Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 31.10.2002, Az.: 8 LA 136/02

Ausübung; Bundesland; Frist; Grundstück; Grundstückskaufvertrag; Grundstücksverkehrsgenehmigung; Grundstücksverkäufer; Kaufvertrag; Land; Mitteilung; Mitteilungspflicht; Naturschutz; Naturschutzbehörde; Naturschutzgebiet; naturschutzrechtliches Vorkaufsrecht; Verkäufer; Verpflichteter; Vorkauf; Vorkaufsberechtigter; Vorkaufsfall; Vorkaufsrecht; Übersendung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
31.10.2002
Aktenzeichen
8 LA 136/02
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2002, 43930
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG Stade - 14.08.2002 - AZ: 1 A 838/01

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Nach § 48 Abs. 2 Satz 3 NNatSchG i. V. m. § 510 Abs. 1 Satz 1 BGB a. F. hat der Verkäufer des in einem Naturschutzgebiet gelegenen Grundstücks dem vorkaufsberechtigten Land den Inhalt des mit dem Käufer geschlossenen Vertrages unverzüglich mitzuteilen.

Die Übersendung des Kaufvertrages zum Zwecke der Erteilung einer Grundstücksverkehrsgenehmigung kann nur dann als Mitteilung im Sinne des § 510 Abs. 1 Satz 1 BGB a. F. angesehen werden, wenn der Verkäufer darauf hinweist, dass der Vertrag auch wegen des naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts vorgelegt wird.

Gründe

1

Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg, weil die Berufungszulassungsgründe, die der Kläger geltend gemacht hat, nicht vorliegen.

2

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass der angefochtene Bescheid, mit dem der Beklagte das Vorkaufsrecht an den vom Kläger gekauften, im Naturschutzgebiet “ B.“ liegenden Grundstücken für das Land Niedersachsen ausgeübt hat, rechtmäßig sei. Die Ausübung des Vorkaufsrechts sei rechtzeitig erfolgt, weil die Zwei-Monats-Frist, in der das Vorkaufsrecht nach § 48 Abs. 2 Satz 3 NNatSchG i. V. m. § 510 Abs. 2 Satz 1 BGB ausgeübt werden könne, bei Erlass des angefochtenen Bescheides noch nicht abgelaufen gewesen sei. Dem Vorkaufsberechtigten sei weder vom Kläger noch von dem Verkäufer der Grundstücke der Inhalt des Kaufvertrages mitgeteilt worden, obwohl der Grundstücksverkäufer nach § 510 Abs. 1 Satz 1 BGB dazu verpflichtet gewesen sei. Die Übersendung des Vertrages an das Planungsamt des Beklagten zwecks Erteilung der Grundstücksverkehrsgenehmigung habe die Frist auch nicht in Gang gesetzt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bedürfe die Ausübung des Vorkaufsrechts eines rechtswirksamen Kaufvertrages. Der Kaufvertrag sei aber erst mit der Erteilung der Grundstücksverkehrsgenehmigung wirksam geworden. Daher könne die nach § 510 Abs. 1 Satz 1 BGB erforderliche Mitteilung an den Vorkaufsberechtigten erst nach der Erteilung der Genehmigung wirksam erfolgen.

3

Die Einwände, die der Kläger gegen diese Entscheidung erhoben hat, begründen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils, so dass der Berufungszulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht vorliegt.

4

Der Kläger weist zwar zu Recht darauf hin, dass ein Vorkaufsberechtigter nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs das Vorkaufsrecht schon vor der Erteilung der Grundstücksverkehrsgenehmigung mit Wirkung auf den Genehmigungszeitpunkt erklären kann (BGH, Urt. v. 15.5.1998 – V ZR 89/97BGHZ 139, 29). Daraus folgt jedoch nicht, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts durch den angefochtenen Bescheid nach Ablauf der Zwei-Monats-Frist und damit verspätet erfolgt ist.

5

Nach § 48 Abs. 2 Satz 3 NNatSchG gelten die §§ 504 bis 510 BGB für das naturschutzrechtliche Vorkaufsrecht entsprechend. Nach § 510 Abs. 1 Satz 1 BGB in der hier maßgeblichen Fassung vom 18. Juni 1997 (BGBl. I S. 1430) hat der Verkäufer des Grundstücks dem Vorkaufsberechtigten den Inhalt des mit dem Käufer geschlossenen Vertrags unverzüglich mitzuteilen. Nach § 510 Abs. 2 Satz 1 BGB kann das Vorkaufsrecht bei Grundstücken nur bis zum Ablauf von zwei Monaten nach dem Empfang dieser Mitteilung, die durch eine Mitteilung des Verkäufers ersetzt wird (§ 510 Abs. 1 Satz 2 BGB), ausgeübt werden.

6

Im vorliegenden Fall hat weder der Kläger noch der Verkäufer der Grundstücke dem Vorkaufsberechtigten den Inhalt des Kaufvertrages im Sinne des § 510 Abs. 1 Satz 1 BGB mitgeteilt. Der den Kaufvertrag beurkundende Notar hat den Kaufvertrag dem Beklagten zwar unter dem 14. Juli 1997 namens der Vertragsparteien mit dem Antrag vorgelegt, eine Grundstücksverkehrsgenehmigung (§ 2 GrdstVG) bzw. ein Zeugnis über die Genehmigungsfreiheit (§ 5 GrdstVG) zu erteilen. Die Vorlage des Vertrags zum Zwecke der Erteilung einer Grundstücksverkehrsgenehmigung bzw. eines Zeugnisses über die Genehmigungsfreiheit entspricht den Maßgaben des § 510 Abs. 1 BGB aber nicht. Dabei kann dahinstehen, ob eine Mitteilung im Sinne dieser Bestimmung – wie vom Verwaltungsgericht angenommen – erst nach der Erteilung der Grundstücksverkehrsgenehmigung wirksam erfolgen kann; dafür spricht, dass erst die Mitteilung des genehmigten Kaufvertrages dem Vorkaufsberechtigten Gewissheit darüber verschafft, dass der Kaufvertrag wirksam geworden ist und die Vertragspartner den Vertrag nicht wieder aufgehoben haben, wozu sie bis zur Erteilung der Genehmigung auch dem Vorkaufsberechtigten gegenüber berechtigt gewesen wären (BGH, Urt. v. 20.2.1957 –V ZR 125/55BGHZ 23, 342 (348)). Eine Mitteilung im Sinne des § 510 Abs. 1 BGB liegt nämlich dann nicht vor, wenn für den Vorkaufsberechtigten nicht erkennbar ist, dass der Kaufvertrag auch wegen des Vorkaufsrechts vorgelegt worden ist (vgl. BGH, Urt. v. 26.1.1973 – V ZR 2/71BGHZ 60, 275 (288); Münchener Kommentar, BGB, 2. Aufl., § 510 Rn. 5). Daher kann die Übersendung eines Kaufvertrags zum Zwecke der Erteilung einer Grundstücksverkehrsgenehmigung nur dann als Mitteilung im Sinne des § 510 Abs. 1 BGB angesehen werden, wenn darauf hingewiesen wird, dass der Vertrag auch wegen des Vorkaufsrechts vorgelegt wird (vgl. BGH, Urt. v. 26.1.1973, a.a.O.). Dafür spricht nicht zuletzt, dass ohne einen derartigen Hinweis für das Fachamt des Beklagten, das mit der Bearbeitung des Antrags auf Erteilung einer Grundstücksverkehrsgenehmigung befasst ist, keine Veranlassung besteht, den Vertrag an die untere Naturschutzbehörde, die das Vorkaufsrecht für das Land Niedersachsen nach § 48 Abs. 3 Satz 1 NNatSchG ausübt, weiterzuleiten (vgl. BGH, Urt. v. 26.1.1973, a.a.O.). Da ein derartiger Hinweis im vorliegenden Fall nicht erfolgt ist, ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die Vorlage des Vertrags zum Zwecke der Erteilung der Grundstücksverkehrsgenehmigung die Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts nicht in Gang gesetzt hat.

7

Dass weder den Vertragsparteien noch dem den Kaufvertrag beurkundenden Notar bekannt gewesen ist, dass ein Vorkaufsrecht bestanden hat, ändert daran nichts. Da sich das Bestehen des naturschutzrechtlichen Vorkaufsrechts und die damit verbundenen Verpflichtungen für den Grundstücksverkäufer der öffentlich bekannt gemachten Verordnung über das Naturschutzgebiet “ B.“ vom 9. Dezember 1991 (Amtsblatt für den Regierungsbezirk Lüneburg vom 15.12.1991), dem Niedersächsischen Naturschutzgesetz und dem Bürgerlichen Gesetzbuch entnehmen lässt, müssen die Kaufvertragsparteien die Folgen ihrer Unkenntnis über das Vorkaufsrecht und die daraus resultierende Mitteilungspflicht selbst tragen.

8

Die Berufung kann auch nicht wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zugelassen werden. Der Kläger hat zwar behauptet, dass seine Rechtssache derartige Schwierigkeiten aufweise; das gelte insbesondere für die Klärung der Rechtsfragen, ob ein Vorkaufsrecht nach § 48 NNatSchG vor Erteilung der Grundstücksverkehrsgenehmigung ausgeübt werden könne, ob es hierzu einer gesonderten Mitteilung der Vertragsparteien bedürfe und wann die Frist für die Ausübung des Vorkaufsrechts in diesem Fall beginne. Der Kläger hat aber nicht dargelegt, aus welchen Gründen diese Fragen nur unter besonderen, d. h. überdurchschnittlichen Schwierigkeiten zu beantworten sein sollen. Damit ist die Darlegung des o. g. Berufungszulassungsgrundes unzureichend. Abgesehen davon weisen die vom Kläger aufgeworfenen Fragen keine besonderen Schwierigkeiten auf, weil sie sich in Anbetracht der eingangs zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung ohne weiteres beantworten lassen. Außerdem sind sie im vorliegenden Verfahren nicht entscheidungserheblich, da der Beklagte das Vorkaufsrecht erst nach der Erteilung der Grundstücksverkehrsgenehmigung ausgeübt hat. Daher verleihen diese Fragen der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung, so dass der Berufungszulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, auf den sich der Kläger weiterhin beruft, ebenfalls nicht vorliegt.