vorläufige Rechtsschutzverfahren auf 4.000,00 EUR festgesetzt.

Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf §§ 25 Abs. 2, 20 Abs. 3,13 Abs. 1 GKG (s. auch Abschnitt II Ziffer 15.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, DVBI. 1996, S. 605). Eine Reduzierung des Streitwerts hält die Kammer für nicht geboten, weil vorliegend die Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren die Hauptsache zumindest teilweise vorwegnimmt.