Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 02.03.2022, Az.: 4 A 2385/21

Baugenehmigung; Bebauungsplan; Bestandsaufnahme; Bestandsbewertung; Denkmalschutz; Ermittlungstiefe; Faunistische Daten; Hochwasserschutz; keine nachbarschützenden Normen; Klagebefugnis; Kompensationsdefizit; Lärmprognose; Nachbarin; naturschutzfachliche Gutachten; naturschutzrechtliche Eingriffsregelung; Teilnichtigkeit; Überkompensation; Umweltbericht; Umweltverband; Veralterung; widersprüchliches Verhalten; Wirksamkeit Bebauungsplan

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
02.03.2022
Aktenzeichen
4 A 2385/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2022, 59248
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Auf die Klage des Klägers zu 1.) werden die Baugenehmigung der Beklagten vom 02.04.2019 zur Errichtung eines Parkplatzes in der Form der Änderungsgenehmigungen vom 30.04.2019, vom 11.02.2021 und vom 09.09.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.10.2021 und die Baugenehmigung der Beklagten vom 02.04.2019 zur Errichtung eines Lagerplatzes in der Form der Änderungsgenehmigungen vom 30.04.2019, vom 11.02.2021 und vom 09.09.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.10.2021 aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage des Klägers zu 1.) abgewiesen.

Die Klage der Klägerin zu 2.) wird abgewiesen.

Die Gerichtskosten tragen die Klägerin zu 2.) zur Hälfte, der Kläger zu 1.) zu einem Viertel und die Beklagte und die Beigeladene jeweils zu einem Achtel.

Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 1.) tragen die Beklagte und die Beigeladene je ein Viertel. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten und der Beigeladenen, die erstattungsfähig sind, tragen die Klägerin zu 2.) die Hälfte und der Kläger zu 1.) ein Viertel. Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils vollstreckbaren Betrags leistet.

Tatbestand:

Die Kläger wenden sich gegen zwei Baugenehmigungen sowie die entsprechenden wasserrechtlichen Genehmigungen, die die Beklagte der Beigeladenen zur Befestigung eines Lagerplatzes und eines Lkw-Parkplatzes erteilt hat.

Der Kläger zu 1.) (Kläger) ist ein gemäß dem Anerkennungsbescheid des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie und Klimaschutz vom 13.12.2012 nach § 3 Umwelt-Rechtsbehelf anerkannter Verein, der sich nach § 2 Abs. 1a seiner Satzung vom 28.04.2012 unter anderem dem Schutz und der Pflege der Natur, besonders der heimischen Tier- und Pflanzenwelt, der erdgeschichtlichen Eigentümlichkeiten sowie der Eigenart des Landschaftsbildes widmet.

Die Klägerin zu 2.) (Klägerin) ist Eigentümerin der K., einer zur Pferdehaltung und zu Wohnzwecken genutzten Hofstelle. Der Gutshof, eine ehemalige Staatsdomäne aus dem 17. Jahrhundert, die sich zwischenzeitlich im Besitz der Welfenfamilie befunden hatte, ist in die Liste der Baudenkmale in L. eingetragen. Das Grundstück der Antragstellerin liegt am Nordufer der M. (N. in O.). Für den Bereich dieses Grundstücks gibt es keinen Bebauungsplan.

Das Grundstück der Beigeladenen (P. in O.) liegt auf der anderen Seite der M. auf der sogenannten „Q.“ im Plangebiet des seit dem 15.02.2018 rechtsverbindlichen Bebauungsplans R. „S.“ (B-Plan) der Stadt O.. Die Beigeladene betreibt seit 1988 auf ihrem Gelände ein Werk der mechanischen Verfahrenstechnik und stellt Stabilisationsfasern für den Straßenbau her. Östlich der Q. sowie der weiter östlich verlaufenden Landstraße T. liegt – etwas erhöht – die ebenfalls in die Liste der Kulturdenkmale eingetragene alte Festungsanlage (Burgruine) U..

Der B-Plan R. überplant bereits bebaute Bereiche und trifft für wesentliche Teile des Plangebiets die Festsetzung „eingeschränktes Gewerbegebiet“. Zudem weist er private Verkehrsflächen mit besonderer Zweckbestimmung (Grundstückszufahrt bzw. LKW Stellplätze) aus. Dabei erfolgt die Ausweisung als gegliedertes Gewerbegebiet, das zwischen Flächen eines „eingeschränkten Gewerbegebiets“ einerseits und dem „Gewerbegebiet Lagerplatz“ (mit einer eingeschränkten Lagerhöhe) andererseits differenziert. Schließlich setzt der Plan Ausgleichsflächen im Umfang von rund 19.000 m² zur Entwicklung von drei Waldzonen östlich der Q. fest.

Nach der Begründung des B-Plans ist Anlass der Aufstellung der Erweiterungsbedarf der Beigeladenen, die auf der Q. das Werk U. betreibt und neue Stellplätze für Lkws und einen neuen Lagerplatz für sog. Big-Bags benötigt. Weiter ergibt sich aus der Begründung des Bebauungsplans, dass die geplante Nutzung (Erweiterung gewerblicher Nutzung um rund 8.000 m² Grünland) zu einer Verringerung des Flächenwerts um 12.503 Werteinheiten (=Kompensationsdefizit) führt, das durch eine Aufwertung der rund 19.100 m² großen Ausgleichsfläche (Aufbau eines strukturierten Auwalds) um zwei Wertstufen nicht nur ausgeglichen wird, sondern einen Überschuss von 16.148 Werteinheiten ergibt, der bei künftigen Eingriffen berücksichtigt werden kann.

Der Planbereich des B-Plans R. liegt teilweise im Landschaftsschutzgebiet „V.“ (W.) sowie im am 10.10.2001 durch die damalige Bezirksregierung X. festgesetzten Überschwemmungsgebiet der M.. Gegen den B-Plan Nr. Y. der Stadt O. stellten die Kläger am 15.02.2018 Normenkontrollanträge beim Oberverwaltungsgericht Lüneburg (1 K 26/18), über die noch nicht entschieden worden ist. Gegen die II. Änderungsverordnung zur Verordnung W., mit der u.a. ein 2 ha großes Areal auf der Q. aus dem Landschaftsschutzgebiet gelöscht worden ist, stellte die Klägerin am 18.12.2017 einen Normenkontrollantrag (4 KN 406/17), den das Oberverwaltungsgericht Lüneburg mit Urteil vom 04.12.2018 als unzulässig verworfen hat. Die hiergegen gerichtete Revisionsnichtzulassungsbeschwerde blieb erfolglos. Der Niedersächsische Landesbetrieb für (NLWKN) hat über den Widerspruch gegen die vorläufige Sicherung des Überschwemmungsgebiets der M. vom 26.07.2017, der die etwas höher gelegenen Flächen für den Produktlagerplatz aus dem Überschwemmungsgebiet herausnimmt, bislang noch nicht entschieden.

Mit Bauvorbescheiden vom 09.04.2018 bestätigte die Beklagte der Beigeladenen die planungsrechtliche Zulässigkeit der Errichtung eines Lkw-Parkplatzes mit ca. 5.000 m² für 20 bis 25 Lkw-Sattelschlepper und einer Produktlagerfläche von 3.500 m² auf dem Grundstück P. in O.. Die hiergegen erhobenen Eilanträge der Klägerin vor dem Verwaltungsgericht Hannover (4 B 4342/18) und vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg (1 ME 19/19) blieben ohne Erfolg. Dabei ließen es sowohl die erkennende Kammer als auch das Oberverwaltungsgericht dahingestellt, ob der Bebauungsplan wirksam ist oder nicht, da die Vorbescheide die Klägerin in keinen eigenen Rechten verletzten.

Unter dem 19.06.2018 beantragte die Beigeladene die Erteilung der Baugenehmigungen zur Errichtung des Lagerplatzes im Südwesten des Betriebs und des Parkplatzes im Nordosten. Eine Erhöhung des derzeitigen Verkehrsaufkommens sei nicht zu erwarten. Dazu legte die Beigeladene ein schalltechnisches Gutachten des Z. (1. Fortschreibung vom 21.11.2018) vor, welches u.a. am Immissionsort I3, dem Grundstück der Klägerin, von einem Beurteilungspegel von 36 dB (A) für den Lkw-Stellplatz, von 19 dB (A) für das Füllen des Lagerplatzes und von 30 dB (A) für das Räumen des Lagerplatzes ausgeht. Daraus ermittelte der Gutachter insgesamt einen Beurteilungspegel von 37 dB (A) bei einem – für ein Mischgebiet – angenommenen Grenzwert von 60 dB (A), so dass die Zusatzbelastung der Vorhaben die heranzuziehenden Immissionsrichtwerte um mehr als 10 dB (A) unterschreitet. Weiter ergibt sich aus dem Gutachten, dass die Immissionsorte außerhalb des Einwirkungsbereichs der Vorhaben lägen und die Geräuschzusatzbelastung als irrelevant anzusehen sei. Sogar bei einem doppelt so hohen Verkehrsaufkommen wären die Immissionsrichtwerte weiterhin deutlich unterschritten. Zudem legte die Beigeladene einen Pflanzplan der AA. vor. Als Ausgleichsfläche sei ein Flurstück östlich der AB. mit einer Größe von 1,9 ha vorgesehen, das derzeit noch als Pferdeweide genutzt wird. Die Fläche biete mit ihrer Topographie die Möglichkeit von drei standorttypischen Waldzonen (mit einer Größe von 6.255 m²), die einen repräsentativen Querschnitt durch den Auenstandort bildeten und den Eingriff durch die Vorhaben kompensierten. Dieser Plan wurde auch der AC. übermittelt, die diese Ausgleichsfläche in die Berechnung der hydraulischen Auswirkungen auf das Hochwassergeschehen einbezog. Im Ergebnis sei danach ein Retentionsraumverlust von 804 m³ zu erwarten, der durch einen Retentionsraumgewinn von rund 895 m³ ausgeglichen werde. Daher sei in der Bilanz von einem Gewinn von 91 m³ auszugehen, womit wasserrechtliche Versagensgründe nicht vorlägen.

Unter dem 02.04.2019 erteilte die Beklagte die beantragten Baugenehmigungen. Bestandteil der Baugenehmigungen sind u.a. die schalltechnische Untersuchung (1. Fortschreibung vom 21.11.2018) des Z., der Pflanzplan für Ausgleichsmaßnahmen aus dem Januar 2019 der AA. sowie der hydraulische Nachweis vom 25.02.2019 der AC.. Weiter legen die Baugenehmigungen fest, dass die im AD. -Gutachten festgelegten Fahr-, Lade- und Betriebszeiten zu beachten und umzusetzen sind (Ziffer 4.1. - 4.6. bzw. 6.1 - 6.6). Die Betriebserweiterung ist so auszuführen, dass für den Gesamtbetrieb am Fenster des Gebäudes der Klägerin tagsüber Grenzwerte von 60 dB (A) nicht überschritten würden. Die in dem Pflanzplan dargestellten Bepflanzungen sind in der Pflanzperiode nach Fertigstellung der Baumaßnahme vollumfänglich herzustellen und ständig zu pflegen sowie bei Abgang entsprechend zu ersetzen. Unter Ziffer 3 bzw. 4 der Bescheide erteilte die Antragsgegnerin zugleich die wasserrechtlichen Genehmigungen gem. § 78 Abs. 3, Ziff. 4 WHG (jetzt § 78 Abs. 5 WHG) mit weiteren Auflagen, Nebenbestimmungen und Hinweisen.

Mit Bescheid vom 30.04.2019 änderte die Beklagte Ziffer 4.4. bzw. 6.4. der Baugenehmigungen wie folgt: „Zur Einhaltung der genannten Geräuschimmissions-Richtwerte ist der Betrieb so zu regeln, dass der Lkw-Fahrverkehr, der aus der Nutzung des hier genehmigten Lkw-Parkplatzes resultiert, gemäß den Angaben im schalltechnischen Gutachten nur tagsüber in der Zeit von 06.00 - 15.00 Uhr erfolgt.“

Hiergegen erhoben die Klägerin und der Kläger Widerspruch. Ihre Anträge auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Widersprüche gegen die Baugenehmigungen lehnte das Verwaltungsgericht Hannover mit Beschluss vom 26.03.2020 (4 B 2863/19 und 4 B 2865/19) ab. Im Beschwerdeverfahren änderte das Nds. Oberverwaltungsgericht diese Entscheidung mit Beschluss vom 29.12.2020 (1 ME 68/20) ab, ordnete die aufschiebende Wirkung der Widersprüche des Klägers gegen die der Beigeladenen erteilten Baugenehmigungen zur Errichtung eines Lagerplatzes sowie eines Parkplatzes – befristet bis zum Zeitpunkt des Erlasses eines Widerspruchsbescheids – an und lehnte den Antrag im Übrigen ab. Die Baugenehmigungen stellten den gebotenen Ausgleich der mit den Vorhaben der Beigeladenen verbundenen Eingriffe in Natur und Landschaft nicht sicher und berührten dadurch Belange, die der Kläger vertrete und verstießen zugleich gegen umweltbezogene Rechtsvorschriften, die für die Entscheidung von Bedeutung seien. Zutreffend sei die Beklagte zunächst von einem Kompensationsbedarf im Umfang von 12.503 Wertpunkten ausgegangen. Allerdings führe die Entwicklung eines aus drei Waldzonen bestehenden Auwalds auf rund 6.255 m² (ein Drittel der nach dem Bebauungsplan vorgesehenen Kompensationsfläche) nicht zu einer Aufwertung des Gebiets im Umfang von 12.510 Wertpunkten. Die Beklagte habe den zum Ausgleich vorgesehenen Teil der Pferdeweide insgesamt (nur) als artenarmes Intensivgrünland der Wertstufe 2,0 zugeordnet, obwohl eine kleine Teilfläche von rund 500 m² als der Wertstufe 4,0 zuzuordnendes mesophiles Grünland einbezogen wurde. Diese Teilfläche hätte ausgeklammert werden müssen, was zu einem Kompensationsdefizit von rund 1.000 Punkten führe. Möglicherweise seien zudem in die Berechnung der Ausgleichsflächen fehlerhaft Teile des bestehenden Uferbewuchses, die ausweislich der Biotopkartierung aus wechselfeuchtem Weiden-/Auengebüsch und (Erlen-)Weiden-Bachuferwäldern bestehen, einbezogen worden, obwohl die Einordnung dieser Flächen naturschutzfachlich zwingend deutlich oberhalb von 2,0 zu erfolgen habe. Gehe man von der Wirksamkeit des Bebauungsplans aus, sei die Pferdeweide im Bestand mit der Wertstufe 2,5 (und nicht 2,0) zu veranschlagen und auch die vorhandenen Uferbiotope dürften nicht als Ausgleichsflächen berücksichtigt werden. Offen sei, ob der Eingriff nach Maßgabe des Bebauungsplans erst ausgeglichen sei, wenn die gesamte Ausgleichsfläche und nicht nur ein Teil davon zum Auwald entwickelt worden sei.

Unter dem 11.01.2021 erstellte die AA. einen geänderten Pflanzplan für die Ausgleichsmaßnahme, demzufolge die höherwertige Teilfläche mit sonstigem mesophilem Grünland bei der Gehölzpflanzung ausgespart und nur noch Intensivgrünland der Wertstufe 2,0 in Anspruch genommen wird. Gleichzeitig wurde die Abgrenzung zwischen Pflanzfläche und bestehendem Uferbewuchs der Darstellung im Luftbild angepasst und die Pflanzfläche nach Südwesten auf insgesamt 6.400 m² erweitert.

Am 11.02.2021 ergänzte die Beklagte die Baugenehmigungen vom 02.04.2019 in der Fassung der Änderungsgenehmigung vom 30.04.2019 durch den überarbeiteten Pflanzplan der AA..

Die gegen die Baugenehmigungen vom 02.04.2019/30.04.2019 und gegen die Änderungsgenehmigung vom 11.02.2021 eingelegten Widersprüche wies die Beklagten mit Widerspruchsbescheiden vom 24.02.2021 bzw. 03.03.2021 sowie vom 07.04.2021 jeweils als unbegründet zurück.

Die Kläger haben am 12.03.2021 Klage erhoben.

Der Kläger sei als anerkannte inländische Vereinigung nach § 3 UmwRG klagebefugt, die Klägerin könne eine Verletzung in ihren Rechten aus § 78 WHG beim Hochwasserschutz und aus dem Rücksichtnahmegebot vor unzumutbaren Lärmimmissionen geltend machen.

Der Bebauungsplan R. sei unwirksam, weil er gegen das Verbot nach § 78 Abs. 1 Satz 1, Abs. 8 WHG verstoße, im festgesetzten bzw. vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebieten im Außenbereich neue Baugebiete auszuweisen und die Voraussetzungen für die ausnahmsweise Ausweisung neuer Baugebiete im Überschwemmungsgebiet nach § 78 Abs. 2 WHG nicht vorlägen. Weder gebe es keine anderen Möglichkeiten der Siedlungsentwicklung noch sei eine Ausdehnung der tatsächlichen räumlichen Grenzen der bestehenden Bebauung zulässig.

Naturschutzrechtlich sei eine erneute fachgutachterliche Untersuchung der von dem zukünftigen Flächenverbrauch betroffenen Bereiche erforderlich, da sich im Bereich des genehmigten Produktlagerplatzes stellenweise mesophiles Grünland befinde. Die Produktlagerfläche sei wegen des Vorkommens einer „halbruderalen Gras- und Staudenflur mittlerer Standorte“ (UHM, Wertstufe 3,0), einer „Ruderalflur frischer bis feuchter Standorte! (URF, Wertstufe 3,0) sowie sonstigen mesophilen Grünlands (GMS, Wertstufe 4,0) mit der Wertstufe 3,5 zu bewerten, da das Vorkommen von typischen Pflanzen des Intensivgrünlands (Wertstufe 2,0) nicht dominant sei. Auch die Ausgleichsfläche sei nicht mit 2,0, sondern mit 2,5 höher zu bewerten, da das wellige Relief, die Vernetzungsfunktion des Auengrünlands für den Biotopverbund entlang des Fließgewässers und das Vorkommen von juvenilen Heuschrecken zu berücksichtigen seien. Zudem sei von einer Bedeutung der Ausgleichsfläche für Gast- und Rastvögel auszugehen. Damit errechne sich ein höherer Kompensationsbedarf und ein Kompensationsdefizit von 3.985 Äquivalenzpunkten. Das biotop- und artenschutzfachliche Gutachten der AA. sei bereits sieben Jahre alt und damit überholt. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass sowohl im Eingriffsbereich als auch auf der Ausgleichsfläche wichtige Änderungen bei den Artenspektren von Flora und Fauna und der biotopspezifischen Wertigkeiten stattgefunden haben. In diesem Zusammenhang müssten verschiedene wichtige Tierartengruppen, die bislang nicht erfasst worden seien, hinzugenommen werden, z.B. durch Kartierung von entsprechenden Indikatorgruppen wie Heuschrecken und Tagfaltern, durch eine Gastvogel-Untersuchung in Hinblick auf das Gastvogelgebiet „AE.“, eine Fledermauserfassung und die Untersuchung auf Vorkommen von Biber und Fischotter.

Selbst wenn man von der Wirksamkeit des Bebauungsplans ausgehe, weiche der überarbeitete Pflanzplan für die Ausgleichsmaßnahme von den zeichnerischen und textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans ab. Aus der Begründung zum Bebauungsplan ergebe sich, dass das Plangebiet (Pferdeweide) mit der Wertstufe 2,5 veranschlagt werde, der Pflanzplan gehe aber von der Wertstufe 2 aus. Bei einer Aufwertung durch die Entwicklung von Auwald der Wertstufe 4 sei dann nur der Faktor 1,5 anstelle von 2 zu berücksichtigen, d.h. es werde nur ein Kompensationsäquivalent von 9.600 Wertpunkten erreicht. Zudem umfasse der Pflanzplan nur eine Fläche von 6.400 m², obwohl der Bebauungsplan die Entwicklung der gesamten Ausgleichsfläche von 19.100 m² fordere.

Außerdem werde durch das Bauvorhaben das Landschaftsbild verunstaltet, da die Überbauung von Grünlandflächen auf der AF. einen Eingriff in eine Auenlandschaft mit wertvollen Strukturen bedeute. Die Ausstrahlungswirkung werde durch 4 Meter hohe Sattelschlepper in der Sichtachse zwischen AG. und AH. beeinträchtigt. Zudem verstelle die Kompensationsmaßnahme Auwald auf der Ausgleichsfläche die Sichtbeziehungen zwischen Hofgut und AG.. Damit drohe der Zusammenhang zwischen den landesgeschichtlich bedeutsamen Elementen AG., AH., S. und Q. sowie der historischen M. brücke verloren zu gehen.

Darüber hinaus sei mit schädlichen Lärmimmissionen zu rechnen. Jedenfalls der östliche Teil des Dominalguts mit seinen allein zu Wohnzwecken genutzten Gebäuden habe die Schutzbedürftigkeit eines allgemeinen Wohngebiets, möglicherweise eines reinen Wohngebiets. Der AI. habe lediglich die zu erwartende Zusatzbelastung ermittelt, nicht aber die durch den Gesamtbetrieb der Beigeladenen hervorgerufenen Immissionen. Auch müssten die Immissionsbelastungen in der Nachtzeit ermittelt und beurteilt werden, weil der Betrieb dreischichtig arbeite und nicht ausgeschlossen sei, dass in der Nachtzeit nennenswerte Geräuschemissionen auch durch innerbetrieblichen Fahrverkehr erzeugt werden. Entsprechendes ergebe sich auch aus der Rechtsprechung des OVG Münster, das in einem vergleichbaren Fall ebenfalls die Nachtwerte beurteilt habe, obwohl die Betriebszeiten des dortigen Vorhabens auf eine Nutzungszeit von 8:00 bis 22:00 Uhr an Werktagen beschränkt gewesen seien (Urt. v. 15.05.2013 – 2 D 1227/12). Zudem sei nicht ausgeschlossen, dass organisatorische Maßnahmen zur Verminderung der Verkehrsgeräusche auf öffentlichen Verkehrsflächen nach Ziffer 7.4 Abs. 2-4 TA-Lärm erforderlich seien.

Der hydraulische Nachweis für den Planzustand sei lediglich eine Ergebnisdarstellung und lasse sich ohne Vorlage der Isohypsenpläne mit Darstellung der Strömungsrichtungen und Fließgeschwindigkeiten nicht nachvollziehen. Berücksichtige man, dass die gesamte Ausgleichsfläche von 19.100 m² aufzuforsten sei, könnte dies erhebliche Auswirkungen auf die Hochwasserabflussverhältnisse haben.

Schließlich untersuche das Niedersächsische Umweltministerium angesichts der Hochwasserkatastrophen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen im Juli 2021, ob die Niederschlagsmengen beim Hochwasser in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen so erheblich waren, dass die Gefahreneinschätzung auch in Niedersachsen angepasst werden müsste und mehr Schutzmaßnahmen (z.B. durch Freihaltung von Flächen entlang von Flüssen) erforderlich seien. So sei zu befürchten, dass eine Dichtsetzung oder nur teilweise Dichtsetzung des Durchflussquerschnitts der M. im Bereich der M. brücke wegen Sturzfluten im Harz und im Leinebergland durch große Mengen an Totholz erfolge und es so zu Verklausungen komme.

Im Ortstermin haben die Beteiligten sich darauf geeinigt, dass die jeweils ersten Widerspruchsbescheide durch die zweiten Widerspruchsbescheide ihre Erledigung gefunden haben.

In der mündlichen Verhandlung am 09.09.2021 ergänzte die Beklagte die Baugenehmigungen um den von der Beigeladenen vorgelegten geänderten Pflanzplan vom 07.09.2021, der – auf der Basis der Annahme, dass die Lagerfläche mit 3,5 zu bewerten ist – die Pflanzfläche um 620 m² auf insgesamt 7.020 m² erweitert und Wiesensoden vom Standort des geplanten Produktlagerplatzes auf das Flurstück mit der Ausgleichsfläche überträgt.

Die hiergegen erhobenen Widersprüche wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 13.10.2021 zurück und hob gleichzeitig die Widerspruchsbescheide vom 07.04.2021 auf. In Hinblick auf den Kläger sei der Ausgleich im Umfang von 14.040 Äquivalenzpunkten ausreichend zur Kompensation der Versiegelung im Umfang von 13.585 Äquivalenzpunkten und die Klägerin werde durch die Baugenehmigungen bereits nicht in subjektiven Rechten verletzt.

Die Kläger halten die Ausgleichsfläche weiterhin für falsch bewertet, da nach Auskunft des Verfassers des Kartierschlüssels für Biotoptypen in Niedersachsen auch wertgebende Tierarten eine Höherbewertung der Ausgleichsfläche rechtfertigten und es an der entsprechenden Untersuchung fehle. Zudem seien die Festsetzungen des Bebauungsplans zu den Ausgleichsflächen in den Baugenehmigungen nicht umgesetzt worden.

Die Kläger beantragen nunmehr,

1. die Baugenehmigung der Beklagten vom 02.04.2019 einschließlich der wasserrechtlichen Genehmigung an die Beigeladene zur Errichtung eines Parkplatzes in der Fassung der Änderungsgenehmigungen vom 30.04.2019, vom 11.02.2021 und vom 09.09.2021 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide der Beklagten vom 13.10.2021 aufzuheben

2. die Baugenehmigung der Beklagten vom 02.04.2019 einschließlich der wasserrechtlichen Genehmigung an die Beigeladene zur Errichtung eines Lagerplatzes in der Fassung der Änderungsgenehmigungen vom 30.04.2019, 11.02.2021 und 09.09.2021 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide der Beklagten vom 13.10.2021 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die Genehmigungen für rechtmäßig und den Bebauungsplan für wirksam. Die Ausgleichsfläche sei zutreffend bemessen, unabhängig davon, ob man von der Wirksamkeit oder der Unwirksamkeit des Bebauungsplans ausgehe. Sie habe entsprechend ihrer naturschutzfachlichen Einschätzungsprärogative für die Ausgleichsfläche die Wertigkeit von 2,0 zugrundelegen dürfen, da dies dem tatsächlichen Wert entspreche. Auf der vorgesehenen Fläche von rund 19.100 m² sei nur der konkrete vorhabenbedingte Ausgleich umzusetzen, so dass die Orientierung an den tatsächlichen Wertstufen und dem tatsächlichen Kompensationsbedarf nicht zu beanstanden sei. Eine Überkompensation sei durch den Bebauungsplan nicht gefordert. Die baulichen Anlagen hätten aufgrund ihrer Größe keine verunstaltende Wirkung. Auch verletze das Vorhaben keine denkmalrechtlichen oder immissionsschutzrechtlichen Bestimmungen.

Die Beigeladene beantragt,

die Klage abzuweisen

und verweist auf ihr Vorbringen in den Eilverfahren.

Sie sei durch den Bebauungsplan R. nicht zu einer Überkompensation verpflichtet, sondern müsse nur den konkreten Eingriff ausgleichen. Jedenfalls sei eine Festsetzung der vorhabenunabhängigen Kompensation unwirksam und nicht anzuwenden.

Der Kompensationsbedarf liege bei insgesamt 13.585 Wertpunkten, wenn man für den LKW-Stellplatz von einem Verlust im Umfang von 4.835 Wertpunkten (4.835 m² im IST: 2,0 – PLAN: 1,0) und für den Lagerplatz von 8.750 Wertpunkten (3.500 m² im IST: 3,5 – PLAN: 1.0) ausgehe. Dieser Verlust werde durch die Aufwertung der Ausgleichsfläche im Umfang von 7020 m² (IST: 2,0 – PLAN: 4,0) um 14.040 Wertpunkten mehr als kompensiert. Die Ausgleichsfläche sei auch mit 2,0 zutreffend bewertet, wie sich bei Anwendung des insoweit maßgeblichen Kartierschlüssels zeige. Die Fläche bestehe zu nahezu 100% aus Gräsern fast ohne Kräuter. Die topographischen Verhältnisse spielten nur eine nachgelagerte Rolle und ließen insbesondere nicht erwarten, dass die Fläche eine avifaunistische Bedeutung habe. Ein Teil der wertgebenden Vogelarten (Reiherente, Schellente und Gänsesäger) des benachbarten Gastvogelgebiets halte sich direkt am Wasser (und damit nicht auf der Ausgleichsfläche) auf, ein anderer Teil (Höckerschwan oder Gänse) bevorzuge Flächen mit einer Rundumsicht, die hier nicht gegeben sei.

Die Kammer hat in der mündlichen Verhandlung vom 22.06.21 die Örtlichkeit in Augenschein genommen. Wegen des Ergebnisses wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen. Zudem hat die Kammer eine sachverständige Stellungnahme des Verfassers der Schrift „Einstufungen der Biotoptypen in Niedersachsen“ zur Auslegung einer Anmerkung zu den Wertstufen beim Biotoptyp „artenarmes Intensivgrünland“ eingeholt, dessen Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge und der Gerichtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

Die Klage des Klägers gegen die der Beigeladenen erteilten Baugenehmigungen für die Errichtung eines Lagerplatzes und eines Lkw-Stellplatzes ist zulässig und begründet (1), seine Klage gegen die wasserrechtliche Genehmigung hingegen zulässig, aber unbegründet (2.). Die Klage der Klägerin gegen die der Beigeladenen erteilten Baugenehmigungen für die Errichtung eines Lagerplatzes und eines LKW-Stellplatzes einschließlich der wasserrechtlichen Genehmigungen ist insgesamt zulässig, aber unbegründet (3.)

1. Die Zulässigkeit der Klage des Klägers ergibt sich aus § 2 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG.

Der Kläger ist als eine im Sinne von § 3 UmwRG anerkannte inländische Umwelt- und Naturvereinigung nach § 2 Abs. 1 UmwRG klagebefugt, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen, da er geltend machen kann, dass eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG Rechtsvorschriften, die für die Entscheidung von Bedeutung sein können, widerspricht und er durch die Entscheidung in seinem satzungsmäßigen Aufgabenbereich der Förderung der Ziele des Umweltschutzes berührt ist.

Wie das Oberverwaltungsgericht Lüneburg in seinem Beschluss vom 29.12.2020 (1 ME 68/20) ausgeführt hat, kann der Kläger auch bei Wirksamkeit des Bebauungsplans nach § 2 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 5 UmwRG rügen, dass die Baugenehmigungen den gebotenen Ausgleich der mit dem Vorhaben der Beigeladenen verbundenen Eingriffe in Natur und Landschaft nicht sicherstellen, weil dies Belange berührt, die von ihm (gemäß dem Anerkennungsbescheid) vertreten werden und zugleich einen Verstoß gegen umweltbezogene Rechtsvorschriften bedeutet, die für die Entscheidung von Bedeutung sind. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf den Beschluss des OVG Lüneburg vom 29.12.2020 Bezug genommen.

Die Klage ist auch begründet, weil die streitgegenständlichen Baugenehmigungen die umweltbezogenen Vorgaben des Bebauungsplans nicht einhalten. Die Kammer geht davon aus, dass der Bebauungsplan wirksam ist (a) und die Baugenehmigungen den Festsetzungen des Bebauungsplans in Hinblick auf die Bewertung der Ausgleichsflächen nicht entsprechen (b).

a. Soweit der Kläger den Bebauungsplan R. im Wesentlichen wegen eines Verstoßes gegen § 78 WHG für unwirksam hält, teilt die Kammer diese Auffassung nicht.

Nach § 78 Abs. 1 Satz 1 WHG ist die Ausweisung neuer Baugebiete im Außenbereich in festgesetzten Überschwemmungsgebieten in Bauleitplänen untersagt. Nach § 78 Abs. 2 WHG kann die zuständige Behörde abweichend von Abs. 1 Satz 1 die Ausweisung neuer Baugebiete ausnahmsweise zulassen, wenn 1. keine anderen Möglichkeiten der Siedlungsentwicklung bestehen oder geschaffen werden können, 2. das neu auszuweisende Gebiet unmittelbar an ein bestehendes Baugebiet angrenzt, 3. eine Gefährdung von Leben oder Gesundheit oder erhebliche Sachschäden nicht zu erwarten sind, 4. der Hochwasserabfluss und die Höhe des Wasserstandes nicht nachteilig beeinflusst werden, 5. die Hochwasserrückhaltung nicht beeinträchtigt und der Verlust von verloren gehendem Rückhalteraum umfang-, funktions- und zeitgleich ausgeglichen wird, 6. der bestehende Hochwasserschutz nicht beeinträchtigt wird, 7. keine nachteiligen Auswirkungen auf Oberlieger und Unterlieger zu erwarten sind, 8. die Belange der Hochwasservorsorge beachtet sind und 9. die Bauvorhaben so errichtet werden, dass bei dem Bemessungshochwasser nach § 76 Abs. 2 Satz 1, das der Festsetzung des Überschwemmungsgebietes zugrunde liegt, keine baulichen Schäden zu erwarten sind.

Vorliegend befindet sich das Plangebiet in einem festgesetzten Überschwemmungsgebiet, wie sich aus den digitalen Umweltkarten des Niedersächsischen Ministeriums für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz ergibt. Dabei weicht die Fläche des vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebiets von dem durch die Verordnung festgesetzten Gebiet nur geringfügig ab, indem es unter anderem den Bereich südwestlich des Betriebsgeländes, auf der die Produktlagerfläche entstehen soll, aus dem Überschwemmungsgebiet herausnimmt.

Allerdings stellt sich bereits die Frage, ob vorliegend der Anwendungsbereich des § 78 Abs. 1 WHG eröffnet ist, d.h. ob der Bebauungsplan R. im festgesetzten Überschwemmungsgebiet ein neues Baugebiet im Sinne dieser Vorschrift ausweist. Wie das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 03.06.2014 (4 CN 6.12 -, Rn. 12 ff. juris) ausgeführt hat, erfasst das Planungsverbot nur die Planung neuer Baugebiete, mit der erstmals eine zusammenhängende Bebauung im festgesetzten Überschwemmungsgebiet ermöglicht werden soll, nicht aber die Überplanung oder Umplanung bereits bebauter Bereiche. Die Bezugnahme auf die erstmalige Ausweisung neuer Baugebiete in dieser Vorschrift stellt klar, dass nur Flächen gemeint sind, die vor der Ausweisung noch keine festgesetzten oder faktischen Baugebiete waren und hinsichtlich derer mit der Ausweisung erstmalig die Möglichkeit der Bebauung eröffnet wird.

Auf der einen Seite ist festzustellen, dass der Bebauungsplan R. unter anderem bereits vorhandene, von der Beigeladenen gewerblich genutzte Flächen und Gebäude und damit bereits historisch gewachsene, bebaute Bereiche überplant und dort lediglich eine Nachverdichtung (Stellplatzfläche und Lagerfläche) ermöglicht. Dies könnte dafürsprechen, dass es sich nicht um die Ausweisung eines neuen Baugebiets handelt, sondern um die Überplanung eines bereits bebauten Gebiets, in dem mit den geplanten Stellflächen für Lkws und die Produktlagerfläche lediglich weitere „Anschlussbebauung“ ermöglicht werden soll. Auf der anderen Seite dürfte der vorhandenen gewerblichen Bebauung möglicherweise noch nicht das Gewicht eines faktischen Baugebiets zukommen, das es rechtfertigen könnte, von einer Überplanung eines unbeplanten Innenbereichs auszugehen. Dann läge das Plangebiet im Außenbereich und würde erstmals zusammenhängende neue Bebauung ermöglichen.

Letztendlich kann die Kammer diese Frage dahingestellt lassen, da selbst für den Fall, dass man davon ausgeht, dass der Bebauungsplan R. ein neues Baugebiet im Sinne von § 78 Abs. 1 WHG ausweist, jedenfalls die Voraussetzungen für die ausnahmsweise Ausweisung eines neuen Baugebiets im Außenbereich im festgesetzten Überschwemmungsgebiet der M. nach § 78 Abs. 2 WHG mit Bebauungsplan Nr.216 erfüllt sind.

Die Vorschrift des § 78 Abs. 2 Nr. 1 WHG gestattet die Ausweisung neuer Baugebiete innerhalb von Überschwemmungsgebieten nur dann, wenn keine anderen Möglichkeiten der Siedlungsentwicklung bestehen oder geschaffen werden können. Dies ist nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg nur in seltenen Ausnahmefällen anzunehmen; nicht ausreichend ist, dass sich für ein bestimmtes Vorhaben kein außerhalb des Überschwemmungsgebiets gelegener Alternativstandort findet. Vielmehr kommt die Überplanung eines festgesetzten Überschwemmungsgebiets erst dann in Betracht, wenn eine Siedlungsentwicklung – sei es in den allgemeinen Bereichen Wohnen und Gewerbe oder auch in einem speziellen Bereich des Einzelhandels – ohne die Inanspruchnahme des Überschwemmungsgebiets insgesamt nicht mehr möglich wäre (Beschl. v. 20.03.2014 - 1 MN 7/14 -, Rn. 51-53. juris). Dies ist hinsichtlich des konkreten Erweiterungsbedarfs des Betriebs der Beigeladenen anzunehmen. Außerhalb des Betriebsgeländes der Beigeladenen im Überschwemmungsgebiet sind weder die Herstellung von Produktlagerflächen noch die Herstellung einer LKW-Stellfläche organisatorisch sinnvoll. Der unmittelbare Anschluss von Lagerplatz und Lkw-Stellplatz an die vorhandenen Betriebsflächen ist für den historisch gewachsenen Betrieb an diesem Standort unabdingbar und für die Siedlungsentwicklung des Gewerbebetriebs erforderlich. Gleichzeitig erfüllen die Flächen damit die Anforderungen des § 78 Abs. 2 Nr. 2 WHG, nämlich, dass das neu auszuweisende Gebiet an ein bestehendes Baugebiet angrenzt. Dabei ist der Begriff des Baugebiets untechnisch zu verstehen und erfordert nicht, dass ein bauplanungsrechtlich förmlich festgelegtes Baugebiet im Sinne der BauNVO besteht. Ausreichend ist – nach dem Arrondierungsgedanken – das tatsächliche Vorhandensein von Bebauung (Czychowski/Reinhardt, WHG, 10. Auflage, § 78, Rn. 29). Eine Gefährdung von Leben, Gesundheit oder erhebliche Sachschäden im Sinne von § 78 Abs. 2 Nr. 3 WHG ist nicht zu erwarten, da es sich lediglich um Lager- und Stellflächen handelt. Der Hochwasserabfluss und die Höhe des Wasserstandes werden auch nicht nachteilig beeinflusst, da die Produktlagerfläche höher gelegen ist und hinsichtlich der Lkw-Stellfläche aufgrund von Geländemodellierungen von einem Retensionsraumgewinn auszugehen ist (§ 78 Abs. 2 Nr. 4 WHG). Aus denselben Gründen werden die Hochwasserrückhaltung (§ 78 Abs. 2 Nr. 5 WHG) und der bestehende Hochwasserschutz (§ 78 Abs. 2 Nr. 6 WHG) nicht beeinträchtigt und es ist weder mit nachteiligen Auswirkungen auf Oberlieger und Unterlieger (§ 78 Abs. 2 Nr. 7 WHG) zu rechnen noch werden die Belange des Hochwasserschutzes außer Acht gelassen (§ 78 Abs. 2 Nr. 8 WHG). Schließlich sind auch keine baulichen Schäden bei Bemessungshochwasser zu erwarten, da die Vorhaben lediglich die Versiegelung von Flächen zum Gegenstand haben.

Darüber hinaus ist für die Kammer auch nicht ersichtlich, dass die maßgeblichen Festsetzungen zu den Ausgleichsmaßnahmen abwägungsfehlerhaft und damit unwirksam wären. Maßgeblich dafür, dass die Festsetzungen zu den Ausgleichsmaßnahmen nach § 1a Abs. 3 Satz 2 BauGB im Bebauungsplan zu treffen sind, ist die Vorschrift des § 18 Abs. 1 und Abs. 2 BNatSchG.

Nach § 18 Abs. 1 BNatSchG ist über die Vermeidung, den Ausgleich und den Ersatz für Eingriffe in Natur und Landschaft, die durch die Aufstellung, Änderung, Ergänzung oder Aufhebung von Bauleitplänen zu erwarten sind, nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs zu entscheiden. Weiter regelt § 18 Abs. 2 BNatSchG, dass auf Vorhaben in Gebieten mit Bebauungsplänen die Vorschriften der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelungen in §§ 14-17 BNatSchG keine Anwendung finden. Dieses Regelungsgefüge zielt im Wesentlichen darauf ab, die für die Bearbeitung des eingriffsbezogenen Folgenbewältigungsprogramms notwendigen Entscheidungen auf die Ebene der Bauleitplanung zu heben und nachfolgende Zulassungsentscheidungen hiervor zu entlasten, so dass die Prüfung der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege grundsätzlich nur noch auf der Ebene der Bauleitplanung erfolgt (Gellermann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 96. EL, September 2021, BNatSchG, § 18 Rn. 3). Mit der Verweisung auf das Baugesetzbuch wird klargestellt, dass sich die Rechtsfolgen nicht nach dem Naturschutzrecht, sondern nach den maßgeblichen Vorschriften des Baugesetzbuchs richten, wenn Eingriffe in Natur und Landschaft durch Bebauungspläne vorbereitet werden (Gellermann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 96. EL, September 2021, BNatSchG, § 18 Rn. 7).

Nach § 1a Abs. 3 Satz 1 BauGB sind die Vermeidung und der Ausgleich voraussichtlich erheblicher Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes sowie der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts in seinen in § 1 Abs. 6 Nr. 7 lit. a bezeichneten Bestandteilen (Eingriffsregelung nach dem Bundesnaturschutzgesetz) in der Abwägung nach § 1 Abs. 7 zu berücksichtigen. Der Ausgleich erfolgt nach § 1a Abs. 3 Satz 2 BauGB durch geeignete Darstellungen und Festsetzungen nach §§ 5 und 9 als Flächen oder Maßnahmen zum Ausgleich. Dabei ist die Eingriffsregelung nach § 1a Abs. 3 Satz 2 BauGB in den Prozess der Abwägung integriert, so dass Vermeidung und Ausgleich bei ihrer Anwendung in der Bauleitplanung keine strikt zu beachtenden Gebote bilden, sondern die planende Gemeinde über diese der Wahrung der Interessen des Naturschutzes und der Landschaftspflege geltenden Aspekte abwägend zu entscheiden hat (Gellermann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, 96. EL, September 2021, BNatSchG, § 18 Rn. 9). Mangels gesetzlicher Vorgaben obliegt es der planenden Gemeinde in eigener Verantwortung, die zu erwartenden Eingriffe zu bewerten und über Vermeidung, Ausgleich und Ersatzmaßnahmen abwägend zu entscheiden (BVerwG, Beschl. v. 07.11.2007 - 4 BN 45.07 -, Rn. 6, juris). Für diese Bewertungen und abwägenden Gewichtungen ist davon auszugehen, dass für alle Ebenen der naturschutzfachlichen Prüfungen, die (zumindest auch) Wertungen einschließen, sich bislang keine gesicherte Erkenntnislage und anerkannten Standards herausgebildet haben. Die Folge, dass bei naturschutzfachlichen Bewertungen sich je nachdem, welches methodische Vorgehen und welche Kriterien und Maßstäbe angewandt werden, unterschiedliche Ergebnisse ergeben können, ist hinzunehmen, solange die dem konkreten Bewertungsverfahren zu Grunde liegenden Ansätze naturschutzfachlich vertretbar sind (Beutling in: Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 3. Auflage, § 18 Rn. 12). Eine ordnungsgemäße Abwägung setzt daher eine sachgerechte Ermittlung und Bewertung der zu erwartenden Eingriffe in Natur und Landschaft sowie der sich mit ihnen verbindenden nachteiligen Folgen für den Naturhaushalt und das Landschaftsbild voraus (OVG Schleswig, Urt. v. 22.11.2021 - 1 KN 13/16 -, Rn. 115, juris). Ermittlungsdefizite, die zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans führen, können sich dabei sowohl bei der Bestandsaufnahme des Plangebiets als auch bei der Bestandsaufnahme der Kompensationsflächen ergeben (vgl. hierzu nur OVG Bautzen, Beschl. v. 23.03.2021 - 1 B 406/20, Rn. 77-88). Allerdings ist im Rahmen der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung vom Umfang her nur eineErmittlungstiefe geschuldet, die eine sachgerechte Planungsentscheidung ermöglicht: eine vollständige Erfassung der betroffenen Tier- und Pflanzenarten ist regelmäßig nicht erforderlich. Vielmehr kann es ausreichen, wenn für den Untersuchungsraum besonders bedeutsame Repräsentanten an Tier- und Pflanzengruppen festgestellt werden und wenn für die Bewertung des Eingriffs auf bestimmte Indikationsgruppen abgestellt wird (BVerwG, Beschl. v. 21.02.1997 - 4 B 177/96 -, Rn. 3.4, juris).

Gemessen daran kann die Kammer vorliegend nicht erkennen, dass die im Umweltbericht dargestellten Ausgleichsmaßnahmen fehlerhaft ermittelt worden sind und der Bebauungsplan wegen Abwägungsfehlern unwirksam wäre.

Die Stadt O. hat im Bebauungsplanverfahren geprüft, ob aufgrund der Festsetzungen des Bebauungsplans Eingriffe in Natur und Landschaft zu erwarten sind und dies in Hinblick auf die Versiegelung von Grünflächen im Bereich des geplanten Lkw-Stellplatzes und der Produktlagerfläche bejaht. Wie sich aus dem Umweltbericht ergibt, wurde durch die geplanten Baumaßnahmen eine Verringerung des Flächenwerts von 12.503 Werteinheiten (Kompensationsdefizit) ermittelt, das im Wesentlichen auf der Annahme beruht, dass der Lagerplatz (3.500 m²) und die Lkw-Stellfläche (4.835 m²) jeweils der Wertstufe 2,5 zuzurechnen sind und nach Umsetzung der Maßnahme nur noch der Wertstufe 1,0 entsprechen. Gleichzeitig hat sie die Bewertung der vorgesehenen Ausgleichsfläche (19.100 m²) im Bestand mit der Wertstufe 2,5 vorgenommen, nach Aufwertung der Fläche einen Wert von 4,0 angesetzt und damit eine (Über-)Kompensation bzw. einen Überschuss von 16.148 Werteinheiten ermittelt. Grundlage für diese Feststellungen war das biotop- und artenschutzfachliche Gutachten der AJ. aus dem September 2014, das unter Anwendung der Methode von Drachenfels (Kartierschlüssel für Biotoptypen in Niedersachsen, Stand 2011) zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die Grünlandflächen auf der Q., d.h. auch die Stellplatz- und Lagerfläche, nahezu vollständig als Intensivgrünland der Überschwemmungsbereich (GIA) bzw. als sonstiges mesophiles Grünland (GMS) ausgeprägt sind und die landwirtschaftlich genutzten Flächen östlich der Q., d.h. auch die Ausgleichsfläche, als artenarmes Intensivgrünland (GI) einzustufen sind. Das Gericht hat keinen Anlass, diese Bewertungen als unvertretbar anzusehen. Einerseits ist es nicht zu beanstanden, dass das Gutachten auf der Basis des vom NLKWN herausgegebenen Kartierschlüssels für Biotoptypen in Niedersachsen (nach von Drachenfels, 2011) erstellt worden ist, der nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg als sogenannten antizipiertes Sachverständigengutachten zur Bestimmung der geschützten Biotope herangezogen werden darf (Urt. v. 04.07.2017 - 7 KS 7/15 -, Rn. 153 m.w.N., juris). Andererseits ist auch die Ermittlungstiefe bei der Bestandserfassung und Bestandsbewertung nicht zu beanstanden: Die Bewertung des Landschaftsraums und die faunistische Bestandsaufnahme der Eingriffsflächen und der Ausgleichsfläche mit dem Wertfaktor 2,5 ist angesichts der im Gutachten enthaltenen Feststellungen und der damit korrespondierenden Lichtbildaufnahmen von den Flächen nach Auffassung der Kammer plausibel. Es handelt sich im Wesentlichen - mit Ausnahme kleiner herausgenommener Teilflächen im Uferbereich bzw. einer Teilfläche mesophiles Grünland auf der Ausgleichsfläche – um Flächen, die als Intensivgrünland der Überschwemmungsbereich (GIA) bzw. als sonstiges mesophiles Grünland (GMS) zu bewerten waren und für die insgesamt ein Wert von 2,5 stimmig erscheint (so auch OVG Lüneburg, Beschl. v. 29.12.2020 - 1 ME 68/20 -, Rn. 29, juris).

Auch der Kläger hat nicht substantiiert dargelegt, dass diese Werte zum maßgeblichen Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses (vgl. nur VGH Kassel, Urt. v. 18.05.2017 – 4 C 2399/15 -, Rn. 67, juris) unzutreffend ermittelt worden sind. Vielmehr macht der Kläger im Wesentlichen geltend, dass sich die Flächen jedenfalls zwischenzeitlich weiterentwickelt hätten und die angenommenen Wertstufen zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr zutreffend seien. Zwar könnte dieser Einwand - mindestens in Hinblick auf die Fläche des Lagerplatzes – fachlich richtig sein, da auch der Sachverständige der Beigeladenen diese Fläche Stand heute mit 3,5 und damit höher bewertet als mit 2,5. Allerdings kommt es nach Auffassung der Kammer nicht auf die aktuelle Bewertung der Flächen an, sondern auf die Bewältigung der naturschutzrechtlichen Eingriffsregelung zum Zeitpunkt der Bauleitplanung. Es wäre systemwidrig, aufgrund der Vorschrift des § 18 Abs. 1 und Abs. 2 BNatSchG die Prüfung von Belangen des Naturschutzes und des Landschaftsschutzes einerseits auf die Ebene der Bauleitplanung vorzuziehen und andererseits für die nachfolgende Zulassungsentscheidung die Festsetzungen des Bebauungsplans zu den Ausgleichsmaßnahmen erneut naturschutzrechtlich zu prüfen und zu hinterfragen. Die festgesetzten Maßnahmen müssen bei prognostischer Betrachtung geeignet sein, die Flächen tatsächlich aufzuwerten und der durch die Ausgleichsmaßnahme geschaffene höherwertige Zustand muss im Grundsatz auf Dauer gewährleistet sein (BVerwG, Beschl. v. 16.09.2021 – 4 BN 6/21 -, Rn. 6, juris). Insofern ist im Rahmen der Inzidenzprüfung des Bebauungsplans im Zulassungsverfahren allein zu prüfen, ob die Bestandsaufnahme und Bewertung im Bebauungsplanverfahren naturschutzrechtlich vertretbar erscheint, was im vorliegenden Fall anzunehmen ist. Dabei geht die Kammer insbesondere davon aus, dass die Daten aus dem Gutachten der AA. aus dem September 2014 zum Zeitpunkt des Beschlusses über den Bebauungsplan im Jahr 2018 noch nicht veraltet waren und daher belastbar waren. Eine strikte 5-Jahres-Regel (innerhalb deren sich die erhobenen Daten für den Bebauungsplan ohnehin hielten) gilt für die Erhebung faunistischer Daten für Planungsentscheidungen nicht. Stattdessen ist davon auszugehen, dass selbst ältere Daten Berücksichtigung finden können, wenn sich die landschaftliche Situation und Zusammensetzung der Biozönesen nicht oder nur wenig verändert haben (vgl. hierzu nur Trautner/Mayer, Veralten faunistische Daten und Bewertungen nach 5 Jahren? NuR 2021, 315 ff.). Berücksichtigt man, dass jede Bestandsaufnahme für sich genommen nur eine Momentaufnahme der aktuellen Fauna und Flora darstellen kann und den tatsächlichen Bestand kaum vollständig wird abbilden können, dürfen die Anforderungen an die Aktualisierung vorhandenen Bestandsaufnahmen nicht überspannt werden. Soweit zusätzliche oder weitergehende Untersuchungen keinen für die Planungsentscheidung wesentlichen Erkenntnisgewinn erwarten lassen und außerhalb eines vernünftigen Verhältnisses zu dem damit verbundenen Aufwand stehen, kann auf sie aus Gründen der Verhältnismäßigkeit verzichtet werden (VGH Kassel, Urt. v. 29.06.2016 – 4 C 1440/14 -, Rn. 91 f., juris). Entsprechendes ist für den vorliegenden Fall anzunehmen. Das Gericht hat keinen Anlass, die 2014 erhobenen und von dem Kläger nicht substanziell bestrittenen Bestandsaufnahmen und Bewertungen in Frage zu stellen, da weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, dass sich die Biotopstrukturen zwischen der Erstellung des Gutachtens von AK. und dem Bebauungsplanbeschluss wesentlich strukturell oder standörtlich verändert hätten.

b. Geht man mithin von der Wirksamkeit des Bebauungsplans R. aus, entsprechen die Baugenehmigungen nicht dessen Festsetzungen.

Wie bereits das Oberverwaltungsgericht Lüneburg in seinem Beschluss vom 29.12.2020 im Eilverfahren (1 ME 68/20) ausgeführt hat, müssen die streitgegenständlichen Baugenehmigungen die im Bebauungsplan R. gemäß § 1a Abs. 3 Satz 2 BauGB festgesetzten Ausgleichsmaßnahmen umsetzen, wobei den Vorhabenträger, d.h. die Beigeladene, nach § 135a Abs. 1 BauGB die Pflicht zur Durchführung trifft. Der Ausgleich muss – nach den Ausführungen des Senats – auf der Grundlage der Annahmen des Bebauungsplans erfolgen, da die planerische Abwägung auf den in der Planbegründung aufgeführten und mittels der zeichnerischen und textlichen Festsetzungen verwirklichten Maßgaben beruht, von denen im Baugenehmigungsverfahren grundsätzlich nicht abgewichen werden darf.

Nach den Vorgaben des Bebauungsplans ist für die geplante Nutzung von einem Kompensationsbedarf von 12.503 Werteinheiten auszugehen, der sich aus der Versiegelung der Flächen im Umfang insgesamt 8.335 m² ergibt. Kompensiert werden soll dieser Bedarf durch die Aufwertung der Ausgleichsfläche, wobei sich aufgrund der Größe der Ausgleichsfläche (19.100 m²) ein Überschuss von 16.148 Werteinheiten ergeben soll, basierend auf der Annahme, dass die Aufwertung der Ausgleichsfläche um 1,5 Wertstufen der Abwertung der Maßnahmenfläche um 1,5 Wertstufen entspricht.

Die Kammer kann es – wie das OVG Lüneburg im Beschluss vom 29.12.2020 (1 ME 68/20) – dahingestellt lassen, ob der Bebauungsplan wirksam die Aufwertung der gesamten Ausgleichsfläche festgesetzt hat oder ob es ausreichend wäre, wenn lediglich ein der Gesamtfläche von Lagerplatz und Lkw-Stellfläche entsprechender Anteil der Ausgleichsfläche entwickelt wird, da die Baugenehmigungen hinter sämtlichen dieser Vorgaben zurückbleiben.

Die Baugenehmigungen fordern die Umsetzung von Ausgleichsmaßnahmen auf einer Fläche von 7.020 m² und entsprechen damit weder der Festsetzung eines Ausgleichs auf der gesamten Ausgleichsfläche (19.100 m²) gemäß den textlichen Festsetzungen in § 6 Nr. 1 und Nr. 2 des Bebauungsplans noch einem Ausgleich im Umfang des Flächenanteils der Eingriffsmaßnahmen (8.335 m²). Soweit die Beigeladene behauptet, dass die Festsetzung einer Überkompensation durch den Bebauungsplan in den textlichen Festsetzungen zu § 6 Nr. 1 und Nr. 2 unwirksam sei, dürfte es ihr nach den Grundsätzen von Treu und Glauben, insbesondere dem Verbot widersprüchlichen Verhaltens, bereits verwehrt sein, sich auf diese Unwirksamkeit zu berufen, da sie das Bebauungsplanverfahren selbst initiiert und begleitet hat und es widersprüchlich erscheint, zunächst die günstigen Festsetzungen des Bebauungsplans auszunutzen und sich später gegen die für sie ungünstigen Festsetzungen zu wenden (vgl. hierzu nur BVerwG, Beschl. v. 19.12.2018 – 4 B 6.18 -, Rn. 11, juris). Darüber hinaus ergäbe sich selbst dann, wenn man die Festsetzung einer Überkompensation im Umfang von 16.148 Werteinheiten im Bebauungsplan für unwirksam halten sollte, daraus nicht die Unwirksamkeit des Bebauungsplans in Gänze. Vielmehr führen nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Mängel, die einzelnen Festsetzungen eines Bebauungsplans anhaften, (nur) dann nicht zu dessen Unwirksamkeit, wenn die übrigen Regelungen, Maßnahmen oder Festsetzungen – für sich betrachtet – noch eine sinnvolle städtebauliche Ordnung im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB bewirken können und der Rat nach seinem im Planungsverfahren zum Ausdruck gelangten Willen im Zweifel auch eine Satzung dieses eingeschränkten Inhalts beschlossen hätte (BVerwG, Urt. v. 19.09.2002 – 4 CN 1/02 -, Rn. 12-13, juris). Die Kammer hat keinen Zweifel daran, dass der Bebauungsplan auch unter Zugrundelegung einer bloß anteilsmäßig entsprechenden Festsetzung naturschutzrechtlicher Ausgleichsmaßnahmen noch eine sinnvolle städtebauliche Ordnung bewirken könnte und der Rat auch einen Bebauungsplan entsprechenden Inhalts beschlossen hätte. Bereits die Begründung zum Bebauungsplan lässt erkennen, dass (allein) erforderlich der Ausgleich des feststellbaren Kompensationsdefizits im Umfang von 12.503 Werteinheiten ist, da der sich durch die Ausgleichsmaßnahme auf 19.100 m² ergebende Überschuss von 16.148 Werteinheiten „bei künftigen Eingriffen berücksichtigt werden kann“. Wichtig für das Bebauungsplanverfahren war der geforderte Ausgleich für die festgesetzten Nutzungen im Bebauungsplangebiet. Ein Ausgleich für die festgesetzten Nutzungen Lkw Stellplatz und Lagerplatz ist aber auch auf einer geringeren Fläche als der gesamten Ausgleichsfläche möglich und wäre vor diesem Hintergrund – zur naturschutzrechtlich vertretbaren Realisierung des Vorhabens – vom Plangeber im Zweifel auch mit diesem eingeschränkten Inhalt beschlossen worden.

Die Baugenehmigungen stellen mithin den durch den Bebauungsplan gebotenen Ausgleich der mit den Vorhaben der Beigeladenen verbundenen Eingriffe in Natur und Landschaft nicht sicher und verstoßen zugleich gegen umweltbezogene Rechtsvorschriften, auf die sich der Kläger berufen kann.

2. Keine Bedenken hat die Kammer demgegenüber in Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der wasserrechtlichen Genehmigungen.

Wie die Kammer und das Oberverwaltungsgericht Lüneburg bereits in den eingangs zitierten Entscheidungen im Eilverfahren ausgeführt haben, entsprechen die wasserrechtlichen Genehmigungen den Vorgaben des § 78 Abs. 4 und 5 WHG. Es ist davon auszugehen, dass die Vorhaben die Hochwasserrückhaltung nur unwesentlich beeinträchtigen und dass der Verlust von verloren gegangenem Rückhalteraum durch Abgrabungen und Bodenmodellierungen im Bereich der Lkw-Stellplatzfläche umfang-, funktions- und zeitgleich ausgeglichen wird. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat auch zu diesem Gesichtspunkt in seinem Beschluss vom 29.12.2020 klargestellt, dass der hydraulische Nachweis über den Retentionsraumgewinn im Umfang von 91 m³ ausreichend nachvollziehbar ist und plausibel dargestellt hat, dass es zu keiner nachteiligen Veränderung der Situation der Klägerin auf dem höher und außerhalb des Überschwemmungsgebiets gelegenen Grundstücks führen wird. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die vorzitierten Entscheidungen verwiesen und ergänzend nur auf Folgendes hingewiesen:

Auch der Umstand, dass sich die Ausgleichsfläche nunmehr von ursprünglich 6.255 m² auf insgesamt 7.020 m² vergrößert hat, rechtfertigt nicht die Annahme eines Verstoßes gegen § 78 Abs. 4 und Abs. 5 WHG, da diese relativ marginale Erhöhung des Umfangs der Ausgleichsfläche um ein knappes Achtel angesichts des ursprünglich errechneten Retentionsraumgewinns zu vernachlässigen ist. Wenn für die ursprüngliche Ausgleichsfläche von 6.255 m² - basierend auf der Annahme eines Retentionsraumverlusts von 464 m³ für Bäume und von 331 m³ für Sukzession - ein Retentionsgesamtverlust von rund 804 m³ zu erwarten war, könnte sich für eine Ausgleichsfläche von 7.020 m² hochgerechnet ein Retentionsraumverlust von rund 902 m³ ergeben, der durch den Retentionsraumgewinn für die Geländemodellierungen im Umfang von rund 895 m³ nahezu vollständig kompensiert wäre.

Die vom Kläger zudem geltend gemachten Bedenken in Hinblick auf die Gefahr von Sturzfluten sind in ihrer Pauschalität vor dem Hintergrund der konkreten Lage der streitgegenständlichen baulichen Anlagen im Überschwemmungsgebiet nicht geeignet, eine konkrete Gefahr des Hochwasserschutzes durch die baulichen Maßnahmen zu belegen.

3. Auch die Klage der Klägerin ist zulässig, da sie als Nachbarin des Vorhabens geltend machen kann, dass von dem Vorhaben unzumutbare Lärmbeeinträchtigungen ausgehen und sie nachteilige Auswirkungen wegen eines veränderten Hochwasserabflusses zu befürchten habe.

Allerdings hat die Klage in der Sache keinen Erfolg. Die Anfechtung einer Baugenehmigung durch einen Nachbarn kann nur dann zum Erfolg führen, wenn die Genehmigung rechtswidrig ist und der Nachbar dadurch in seinen Rechten verletzt wird. Die Zulassung des Bauvorhabens durch die Bauaufsicht verletzt einen Nachbarn dann in seinen Rechten, wenn sie mit Vorschriften nicht vereinbar ist, die - zumindest auch - die Funktion haben, nachbarliche Rechte zu schützen. Das ist hier nicht der Fall; die erteilte Baugenehmigung verletzt derartig nachbarschützende Vorschriften nicht. Der Klägerin drohen durch die streitgegenständlichen Vorhaben weder unzumutbare Lärmimmissionen (a) noch ist zu erwarten, dass denkmalschutzrechtliche Vorschriften (b) verletzt werden. Auf die Einhaltung naturschutzrechtlicher Vorschriften hat die Klägerin als Nachbarin keinen subjektiv-rechtlichen Anspruch (c) und hochwasserrechtliche Vorschriften werden nicht verletzt (d).

a. Wie die Kammer bereits im Eilbeschluss vom 26.03.2020 (4 B 2863/19 u.a.) ausgeführt hat, kann die Klägerin als Nachbarin des Vorhabens der Beigeladenen grundsätzlich Lärmimmissionen als unzumutbar im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO in Verbindung mit den Lärmwerten der TA-Lärm rügen. Allerdings ist – wie auch das OVG Lüneburg in seinem Beschluss vom 29.12.2020 festgestellt hat – nicht zu erwarten, dass die für das Grundstück der Klägerin maßgeblichen Immissionsrichtwerte durch die Baugenehmigungen für die Lkw-Stellfläche und die Produktlagerfläche überschritten werden.

In der mündlichen Verhandlung vor Ort hat sich der Eindruck der Kammer verfestigt, dass das Grundstück der Klägerin als ein einheitlich genutztes Grundstück zu betrachten ist, auf dem gleichzeitig Wohnnutzung und Pferdehaltung stattfinden. Während auf dem östlichen Grundstücksteil die Wohnnutzung überwiegt, befinden sich unmittelbar angrenzend im westlichen Grundstücksteil ausgedehnte Stallungen, die offenbar der Pferdehaltung dienen. Insbesondere der Umfang der Pferdehaltung spricht gegen die Einstufung des Grundstücks als Allgemeines Wohngebiet und für die Annahme eines Dorfgebiets, dessen Immissionsrichtwerte durch das Vorhaben nicht überschritten werden.

Soweit die Klägerin wiederholt gerügt hat, dass die Gesamtimmissionen des Betriebs der Beigeladenen zur Nachtzeit nicht ermittelt worden seien und daher nicht feststellbar sei, ob die maßgeblichen Richtwerte für die Nachtzeit eingehalten werden, ist die Betrachtung der Gesamtbelastung bei Nacht in Hinblick auf die festgeschriebenen Betriebszeiten zwischen 6 Uhr und 15 Uhr für die streitgegenständlichen Lkw-Stellflächen bzw. Produktlagerflächen entbehrlich. Anders als die Klägerin unter Berufung auf die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 15.05.2013 (2 D 1227/12) meint, ist nicht in jedem Fall unabhängig von den genehmigten Betriebszeiten eine Betrachtung der Lärmsituation bei Tag und bei Nacht erforderlich. Während es in dem vom OVG Münster entschiedenen Fall um Lärmimmissionen eines Vorhabens ging, dessen Betrieb bis 22 Uhr genehmigt war und bei dem in Anschluss an die Betriebszeit noch mit nächtlichem Abreiseverkehr von der Parkplatzfläche zu rechnen war, geht es im vorliegenden Verfahren allein um die Nutzung von Flächen im Zeitraum 6-15 Uhr, die keinerlei Auswirkungen auf die Nachtzeit haben können.

b. Auch denkmalschutzrechtliche Vorschriften werden durch die streitgegenständlichen Vorhaben nicht beeinträchtigt. Wie die erkennende Kammer und das Oberverwaltungsgericht Lüneburg in ihren Eilbeschlüssen vom 26.03.2020 und 29.12.2020 ausgeführt haben, ist angesichts der Entfernung zwischen dem Betrieb und dem Baudenkmal, der erhöhten Lage des Baudenkmals und der Abschirmung durch Büsche und Bäume keine Verletzung von § 8 Satz 1 NDSchG ersichtlich.

Zwar kann nach der Rechtsprechung des OVG Lüneburg ein Kläger durch eine Baugenehmigung in einem sich aus § 8 Satz 1 NDSchG ergebenden Rechts verletzt sein, dass erhebliche Beeinträchtigungen des Erscheinungsbilds des in seinem Eigentum stehenden Baudenkmals unterbleiben. Insofern entfaltet § 8 Satz 1 in verfassungskonformer Auslegung Drittschutz zugunsten des Eigentümers eines Baudenkmals, soweit erhebliche Beeinträchtigungen in Rede stehen. Dabei liegt eine Beeinträchtigung vor, wenn die jeweilige besondere Wirkung des Baudenkmals, die es als Kunstwerk, als Zeuge der Geschichte oder als bestimmendes städtebauliches Element auf den Beschauer ausübt, geschmälert wird. Hinzutretende bauliche Anlagen müssen sich an dem Maßstab messen lassen, den das Denkmal gesetzt hat und dürfen es nicht gleichsam erdrücken, verdrängen, übertönen oder die gebotene Achtung gegenüber den Werten außer Acht lassen, welche dieses Denkmal verkörpert (OVG Lüneburg, Urt. v. 16.02.2017 – 12 LC 54/15 -, Rn. 80 ff. juris).

Gemessen daran vermag die Kammer auch nach Durchführung des Ortstermins nicht zu erkennen, dass die baulichen Anlagen Lkw-Stellfläche und Produktlagerplatz den Denkmalwert des Guthauses der Klägerin erheblich beeinträchtigen könnten. Der südwestlich gelegene Produktlagerplatz ist durch die vorhandenen Betriebsgebäude vom Grundstück der Klägerin abgeschirmt und hat daher keinerlei Wirkungen auf ihr Baudenkmal. Die Lkw-Stellplatzfläche ist als bauliche Anlage ebenfalls nicht geeignet, die Wirkung des Guthauses zu verdrängen oder zu übertönen, da sie sich auf die bloße Versiegelung vorher bestehender Grünflächen beschränkt und optisch auch tiefer gelegen ist als die bereits vorhandene angrenzende Zufahrtsstraße auf dem Betriebsgelände. Soweit die Klägerin rügt, dass die Nutzung der Lkw-Stellfläche durch hohe Lastkraftwagen zu einer Beeinträchtigung der Sichtachse mit der Burgruine U. führe, verhilft auch dieses Argument ihrer Klage nicht zum Erfolg. Zum einen ist nicht ersichtlich, dass die Nutzung der Stellplatzfläche durch Lkws die Klägerin stärker beeinträchtigt als die bisherige Situation, in der die wartenden Lkws bislang auf der – im Vergleich zur Stellfläche – höher gelegenen Zufahrtsstraße standen und insoweit eine „Vorbelastung“ bestand. Zum anderen fehlt es am Ensembleschutz für die K. und die Burgruine: ohne Ensembleschutz kann es auch keine erhebliche Beeinträchtigung der behaupteten Sichtachse geben, zumal die Burgruine selbst aufgrund des umgebenden Bewuchses nicht sichtbar ist. Soweit die Klägerin darüber hinaus behauptet hat, dass die Bauausführung bei dem Stellplatz nicht der Baugenehmigung entspreche, sondern dass die Stellfläche höher gebaut werde, handelt es sich um einen Einwand, der nicht im Rahmen der Prüfung der Baugenehmigungen geltend gemacht werden kann.

c. Die geltend gemachten naturschutzrechtlichen Bedenken sind – wie bereits in den vorhergegangenen Eilbeschlüssen der Kammer und des OVG Lüneburg ausgeführt – nicht geeignet, subjektive Rechte der Klägerin zu verletzen.

d. Schließlich verletzen die Baugenehmigungen auch keine Gesichtspunkte des Hochwasserschutzes nach § 78 Abs. 5 WHG, wie sich aus den Ausführungen unter 2. ergibt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO i.Vm. § 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.