Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 17.10.2002, Az.: 1 KN 2406/01
Abstand; Abwägung; Abwägungsfehler; Abwägungsmangel; Aufstellung; Bauleitplan; Bebauungsplan; Bebauungsplanaufstellung; Festsetzung; Geruchsausbreitung; Geruchsimmission; GIRL; Gutachten; Immission; Immissionsschutz; Immissionsschutzgutachten; Landwirtschaft; landwirtschaftlicher Betrieb; Normenkontrolle; Richtlinie; Rindermast; Schutzabstand; Schweinemast; Tierhaltung; VDI; VDI-Richtlinie 3782; Wohngebiet
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 17.10.2002
- Aktenzeichen
- 1 KN 2406/01
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2002, 43929
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BVerwG - 26.03.2003 - AZ: BVerwG 4 BN 13.03
Rechtsgrundlagen
- § 1 Abs 6 BauGB
- § 47 Abs 2 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Legt die Gemeinde bei der Planung eines Wohngebietes in der Nähe eines landwirtschaftlichen Betriebes mit Tierhaltung für die Immissionen der Tierhaltung, die nicht nach BImSchG genehmigungspflichtig ist, ein Gutachten zugrunde, das die Geruchsausbreitung entsprechend der VDI-Richtlinie 3782 errechnet und nicht nach GIRL, stellt dies keinen Abwägungsfehler dar.
Anderes dürfte gelten, wenn die zuständige Bauaufsichtsbehörde bei der Genehmigung von Anlagen, die nicht unter das BImSchG fallen, regelmäßig eine Beurteilung nach der GIRL verlangt.
Tatbestand:
Der Antragsteller, der Eigentümer eines landwirtschaftlichen Betriebes in B., E. straße 4, ist, wendet sich gegen den Bebauungsplan Nr. 4 der Antragsgegnerin, der ca. 150 m östlich vom Hofgrundstück des Antragstellers ein Wohngebiet festsetzt.
Der Antragsteller, der Ratsherr der Antragsgegnerin ist, bewirtschaftet ca. 20 ha Fläche und hält auf der Hofstelle in zwei Ställen 59 Aufzuchtkälber und 78 Mastbullen. Auf seine Voranfrage vom 10. Juli 1998 hat der Landkreis F. dem Antragsteller am 15. Juni 1999 einen Bauvorbescheid für die Errichtung eines Stalles für 700 Mastschweine südöstlich angrenzend an die bisherige Hofstelle erteilt. Über die rechtzeitig beantragte Verlängerung des Vorbescheids ist noch nicht entschieden.
Die Antragsgegnerin hat auf der Grundlage der mit Beschluss des Samtgemeindeausschusses vom 12. Mai 1998 in die Wege geleiteten und am 14. April 2000 genehmigten 55. Änderung des Flächennutzungsplanes am 28. August 2000 die Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 4 beschlossen, der einen Siedlungsansatz an der G. straße erweitert. Das Plangebiet liegt etwa 260 m nördlich des landwirtschaftlichen Betriebes H., der Rinder und Schweine hält.
Der Planung liegt ein Immissionsschutzgutachten der Landwirtschaftskammer zum Betrieb des Antragstellers vom 21. Oktober 1999 zugrunde, das zu dem Ergebnis kommt, dass im Plangebiet auch unter Berücksichtigung der Erweiterungsabsichten des Antragstellers die Immissionshäufigkeit von 1 GE/m³ in maximal 3 % der Jahresstunden nicht überschritten wird. Der Antragsteller hat im Zuge der frühzeitigen Bürgerbeteiligung auf den „Stinkkreis“ seines landwirtschaftlichen Betriebes und einen Alternativstandort für ein Wohngebiet hingewiesen und diese Anregungen während der öffentlichen Auslegung wiederholt. Der Antragsteller hat zudem eine gutachtliche Stellungnahme von Prof. Dr. I. vorgelegt, der auf der Grundlage der GIRL zu dem Ergebnis kommt, dass die Isoplethe für 1 GE/m³ in maximal 10 % der Jahresstunden bis an die vorhandene Bebauung heranreiche. Der Rat der Antragsgegnerin hat mit Beschluss vom 23. April 2001 die Anregungen des Antragstellers zurückgewiesen und den Bebauungsplan als Satzung beschlossen. Der Bebauungsplan ist im Amtsblatt der Bezirksregierung J. am 15. Juni 2001 bekannt gemacht worden.
Der Antragsteller hat am 12. Juli 2001 das Normenkontrollverfahren eingeleitet und vorgetragen, er beabsichtige seinen landwirtschaftlichen Betrieb mit Kälberzucht und Bullenmast um Schweinemast zu ergänzen. Für einen Schweinemaststall mit 700 Plätzen habe er einen Bauvorbescheid erhalten, dessen Verlängerung er beantragt habe. Ein Wohngebiet müsse von seinem Betrieb einen Mindestabstand von 230 m einhalten, während die westliche Grenze des Plangebietes nur 140 m von dem geplanten Maststall entfernt liege. Die Antragsgegnerin habe das von ihm vorgelegte Gutachten des Sachverständigen I. nicht berücksichtigt, das unter Anwendung der GIRL zu einer Unverträglichkeit des geplanten Wohngebiets mit seinem Betrieb komme. Im Verfahren der Verlängerung des Bauvorbescheides für den Schweinemaststall verlange die Bauaufsicht, den Nachweis der Unbedenklichkeit seines Stalles mit einem Gutachten nach der GIRL zu führen. Die Antragsgegnerin habe auch eine angemessene Erweiterung seiner Tierhaltung vernachlässigt. Schließlich habe die Antragsgegnerin inzwischen ein ca. 2,5 ha großes Grundstück südlich des Klärwerks erworben, das als Wohnbauland in Betracht komme.
Der Antragsteller beantragt,
den am 23. April 2001 vom Rat der Antragsgegnerin beschlossenen Bebauungsplan Nr. 4 „Dorfmitte, Teil I“ für nichtig zu erklären.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Normenkontrollantrag zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin erwidert, der Antragsteller sei gar nicht ernsthaft an dem Bau des Schweinestalles interessiert. Er habe als Ratsherr von den Planungsabsichten frühzeitig erfahren und die Bauvoranfrage gestellt, um der Gemeinde Schwierigkeiten zu bereiten. Die Immissionssituation sei bei der Aufstellung des Bebauungsplanes sorgfältig untersucht worden. Die Landwirtschaftskammer habe bereits 1995 im Zuge der Erstellung des Dorferneuerungsplanes die „Immissionskreise“ der landwirtschaftlichen Betriebe untersucht. Für eine Bauvoranfrage des landwirtschaftlichen Betriebes H. habe die Landwirtschaftskammer 1998 eine gutachtliche Stellungnahme abgegeben, die zu dem Ergebnis komme, dass der Immissionsradius des Betriebes nach der beabsichtigten Aufstockung bei einer Stalltechnik von 90 Punkten 265 m gegenüber qualifizierter Wohnbebauung in Plangebieten betrage. Dieser Abstand werde vom Bebauungsplan eingehalten.
Wegen des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten im Einzelnen wird auf die Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe
Der Normenkontrollantrag des Antragstellers hat keinen Erfolg. Der Bebauungsplan leidet nicht an Fehlern, die seine Wirksamkeit in Frage stellen.
Der Antragsteller ist antragsbefugt nach § 47 Abs. 2 VwGO, weil er als Eigentümer einer landwirtschaftlichen Hofstelle mit Tierhaltung geltend machen kann, dass seine Belange bei der Abwägung über den Bebauungsplan nicht ausreichend berücksichtigt worden seien (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.9.1998 – 4 CN 2.98 -, DVBl. 1999, 100). Der Antragsteller hat nämlich vorgetragen, dass der von ihm geplante Mastschweinestall, für den er einen Bauvorbescheid erwirkt hat, zu Konflikten mit der geplanten Wohnbebauung führe. Das von der Antragsgegnerin veranlasste Gutachten der Landwirtschaftskammer macht bereits mit dem Hinweis darauf, dass das Plangebiet des Bebauungsplanes Nr. 4 nicht den vollen Abstand nach der VDI-Richtlinie 3471 von der Hofstelle des Antragstellers einhält, die Abwägungsbeachtlichkeit der Belange des Antragstellers ebenso deutlich wie die gutachtliche Stellungnahme des Sachverständigen Prof. Dr. I..
Das Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers für das Normenkontrollverfahren kann nicht mit dem Hinweis in Frage gestellt werden, die Tatsache, dass der Antragsteller mit dem Bau des Mastschweinestalles bis heute nicht begonnen habe, belege, dass der Antragsteller gar nicht an der Verwirklichung des Schweinestalles interessiert sei, für den er 1999 einen Bauvorbescheid erhalten habe. Es mag auffällig sein, dass der Antragsteller die Bauvoranfrage am 10. Juli 1998 beantragt hat, nachdem der Samtgemeindeausschuss am 12. Mai 1998 die Aufstellung des Flächennutzungsplanes beschlossen hatte. Auch der Umfang des Vorhabens, ein Stall für 700 Mastschweine, im Verhältnis zu dem vorhandenen landwirtschaftlichen Betrieb mit 20 ha mit 59 Kälber- und 78 Mastbullenplätzen, spricht an sich nicht für eine Ausweitung des Betriebes im Rahmen der „normalen Betriebsentwicklung”. Der Antragsteller hat aber das Erweiterungsvorhaben einschließlich Finanzierung einleuchtend dargelegt und darauf hingewiesen, dass ein Neffe als Hofnachfolger vorgesehen sei, der weitere 15 ha „mitbringe“. Mit dem Vorbringen, er werde mit dem Bau des Schweinestalles 2004 beginnen, wenn der Neffe mit der Realschule fertig werde und sich für eine landwirtschaftliche Lehre entscheide, wird das mit der Bauvoranfrage bereits 1998 bekundete Erweiterungsinteresse zwar noch einmal in zeitlicher Hinsicht „gestreckt“. Diese Gesichtspunkte reichen insgesamt für den Nachweis nicht aus, das Erweiterungsinteresse des Antragstellers sei vorgeschoben.
Die Antragsfrist des § 47 Abs. 2 VwGO hat der Antragsteller eingehalten. Der Bebauungsplan ist auch noch nicht vollständig ausgeschöpft. Gerade in der Nordwestecke des Plangebietes sind noch Bauplätze frei, so dass das Rechtsschutzbedürfnis insoweit nicht entfallen ist.
Verfahrensfehler sind weder geltend gemacht noch ersichtlich.
Der Bebauungsplan leidet nicht an Abwägungsmängeln, die die Wirksamkeit des Planes in Frage stellen. Nach § 1 Abs. 6 BauGB sind bei der Aufstellung eines Bauleitplans die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Dabei ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bauleitplan maßgebend (§ 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB). Das Abwägungsgebot erfordert zum einen, dass eine sachgerechte Abwägung überhaupt stattfindet, zum anderen verlangt es, dass an Belangen eingestellt wird, was nach Lage der Dinge eingestellt werden muss, dass die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange erkannt und dass der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der ihrer objektiven Gewichtigkeit entspricht. Innerhalb des so gezogenen rechtlichen Rahmens darf die Gemeinde sich in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung des anderen entscheiden (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.12.1969
– IV C 105.66 -, BVerwGE 34, 301).
Die Antragsgegnerin hat in der Begründung des Bebauungsplanes darauf hingewiesen, dass es Anliegen der Bauleitplanung sei, in dem durch Streusiedlungen gekennzeichneten Gebiet der Antragsgegnerin vorhandene Siedlungsansätze abzurunden und zu erweitern und nicht neue Splittersiedlungen entstehen zu lassen. Unter diesem Blickwinkel ist die Wahl des Plangebietes nicht zu beanstanden, weil der Geltungsbereich des Bebauungsplanes sich an den vorhandenen Bestand von 13 Wohnhäusern beiderseits der G. straße anlehnt und diesen Bestand nach Nordwesten „großzügig abrundet“. Der Antragsteller hat mit seinen Anregungen und im Normenkontrollverfahren eine Alternativfläche von 2,5 ha ins Spiel gebracht, die die Gemeinde südlich der Kläranlage erworben haben soll. Die Antragsgegnerin hat im Rahmen der Abwägung dazu nur bemerkt, diese Fläche sei im Flächennutzungsplan noch nicht als Baufläche enthalten und solle dem mittel- bis langfristigen Bedarf vorbehalten bleiben. Wieweit dieses Argument tragen würde, kann offen bleiben, denn die Antragsgegnerin hat im Normenkontrollverfahren unwidersprochen vorgetragen, dass diese Alternativfläche zur Zeit der Aufstellung des Bebauungsplanes von der Gemeinde noch nicht angekauft war und im Übrigen innerhalb des Immissionskreises des Betriebes H. liegt. Diese Fläche kommt nach den schlüssigen Darlegungen der Antragsgegnerin erst dann für eine Wohnbebauung in Betracht, wenn dieser Betrieb eine Abluftreinigung installiert hat.
Die Gemeinde hat die Immissionen der landwirtschaftlichen Betriebe und ihre Auswirkungen auf die geplante Wohnbebauung gesehen und unter Nr. 8.1 der Begründung die landwirtschaftlichen Betriebe des Antragstellers im Westen und das Gehöft H. im Süden erwähnt. Die Antragsgegnerin hat auf die Beurteilung der Landwirtschaftskammer J. Bezug genommen, dass die vorhandenen Tierbestände keine Beeinträchtigungen des geplanten Wohngebietes erwarten lassen. Die Gemeinde ist aber nicht bei der Berücksichtigung der vorhandenen Tierbestände stehen geblieben, sondern hat auch die Erweiterungsabsichten der landwirtschaftlichen Betriebe einbezogen.
Nach der Begründung des Bebauungsplanes hat die Antragsgegnerin bei der Abwägung auch den Schweinemaststall mit 700 Plätzen berücksichtigt, für den der Antragsteller 1999 einen Bauvorbescheid erhalten hat. Weil der volle Schutzabstand nach der VDI-Richtlinie 3471/73 für den vorhandenen und geplanten Tierbestand von dem Plangebiet nicht eingehalten wird, hat die Landwirtschaftskammer eine Ausbreitungsberechnung auf der Grundlage der VDI-Richtlinie 3782 durchgeführt, wonach im Plangebiet die Geruchswahrnehmungshäufigkeit von 1 GE/m³ auf 3 % der Jahresstunden beschränkt ist. Derartige Auswirkungen hat die Antragsgegnerin im Wohngebiet zu Recht als zumutbar angesehen.
Der Einwand des Antragstellers, die Landwirtschaftskammer habe bei der Ausbreitungsberechnung den Rinderbestand nicht in vollem Umfang berücksichtigt, weil die Aufstockung des Bestandes im Jahr 2000 nicht mit einbezogen worden ist, greift im Ergebnis nicht durch. Allerdings stellt eine unzutreffende Tatsachenbasis in aller Regel eine Prognose in Frage. Hier bestehen aber durchgreifende Bedenken gegen den Ansatz von anrechenbaren Großvieheinheiten für die Rinderplätze bei der Ausbreitungsberechnung (vgl. Beschl. d. 6. Sen. v. 10.3.1993 – 6 M 531/93 -, BRS 55 Nr. 82 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des Senats; Bay. VGH, Urt. v. 3.1.1995 – 2 B 91.2878 -, BRS 57 Nr. 217; Zeisig/Langenegger, Geruchsfahnenbegehungen an Rinderställen, Landtechnische Berichte aus Praxis und Forschung, Schriftenreihe des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Gelbes Heft 63, 1999). Das Gutachten der Landwirtschaftskammer berücksichtigt 59 Kälber- und 78 Mastbullenplätze mit 12,76 anrechenbaren Großvieheinheiten, obwohl es erwähnt, dass der Entwurf der VDI-Richtlinie 3473 zurückgezogen worden ist und damit ein Umrechnungsfaktor von Rinder-Großvieheinheiten auf Schweine-Großvieheinheiten fehlt. Dieser Ansatz wirkt sich zugunsten des Antragstellers aus; seine Berechtigung kann daher hier offen bleiben. Ein erhöhter Ansatz für die Aufstockung des Rinderbestandes ist aber für die Ausbreitungsberechnung nicht gerechtfertigt, denn die von Zeisig und Langenegger (a.a.O.) durchgeführten Geruchsfahnenbegehungen an Rinderställen haben ergeben, dass die Geruchsschwellenentfernung bei Rinderställen nicht von der Bestandsgröße abhängt (vgl. auch Bay. VGH, a.a.O.: Geruchsschwellenentfernung von Rinderställen bei 30 m Entfernung unabhängig von der Bestandsgröße). Das bedeutet, dass die vom Antragsteller vorgetragene Aufstockung des Rinderbestandes über die 59 Kälber und 78 Mastbullen hinaus keine Auswirkungen auf die Immissionen im Plangebiet hat.
Auch die Rüge des Antragstellers, das Gutachten der Landwirtschaftskammer erweise sich nach der Stellungnahme des Sachverständigen Prof. Dr. I. als unrichtig und unverwertbar, greift nicht durch. Es ist zwar richtig, dass der Sachverständige Prof. Dr. I. auf der Grundlage der Geruchsimmissionsschutzrichtlinie (GIRL) einen deutlich größeren Geruchsschwellenabstand errechnet als die Landwirtschaftskammer in ihrem Gutachten vom 21. Oktober 1999. Bemerkenswert ist aber, dass der Sachverständige Prof. Dr. I. das Gutachten der Landwirtschaftskammer nicht als unrichtig kritisiert hat, sondern lediglich im Hinblick auf die vorgesehene Neufassung der TA-Luft das Rechenmodell der Geruchsimmissionsschutzrichtlinie anwendet. Wie der Senat bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes dargelegt hat (Beschl. v. 7.12.2001 - 1 MN 3290/01 -) nötigte die Stellungnahme von Prof. Dr. I. die Antragsgegnerin nicht, ihre Planung zu ändern:
Allerdings sind der Antragsgegnerin bei der Behandlung der Anregungen des Antragstellers Abwägungsfehler unterlaufen. Die Stellungnahme von Prof. Dr. Ing. I., die Immissionskonflikte zwischen der Tierhaltung des Antragstellers und dem vorgesehenen Wohngebiet prognostiziert, durfte nicht mit dem Argument zurückgewiesen werden, dass die GIRL als Beurteilungsmaßstab erst in Zukunft mit der noch ausstehenden Novellierung der TA-Luft herangezogen werden dürfe. Die GIRL ist als Verwaltungsvorschrift zur Feststellung und Beurteilung von Geruchsimmissionen durch den gemeinsamen Runderlass des MU, des MFAS, des ML und des MW vom 14. November 2000 (NdsMBl. 2001, 224) eingeführt worden. Auch die Antragsgegnerin hatte daher die GIRL im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses über den Bebauungsplan am 23. April 2001 zu beachten. Allerdings ist die Anwendung der GIRL für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen – wie die Tierhaltung des Antragstellers vor der Neufassung der 4. BImSchV durch Art. 4 des Gesetzes zur Umsetzung der UVP-Änd.-Richtlinie vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1950) – nicht zwingend vorgeschrieben, vielmehr kann die GIRL sinngemäß angewandt werden. Da die Antragsgegnerin mit dem Gutachten der Landwirtschaftskammer vom 21. Oktober 1999 eine sachverständige Beurteilung eingeholt hat, die auch von Prof. Dr. Ing. I. nicht in Frage gestellt worden ist, bestand für die Antragsgegnerin kein zwingender Anlass zur Anwendung der GIRL. Auch die Tatsache, dass die Stellungnahme von Prof. Dr. I. aufgrund der GIRL zu anderen Abstandsforderungen kam, musste die Antragsgegnerin nicht veranlassen, ein weiteres Gutachten einzuholen oder die Landwirtschaftskammer zu einer Ergänzung ihres Immissionsschutzgutachtens aufzufordern. Dass die verschiedenen Prognosemethoden der Beurteilung von Geruchseinwirkungen zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, ist bekannt (vgl. Peschau, UPR 1998, 248 ff. [BVerwG 05.03.1998 - BVerwG 4 B 153/97]), begründet aber allein noch keine Zweifel an der Methode.
Auch der Einwand des Antragstellers, im Rahmen der Verlängerung des Bauvorbescheides werde von ihm verlangt, die Unbedenklichkeit seines Stalles im Hinblick auf die Wohnbebauung des angefochtenen Bebauungsplanes mit einem Gutachten nach GIRL nachzuweisen, führt nicht zu einem Abwägungsfehler. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Anwendung der GIRL nach den Vorbemerkungen des Runderlasses vom 14. November 2000 und nach Nr. 1 (Abs. 4) für Anlagen, die nicht nach BImSchG genehmigungspflichtig sind, nicht zwingend vorgeschrieben ist. Nach den vom Antragsteller genannten Zahlen (140 Rinder und 700 Mastschweine) erreicht der landwirtschaftliche Betrieb auch mit der geplanten Erweiterung nicht die Schwelle der Genehmigungsbedürftigkeit nach Nr. 7.1 des Anhangs zur 4. BImSchV in der Fassung von Art. 4 des Artikelgesetzes vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1950), so dass eine Beurteilung nach GIRL nicht zwingend vorgesehen ist. Die Gemeinde konnte bei dem Satzungsbeschluss am 23. April 2001 im Übrigen nur von den damaligen höheren Schwellenwerten der 4. BImSchV vor der Änderung durch Art. 4 des Gesetzes zur Umsetzung der UVP-Änd.-Richtlinie vom 27. Juli 2001 (BGBl. I S. 1950) ausgehen.
Allerdings mag es zutreffen, dass, wie der Antragsteller vorträgt, die zuständige Bauaufsichtsbehörde auch bei Ställen, die nicht nach der 4. BImSchV genehmigungspflichtig sind, inzwischen die GIRL regelmäßig zugrunde legt und dementsprechend einen größeren Abstand von der Wohnbebauung verlangt. Nach Nr. 1 Abs. 4 der GIRL kann die Richtlinie für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen sinngemäß angewandt werden. Das würde hier nach der Stellungnahme von Prof. Dr. I. zu dem Ergebnis führen, dass der nach Nr. 3 der GIRL für Wohngebiete einschlägige Immissionswert von 0,10 im Bebauungsplangebiet deutlich überschritten würde und der Antragsteller unter Berücksichtigung der GIRL nicht mit einer Verlängerung seines Bauvorbescheides rechnen könnte. Das unterschiedliche Ergebnis der Ausbreitungsberechnung der Landwirtschaftskammer von 1999 und der Berechnung von Prof. Dr. I. nach GIRL könnte damit zusammenhängen, dass die GIRL für genehmigungspflichtige Anlagen konzipiert ist und damit auch dem Vorsorgegebot des § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG genügen muss, diese Vorsorge aber bei nicht genehmigungsbedürftigen Anlagen zu Abständen zwischen Tierhaltung und Wohnbebauung führt, die über den erforderlichen Schutz hinausgehen. Selbst wenn sich der Antragsteller in einem gerichtlichen Verfahren mit seinem Anspruch auf Verlängerung des Bauvorbescheides durchsetzen sollte, liegt es nahe, dass ein solcher Konflikt nicht auf dem Rücken des Bürgers ausgetragen werden darf und daher im Rahmen der Bauleitplanung kein anderes Prognosemodell für Geruchsimmissionen verwendet werden darf als im bauaufsichtlichen Verfahren. Auch wenn die Anwendung der GIRL für Anlagen, die nicht nach BImSchG genehmigungsbedürftig sind, nicht zwingend vorgeschrieben ist, sondern der Bauaufsichtsbehörde freigestellt ist, muss die Gemeinde im Bauleitplanverfahren wohl eine allgemeine Praxis der zuständigen Bauaufsichtsbehörde berücksichtigen. Allerdings war im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses am 23. April 2001, sechs Wochen nach Veröffentlichung der GIRL, der Konflikt nicht absehbar, denn die Gemeinde konnte jedenfalls damals davon ausgehen, dass sich die Bauaufsichtsbehörde mit dem vorhandenen Gutachten der Landwirtschaftskammer für den Schweinestall des Antragstellers begnügen würde, das sie, die Gemeinde, im Bauleitplanverfahren eingeholt hat. Anhaltspunkte dafür, dass sich bereits damals eine Praxis der zuständigen Bauaufsichtsbehörde herausgebildet hatte, die GIRL auch bei Vorhaben anzuwenden, die nicht unter das BImSchG fallen, sind nicht ersichtlich.
Schließlich kann der Antragsteller auch nicht mit seinem Einwand durchdringen, die Antragsgegnerin habe eine weitere Aufstockung seiner Schweinehaltung berücksichtigen müssen. Abwägungsbeachtlich ist das Bedürfnis eines Landwirts nach einer Betriebserweiterung im Rahmen einer normalen Betriebsentwicklung, nicht jedoch eine unverbindliche Absichtserklärung, die in ihrer zeitlichen Realisierung gar nicht absehbar ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 5.9.2000 – 4 B 56.00 -, BRS 63 Nr. 107; Beschl. v. 10.11.1998 - 4 BN 44.98 -, BRS 60 Nr. 3).
Auch der landwirtschaftliche Betrieb H. hinderte die Antragsgegnerin nicht, mit dem Bebauungsplan Nr. 4 ein allgemeines Wohngebiet festzusetzen. Wie die Antragsgegnerin in der Begründung des Bebauungsplanes unter Nr. 8.1 dargelegt hat, sind auch im Falle geplanter Aufstockungen im Betrieb H. keine Konflikte zu erwarten. Allerdings dürften die im Rahmen der Dorferneuerung von der Landwirtschaftskammer angestellten Berechnungen keine ausreichende Grundlage für eine solche Aussage darstellen, denn diese Berechnungen beruhen auf den Daten der Agrarberichterstattung aus dem Jahre 1991 (vgl. Dorferneuerungsplan, S. 126). Da sich die Technik der Viehhaltung ebenso wie die Tierzahlen in den letzten zehn Jahren erfahrungsgemäß verändert haben, wären diese Berechnungen mit einem hohen Unsicherheitsfaktor verbunden. Die Antragsgegnerin hat jedoch dargelegt, dass sie sich auf eine gutachtliche Stellungnahme der Landwirtschaftskammer zu einer Bauvoranfrage des Landwirts H. vom 9. Juni 1998 gestützt hat, die als zeitnahe Berechnung bei der Planung zu berücksichtigen ist. Diese Stellungnahme der Landwirtschaftskammer ergibt, dass die Aufstockung des Tierbestandes im Betrieb H. auf 220 Zuchtsauen und 500 Mastschweine neben den Rindern die Ausweisung von Wohngebieten nördlich der G. straße nicht berühren wird. Nach der Stellungnahme der Landwirtschaftskammer wird der volle Schutzabstand nach der VDI-Richtlinie 3471 zwischen der Wohnbebauung und dem Betrieb H. eingehalten, so dass im Plangebiet des Bebauungsplanes Nr. 4 nicht mit Gerüchen vom Betrieb H. gerechnet werden muss. Die gutachtliche Stellungnahme der Landwirtschaftskammer von 1998 wird auch nicht durch die neue Stellungnahme vom 31. Mai 2002 in Frage gestellt. Diese Stellungnahme bezieht sich auf andere Tierbestände und beruht auf einer Berechnung auf der Grundlage der GIRL.