Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 26.02.2002, Az.: 5 A 307/01

aktives Medizinprodukt; Beatmungsgerät; berufsmäßige Pflicht; Bestandsverzeichnis; Betreiber; elektrischer Rollstuhl; gesetzliche Krankenkasse; gewerbliche Zwecke; Gewinnerzielung; Hilfsmittel; Hilfsmittelvereinbarung; Kostenfestsetzung; Medizinprodukt; nichtimplantierbare Medizinprodukte; rechtliche Sachherrschaft; Sachleistungsanspruch; Sanitätshaus; Verhältnismäßigkeit; verstellbares Bett; wirtschaftliche Zwecke; Zitiergebot

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
26.02.2002
Aktenzeichen
5 A 307/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 42333
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
OVG Niedersachsen - 17.09.2002 - AZ: 11 LC 150/02
BVerwG - 16.12.2003 - AZ: BVerwG 3 C 47.02

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Bei hinreichender rechtlicher Sachherrschaft - hier bejaht - sind gesetzliche Krankenkassen "Betreiber" i.S.d. Medizinprodukte-Betreiber VO und damit u.a. verpflichtet, für "aktive, nicht implantierbare" Medizinprodukte ein Bestandsverzeichnis zu führen.

2. Nr. 62 der Anlage zur AllGO (Gebühren für Maßnahmen nach dem MPG) ist wegen Verstosses gegen das Zitiergebot unwirksam.

Tenor:

Der Kostenfestsetzungsbescheid der Beklagten vom 7. Juni 2001 und ihr den Widerspruch insoweit zurückweisender Widerspruchsbescheid vom 26. September 2001 werden aufgehoben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des festzusetzenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

1

Die Parteien streiten über die Frage, ob die Klägerin als Betreiberin im Sinne der Verordnung über das Errichten, Betreiben und Anwenden von Medizinprodukten (Medizinprodukte-Betreiberverordnung - (MPBetreibV) - vom 29. Juni 1998 (BGBl. I S. 1762) = a.F., zuletzt geändert durch das zweite Gesetz zur Änderung des Medizinproduktegesetzes vom 13.12.2001 (BGBl. I. S. 3586, 3604) = n.F., anzusehen ist und dementsprechend  u.a. - wie vorliegend von der Beklagten gefordert - gemäß § 8 MPBetreibV "für alle aktiven nichtimplantierbaren Medizinprodukte der jeweiligen Betriebsstätte ein Bestandsverzeichnis" zu führen hat.

2

Die MPBetreibV vom Juni 1998 beruht auf dem Gesetz über Medizinprodukte (Medizinproduktegesetz - MPG - vom 02. August 1994 (BGBl. I. S. 1963) = a.F., zuletzt geändert durch das zuvor angeführte zweite Gesetz zur Änderung des Medizinproduktegesetzes = MPG n.F.. Zweck dieses Gesetzes ist es, "den Verkehr mit Medizinprodukten zu regeln und dadurch für die Sicherheit, Eignung und Leistung der Medizinprodukte sowie die Gesundheit und den erforderlichen Schutz der Patienten, Anwender und Dritter zu sorgen", § 1 MPG. Mit diesem Gesetz wurden verschiedene europäische Richtlinien umgesetzt, u.a. die Richtlinie 93/42/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über Medizinprodukte (Abl EG Nr. L 169 S.1). Das MPG enthält außer der vorgenannten Zweckbestimmung sowie Regelungen über den Anwendungsbereich des Gesetzes und Begriffsbestimmung Abschnitte zu allgemeinen Anforderungen an Medizinprodukten (zweite Abschnitt), über die klinische Prüfung (dritter Abschnitt), über die Kosten (§ 38 MPG a.F. bzw. § 35 MPG n.F.) sowie im fünften Abschnitt - soweit hier von Bedeutung - allgemeine Regelungen für das Errichten, Betreiben und Anwenden von Medizinprodukten. § 22 Abs. 2 MPG a.F. enthält eine Verordnungsermächtigung, wonach "das Bundesministerium für Gesundheit mit Zustimmung des Bundesrates Anforderungen an das Errichten, Betreiben und Anwenden von aktiven Medizinprodukten" festlegen kann. In dieser Verordnung können "weiterhin Regelungen getroffen werden über die Einweisung der Betreiber und Anwender, die sicherheitstechnischen Kontrollen, Funktionsprüfungen, das Bestandsverzeichnis und das Medizinproduktebuch für aktive Medizinprodukte sowie weitere Anforderungen und Ausnahmen, soweit dies für das sichere Betreiben und die sichere Anwendung des aktiven Medizinproduktes notwendig ist." Gemäß § 22 Abs. 4 MPG a.F. gilt diese Verordnungsermächtigung jedoch nicht für Medizinprodukte, "die weder gewerblichen noch wirtschaftlichen Zwecken dienen und in deren Gefahrenbereich keine Arbeitnehmer beschäftigt werden." Auf dieser Verordnungsermächtigung beruht die in ihrer Auslegung hier streitige MPBetreibV. Die vorgenannte Verordnungsermächtigung in § 22 MPG a.F. ist nunmehr durch eine entsprechende Ermächtigung in § 14 MPG n.F. i.V.m. § 37 Abs. 5 Nr. 1 MPG n.F. ersetzt worden.

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In § 1 Abs. 2 Nr. 3 MPBetreibV a.F. (entsprechend § 1 Abs. 2 MPBetreibV n.F.), der den Anwendungsbereich der Verordnung bestimmt, wird noch einmal wiederholt, dass diese Verordnung zwar allgemein für das Betreiben und Anwenden von Medizinprodukten u.a. nach § 3 Nr. 3 MPG a.F. gilt, nicht jedoch für solche Medizinprodukte, "die weder gewerblichen noch wirtschaftlichen Zwecken dienen und in deren Gefahrenbereich keine Arbeitnehmer beschäftigt sind." Abschnitt 2 der MPBetreibV, beginnend mit § 5, enthält spezielle Vorschriften für aktive Medizinprodukte. Dabei handelt es sich gemäß der Definition in Nr. 1.4 des Anhangs IX der Richtlinie 93/42/EWG, § 3 Nr. 3 MPG a.F. um ein Medizinprodukt "dessen Betrieb auf eine Stromquelle oder eine andere Energiequelle als die unmittelbar durch den menschlichen Körper oder die Schwerkraft erzeugte Energie angewiesen ist." Der Betreiber eines solchen aktiven, nicht implantierbaren Medizinproduktes hat - wie dargelegt - u.a. ein Bestandsverzeichnis zu führen, § 8 Abs. 1 MPBetreibV.

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Die Beklagte vertritt die Ansicht, dass die MPBetreibV auf die Klägerin als gesetzliche Krankenkasse anzuwenden sei und es sich bei ihr auch um eine "Betreiber(in)" von Medizinprodukten im Sinne dieser Verordnung handele, sie also u.a. zur Anlage eines Bestandsverzeichnis verpflichtet sei. Auf der Grundlage dieser Rechtsansicht bat die Beklagte mit Schreiben vom September 2000 die Klägerin um Einsicht in ihr Bestandsverzeichnis der aktiven Medizinprodukte. Als Beispielsfälle wurden elektrisch betriebene Rollstühle, elektrisch verstellbare Betten, sogenannte TENS- sowie Beatmungsgeräte angeführt. Die Klägerin erwiderte mit Schreiben vom Oktober 2000, dass sie zwar ein solches Verzeichnis für die im Einsatz befindlichen "Hilfsmittel" führe. Betreiber(-in) im Sinne der MPBetreibV sei sie aber nicht. Insoweit wurde Bezug genommen auf eine "Gemeinsame Stellungnahme der Spitzenverbände der Krankenkassen zur Anwendung des MPG und der MPBetreibV vom 23.09.1998", Bl. 7 f der Beiakte B. Darin wurden zwar die Abgabe und der Wiedereinsatz von Hilfsmittel als "Betreiben" von Medizinprodukten eingestuft. Gleichwohl träfen die gesetzlichen Krankenkassen keine Betreiberpflichten, da die MPBetreibV aufgrund der Ausnahmebestimmung des § 1 Abs. 2 Nr. 3 a.F. auf sie unanwendbar sei. Sie gäben nämlich Medizinprodukte ausschließlich für die Anwendung im privaten Bereich ab. Dieser Ansicht trat die Beklagte im weiteren Schriftverkehr unter Bezugnahme auf Stellungnahmen von (zum Teil ehemaligen) Bundesministerialvertretern entgegen. Bei einem nachfolgenden Besuch von Mitarbeitern der Beklagten in den Räumen der Klägerin konnte kein Bestandsverzeichnis vorgelegt werden, da - nach den jetzigen Angaben - ein solches nicht existiere. Die Klägerin verwies insoweit auf das von ihr beauftragte Sanitätshaus, nach Aktenlage die "Sanitätshaus ...  KG mit Sitz in ... ." Dieses Sanitätshaus gebe im Auftrag der Klägerin leihweise "Hilfsmittel" an die bei der Klägerin Versicherten ab; wegen der Einzelheiten des mit dieser Firma geschlossenen Rahmenvertrags, einer sogenannten Hilfsmittelvereinbarung, wird auf diese Vereinbarung, Bl. 27 ff. der Beiakte B, Bezug genommen. Diese Firma wiederum teilte der Beklagten auf Nachfrage mit, sich ebenfalls nicht als Betreiber(-in) anzusehen (vgl. Bl. 46 der Beiakte B).

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Mit Bescheid vom 07.06.2001 gab die Beklagte der Klägerin daraufhin auf, innerhalb von 4 Wochen nach Erhalt der Verfügung "für alle in ihrem Eigentum befindlichen aktiven nicht implantierbaren Medizinprodukte ein Bestandsverzeichnis.... anzulegen und anschließend Einsicht in das Bestandsverzeichnis zu gewähren". Zur Begründung für die Betreibereigenschaft wurde angeführt, dass - was maßgebend sei - die Klägerin als Krankenkasse die rechtliche Sachherrschaft über die den Versicherten leihweise zur Verfügung gestellten Medizinprodukte habe und somit über die Art, den Umfang und die Zeitdauer des Betriebs eines Medizinproduktes maßgeblich bestimme. Mit gesondertem Kostenfestsetzungsbescheid vom 07.06.2001 wurde für diese Verfügung - gestützt auf Nr. 62.3 der Anlage zur AllGO - eine Gebühr von 120,00 DM festgesetzt. Gegen beide Bescheide legte die Klägerin am 04.07.2001 Widerspruch ein. Zur Begründung führte die Klägerin aus, dass sie mit bei der leihweisen Überlassung von Hilfsmitteln im Sinne von § 33 SGB V, die vorliegend mit dem Sanitätshaus über den o.a. Rahmenvertrag geregelt sei, ihren Sachleistungsanspruch gegenüber den gesetzlich Krankenversicherten gemäß § 2 Abs. 2 SGB V erfülle. Sie verfolge dabei weder gewerbliche noch wirtschaftliche Zwecke im Sinne der MPBetreibV. Zudem seien im Bereich der leihweise an die Versicherten überlassenen Hilfsmittel keine Arbeitnehmer beschäftigt. Mit der nachträglich bei der Beklagten eingegangenen Widerspruchsbegründung bezogen auf den Kostenbescheid wurde ergänzend vorgetragen, dass der angewandte Kostentarif vorliegend nicht einschlägig sei. Nr. 62.3 der Anlage zur AllGO beziehe sich nur auf Maßnahmen nach § 26 Abs. 4 MPG a.F.. Um eine solche handele es sich hier jedoch nicht. Denn diese Bestimmung ermächtige nicht dazu, die Anlegung eines Bestandsverzeichnisses zu fordern.

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Die Beklagte wies diese Widersprüche mit Widerspruchsbescheid vom 26. September 2001 zurück. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt: Die Voraussetzungen für die Nichtanwendung der MPBetreibV nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 seien nicht gegeben. Die Klägerin verfolge im Rahmen der leihweisen Abgabe von Medizinprodukten nämlich einen wirtschaftlichen Zweck; zudem sei nicht grundsätzlich auszuschließen, dass im Gefahrenbereich der so abgegebenen Medizinprodukte Arbeitnehmer beschäftigt würden. Beispielhaft seien Mitarbeiter von ambulanten Pflegediensten zu nennen; sie hielten sich im Bereich von elektrisch verstellbaren Pflegebetten auf. Die angefochtene Verfügung und der dazugehörige Kostenbescheid seien auch zu Recht auf § 26 Abs. 4 MPG gestützt worden.

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Die Klägerin hat am 02. Oktober 2001 den Verwaltungsrechtsweg beschritten. Über das bisherige Vorbringen hinaus trägt sie vor, dass die Verfügung (Vorlage des Bestandsverzeichnisses) nicht hinreichend bestimmt und unverhältnismäßig sei, da sie ihren Versicherten durch zugelassene Hilfsmittelerbringer - wie das Sanitätshaus - eine Vielzahl, im Einzelnen im Schriftsatz vom Februar 2002 genannter Hilfsmittel zur Verfügung stelle, sich aber aus der Verfügung nicht entnehmen lasse, welche dieser Hilfsmittel von der Verpflichtung zur Aufnahme in einem Bestandsverzeichnis umfasst sein sollten. Sollten alle gemeint sein, sei der Verwaltungsaufwand unverhältnismäßig groß. Die überlassenen Hilfsmittel hätten im Übrigen keinen "Gefahrenbereich" im Sinne der Ausnahmebestimmung der MPBetreibV. Arbeitnehmer ambulanter Pflegedienste würden sich allenfalls in verhältnismäßig geringfügigen Fällen im "Gefahrenbereich" von leihweise durch die Krankenkasse überlassenen Medizinprodukten aufhalten.

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Die Klägerin beantragt,

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die Bescheide der Beklagten vom 07. Juni 2001 und deren Widerspruchsbescheid vom 26. September 2001 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie erwidert: Wirtschaftliche Zwecke im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 3 MPBetreibV a.F. erfülle die Klägerin schon deshalb, weil sie von Gesetzes wegen dazu angehalten ist, ihre Sachleistungen sparsam und wirtschaftlich zu erbringen. Die Verfügung sei hinreichend bestimmt. So sei eindeutig geregelt, dass die Klägerin die von ihr betriebenen aktiven nicht implantierbaren Medizinprodukte in das Bestandsverzeichnis aufzunehmen habe. Was unter einem aktiven Medizinprodukt zu verstehen sei, ergebe sich aus der in § 3 Nr. 3 MPG a.F. enthaltene Definition, die wiederum Anhang IX Ziffer 1.4 der Richtlinie 93/42/EWG entspräche. Wegen der weiteren Einzelheiten der Klageerwiderung wird auf den Schriftsatz vom 18. Januar 2002 und wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist hinsichtlich der Verfügung zur Vorlage des Bestandsverzeichnisses unbegründet (1), hinsichtlich des Kostenbescheides aber begründet (2).

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1. Die Beklagte als gemäß § 26 MPG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 21 ZustVO - NGefAG zuständige Behörde hat von der Klägerin zu Recht gestützt auf § 26 Abs. 4 MPG a.F. (hilfsweise gemäß § 11, § 101 Abs. 4 NGefAG) die Anlage eines Bestandsverzeichnisses gemäß § 8 MPBetreibV und die Einsichtnahme darin gefordert.

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Denn der Anwendungsbereich der MPBetreibV ist vorliegend gegeben (1.1), die Klägerin ist als Betreiberin im Sinne der MPBetreibV anzusehen (1.2) und die Verfügung ist insoweit weder unbestimmt noch unverhältnismäßig (1.3).

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1.1 Der Anwendungsbereich der MPBetreibV ist gemäß deren § 1 Abs. 1 grundsätzlich gegeben, da zu den von der Beklagten im Rahmen ihrer gesetzlichen Sachleistungsverpflichtung gemäß § 2 Abs. 2, § 33 SGB V leihweise an Versicherte abgegebenen Hilfsmitteln unstreitig auch Medizinprodukte im Sinne des § 1 Abs. 1 MPBetreibV gehören.

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Die Voraussetzungen für die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs. 2 Nr. 3 MPBetreibV a.F. (= § 1 Abs. 2 MPBetreibV n.F.) sind hingegen nicht gegeben. Danach gilt die Verordnung nicht für Medizinprodukte, die weder gewerblichen noch wirtschaftlichen Zwecken dienen und in deren Gefahrenbereich keine Arbeitnehmer beschäftigt sind.

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Vorliegend gibt die klagende gesetzliche Krankenkasse im Rahmen ihrer Sachleistungsverpflichtung über das im Wege des o.a. Vertrages verpflichtete Sanitätshaus als Hilfsmittelerbringer eine Reihe von Medizinprodukten ab, die dieses wiederum an bei der Klägerin versicherte Patienten leihweise zur Anwendung weitergibt und danach zurücknimmt; bei der Anwendung wiederum können auch Dritte, etwa Ärzte bei Hausbesuchen und Pflegedienste sowie deren jeweilige Arbeitnehmer, Umgang mit dem jeweiligen Medizinprodukt haben.

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Insoweit stellt sich zunächst die Frage, ob die vorgenannte Ausnahmebestimmung nur dann eingreift, wenn das jeweils betroffene Medizinprodukt für keine der genannten Personengruppen gewerblichen oder wirtschaftlichen Zwecken dient oder ob es insoweit

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 - wovon ohne nähere Problematisierung die Parteien ausgehen - darauf ankommt, ob das Medizinprodukt nur für den Betreiber weder einem gewerblichen noch einem wirtschaftlichen Zweck dient. Nach Ansicht der Kammer spricht jedoch schon der Wortlaut gegen die letztgenannte Auffassung. Denn dem Wortlaut der Bestimmung lässt sich eine Einschränkung auf den Einsatzzweck allein hinsichtlich des Betreibers nicht entnehmen. Dagegen spricht im Rahmen der systematischen Auslegung auch der Ausnahmecharakter der Bestimmung, zumal in Absatz 1 des § 1 ausdrücklich das Errichten, Betreiben und Anwenden nebeneinander aufgeführt sind. Auch der Sinn und Zweck der Regelung sprechen gegen diese Auslegung. Denn die MPBetreibV dient dem allgemeinen gesundheitlichen Schutz beim Errichten, Betreiben und Anwenden solcher Produkte; bei dieser Sachlage liegt die Annahme näher, dass durch die genannte Ausnahmebestimmung allein die ausschließlich private Anwendung von Medizinprodukten aus Gründen des Übermaßverbotes vom Anwendungsbereich der MPBetreibV ausgenommen werden soll. Eine solche ausschließlich private Anwendung ist jedoch schon dann nicht mehr gegeben, wenn im laufenden Umgang mit dem Medizinprodukt außer dem Anwender und dem Betreiber noch Dritte maßgeblich beteiligt sind, die damit gewerbliche oder wirtschaftliche Zwecke verfolgen. Dies ist vorliegend jedoch der Fall. Denn jedenfalls das von der Klägerin mit der Abgabe, Rücknahme und Überprüfung der leihweise überlassenen Hilfsmittel an ihre Versicherten beauftragte Sanitätshaus verfolgt mit der jeweiligen Abgabe gewerbliche Zwecke im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 3 MPBetreibV a.F..

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Selbst wenn man jedoch dieser Ansicht nicht folgt und - wegen der sich an den Betreiber richtenden Verpflichtungen in den §§ 4 ff. MPBetreibV - darauf abstellt, dass das Medizinprodukt gerade für den Betreiber nicht zu gewerblichen oder wirtschaftlichen Zwecken dienen darf, ergibt sich nichts anderes. Gewerbliche Zwecke verfolgt zwar nur, wer mit der Absicht der Gewinnerzielung mit dem Produkt umgeht. Dies ist für die gesetzlichen Krankenkassen nicht der Fall. Nach Ansicht der Kammer verfolgen die Krankenkassen jedoch wirtschaftliche Zwecke im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 3 MPBetreibV a.F. (= § 1 Abs. 2 MPBetreibV n.F.). Denn der Begriff "wirtschaftlich" hat ersichtlich Ergänzungsfunktion neben dem Begriff der "gewerblichen" Zwecke. Für die Verfolgung wirtschaftlicher Zwecke ist demnach keine Gewinnerzielungsabsicht erforderlich. Ebenso wenig kann es nach dem Sinn und Zweck der Regelung darauf ankommen - was für gesetzliche Krankenkassen wegen der sich aus dem SGB V ergebenden Bindungen fraglich sein könnte - , ob ohne Gewinnerzielungsabsicht ein "wirtschaftlicher" Zweck bereits dann vorliegt, wenn Tätigkeiten ausgeübt werden, die in gleicher Weise auch von gewerblichen Unternehmen erbracht werden können (vgl. in diesem Sinne wohl Schorn, MTD 12/98, Kopie abgedruckt auf Bl. 10 der Beiakte B). Nach dem Sinn und Zweck der Regelung, nämlich dem Schutz des Patienten und der Qualitätssicherung in der Medizin, ist eine wirtschaftliche Zwecksetzung vielmehr bereits dann zu bejahen, wenn der jeweilige Betreiber - stellt man auf ihn ab - das Medizinprodukt nachhaltig bzw. berufsmäßig sowie möglichst kostensparend einsetzt. Es wäre unverständlich, warum andernfalls die - neben den Krankenhäusern - größten Gruppen, die Umgang mit Medizinprodukten haben, nämlich die gesetzlichen Krankenkassen und Ärzte vom Geltungsbereich der Verordnung ausgenommen sein sollten. Die gesetzlichen Krankenkassen würden andernfalls außerdem ohne zureichenden Grund gegenüber den privaten Krankenkassen bevorzugt, die bei gleicher Verfahrensweise als Unternehmen mit Gewinnerzielungsabsicht die Vorgaben der MPBetreibV zu beachten haben. Selbst wenn man daher hilfsweise darauf abstellt, ob die Klägerin als Betreiberin (vgl. dazu 1.2) "wirtschaftliche Zwecke" verfolgt, so ist diese Frage zu bejahen. Die Versorgung ihrer Versicherten u.a. mit Hilfsmitteln gemäß § 33 SGB V zählt nämlich zu ihren "berufsmäßigen" bzw. nachhaltig zu verfolgenden Aufgaben, die sie gemäß § 12 SGB V ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich zu erfüllen hat.

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Auf die weiterhin zwischen den Parteien streitige Frage, ob im Gefahrenbereich der jeweils abgegebenen Medizinprodukte Arbeitnehmer beschäftigt sind oder ob es insoweit - so wohl der Vortrag der Beklagten in der mündlichen Verhandlung - ausreicht, dass Arbeitnehmer im jeweiligen Gefahrenbereich beschäftigt sein können, kommt es demnach nicht mehr an.

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1.2 Die Klägerin als gesetzliche Krankenversicherung ist jedenfalls bei der von ihr gewählten Art und Weise der Überlassung von Hilfsmitteln gemäß § 33 SGB V auch als Betreiberin der aktiven, nicht implantierbaren Medizinprodukte anzusehen (so auch Baumann, Medizinprodukte-Journal 1999, Seite 3 ff., abgedruckt auf den Seiten 12 ff. der Beiakte B). Denn als Betreiber im Sinne der MPBetreibV ist derjenige anzusehen, der die rechtliche, aber nicht unbedingt die tatsächliche Sachherrschaft über das Produkt hat und damit über Art, Umfang und Zeitdauer des Betriebes des Produkts entscheidend bestimmt. Dies aber ist hier die klägerische Krankenkasse und nicht das in ihrem Auftrag tätige Sanitätshaus, wie sich aus dem eingereichten Rahmenvertrag zwischen der Klägerin und dem Sanitätshaus ergibt: So ist z.B. vor der Lieferung eines Hilfsmittels gemäß § 5 Nr. 2 des Vertrages der Klägerin ein Kostenvoranschlag mit verschiedenen Angaben einzureichen. Zurückgegebene Hilfsmittel sind zwar vom Sanitätshaus auf ihre Wiederverfügbarkeit zu überprüfen. Notwendige Reparaturen dürfen nach § 3 Nr. 3 des Vertrages jedoch erst unmittelbar vor Wiedereinsetzung, nicht schon bei der Einlagerung durchgeführt werden. Sie bedürfen außerdem bei Überschreiten von 60 % der Kosten der Neuversorgung der Genehmigung der Klägerin. Eine "eventuelle Verschrottung" ist gleichfalls zustimmungspflichtig. Zusätzlich hat das beauftragte Sanitätshaus eine vollständige Lagerbewegungsliste zu führen, die jederzeit über ein vollautomatisches Faxsystem von der Klägerin abgerufen werden kann. Auf diese Weise hat also die Klägerin den aktuellen und vollständigen Überblick über die in ihrem Auftrag ausgeliehenen bzw. vorrätig gehaltenen Hilfsmittel bzw. Medizinprodukte und kann über die genannten Zustimmungserfordernisse auch Einfluss auf den Zustand der Hilfsmittel nehmen. Die maßgebende rechtliche Sachherrschaft über die Medizinprodukte liegt daher bei der Klägerin, nicht aber bei dem Sanitätshaus. Damit ist die Klägerin "Betreiber" i.S. der MPBetreibV. Hierfür spricht im Wege der systematischen Auslegung ergänzend, dass § 2 der Verordnung über Vertriebswege für Medizinprodukte v. 17.12.1997 (BGBl. I S. 3148) ausdrücklich zwischen Händlern von Medizinprodukten - wie z.B. Sanitätshäusern - und Betreibern unterscheidet.

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Schließlich ändert auch die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung angeführte "Überwachung" der Hilfsmittelerbringer im Rahmen des Zulassungsverfahrens gemäß § 126 SGB V hieran nichts. Nach den vorherigen Ausführungen ist - jedenfalls bei dem hier zwischen der Klägerin und dem Sanitätshaus geschlossenen Vertrag - die Klägerin und nicht das Sanitätshaus "Betreiber" i.S.d. MPBetreibV für die leihweise im Auftrag der Klägerin an deren Versicherte abgegebenen Medizinprodukte. Das Sanitätshaus hat also insoweit keine Betreiberpflichten nach dieser Bestimmung zu erfüllen und unterliegt daher insoweit auch keiner Überwachung gemäß § 126 SGB V.

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Ob bei der leihweisen Überlassung von aktiven nichtimplantierbaren Medizinprodukten i.S.d. MPBetreibV, die zugleich "Hilfsmittel" i.S.d. SGB V sind, von Krankenkassen nach dem SGB V an ihre Versicherten ausnahmslos immer die Krankenkasse "Betreiber" i.S.d. MPBetreibV sein muss oder das SGB V auch vertragliche Gestaltungen mit dem jeweiligen Hilfsmittelerbringer i.S.d. SGB V zulässt, durch die sich die Krankenkasse der dazu notwendigen Sachherrschaft begibt, kann hier dahinstehen.

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1.3 Die Aufforderung, für alle im Eigentum der Klägerin befindlichen aktiven, nicht implantierbaren Medizinprodukte ein Bestandsverzeichnis anzulegen und darin Einblick zu gewähren, ist hinreichend bestimmt und nicht unverhältnismäßig.

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Wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat, ist der Begriff des aktiven, nicht implantierbaren Medizinproduktes (u.a.) in § 3 Nr. 3 MPG a.F. legal definiert und daher hinreichend bestimmt. Bestehen insoweit noch Zweifel, so sind diese im Einzelfall mit der Beklagten zu klären. Die Frage der hinreichenden Bestimmtheit der angefochtenen Verfügung würde sich nur dann stellen, wenn - anders als hier angenommen - die Beklagte tatsächlich nicht verpflichtet wäre, für alle in ihrem Eigentum befindlichen aktiven nicht implantierbaren Medizinprodukte ein Bestandsverzeichnis anzulegen, sondern nur für solche, in deren Gefahrenbereich Arbeitnehmer beschäftigt sind/werden können. Dies aber ist - wie dargelegt - nicht der Fall.

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Dass die Anlage eines Bestandsverzeichnisses gemäß § 8 MPBetreibV unverhältnismäßig ist, ist nicht erkennbar. Dies gilt insbesondere deshalb, weil die Klägerin ohnehin durch die von dem Sanitätshaus zu führende Liste über den jeweiligen Bestand an Hilfsmitteln in Kenntnis gesetzt ist; sie muss diese Liste nur im Hinblick auf die Anforderungen des § 8 MPBetreibVO ergänzen bzw. konkretisieren. Sollte hinsichtlich einzelner Produkte ersichtlich kein Gefahrenpotential bestehen und sich insoweit die Verpflichtung, ein Bestandsverzeichnis zu führen, als unverhältnismäßig darstellen, so kann die Klägerin davon im Einzelfall gemäß § 8 Abs. 3 MPBetreibV befreit werden. Die Notwendigkeit einer solchen Befreiung ist jedoch vom Betreiber jeweils im Einzelfall eingehend zu begründen. Eine generelle Freistellung vorab ist weder vorgesehen noch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten geboten. Die Pflicht, ein solches Verzeichnis zu führen, besteht schließlich unabhängig davon, ob es im Bereich des jeweiligen Betreibers zu Missständen gekommen ist. Dies ist im Hinblick auf das hohe Gefahrenpotential von aktiven, nicht implantierbaren Medizinprodukten, die nicht hinreichend funktionsfähig sind - wie z.B. elektrische Pflegebetten, die sich entzünden -, nicht zu beanstanden.

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2. Der Kostenbescheid in Höhe von 120 DM ist hingegen mangels wirksamer Rechtsgrundlage rechtswidrig, verletzt die Klägerin dadurch in ihren Rechten und ist daher aufzuheben.

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Die Beklagte hat sich insoweit auf Nr. 62.3 der Anlage zur Allgemeinen Gebührenordnung berufen, wonach für die Anordnung "einer Maßnahme nach § 26 Abs. 4 MPG" eine Gebühr von 120 bis 5.000 DM festzusetzen ist.

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2.1 Nach Ansicht der Kammer ist zwar nicht zu beanstanden, dass die vorliegende Verfügung als "Anordnung einer Maßnahme nach § 26 Abs. 4 MPG" (a.F.) angesehen worden ist. Diese Bestimmung sieht zwar - anders als 26 Abs. 4 Satz 2 MPG n.F., der ausdrücklich die Verpflichtung beinhaltet, den in der Überwachung tätigen Personen u.a. Unterlagen vorzulegen - keine ausdrückliche Berechtigung der Behörde vor, die Anlage von Bestandsverzeichnissen und deren Vorlage zu verlangen. Dies ist aber auch nicht erforderlich. Die als Generalklausel anzusehende Bestimmung des § 26 Abs. 4 Satz 1 MPG a.F. beinhaltet nämlich eine solche Anordnungsbefugnis. Danach trifft die zuständige Behörde nämlich "alle erforderlichen Maßnahmen zum Schutze der Gesundheit und zur Sicherheit der Patienten, der Anwender und Dritter vor Gefahren durch Medizinprodukte." Dazu gehört aber auch, die Anlage und Vorlage eines Bestandsverzeichnisses gemäß § 8 MPBetreibV zu fordern, um anhand dieses Verzeichnisses überprüfen zu können, welche Medizinprodukte die Krankenkasse betreibt und inwieweit sie hinsichtlich dieser Produkte die maßgebenden Bestimmungen des MPG und der darauf beruhenden Verordnungen einhält. Auch dies ist eine - vorsorgliche - Maßnahme zum Schutze der Gesundheit und zur Sicherheit der Patienten, der Anwender und Dritter vor möglichen Gefahren durch Medizinprodukte.

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2.2 Nr. 62 der Anlage zur AllGO einschließlich Nr. 62.3 ist aber unwirksam, weil diese Bestimmung zu Unrecht gestützt auf das Nds. Verwaltungskostengesetz durch Verordnung vom 5.6.1997 (Nds. GVBl. S. 171) "vom Finanzministerium im Einvernehmen mit der Staatskanzlei und den übrigen Ministerien, ausgenommen das Ministerium für Justiz für Europaangelegenheiten" erlassen worden ist. Stattdessen hätte eine entsprechende Gebühr lediglich auf eine gemäß § 38 Abs. 2, 3 MPG a.F. ergangene bundes- oder landesrechtliche Verordnung und das Verwaltungskostengesetz des Bundes gestützt werden dürfen.

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§ 38 Abs. 1 MPG a.F. bestimmt ausdrücklich, dass für Amtshandlungen nach diesem Gesetz und den zur Durchführung dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen Kosten zu erheben sind. Gebührenpflichtige Tatbestände sind nach Maßgabe des Absatzes 2 dabei grundsätzlich vom Bundesministerium für Gesundheit durch Verordnung zu erlassen. Lediglich dann, wenn - wie in der Vergangenheit - das Bundesministerium für Gesundheit von dieser Ermächtigung keinen Gebrauch macht, sind die Landesregierungen ermächtigt, die in Absatz 2 genannten Vorschriften zu erlassen. Diese Ermächtigung richtet sich aber an die jeweilige Landesregierung und beruht auf § 38 Abs. 3 MPG a.F. und nicht auf dem Nds. Verwaltungskostengesetz. Letztgenanntes kann auch nicht hilfsweise angewandt werden; § 38 Abs. 4 MPG a.F. ordnet nämlich ausdrücklich die Anwendung des Bundes-, nicht des jeweiligen Landesverwaltungskostengesetzes an und beansprucht nach seiner Systematik auch Geltung für den Fall, dass Gebührenordnungen durch die Landesregierung(-en) erlassen werden.

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Wird daher - hinsichtlich der Nr. 62(. 3) der Anlage zur AllGO - in der Verordnung schon nicht die zutreffende Rechtsgrundlage angeführt, so ist diese Verordnung bereits wegen Verstoßes gegen das Zitiergebot gemäß Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG insoweit unwirksam (vgl. zu dieser Rechtsfolge bei einem Verstoß gegen das Zitiergebot das Urteil des Nds. OVG v. 6.12.2000 - 1 L 3256/99 - NdsRpfl. 2001, 275 mwN). Auf die weitere Frage, ob die Gebührenverordnung insoweit nicht von der Landesregierung als Kollegium hätte erlassen werden müssen, kommt es daher nicht mehr an.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Berufung war nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.