Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 10.03.2004, Az.: 2 B 51/04
Bibliographie
- Gericht
- VG Göttingen
- Datum
- 10.03.2004
- Aktenzeichen
- 2 B 51/04
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 43174
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGGOETT:2004:0310.2B51.04.0A
In der Verwaltungsrechtssache
...
Streitgegenstand: Anfechtung einer Baugenehmigung (Einrichtung eines Gewerbezentrums), hier: Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO
hat das Verwaltungsgericht Göttingen - 2. Kammer - am 10. März 2004 beschlossen:
Tenor:
Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 26.250,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen eine der Beigeladenen von der Antragsgegnerin am 11.12.2003 erteilte Baugenehmigung für die Errichtung eines Gewerbezentrums mit Kfz-Stellplätzen (Bauteil A und B) - Fachmärkten, Einzelhandels- und Dienstleistungsbereichen in unmittelbarer Nähe eines bestehenden Fachmarktzentrums (D).
Anfang des Jahres 2002 trat der Investor für dieses Vorhaben an die Antragsgegnerin mit der Bitte heran, die planungsrechtlichen Voraussetzungen für den Neubau dieses Gewerbezentrums zu schaffen. Das Vorhaben besteht aus den Baukomplexen A bis C. Die vorgesehene Verkaufsfläche des Bauteiles A beträgt 3.950 qm, diejenige des Bauteiles B 6050 qm. Der hiervon losgelöste Bauteil C, für den Handel, Gewerbe und Dienstleistungen "rund ums Auto" vorgesehen sind, verfügt über eine Verkaufsfläche von ca. 2.500 qm. Daraufhin fasste der Verwaltungsausschuss der Antragsgegnerin bereits Anfang Februar 2002 den Aufstellungsbeschluss für den vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 34 "südlich FMZ" (im Folgenden vorhabenbezogener Bebauungsplan Nr. 34). Die frühzeitige Bürgerbeteiligung wurde eingeleitet. Bereits seinerzeit erhob u.a. die Antragstellerin Einwände gegen das Projekt. Etwa zeitgleich ließ die Antragsgegnerin ein Gutachten zur Stadtverträglichkeit des "Gewerbegebietes südlich Fachmarktzentrum" durch die Firma E. erstellen, das im Mai 2002 vorlag.
In seiner Sitzung vom 05.05.2003 stimmte der Verwaltungsausschuss der Antragsgegnerin daraufhin mehreren Entwürfen von Planvorhaben und deren öffentlicher Auslegung gemäß § 3 Abs. 2 BauGB zu. Im Einzelnen handelt es sich um die 1. teilweise Änderung der Satzung über den Vorhaben- und Erschließungsplan Nr. 01 "Fachmarktzentrum" vom 21.06.1996, die 65. Änderung des Flächennutzungsplanes der Antragsgegnerin "südlich Fachmarktzentrum" sowie den vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 34. Dabei hatte die 1. teilweise Änderung über den Vorhaben- und Erschließungsplan Nr. 01 "FMZ" vom 21.06.1996 im Wesentlichen das Ziel, einerseits ein bisher im D. nicht realisiertes Fachsortiment (Spielwaren auf einer Fläche von 3.000 qm) aufzugeben und andererseits die Darstellung der Verkehrsanlagen zu ändern, um eine Anbindung des Gebietes D. an das Plangebiet des vorhabenbezogenen Bebauungsplanes Nr. 34 zu erreichen. Die Änderung des Flächennutzungsplanes "südlich FMZ" hatte zum Ziel, die Ausweisung der vom vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 34 erfassten Fläche als gewerbliche Baufläche in ein Sondergebiet "Handel und Gewerbe" zu ändern. Mit dem vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 34 legte die Antragsgegnerin die planungsrechtlichen Voraussetzungen für das von der Beigeladenen zu errichtende Gewerbezentrum im Einzelnen, insbesondere hinsichtlich der Sortimentsschwerpunkte und der maximalen Einzelverkaufsflächen für großflächige Einzelhandelsbetriebe fest. Sämtliche Beschlüsse des Verwaltungsausschusses vom 05.05.2003 wurden am 15.05.2003 im F. veröffentlicht.
Ebenfalls unter dem 05.05.2003 schlossen die Antragsgegnerin und die Beigeladene einen notariellen Durchführungsvertrag, mit dem die Beigeladene die künftigen Festsetzungen des vorhabenbezogenen Bebauungsplanes Nr. 34 als für sich verbindlich anerkannte.
Gegen diese Planungen richteten sich erneut zahlreiche Einwände u.a. der Antragstellerin. In der Folge änderte die Antragsgegnerin den vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 34 teilweise, nämlich hinsichtlich der zugelassenen Sortimente und der überbaubaren Fläche, und legte diesen geänderten Bebauungsplanentwurf erneut aus. Dies machte sie im F. vom 17.07.2003 bekannt. Die Antragstellerin wiederholte und ergänzte erneut ihre Einwände. Am 19.08.2003 fand ein Abstimmungsgespräch über die Planvorhaben statt, an dem u.a. Vertreter der Beteiligten dieses Verfahrens teilnahmen.
Daraufhin ergänzte die Firma E. im August 2003 ihr Einzelhandelsgutachten vom Mai 2002 und berücksichtigte nunmehr auf besonderen Wunsch der Antragstellerin hin wirkungsanalytische Zusammenhänge zwischen dem geplanten Gewerbezentrum und dem vorhandenen Fachmarktzentrum (D.). In beiden Gutachten gelangte die Firma E. zu dem Ergebnis, dass es für die Antragstellerin zu keinem nennenswerten Kaufkraftabfluss komme. Im Gutachten von Mai 2002 führt die E. aus, für die Haupteinkaufslagen von A. und G. dürfe die Umsatzverlagerung des Einzelhandels aus dem Haupteinkaufsbereich zwischen 0,2 und 0,4 Millionen Euro liegen, wenn ein Sportfachmarkt im Gewerbezentrum realisiert würde. Diese Verlagerung betrage 0,3 bis 0,6 Millionen Euro, wenn dort ein Computerfachmarkt oder Discounter etabliert würde.
In der Stellungnahme vom August 2003, die davon ausgeht, dass nunmehr die Einzelhandelsverkaufsfläche 3.250 qm statt der von der Firma empfohlenen 2.700 qm beträgt, äußert sich die Fa. E. dahingehend, dass als Kaufkraftzuflüsse aus dem B. Einzugsbereich 0,7 Millionen Euro anzusetzen seien. Auf Grund des sehr niedrigen Niveaus sei eine Aufschlüsselung auf einzelne Mittel- und Grundzentren nicht seriös darzustellen. Negative Auswirkungen i.S.v. § 11 Abs. 1 BauNVO seien nicht gegeben. Diese Überlegungen gingen davon aus, dass ein Spielwaren-, ein Sonderposten- und ein Babyfachmarkt etabliert würden. Daneben errechnete die Fa. E. auch Kaufkraftzuflüsse für den Fall, dass das Sortiment aus Spielwaren, Drogeriefachmarkt, Discounter und Getränkemarkt bestünde, das auf einer Verkaufsfläche von 2.700 qm angeboten werde. Die Kaufkraftzuflüsse aus dem Einzugsbereich der Antragsgstellerin wurden für diesen Fall mit 1 Millionen Euro angegeben und für so gering gehalten, dass keine konkrete Gefährdung regionaler Versorgungsstrukturen vorliege. Die maximale Umsatzerwartung für das neue Gewerbezentrum gaben die Gutachter mit 26 Millionen Euro im Jahr an. Dem lag die Annahme zugrunde, dass auf einer Verkaufsfläche von 9.500 qm komplementär zur Fachmarktnutzung "rund um das Auto" Einzelhandelsnutzungen in Form von Fachmärkten für Büroartikel, Sonderposten, Heimtextilien etc., Spielwaren, Babyartikel, Computer, Getränke und Hausrat vorhanden sind. Wegen der Einzelheiten wird auf die gutachterlichen Stellungnahmen der Fa. E. (Bl. 569 ff. d. Beiakten G) Bezug genommen.
Die Fa. E. erstellte daneben auch für den Regionalverband Südniedersachsen e.V. im Juli 2003 einen Zwischenbericht über ein regionales Einzelhandelskonzept Südniedersachsen nach Abschluss der im Frühjahr 2003 erfolgten Analysephase. Dabei wurde auch die Einzelhandelssituation im Stadtgebiet der Antragstellerin untersucht (Bl. 593 ff. der Beiakten F). Berichtet wird von einer großen Anzahl von Leerständen von Verkaufsräumen, vor allem infolge des Leerstandes des in den 1970er Jahren gebauten Citycenters. Die Einzelhandelsschwerpunkte der Antragstellerin lägen eher in den Verbrauchermärkten in der sonstigen Kernstadt und primär im südlich gelegenen Gewerbegebiet bei den dortigen Fachmärkten, die z.T. auch Zentrenrelevanz aufwiesen. Die Entwicklungen der Vergangenheit seien durch überdurchschnittliche Verkaufsflächenzuwächse an nicht integrierten Standortlagen südlich der Innenstadt gekennzeichnet. Naturgemäß habe dies nicht zu einer Stärkung der gewachsenen Innenstadt geführt. Durch die umfangreichen Angebote zentrenrelevanter Branchen außerhalb der Innenstadt sei dem Fachhandel in der Innenstadt vielfach die Grundlage genommen worden. Seit 1998 werde diesem Entwicklungstrend von der Antragstellerin nach deren Auskunft aktiv entgegen gesteuert. Wegen der Einzelheiten der Aussagen wird auf die Beiakten F verwiesen.
Daraufhin beschloss der Rat der Antragsgegnerin in seiner Sitzung vom 05.11.2003 nach Kenntnisnahme und Abwägung sämtlicher Einwände die genannten Pläne als Satzungen. Allerdings erfolgte keine Veröffentlichung im Amtsblatt der Antragsgegnerin oder sonstige Bekanntmachung. Denn die Antragsgegnerin bemerkte, dass ihr bei der öffentlichen Bekanntmachung der Auslegung der Pläne durch Veröffentlichung im F. vom 15.05.2003 ein Formfehler unterlaufen war. Die Hauptsatzung der Antragsgegnerin in der zum Zeitpunkt der Bekanntmachung maßgeblichen Fassung verlangte nämlich eine Bekanntgabe im Amtsblatt der Antragsgegnerin.
Am 11.12.2003 erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen die streitgegenständliche Baugenehmigung mit der Begründung, das Vorhaben sei planreif i.S.v. § 33 BauGB. Die zugelassene Einzelhandelsverkaufsfläche beläuft sich auf 2.250 qm.
Am 12.12.2003 genehmigte die Bezirksregierung Braunschweig, wie der Antragsgegnerin vorab telefonisch bereits bekannt gemacht, die 65. Änderung des Flächennutzungsplanes "südlich FMZ".
Am 15.01.2004 legte die Antragstellerin gegen den Bescheid vom 11.12.2003 Widerspruch ein, über den bisher nicht entschieden wurde. Gleichzeitig stellte sie bei der Antragsgegnerin den Antrag, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruches anzuordnen, was die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 22.01.2004 ablehnte.
Am 02.02.2004 beschloss der Verwaltungsausschuss der Antragsgegnerin, die drei inmitten stehenden Pläne erneut auszulegen und sowohl die Bürgerbeteiligung wie auch die Beteiligung der Träger öffentlicher Belange erneut und diesmal formgerecht durchzuführen. Dies wurde im Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 05.02.2004 bekannt gemacht. Das Ende der Einwendungsfrist wurde auf den 15.03.2004 festgelegt. Unter dem 04.03.2004 nahm die Antragstellerin zu den bis auf redaktionelle Änderungen identischen Planvorhaben erneut ablehnend Stellung.
Am 04.02.2004 hat die Antragstellerin um einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht.
Sie hält die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für rechtswidrig, weil die Voraussetzungen des § 33 BauGB nicht vorlägen. Der vorhabenbezogene Bebauungsplan Nr. 34 sei nicht planreif. Die Antragsgegnerin habe sich mit ihren Einwänden nicht hinreichend auseinandergesetzt. Deshalb liege eine Verletzung des interkommunalen Abstimmungsgebotes nach § 2 Abs. 2 BauGB vor. Sie habe im Rahmen der erneuten Beteiligung von Trägern öffentlicher Belange weitere Einwände erhoben, die die Antragsgegnerin abwägen müsse. Insbesondere werde das E.-Gutachten nicht anerkannt, da es hinsichtlich der für die Innenstadt der Antragstellerin zu erwartenden Kaufkraftabflüsse auf unbegründeten Thesen beruhe. Es sei entgegen der Gutachterannahme mit einem Kaufkraftabfluss von ungefähr 10 % zu rechnen. Das Gutachten gehe von falschen Voraussetzungen aus, wenn es das Gebiet der Innenstadt der Antragsgegnerin als Umlandgemeinde, nicht aber als Nahbereich anspreche. Hierbei werde die äußerst günstige Verkehrsanbindung über die BAB 7 ausgeblendet. Nicht hinreichend berücksichtigt worden sei der räumliche und funktionale Zusammenhang des Gewerbezentrums mit dem bereits vorhandenen D.. Ferner ermögliche der vorhabenbezogene Bebauungsplan Nr. 34 insgesamt eine Verkaufsfläche von 12.000 qm. Hierzu fehlten konkrete Aussagen der Fa. E.. Insbesondere äußere sich das Gutachten nicht zu dem Fachmarkt rund ums Auto und das Plangebiet C. Insgesamt sei bauplanungsrechtlich eine innenstadtrelevante Einzelhandelsansiedlung im Umfang von 3.630 qm zulässig. Die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung sei darüber hinaus zu unbestimmt. Schließlich verstoße das gesamte Verfahren auch gegen Raumordnungsrecht, da ein gesetzlich vorgesehenes Raumordnungsverfahren nicht durchgeführt worden sei.
Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruches vom 15.01.2004 gegen die der Beigeladenen von der Antragsgegnerin erteilte Baugenehmigung vom 11.12.2003 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin und die Beigeladene beantragen,
den Antrag abzulehnen.
Sie sind übereinstimmend der Ansicht, die Baugenehmigung vom 11.12.2003 finde ihre Rechtsgrundlage in § 33 BauGB. Es habe eine Abstimmung und Abwägung der Interessen der Antragstellerin stattgefunden. Ausweislich der Gutachten der Fa. E., die im Übrigen auch ein älteres aus dem Jahre 1999 stammendes, vom B. Einzelhandelsverband in Auftrag gegebenes Markt- und Standortgutachten der Fa. H. berücksichtigten, habe das Vorhaben keine nennenswerte regionale Strahlkraft. Es sei von einer Umsatzverlagerung aus dem Gebiet der Innenstadt der Antragstellerin in Höhe von maximal 1 Million Euro auszugehen. Das Gutachten der Fa. E. aus August 2003 berücksichtige auch, wie von der Antragstellerin angemahnt, wirkungsanalytische Effekte im Zusammenhang mit dem bereits vorhandenen D.. Parallel und in Ergänzung des Flächennutzungsplanänderungsverfahrens sei auch eine raumordnerische Beurteilung des Vorhabens erfolgt. Dass aus raumordnungsrechtlicher Sicht keine Bedenken gegen das Vorhaben bestehen, habe die Bezirksregierung Braunschweig unter dem 13.10.2003 bestätigt. Aus dem der Antragstellerin bei der Bekanntgabe der Auslegung der Pläne unterlaufenen Formfehler könne die Antragstellerin nichts für sich herleiten. Ein solcher Formfehler ließe sich durch Nachholung der inkriminierten Handlung beseitigen und die Antragstellerin sei individuell beteiligt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der Beratung gewesen.
II.
Der nach §§ 212 a Abs. 1 BauGB i.V.m. 80 a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO statthafte Antrag hat keinen Erfolg.
Die bei der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO im Rahmen einer eigenständigen Ermessenentscheidung des Gerichts vorzunehmende Abwägung zwischen dem Interesse der Antragstellerin, einstweilen vom Vollzug des angefochtenen Verwaltungsaktes verschont zu bleiben und dem Interesse der Beigeladenen, sofort mit dem Bau des genehmigten Vorhabens zu beginnen, das von der Antragsgegnerin unterstützt wird, geht zu Lasten der Antragstellerin aus. Zwar geht das Gericht davon aus, dass die der Beigeladenen von der Antragsgegnerin am 11.12.2003 erteilte Baugenehmigung derzeit rechtswidrig ist, was für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 15.01.2004 spricht; die Kammer nimmt bei ihrer Interessenabwägung jedoch auch und zwar entscheidungserheblich die in näherer Zukunft zu erwartende Entwicklung der Sach- und Rechtslage in den Blick. Diese lässt die Annahme gerechtfertigt erscheinen, dass mit einer Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsaktes nicht zu rechnen ist (vgl. zu diesem Aspekt der Interessenabwägung Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl., § 80 Rdnr. 147 a.E.).
Unabhängig von der Frage, ob bei dem gegenwärtigen Verfahrensstand, bei dem die öffentliche Auslegung und die Beteiligung der Träger öffentlicher Belange noch nicht abgeschlossen ist, von formeller Planreife i.S.v. § 33 Abs. 1 Nr. 1 BauGB ausgegangen werden kann, fehlt es jedenfalls derzeit an der materiellen Planreife i.S.v. § 33 Abs. 1 Nr. 2 BauGB.
Die Zulassung eines Bauvorhabens auf der Grundlage des § 33 Abs. 1 BauGB kommt u.a. gemäß Nr. 2 der Bestimmung nur dann in Betracht, wenn das Vorhaben den künftigen Festsetzungen des Bebauungsplanes nicht entgegen steht. Dies setzt voraus, dass der Bebauungsplan, so wie er als Entwurf vorliegt, wird in Kraft treten können. Dazu gehört nicht zuletzt, dass er den Anforderungen genügt, die sich aus dem Abwägungs- bzw. Abstimmungsgebot ergeben (BVerwG, Urt. v. 01.08.2002 - 4 C 5.01 -, BVerwGE 117, 25, 37; Beschl. v. 25.11.1991 - 4 B 212.91 -, Buchholz 406.11 § 33 BauGB Nr. 7; Beschl. v. 02.03.1978 - 4 B 26.78 -, Buchholz 406.11 § 33 BauGB Nr. 5). Von der Baugenehmigungsbehörde ist insoweit eine Prognose zu treffen, die vom Gericht vollinhaltlich überprüft werden kann. Dabei geht das Bundesverwaltungsgericht (Beschl. v. 02.03.1978, a.a.O.) davon aus, dass sich üblicherweise dann nicht mit der erforderlichen Sicherheit beurteilen lässt, ob ein Vorhaben den zukünftigen Festsetzungen entsprechen wird, solange nicht einmal die Träger öffentlicher Belange beteiligt worden sind und die Bürger noch keine Möglichkeit hatten, Anregungen und Bedenken geltend zu machen. Zwar hatten sowohl die Bürger als auch die Träger öffentlicher Belange, u.a. die Antragstellerin, in der Vergangenheit bereits umfassend Gelegenheit, sich zu dem Planvorhaben zu äußern. Die Antragsgegnerin hat durch die erneute Bekanntmachung der Auslegung einschließlich der Bürgerbeteiligung und der Beteilung der Träger öffentlicher Belange Anfang Februar des Jahres jedoch zum Ausdruck gebracht, dass sie das Planverfahren in den Stand der noch nicht abgeschlossenen Beteiligung der Bürger und Träger öffentlicher Belange zurückversetzen will. Diese erneute Beteiligung hat nach dem Sinn und Zweck des § 3 Abs. 1 BauGB ergebnisoffen zu erfolgen. Es kann im gegenwärtigen Verfahrensstand nicht davon ausgegangen werden, dass keine anderen als die bisher erhobenen Einwände geltend gemacht werden. Mit allen, den vergangenen und den neu erhobenen, Einwänden wird sich der Rat der Antragsgegnerin erneut abwägend zu befassen haben. Entgegen der Annahme der Antragsgegnerin und der Beigeladenen handelt es sich bei dieser Verfahrensweise demnach nicht um eine bloße Förmlichkeit zur Behebung eines Bekanntgabemangels, sondern um eine auch inhaltlich für den Abwägungsvorgang relevante Maßnahme.
Hierauf kann sich die Antragstellerin als Träger eines öffentliches Belangs auch berufen. Zwar ist § 33 BauGB grundsätzlich nicht nachbarschützend, vermittelt aber in dem Umfang Nachbarschutz, in dem die antizipiert angewandten künftigen Festsetzungen des Bebauungsplanes dem Drittschutz dienen. Dies ist hier im Hinblick auf das in § 2 Abs. 2 BauGB genannte Abstimmungsgebot für Bauleitpläne benachbarter Gemeinden der Fall. Die Antragstellerin hat aufgrund des vorhabenbezogenen Bebauungsplans Nr. 34 sowie der in diesem Zusammenhang weiter ergangenen Pläne mit Auswirkungen auf ihre durch Art. 28 Abs. 2 GG geschützte Planungshoheit zu rechnen. Dies ist von der Antragsgegnerin im bisherigen Planaufstellungsverfahren beachtet und wird von ihr auch im Rahmen der erneuten Bekanntmachung der Auslegung, der Bürgerbeteiligung sowie der Beteiligung Träger öffentlicher Belange durch Bekanntmachung im Amtsblatt der Antragsgegnerin vom 05.02.2004 beachtet. Solange das Anhörungsverfahren also noch nicht abgeschlossen ist, vermag sich die Antragstellerin auf die fehlende materielle Planreife zu berufen.
Die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung lässt sich auch nicht auf § 35 BauGB stützen. Es handelt sich um ein sonstiges Vorhaben i.S.d. § 35 Abs. 2 BauGB, das nur zugelassen werden kann, wenn seine Ausführung und Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt und die Erschließung gesichert ist. Da hier jedoch das Erfordernis einer förmlichen Planung besteht, was von der Antragsgegnerin ebenso gesehen wird und weshalb sie die Planung fortsetzt, kann jedenfalls bis zum Abschluss des Einwendungsverfahrens nicht davon ausgegangen werden, dass diesem Gebot hinreichend Rechnung getragen worden ist (vgl. zu dem Erfordernis einer Planung bei Außenbereichsvorhaben dieser Größenordnung BVerwG, Urt. v. 01.08.2002 a.a.O., S. 29 ff.).
Obwohl danach die der Beigeladenen von der Antragsgegnerin erteilte Baugenehmigung derzeit rechtswidrig ist, geht die Interessenabwägung zu Lasten der Antragstellerin aus.
Hierfür ist maßgeblich, dass sich die Antragstellerin für ein ihr zustehendes subjektives öffentliches Recht allein auf das interkommunale Abstimmungsgebot (Art. 28 Abs. 2 GG, 2 Abs. 2 BauGB) berufen kann und sie ihre diesbezüglichen Einwände im aktuellen Anhörungsverfahren erneut, nämlich mit Schreiben vom 04.03.2004, geltend gemacht hat. Das Gericht würdigt diese sowie die bereits vorher vorgetragenen Einwände sowie das Vorbringen der Antragstellerin in diesem Verfahren einerseits und die Planungsvorgänge der Antragsgegnerin, insbesondere die vorliegenden gutachterlichen Stellungnahmen der Fa. E. zur Stadtverträglichkeit des "Gewerbegebietes südlich zum Fachmarktzentrum" in B. andererseits und kommt zu dem Schluss, dass eine Rechtsverletzung der Antragstellerin durch den für den 07.05.2004 vorgesehenen erneuten Ratsbeschluss über die drei streitbefangenen Pläne mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen sein wird. Deshalb ist einstweiliger Rechtsschutz zu versagen.
Den rechtlichen Rahmen für diese - antizipierte - Beurteilung bilden §§ 2 Abs. 2, 1 Abs. 6 BauGB. Das interkommunale Abstimmungsgebot, wie es in § 2 Abs. 2 BauGB zum Ausdruck kommt, stellt sich als eine besondere Ausprägung des Abwägungsgebotes nach § 1 Abs. 6 BauGB dar. Vorliegend ergibt sich nicht das Problem, dass die Antragsgegnerin eine gebotene Planung unterlässt und damit etwa die Planungshoheit der Antragstellerin als betroffener Nachbargemeinde verletzen würde. Denn die Antragsgegnerin hat die Antragstellerin in der Vergangenheit - und tut dies auch gegenwärtig - in einem förmlichen Planaufstellungsverfahren beteiligt, ihre Einwände zur Kenntnis genommen und -in der Vergangenheit- im Einzelnen gewürdigt.
Im Sinne der von der Antragstellerin geltend zu machenden subjektiven Rechtsverletzung stellt sich mithin allein die Frage, wann eine Verletzung nachbargemeindlicher Rechte bei der Abwägung i.S.v. § 1 Abs. 6 BauGB vorliegt. Hier gilt, dass selbst gewichtige Belange der Nachbargemeinde im Wege der Abwägung überwunden werden dürfen, wenn noch gewichtigere ihnen im Range vorgehen. Die Bedeutung des § 2 Abs. 2 BauGB im Rahmen des allgemeinen Abwägungsgebotes liegt darin, dass eine Gemeinde, die ihre eigenen Vorstellungen selbst um den Preis von gewichtigen Auswirkungen für die Nachbargemeinde durchsetzen möchte, einem erhöhten Rechtfertigungszwang in Gestalt der Pflicht zur (formellen und materiellen) Abstimmung im Rahmen einer förmlichen Planung unterliegt (BVerwG, Urt. v. 01.08.2002, a.a.O., S. 33). Mit anderen Worten liegt eine Verletzung nachbargemeindlicher Rechte erst dann vor, wenn die Auswirkungen derart schwerwiegend sind, dass sie für die Nachbargemeinde unzumutbar werden (Otting, DVBl. 1999, 595, 597; Uechtritz Baurecht 1999, 572, 578, 580; OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 25.04.2001 - 8 A 11441/00 -, BauR 2002, 577, 583, insoweit von der zitierten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts nicht angegriffen; OVG Saarlouis, Urt. v. 21.03.1995 - 2 N 3/93 -, BRS 57, 134, 135; VGH München, Urt. v. 14.01.1991 - 2 B 89.785 -, GewArch 1991, 314, 316; OVG Münster, Beschl. v. 09.02.1988- 11 B 2505/87 -, BRS 48, 438, 442).
Zu prüfen ist also, ob auf Grund der konkreten Umstände des Einzelfalls die Zumutbarkeitsschwelle für die Antragstellerin überschritten ist. Im Hinblick auf den allein von ihr für ihre Rechtsansicht geltend gemachten Kaufkraftabfluss bedeutet dies, je gravierender dieser Abfluss aus einer betroffenen Nachbargemeinde ist, desto eher kann eine Unzumutbarkeit bejaht werden. Für die Ausfüllung dieses Zumutbarkeitskriteriums ist weiter von Belang, ob die Beeinträchtigung der Funktion des Einzelhandels in der Innenstadt einer Nachbargemeinde neben den befürchteten Auswirkungen der angegriffenen Planung auch etwa strukturbedingt oder durch eigenes planerisches Verhalten der Nachbargemeinde hervorgerufen ist (OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 25.04.2001, a.a.O.; OVG Lüneburg, Beschl. v. 15.11.2002 - 1 ME 151/02 -, NVwZ - RR 2003, 486, 491).
Um den Gesichtspunkt des Kaufkraftabflusses in der planerischen Praxis handhabbar zu machen, stellt die Kammer mit dem OVG Rheinland-Pfalz (Urt. v. 25.04.2001, a.a.O., S. 584 f.) auf einen gewissen Prozentsatz der Umsatzverteilung ab. So hat es die obergerichtliche Rechtsprechung bis zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. August 2002, das für das Planerfordernis nunmehr auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 11 Abs. 3 BauNVO abstellt, früher für die Feststellung einer Planungspflicht infolge unmittelbarer Auswirkungen gewichtiger Art für die städtebauliche Situation von Nachbargemeinden für richtig erachtet (vgl. nur OVG Weimar, Beschl. v. 23.04.1997 - 1 EO 241/97 -, DÖV 1997, 791, 793; OVG Greifswald, Beschl. v. 30.06.1999 - 3 M 144/98 -, NVZ - RR 2000, 559, 561; OVG Koblenz, Urt. v. 25.04.2001, a.a.O., 584). Die Kammer hält es für sachgerecht, derartige Prozentsätze auch der Beantwortung der Frage zugrunde zu legen, ob die Planung von Einkaufszentren für Nachbargemeinden unzumutbar ist. Dabei ist zu bedenken, dass die für die Annahme einer Planungspflicht für angenommenen Prozentwerte der Umsatzverteilung für die Beantwortung der Frage, ob eine Planung unzumutbar ist, nicht unbesehen übernommen werden können. Insbesondere genügt für die Annahme der Unzumutbarkeit nicht eine Umsatzverlagerung in Höhe von "nur" 10 vom Hundert. Im Sinne einer planungshindernden Obergrenze müssen diese Werte höher angesiedelt werden, da ansonsten nahezu jedes planungsrelevante Einzelhandelsvorhaben gleichsam unzulässig wäre. Man wird mit dem OVG Koblenz, a.a.O., 585 von einer städtebaulichen Unverträglichkeit, die eine derartige Planung für die Nachbargemeinde als unzumutbar erscheinen lässt, bei einer Umsatzumverteilung von größer als 20 vom Hundert des Umsatzes als unterstem Wert auszugehen haben (Im Ansatz ebenso Uechtritz, a.a.O., 583, der jedoch einen Wert von 25 vom Hundert für angemessen hält).
Dies vorausgeschickt, besteht schon nach dem eigenen Vortrag der Antragstellerin kein Anlass, den antragsgegnerischen Planungen den Vorwurf der Unzumutbarkeit für die Antragstellerin zu machen. Denn die Antragstellerin selbst trägt vor, dass es lediglich zu einer Umsatzverlagerung von 10 % zu Lasten ihres innerstädtischen Einzelhandels durch das geplante Gewerbevorhaben kommen werde.
Dass von einer unzumutbaren Beeinträchtigung des Innenstadthandels der Antragstellerin ernsthaft nicht gesprochen werden kann, bestätigt eine überschlägige Auswertung der der Kammer zur Verfügung stehenden Umsatzzahlen. Diese entstammen zum Einen den beiden gutachterlichen Stellungnahmen zur Stadtverträglichkeit des Gewerbegebietes südlich zum Fachmarktzentrum in B. der Fa. E. vom Mai 2002 und August 2003 und zum Anderen aus dem Zwischenbericht derselben Gesellschaft über das regionale Einzelhandelskonzept Südniedersachsen.
Nach dem Zwischenbericht beträgt der vom Innenstadthandel in A. erwirtschaftete Jahresgesamtumsatz 212,1 Millionen Euro. Errechnet man hierauf die "Zumutbarkeitsschwelle" in Höhe von 20 %, ergibt sich ein Betrag von 42,42 Millionen Euro. Dies wäre bezogen auf den Gesamtumsatz der Betrag, der aus der Innenstadt von A. durch das Planvorhaben verlagert werden müsste, um von einer Unzumutbarkeit zu sprechen. Nach der im Planverfahren abgegeben gutachterlichen Stellungnahme der Fa. E. beträgt aber der maximal zu erwartende Jahresumsatz für das von der Beigeladenen geplante Objekt lediglich maximal 26 Millionen Euro pro Jahr. Insoweit sind von der Antragstellerin substantiiert Einwände gegen das Gutachten nicht erhoben worden. Die Annahme dieses Jahresumsatzes beruht auf der Annahme einer Einzelhandelsverkaufsfläche von 9.500 qm und erfasst damit die Bauteile A und B. Der Bauteil C mit dem Angebot "rund ums Auto" hat nach der nachvollziehbaren Aussage des E.-gutachtens (Bl. 593 der Beiakten G) keine nennenswerten einzelhandelsrelevanten Auswirkungen. Die gut-achterliche Äußerung aus dem August 2003 berücksichtigt darüber hinaus die Auswirkungen des in unmittelbarer räumlicher Nähe befindlichen D.. Die Antragstellerin unterläge einem grundlegenden Irrtum, wenn sie verlangen wollte, dass auch die Kaufkraftabflüsse durch den D. in voller Höhe in die Überlegungen zur planungsrechtlichen Zulässigkeit des "neuen" Gewerbezentrums einbezogen werden müssten. Es kann allenfalls um wirkungsanalytische Auswirkungen zwischen D. und Gewerbezentrum gehen, wie sie vom Gutachten in Rechnung gestellt worden sind. Denn Gegenstand der von der Antragstellerin angegriffenen Planung ist allein das Gewerbezentrum, nicht der D.. Etwaige Planungsversäumnisse zu Lasten der Antragstellerin im Zusammenhang mit der Errichtung des D. im Jahre 1996 lassen sich nicht über den Umweg der neuen vorliegenden Planung beheben. Folglich spricht nichts dagegen, von der von der Fa. E. prognostizierten Umsatzerwartung in Höhe von 26 Millionen Euro jährlich auszugehen.
Selbst wenn man zu Gunsten der Antragstellerin von der völlig unrealistischen Annahme ausgehen wollte, der gesamte Umsatz des Gewerbezentrums werde aus ihrem Innenstadtbereich verlagert, wäre damit die Zumutbarkeitsgrenze noch nicht erreicht.
Gegen diese pauschale Betrachtungsweise mag eingewandt werden, sie berücksichtige zu wenig die sortimentsbezogenen Auswirkungen des Gewerbezentrums. Doch auch wenn man eine derartige Betachtung - soweit das nach den vorliegenden Unterlagen möglich ist - vornimmt ( dies wird für geboten erachtet von Uechtritz, a.a.O., 580 m.w.N. ), ändert sich im Ergebnis nichts zu Gunsten der Antragstellerin. Zwar ergibt sich bei einer sortimentsbezogenen Betrachtungsweise eine etwas zu Gunsten der Antragstellerin abweichende Betrachtung, jedoch keine durchgreifende Änderung der Situation.
Verglichen werden können hier, da sowohl in den gutachterlichen Stellungnahmen als auch im Zwischenbericht über das regionale Einzelhandelskonzept enthalten, die Sortimente Lebensmittel, Drogerie, Computer, Heimtextilien, Spielwaren und Büroartikel, die in der textlichen Festsetzung 1.2 des vorhabenbezogenen Bebauungsplanes Nr. 34 Erwähnung gefunden haben. Stellt man die von der Fa. E. im Zwischenbericht für das Regionale Einzelhandelskonzept ermittelten Umsatzzahlen des Einzelhandels in Northeim (S. 593 ff. der Beiakten F) den Umsatzerwartungen für diese Sortimente im Rahmen des Planungsvorhabens (Bl. 625 ff. Beiakten G) gegenüber, ergibt sich folgendes Bild:
Für die Bereiche Lebensmittel und Drogeriebedarf kann das Gleiche festgehalten werden wie für den Gesamtumsatz. Denn die gesamten Umsatzerwartungen des Planobjektes liegen insoweit deutlich unter 20 % des in A. erwirtschafteten Umsatzes für diese Sortimente. Für die übrigen Sortimente liegen die Gesamtumsatzerwartungen des Planvorhabens allerdings über der Zumutbarkeitsgrenze von 20 %. So entsprechen 20 % des in der Innenstadt von A. erwirtschafteten Einzelhandels in den Bereichen Computer und Spielwaren etwa 1/3 der Umsatzerwartung des Planvorhabens. In den Bereichen Heimtextilien und Büroartikel beträgt dieses Verhältnis etwa 1/5. Es ist jedoch auch bei diesen Verhältnissen, ohne dass es der Hinzuziehung eines Sachverständigen bedürfte, nahezu ausgeschlossen, dass Umsätze in der Größenordnung zwischen 1/5 und 1/3 des Gewerbegebietes südlich des Fachmarktzentrums aus der Innenstadt A‘s verlagert werden. Eine derartige Umsatzverlagerung ließe sowohl die Nachfrage aus dem Stadtgebiet der Antragsgegnerin als auch aus den weiteren Umlandgemeinden neben der Antragstellerin völlig unberücksichtigt. Die Gutachten der E. mögen somit in Einzelpunkten angreifbar sein, in ihren Aussagen zu den Gesamtauswirkungen des Planvorhabens auf den Einzelhandel in der Innenstadt der Antragstellerin lassen sie sich selbst bei wohlwollendster Auslegung zu Gunsten der Antragstellerin nicht dahin interpretieren, dass die Antragstellerin unzumutbar in ihrer Planungshoheit betroffen wäre.
Es kommt für die Frage der Unzumutbarkeit weiter hinzu, dass der Innenstadthandel der Antragstellerin, wie sich aus dem Zwischenbericht über das regionale Einzelhandelskonzept der Firma E. ergibt, darüber hinaus unter einem Strukturdefizit sowie unter planerischen (Fehl-) Entscheidungen der Antragstellerin in der Vergangenheit (bis 1998) zu leiden hat. Derartige Aspekte wirken bei der gebotenen Abwägung zu Lasten der Antragstellerin (vgl. Uechtritz, a.a.O., 580 f.; OVG Koblenz, Urt. v. 25.04.2001, a.a.O., 583 f.; OVG Lüneburg, a.a.O.). Hier ist die Antragstellerin selbst aufgerufen, zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit und Attraktivität ihrer Innenstadt Anstrengungen zu unternehmen oder die bereits eingeleiteten zu verstärken. Auch die einzelnen Betriebe können und müssen verstärkte und neuartige Werbemaßnahmen entwickeln, um dem allgemeinen Trend vom Einkaufen in spezialisierten Geschäften hin zu einem Einkaufen "auf der grünen Wiese" entgegenzuwirken.
Die Antragsgegnerin beruft sich für ihre vorhabenbezogene Planung demgegenüber ausweislich der Begründung zum vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 34 auf die, gutachterlich festgelegten Ziele einer nachhaltigen Stadtentwicklungspolitik. Es geht auch und gerade um die Attraktivitätssteigerung des D.. Gemessen an dem vom Bundesverwaltungsgericht aufgestellten besonderen Rechtfertigungszwang der Planung großflächigen Einzelhandels dürfte das städtebaurechtliche Interesse der Antragsgegnerin nach alledem mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dem Interesse der Antragstellerin an der Verhinderung dieser Planung vorgehen. Bemerkenswert erscheint der Kammer schließlich in diesem Zusammenhang, dass es der Antragstellerin im Erörterungstermin nicht möglich war, konkret zu benennen, durch welche Planung im Einzelnen, insbesondere hinsichtlich welcher Sortimente, sie sich in ihrer Planungshoheit beeinträchtigt fühlt. Es hat sich so der Eindruck verfestigt, dass es der Antragstellerin allein um eine Verfahrensverzögerung bis zum Abschluss des nunmehr durchgeführten Anhörungs- und Beteiligungsverfahrens zu tun ist. Für ein derartiges Ansinnen kann indes einstweiliger gerichtlicher Rechtsschutz nicht gewährt werden.
Schließlich tragen auch die raumordnungsrechtlichen Einwände der Antragstellerin ihr Begehren nicht. Insoweit steht der Antragstellerin kein subjektives Abwehrrecht zur Seite.
Aufgabe der Raumordnung und Landesplanung ist, die räumliche Struktur im jeweiligen Bereich, d.h. die Gesamtheit der räumlich bedingten Lebens- und Arbeitsbedingungen, so zu beeinflussen, dass gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Teilräumen entstehen. Der so umschriebene überörtliche Charakter schließt es aus, ihnen eine drittschützende Funktion beizumessen ( OVG Koblenz, Beschluss vom 08.01.1999 -8 B 12650/98 -, BauR 1999, 367,369 auch mit Nachweisen aus der Rspr. des Bundesverwaltungsgerichts ). Abgesehen davon hat die Kammer in Anbetracht der zustimmenden Kenntnisnahme von der raumordnungsrechtlichen Beurteilung durch die Antragsgegnerin seitens der Bezirksregierung Braunschweig mit Schreiben vom 13. Oktober 2003 ( Bl. 382 der Beiakten I ) keinen Grund zu der Annahme, die Planung verstieße gegen Raumordnungsrecht. Nur nachrichtlich merkt die Kammer insoweit an, dass die Antragsgegnerin nach Abschnitt B 04 des Landes-Raumordnungsprogramms Niedersachsen ( Nds. GVBl 1994, 130, 138 ) als Standort mit internationaler Funktion eine angemessene Wirtschafts- und Beschäftigungsstruktur mit hohem Standard zu gewährleisten hat. Diese Gewährleistungspflicht hat bei der bisherigen raumordnerischen Beurteilung noch keine Berücksichtigung gefunden, spricht jedoch deutlich für das von der Antragsgegnerin und der Bezirksregierung Braunschweig gefundene Ergebnis.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Streitwertbeschluss:
Die Streitwertfestsetzung stützt sich auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG. Die Kammer geht von dem in Tz. 8 e) des Streitwertkatalogs der Bausenate des Nds. Oberverwaltungsgerichts (Nds. VBl. 2002, 192, 193) festgelegten Mittelwert zwischen 5.000,00 und 100.000,00 Euro für gemeindliche Nachbarklagen aus und halbiert diesen Wert im Hinblick auf die Vorläufigkeit der begehrten Regelung.