Verwaltungsgericht Stade
Urt. v. 14.08.2002, Az.: 1 A 838/01

Bodenverkehrsgenehmigung; Kaufvertrag; Landkreis; Mitteilung; naturschutzrechtliche Mitteilungspflicht; Vorkaufsrecht

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
14.08.2002
Aktenzeichen
1 A 838/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 43972
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
OVG Niedersachsen - 31.10.2002 - AZ: 8 LA 136/02

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Einholung der Bodenverkehrsgenehmigung beim Landkreis ersetzt nicht die naturschutzrechtliche Mitteilungspflicht wegen des gesetzlich bestehenden Vorkaufsrechtes. Diese ist vielmehr Wirksamkeitsvoraussetzung für den Kaufvertrag und muss der Mitteilung vorausgehend erteilt sein.

Tatbestand:

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Der Kläger hat durch Kaufvertrag vom 8. Juli 1997 mehrere Flurstücke in der Gemarkung H. gekauft, die im Naturschutzgebiet "F. M." liegen. Der Notar übersandte den Vertrag dem Beklagten mit der Bitte um Erteilung einer Grundstücksverkehrsgenehmigung, die mit Bescheid vom 4. August 1997 erteilt wurde. Im Rahmen eines Abgleiches von Eigentümerdaten der im Naturschutzgebiet "F. M." liegenden Grundstücke fiel im Umweltamt des Beklagten der im Jahre 1997 erfolgte Eigentümerwechsel auf. Mit Schreiben vom 23. Oktober 2000 wandte sich der Beklagte an die Bezirksregierung L. mit der Bitte um Überprüfung des Kaufvertrages zwecks Ausübung des Vorkaufsrechtes gemäß § 48 NNatSchG. Mit Schreiben vom 18. Dezember 2000 wies die Bezirksregierung L. den Beklagten an, das Vorkaufsrecht zugunsten des Landes auszuüben, weil der Ankauf der Flächen für die weitere Entwicklung des Naturschutzgebietes wichtig sei. Die Flächen sollten so bald wie möglich in den Wiedervernässungsprozess einbezogen werden, der im Bereich des F. M. bereits seit längerem durchgeführt werde.

2

Mit an den Verkäufer und an den Käufer gerichteten Bescheiden vom 19. Dezember 2000 übte der Beklagte das Vorkaufsrecht unter Angabe des Zweckes aus.

3

Mit Schreiben vom 9. Januar 2001 legte der Verkäufer und mit Schreiben vom 12. Januar 2001 auch der Kläger gegen die Ausübung des Vorkaufsrechts Widerspruch ein. Der Kläger begründete das damit, dass er aus betrieblichen Gründen dringend auf die Flächen angewiesen sei. Bereits im Jahre 1997 sei er als Eigentümer eingetragen worden, nachdem der zuständige Notar die notwendigen Genehmigungen für den Eigentumsübergang eingeholt hatte. Eine Ablichtung der erteilten Grundstücksverkehrsgenehmigung des Beklagten legte er einem ergänzenden Schreiben bei.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 31. Mai 2001 wies die Bezirksregierung L. den Widerspruch zurück. Der Verkäufer hätte dem Land den Vertrag über den Verkauf des Grundstückes unverzüglich zur Kenntnis geben müssen. Dies sei weder von diesem noch von dem Kläger erfolgt. Das Land, vertreten durch die Bezirksregierung, habe sich vorbehalten, über die Ausübung des Vorkaufsrechts selbst zu bestimmen. Innerhalb von zwei Monaten nach Empfang der Mitteilung habe das Vorkaufsrecht ausgeübt werden können. Die Frist beginne jedoch erst mit der Vorlage eines wirksamen Kaufvertrages zu laufen. Sofern der Kaufvertrag einer Genehmigung bedarf, wird er erst mit der Erteilung der Genehmigung wirksam. Danach wäre der baurechtlich genehmigte Vertrag dem Naturschutzamt vorzulegen gewesen. Dies sei nicht erfolgt, so dass die Ausübung des Vorkaufsrechts auch noch nach Kenntniserlangung im Oktober 2000 ausgeübt werden konnte. Das am 19. Dezember 2000 ausgeübte Vorkaufsrecht sei daher noch fristgemäß erfolgt.

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Am 2. Juli 2001 hat der Kläger Klage erhoben. Er meint, der Notar sei lediglich verpflichtet, die Grundstücksverkehrsgenehmigung als erforderliche behördliche Genehmigung einzuholen. Dies habe er getan und damit dem Beklagten Kenntnis von dem Verkauf gegeben. Diese Kenntnis müsse sich der Beklagte auch hinsichtlich der Naturschutzverwaltung zurechnen lassen. Dem Kläger war es hingegen bereits wegen seiner mangelnden Kenntnis nicht zumutbar, die entsprechende Genehmigung der Naturschutzbehörde einzuholen. Von dem gesetzlichen Vorkaufsrecht habe er keine Kenntnis gehabt. Nunmehr sei der Kläger bereits vier Jahre lang im Besitz der Fläche, so dass eine Rückübertragung nicht mehr möglich sei. Der Verkäufer habe im Übrigen erklärt, dass er nicht bereit sei, die Fläche an die Bezirksregierung L. zu veräußern. Die Ausübung des Vorkaufsrechts setze im Übrigen im Gegensatz zu der Auffassung des Beklagten nicht voraus, dass der Kaufvertrag bereits vollzogen sei und nur noch die grundbuchliche Eintragung bevorstehe. Es genüge, wenn ein notarieller rechtswirksamer Kaufvertrag vorgelegt werde, welcher noch der abschließenden Genehmigung bedürfe. Gerade zu diesem Zeitpunkt sei die Ausübung des Vorkaufsrechts noch sinnvoll. Die Frist für die Ausübung des Vorkaufsrechts habe daher mit der Vorlage des Vertrages bei dem Grundstücksverkehrsausschuss und mit der Erteilung der Grundstücksverkehrsgenehmigung zu laufen begonnen.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid des Beklagten vom 19. Dezember 2000 über die Ausübung des Vorkaufsrechts gemäß § 48 NNatSchG in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung L. vom 31. Mai 2001 aufzuheben.

8

Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Er verteidigt die ergangenen Bescheide und weist nochmals darauf hin, dass dem Beklagten eine Mitteilung über einen wirksam geschlossenen Kaufvertrag im Sinne des § 510 BGB nicht vorgelegt worden sei. Die Frist habe daher erst zu laufen begonnen, nachdem das Land Kenntnis vom Vorkaufsfall erhalten habe. Auch die Naturschutzbehörde habe erst am 23. Oktober 2001 Kenntnis von dem Kaufvertrag erhalten, so dass die Ausübung auch insoweit noch fristgemäß sei.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Streitakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage, über die im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 101 Abs. 2 VwGO entschieden werden konnte, hat keinen Erfolg. Der angefochtene Bescheid vom 19. Dezember 2000, mit dem der Beklagte für das Land N. das Vorkaufsrecht an den Grundstücken gemäß § 48 des Niedersächsischen Naturschutzgesetzes (NNatSchG) ausgeübt hat, ist rechtmäßig.

13

Die gegen diesen Bescheid gerichtete Klage des Klägers ist zulässig. Auch der Käufer eines Grundstückes kann geltend machen, durch die Ausübung des Vorkaufsrechts gegenüber dem Grundstücksverkäufer in eigenen Rechten verletzt zu sein (OVG Lüneburg, Urteil vom 13.12.2001 - 8 LB 3551/01 -; OVG Schleswig, Urteil vom 15.12.1999 - 2 L 3/98 -, NuR 2000, 294 f.). Der Kläger war vorliegend im Übrigen selbst Adressat der Bescheide.

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Die Klage hat aber keinen Erfolg. Gemäß § 48 Abs. 1 NNatSchG steht dem Land an Grundstücken, die ganz oder teilweise in einem Naturschutzgebiet liegen, ein Vorkaufsrecht zu, das gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 NNatSchG von der Naturschutzbehörde durch Verwaltungsakt ausgeübt wird. Die von dem Kläger mit notariellem Kaufvertrag gekauften Grundstücke liegen ganz in einem Naturschutzgebiet. Die sich aus § 48 Abs. 3 Satz 2 NNatSchG ergebenden materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechtes liegen vorliegend ebenfalls vor. Nach dieser Vorschrift darf das Vorkaufsrecht nur ausgeübt werden, wenn das Grundstück für Naturschutz, die Landschaftspflege oder die Erholung der Allgemeinheit in Natur und Landschaft verwendet werden soll. Der einschlägige Verwendungszweck ist gemäß § 48 Abs. 3 Satz 3 NNatSchG bei der Ausübung des Vorkaufsrechts näher anzugeben. Die Begründung des hier angegriffenen Bescheides erfüllt diese Voraussetzungen. Ihr ist zu entnehmen, für welchen der in § 48 Abs. 3 Satz 2 NNatSchG genannten Zwecke das Grundstück verwendet werden soll.

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Hinsichtlich der inhaltlichen Ausgestaltung dieses Vorkaufsrechts gelten gemäß § 48 Abs. 2 Satz 3 NNatSchG die §§ 504 bis 510, 512, 1098 Abs. 2 und 1099 bis 1102 BGB entsprechend. Im vorliegenden Rechtsstreit geht es insbesondere darum, ob die Ausübung des Vorkaufsrechts am 19. Dezember 2000 noch möglich war. Dies ist der Fall. Zum einen steht der Ausübung des Vorkaufsrechts nicht die Tatsache entgegen, dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt bereits als Eigentümer im Grundbuch eingetragen war. Gemäß § 48 Abs. 2 Satz 3 NNatSchG i.V.m. § 1098 Abs. 2 BGB hat das Vorkaufsrecht die Wirkung einer Vormerkung zur Sicherung des durch die Ausübung des Rechts entstehenden Anspruchs auf Übertragung des Eigentums. Im Verhältnis zum Land Niedersachsen ist die Eigentumsübertragung auf den Dritten gemäß § 883 Abs. 2 BGB insoweit unwirksam, als sie nach der für den vorliegenden Fall fingierten Vormerkung erfolgt und den Anspruch des Vorkaufsberechtigten vereiteln oder beeinträchtigen würde.

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Der Ausübung des Vorkaufsrechts steht auch nicht der Zeitablauf entgegen. Nach § 510 Abs. 1 BGB hat der Verpflichtete (also der Verkäufer) dem Vorkaufsberechtigten (dem Land N.) den Inhalt des mit dem Kläger geschlossenen Vertrages unverzüglich mitzuteilen. Diese Mitteilung hätte zwar nach § 510 Abs. 1 Satz 2 BGB auch der Kläger selbst machen können, vorrangig war dazu jedoch der Verkäufer verpflichtet. Insoweit kommt es entgegen dem Vortrag des Klägers danach auch nicht darauf an, ob er selbst Kenntnis davon hatte, dass das Grundstück in einem Naturschutzgebiet liegt und daher von Gesetzes wegen mit dem Vorkaufsrecht belastet war. Vielmehr kommt es insoweit vorrangig auf die Verpflichtung und damit auch auf die Kenntnis des Verkäufers an. Weder der Verkäufer noch der Kläger hat vorliegend dem Vorkaufsberechtigten über den Verkauf die notwendige Mitteilung gemacht. Zunächst ist festzustellen, dass die von dem Notar an das Planungsamt des Beklagten erfolgte Übersendung des Vertrages nicht geeignet war, die Frist des § 510 Abs. 2 BGB in Lauf zu setzen. Nach dieser Vorschrift kann das Vorkaufsrecht vom Land innerhalb von zwei Monaten nach Empfang der Mitteilung ausgeübt werden. Soweit ein Vertrag wie im vorliegenden Fall einer Genehmigung bedarf, beginnt die Frist für die Ausübung des Vorkaufsrechts nach dem Niedersächsischen Naturschutzgesetz erst dann zu laufen, wenn die Genehmigung erteilt wurde (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 01.03.1996 - 3 S 13/94 -, zitiert nach Juris, angegebene Fundstelle VGHBW-Ls 1996, Beilage 5, B 7, unter Bezugnahme auf BGH, MDR 1959, 649). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGBZ 67, 395 = NJW 1977, 762; BGHZ 110, 230 = NJW 1990, 1473), der sich die Literatur angeschlossen hat (Lemmel, Berliner Kommentar zum BauGB, 2. Auflage, § 28, Rdnr. 2, und Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB Kommentar, § 24, Rdnr. 29) bedarf die Ausübung des Vorkaufsrechts eines rechtswirksamen Kaufvertrages. Danach müssen alle öffentlich-rechtlichen Genehmigungen erteilt sein, bevor das Vorkaufsrecht ausgeübt werden kann. Das Verwaltungsgericht Braunschweig (Urteil vom 20.11.1996, NuR 1998, S. 51 f. [OVG Thüringen 06.06.1997 - 1 KO 570/94]) folgert danach zu Recht, dass nur bis zu diesem Zeitpunkt die Vertragsparteien den Vertrag wieder aufheben könnten, weil der Vorkaufsberechtigte bis zum Vorliegen aller Genehmigungen keinen Anspruch auf den Eintritt des Vorkaufsfalles hat. Danach allerdings ist dieses Gestaltungsrecht in seinem rechtlichen Fortbestand unabhängig von dem rechtlichen Schicksal des Kaufvertrages zwischen Käufer und Verkäufer. Dies ist insbesondere aus § 505 Abs. 2 BGB zu schließen, wonach der Verkauf unter den Modalitäten des mit dem Dritten vereinbarten Kaufs zustande kommt. Daraus folgt, dass ein bereits entstandenes Vorkaufsrecht nicht von dem Fortbestand des Kaufvertrages zwischen dem Verkäufer und dem Kläger abhängig ist. Da § 1098 Abs. 2 BGB den Vormerkungsschutz ab Eintritt des Vorkaufsfalles gewährt, ist auch daraus zu schließen, dass es für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit bzw. Wirksamkeit der Ausübung des Vorkaufsrechts allein auf den Zeitpunkt des Zustandekommens des Kaufvertrages ankommt (vgl. auch VGH München, Urteil vom 11.04.10994, NVwZ 1995, S. 304, 307 [VGH Bayern 11.05.1994 - 9 B 93.1514]). Wirksam geworden ist der Kaufvertrag aber erst, nachdem die öffentlich-rechtliche Genehmigung, die im Übrigen auch nach § 48 Abs. 2 Satz 2 NNatSchG dem Vorkaufsrecht nach dem Niedersächsischen Naturschutzgesetz vorgeht, vorliegen muss, bevor eine Mitteilung an den Vorkaufsberechtigten wirksam erfolgen kann. Daraus folgt zugleich, dass der Beklagte nicht von sich aus verpflichtet war zu ermitteln, ob die erforderlichen Genehmigungen erteilt wurden. Vielmehr obliegt dem Verkäufer insoweit eine Mitteilungspflicht, die auch alle Wirksamkeitsvoraussetzungen umfasst. Nur so war die Effektivität des Vorkaufsrechtes sicherzustellen, weil anderenfalls die Vertragsgestaltung noch zur Disposition von Käufer und Verkäufer gestanden hätte.

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Danach ist festzustellen, dass den Beklagten eine ordnungsgemäße Mitteilung nicht erreicht hat. Die Übersendung des Kaufvertrages an den Beklagten wegen der Erteilung der Bodenverkehrsgenehmigung genügte den Ansprüchen nicht, sondern war nur Voraussetzung zum Wirksamwerden des Kaufvertrages. Es braucht hier nicht weiter erörtert zu werden, ob die Frist tatsächlich, wie der Beklagte meint, am 26. Oktober 2000 zu laufen begonnen hat, als die Bezirksregierung Mitteilung von dem Kaufvertrag durch das Schreiben des Beklagten vom 23. Oktober 2000 erhielt, oder ob der Lauf bereits kurz zuvor bei der Kenntniserlangung durch das Naturschutzamt begann, weil in beiden Fällen die Zwei-Monats-Frist noch nicht abgelaufen war. Insoweit spricht aber für die Auffassung des Beklagten, dass Vorkaufsberechtigter nicht der Beklagte ist, der zwar gemäß § 55 NNatSchG für den Erlass der Verwaltungsakte zuständig ist, sondern das Land N.

18

Danach war die Klage abzuweisen.