Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 28.10.2002, Az.: 7 ME 166/02
Aufenthaltsbefugnis; Verbrauch; Versagungsgrund; Vertrauensschutz
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 28.10.2002
- Aktenzeichen
- 7 ME 166/02
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2002, 43597
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 16.07.2002 - AZ: 6 B 107/02
Rechtsgrundlagen
- § 13 Abs 1 AuslG
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
Die dargelegten Gründe (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO) rechtfertigen eine Änderung der angegriffenen Entscheidung nicht.
Das Verwaltungsgericht ist im Rahmen der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmenden Interessenabwägung zu einem zutreffenden Ergebnis gelangt. Zuzustimmen ist der Vorinstanz zunächst darin, dass die angefochtene Verfügung des Antragsgegners vom 31. Mai 2002, mit der die Anträge der Antragsteller auf Verlängerung der Aufenthaltsbefugnis abgelehnt worden sind, voraussichtlich rechtswidrig ist (1.). Selbst wenn die Erfolgsaussichten in der Hauptsache als offen einzuschätzen wären, würde die Interessenabwägung zu keinem anderen Ergebnis führen (2.).
1. Der Antragsgegner hat die Anträge der Antragsteller auf Verlängerung der Aufenthaltsbefugnis abgelehnt, weil schon die Erteilungsvoraussetzungen aufgrund der Bleiberechtsregelung des Niedersächsischen Innenministeriums vom 10. Dezember 1999 nicht vorgelegen hätten, denn von dieser Regelung seien zwingend die ausländischen Mitbürger ausgeschlossen, die aufenthaltsbeendende Maßnahmen vorsätzlich hinauszögerten und unter Alias-Personalien - wie die Antragstellerin zu 1) - Asylanträge stellten. Dies hätte schon anlässlich der Erteilung der ersten Aufenthaltsbefugnis in die Entscheidung einfließen müssen, sei jedoch irrtümlich unterblieben. Aus diesen Gründen komme auch eine erneute Erteilung nicht mehr in Betracht. Gegen die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung bestehen bei der in diesem Verfahren angezeigten summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erhebliche Bedenken.
Ob über Versagungsgründe jeweils neu entschieden werden kann, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Liegt einem Versagungsgrund ein bereits abgeschlossener Sachverhalt zugrunde, so kann im Rahmen der Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung auf diesen Sachverhalt grundsätzlich nicht mehr zurückgegriffen werden. Ist über einen solchen Versagungsgrund, der unabänderlich vorliegt und nicht mehr entfallen kann, bereits einmal entschieden worden, so ist diese Entscheidung verbindlich und nicht dadurch zu korrigieren, dass der abgeschlossene Sachverhalt bei der Entscheidung über die Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung als Versagungsgrund wieder aufgegriffen wird (vgl. Discher, in: GK-AuslR, § 13 AuslG Rn. 244 ff.; Hailbronner, Kommentar zum Ausländerrecht, § 13 AuslG Rn. 16 f.; Renner, Ausländerrecht in Deutschland, § 30 Rn. 472). So verhält es sich hier. Die von dem Antragsgegner zur Begründung angeführten Asylverfahren sind seit langem abgeschlossen. Das Vorliegen der von dem Antragsgegner im Rahmen der Entscheidung über die Verlängerung der Aufenthaltsbefugnis herangezogenen Versagungsgründe konnte dem Antragsgegner bei der erstmaligen Erteilung der Aufenthaltsbefugnis unter Anwendung der Bleiberechtsregelung nicht verborgen geblieben sein. Er hat daraus seinerzeit allerdings nicht die nach dem Runderlass des MI vom 10. Dezember 1999 (Nds. MBl. S. 41) angezeigten Folgerungen gezogen. Soweit der Antragsgegner mit der Beschwerde auf die Notwendigkeit verweist, die Frage des Verbrauchs von Versagungsgründen differenziert zu behandeln, führt dies unter den hier gegebenen Umständen nicht zu einer dem Antragsgegner günstigen Beurteilung. Die in Nr. 3 des Runderlasses genannten Versagungsgründe (Anwendungsfälle des vorsätzlichen Hinauszögerns der Aufenthaltsbeendigung) zeichnen sich dadurch aus, dass sie an bereits abgeschlossene Sachverhalte anknüpfen und deshalb - sofern die Aufenthaltsgenehmigung im Widerspruch dazu und in Kenntnis aller Umstände erteilt worden ist - nicht später als Ablehnungsgrund wieder aufgegriffen werden können. Vielmehr ist der frühere Verstoß infolge des Verhaltens der zuständigen Behörde nicht mehr aktuell und als solcher gegenstandslos geworden.
War die frühere Entscheidung wegen eines unzutreffenden Sachverhalts oder falscher Rechtsanwendung fehlerhaft, so kann eine Korrektur allenfalls im Wege der Aufhebung nach den allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen erfolgen. Anhaltspunkte dafür, dass dem Antragsgegner noch eine Rücknahme der früheren Aufenthaltsbefugnis nach § 48 VwVfG möglich ist, bestehen indes nicht. Dem dürfte voraussichtlich das schutzwürdige Vertrauen der Antragsteller entgegenstehen, die die Erteilung der Aufenthaltsbefugnis dahin verstehen konnten und mussten, dass ihnen ihr in der Vergangenheit liegendes und dem Antragsgegner bekanntes Verhalten, mit dem sie die Aufenthaltsbeendigung hinausgezögert hatten, nicht (mehr) entgegengehalten werden sollte.
Der Antragsgegner kann sich demgegenüber nicht mit Erfolg darauf berufen, dass eine befristete Aufenthaltsgenehmigung ohnehin Vertrauensschutz nicht über den Fristablauf hinaus begründen könne. Dieser Einwand hätte seine Berechtigung, wenn der Grund für die Befristung in der Sphäre der Antragsteller zu finden wäre, etwa weil dem Antragsgegner eine abschließende Beurteilung des Verhaltens der Antragsteller noch nicht möglich gewesen wäre. So lag es indessen nicht. Die Notwendigkeit der Befristung der Aufenthaltsbefugnis ergab sich vielmehr in jedem Fall aus § 12 Abs. 2 Satz 1 AuslG selbst und war auch durch Nr. 2.2.2 Abs. 1 Satz 1 des Runderlasses vom 10. Dezember 1999 angeordnet. Dieser Umstand verbietet einen Rückschluss von der Befristung auf die Reichweite des Vertrauensschutzes.
2. Von dem Vorstehenden abgesehen würde auch eine von den Erfolgsaussichten in der Hauptsache unabhängige Interessenabwägung zu demselben Ergebnis führen. Das Interesse der Antragsteller, dass ihr Aufenthalt bis zum Abschluss eines Hauptsacheverfahrens geduldet wird, hat stärkeres Gewicht als das gegenläufige Interesse des Antragsgegners. Dabei ist insbesondere von Bedeutung, dass die unverzügliche Beendigung des Aufenthalts der Antragsteller in der Bundesrepublik Deutschland voraussichtlich vollendete Tatsachen zu ihren Lasten schaffen würde, während das öffentliche Interesse an dem baldigen Vollzug der von dem Antragsgegner verfolgten Maßnahme schon im Hinblick auf die früher erteilte Aufenthaltsbefugnis gemindert ist. Es ist zudem nicht ersichtlich, dass die Antragsteller die maßgebenden Integrationsbedingungen nicht erfüllen oder sonst ihr weiterer Aufenthalt erhebliche öffentliche Interessen aktuell beeinträchtigen würde.