Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 02.10.2002, Az.: 8 MB 133/02
Prostitution; Wohnraum; Zweckentfremdung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 02.10.2002
- Aktenzeichen
- 8 MB 133/02
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2002, 43596
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 26.07.2001 - AZ: 4 B 2627/01
Rechtsgrundlagen
- § 1 Abs 1 MRVerbG
- § 11 GefAG ND
Gründe
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat dem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu Unrecht stattgegeben.
Die Entscheidung über die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO setzt eine Abwägung des Interesses des Antragstellers, von der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts bis zur endgültigen Entscheidung über seine Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben, gegen das zumeist öffentliche Interesse an dessen sofortiger Vollziehung voraus. Diese Abwägung fällt in der Regel zu Lasten des Antragstellers aus, wenn bereits im Aussetzungsverfahren zu erkennen ist, dass sein Rechtsbehelf offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg bietet (BVerfG, Beschl. v. 11.2.1982 - 2 BvR 77/82 - NVwZ 1982 S. 241; BVerwG, Beschl. v. 9.9.1996 - 11 VR 31/95 -). Dagegen überwiegt das Interesse an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung in aller Regel, wenn sich der Rechtsbehelf als offensichtlich begründet erweist (BVerwG, Beschl. v. 20.10.1995 - 1 VR 1/95 -). Bleibt der Ausgang des Verfahrens in der Hauptsache bei der im Aussetzungsverfahren nur möglichen summarischen Prüfung (vgl. dazu BVerwG, Beschl. v. 11.9.1998 - 11 VR 6/98 -) jedoch offen, kommt es auf eine bloße Abwägung der widerstreitenden Interessen an (BVerwG, Beschl. v. 29.4.1974 - IV C 21.74 - DVBl. 1974 S. 566; Senatsbeschl. v. 11.4.2002 - 8 ME 66/02 -; Senatsbeschl. v. 26.9.2002 - 8 MA 18/02 -).
Im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen, unter denen die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs anzuordnen oder wiederherzustellen ist, nicht erfüllt, weil der Bescheid vom 5. Juni 2001, dessen sofortige Vollziehung die Antragsgegnerin gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO angeordnet hat, bei summarischer Prüfung offensichtlich rechtmäßig ist.
Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin durch den angefochtenen Bescheid unter Androhung eines Zwangsgeldes aufgegeben, unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Verfügung, die Nutzung der Wohnung Nr. B. im Hause C. zu Zwecken der Wohnungsprostitution zu beenden. Dazu war die Antragsgegnerin nach § 11 i. V. m. §§ 64 ff. NGefAG berechtigt, weil die Antragstellerin durch die Nutzung der o. g. Wohnung zur Prostitution gegen das Verbot, Wohnraum ohne Genehmigung anderen als Wohnzwecken zuzuführen (Art. 6 § 1 Abs. 1 MRVerbG), verstoßen hat.
Wohnraum wird zweckentfremdet, wenn der Wohnungsinhaber die Zweckbestimmung von Räumen zum dauernden Bewohnen äußerlich erkennbar aufgibt. Das ist u. a. der Fall, wenn er mehr als die Hälfte der Wohnfläche ausschließlich gewerblich oder beruflich nutzt (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.4.1994 - 8 C 29.92 - NJW 1995 S. 542, 545) oder die Wohnung auch anderen Personen für berufliche oder gewerbliche Zwecke zur Verfügung stellt (vgl. Senatsurt. v. 17.7.2000 - 8 L 2977/98 -).
Im vorliegenden Fall ist bei summarischer Prüfung offensichtlich, dass die Antragstellerin das von ihr gemietete Appartement in der D. nicht nur selbst zur Prostitution nutzt, sondern auch anderen Prostituierten zur Ausübung ihres Gewerbes zur Verfügung stellt. Die Antragstellerin hat zwar behauptet, das Appartement vornehmlich zu Wohnzwecken zu nutzen und dort nur tagsüber der Prostitution nachzugehen. Die polizeilichen Berichte, die sich in den von der Antragsgegnerin vorgelegten Verwaltungsvorgängen befinden, belegen aber, dass das Appartement in der Vergangenheit als Bordell genutzt worden ist. Diese Nutzung der Wohnung wird offensichtlich auch gegenwärtig fortgesetzt. Dafür spricht nicht nur der Inhalt der Vermerke der Polizeidirektion E. vom 4. Juli und 8. August 2001 über Anrufe in der Wohnung der Antragstellerin, sondern auch der von der Antragsgegnerin im Beschwerdezulassungsverfahren überreichte Bericht des Zentralen Kriminaldienstes der Polizeidirektion E. vom 3. August 2001, dem zu entnehmen ist, dass eine 25-jährige Prostituierte in dem Appartement der Antragstellerin einem verdeckt ermittelnden Polizisten ihre “Dienste“ angeboten hat. Ausweislich eines Vermerks der Polizeidirektion E. vom 9. August 2001 ist diese Prostituierte auch am 2. Juli 2002 bei einer Kontrolle in der Wohnung der Antragstellerin angetroffen worden. Dass die 55 Jahre alte Antragstellerin ihre Wohnung anderen Frauen zur Ausübung der Prostitution zur Verfügung stellt, ist ferner daraus herzuleiten, dass in Zeitungsanzeigen unter ihrer Telefonnummer auch für “Dienste“ von 19- bzw. 25-jährigen Prostituierten geworben worden ist. Schließlich spricht der Umstand, dass die Antragstellerin in E. über eine weitere Wohnung verfügt, die bis Ende 2000 als ihre Hauptwohnung gemeldet war, ebenfalls dafür, dass das Appartement in der F. nur zu gewerblichen Zwecken und nicht als Wohnraum genutzt wird.
Die Androhung eines Zwangsgeldes bewegt sich im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung und ist ebenfalls nicht zu beanstanden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung, die sich an dem wirtschaftlichen Interesse der Antragstellerin, bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren der angefochtenen Verfügung nicht nachkommen zu müssen, orientiert, beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.