Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 10.05.2011, Az.: 1 LC 30/09

Erforderlichkeit einer Begründung bei Geltendmachung von deutlich über den üblichen Gebühren liegenden Kosten durch einen Prüfingenieur für Statik

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
10.05.2011
Aktenzeichen
1 LC 30/09
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2011, 20844
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2011:0510.1LC30.09.0A

Fundstelle

  • IBR 2011, 645

Amtlicher Leitsatz

Macht der Prüfingenieur für Statik Kosten geltend, welche deutlich über denjenigen liegen, die sich aus einer Anwendung der Nummern 9.1 bis 9.9 des Gebührenverzeichnisses (Anlage zur Baugebührenordnung) i.V.m. den Tabellen 3 und 4 ergeben, so erfordert es das Begründungserfordernis, dass der Heranziehungsbescheid, mit dem diese Kosten auf der Grundlage von Nr. 9.14 gefordert werden, nachvollziehbar die Gebühren aufschlüsseln, welche (insbesondere) nach den Nummern 9.1, 9.6 und 9.9 des Gebührenverzeichnisses entstanden sind/sein sollen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen Bescheide der Beklagten, mit der ihr die Kosten für die Prüfung von Statikunterlagen durch den Beigeladenen im Rahmen der Erteilung einer Baugenehmigung auferlegt wurden. Sie macht im Wesentlichen geltend, diese hätten nicht nach dem tatsächlichen Prüfaufwand abgerechnet werden dürfen; außerdem sei dieser zu hoch.

2

Unter dem 12. Oktober 2006 erhielt die Klägerin die Baugenehmigung zur Errichtung von insgesamt 43 Altenwohnungen, einem Cafe-Restaurant und einem Laden auf dem Grundstück C. in D.. Die Beklagte hatte unter dem 30. Mai 2006 den Beigeladenen mit der Prüfung unter anderem der Statik beauftragt. Mit Rechnung vom 27. September 2006 machte der Beigeladene für die Überprüfung der Statik Kosten in Höhe von 33.004,-- EUR und mit einer zweiten Rechnung vom 17. Oktober 2006 von weiteren 12.728,--EUR geltend. Mit Gebührenbescheiden vom 12. Oktober 2006 und 23. Oktober 2006 zog die Beklagte die Klägerin zur Zahlung dieser Kosten heran. Auf den dagegen eingelegten Widerspruch holte die Beklagte Stellungnahmen des Beigeladenen ein. In diesen Stellungnahmen vom 14. November 2006 und 31. Januar 2007 erklärte der Beigeladene, die von ihm geltend gemachten Kosten beruhten auf der Anzahl der geleisteten Ingenieurstunden für die Prüfung der umfangreichen statischen Berechnungsunterlagen. Für den Prüfbericht Nr. 1 habe er 446 Stunden für 1978 Seiten und für den Prüfbericht Nr. 2 172 Stunden für 917 Seiten aufgewendet. Der hohe Prüfaufwand ergebe sich unter anderem aus dem Umfang der zu prüfenden Nachweise, die Schwierigkeiten der Konstruktion, die Einschaltung verschiedener Ingenieurbüros durch die Bauherrin, den umfangreichen Schriftverkehr mit den Aufstellern der statischen Nachweise sowie die Untersuchung von 13 Entwurfzeichnungen, von Bodengutachten und des Zulassungsbescheids. Dementsprechend betrage die Menge seiner Vergleichsberechnungen etwa 6 volle Ordner. Auch aus dem Umfang seiner Prüfberichte gehe hervor, dass es sich um ein Gebäude mit hohem Schwierigkeitsgrad gehandelt habe. Das Gebäude sei deshalb in die Bauwerksklasse 4 der Tabelle Anhang 4 zur Baugebührenordnung einzustufen. Entsprechend der Ziffer 9.14 des Anhangs 1 zur Baugebührenordnung handele es sich um ein grobes Missverhältnis zwischen der nach Ziffer 9.1 zu berechnenden Gebühr und dem von ihm tatsächlich geleisteten Arbeitsaufwand. Der Beigeladene legte dazu eine Auflistung vor, aus der sich die an verschiedenen Tagen, zwischen dem 1. Juni 2006 und dem 17. Oktober 2006, von ihm oder einem Mitarbeiter, geleisteten Stunden ergeben.

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Mit Widerspruchsbescheid vom 30. März 2007 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin unter Hinweis auf den vom Beigeladenen geleisteten Arbeitsaufwand zurück und führte dazu im Einzelnen unter Übernahme des Vorbringens des Beigeladenen an, welche Umstände für den hohen Prüfungsaufwand verantwortlich gewesen seien, ohne diese den Ziffern der Anlage der Baugebührenordnung zuzuordnen oder eine Aufschlüsselung der geleisteten Stunden vorzunehmen. Dagegen wendete sich die Klägerin mit Klage und Eilantrag.

4

Das Verwaltungsgericht hat den Eilantrag mit Beschluss vom 21.12.2007 - 2 B 87/07 -abgelehnt mit der Begründung, der geltend gemachte Arbeitsaufwand für die Prüfung der Statikunterlagen sei gerechtfertigt. Der dagegen erhobenen Beschwerde hat der Senat mit Beschluss vom 15. April 2008 - 1 ME 17/08 - (NVwZ-RR 2008, 752) stattgegeben, soweit die Klägerin zu Kosten herangezogen wurde, die den nach der Ziffer 9.1 i.V.m. der Tabelle Anlage 4 zu erstattenden Betrag übersteigen. Der Senat hat daran Zweifel geäußert, ob die Grenze "groben Missverhältnisses" erreicht sein kann, wenn der dort genannte Betrag um weniger als 50 von Hundert überschritten wird. Eine größere Überschreitung sei aber nach den Kenntnissen des Senats aus dem Verfahren 1 LB 332/03 vorliegend wohl kaum berechtigt. Es sei nach diesen Kenntnissen davon auszugehen, dass etwa 10 Seiten pro Stunde auch bei schwierigen Verfahren geprüft werden könnten. Danach könne nur von einer Anzahl von 289,5 Stunden ausgegangen werden. Deren Kosten überstiegen bei einem Stundensatz von 74,-- EUR den Betrag, der nach der Gebührenordnung zu berechnen sei, nur um 26,28%.

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Mit dem angegriffenen Urteil vom 6. Februar 2009 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es sei nach wie vor von der Erstattungsfähigkeit der geltend gemachten Kosten auszugehen. Es dürfe entgegen der Ansicht des Senats für die Beurteilung der geltend gemachten Kosten nicht auf sachverständige Erkenntnisse aus einem anderen Verfahren zurückgegriffen werden, sondern es müsse entsprechend den Ausführungen des Senats in einem Urteil vom 24. März 2003 (1 LB 152/02, NVwZ-RR 2003, 613) zu der Ermittlung des Maßes des Verwaltungsaufwands bei dem Ansatz von Gebühren auf die ganz konkreten im Einzelfall entstandenen Aufwendungen und nicht auf typischerweise entstehende Aufwendungen eingegangen werden. Nach den vom Beigeladenen vorgetragenen Umständen sei von der Richtigkeit der geltend gemachten Kosten auszugehen. Das Verwaltungsgericht hat die Berufung nach §§ 124 Abs. 1 Nr. 4, 124a Abs. 1 VwGO zugelassen.

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Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer Berufung vor, die vom Beigeladenen behaupteten 618 Arbeitsstunden seien nicht hinreichend belegt. Dies ergebe sich auch nicht aus der Stundenauflistung des Mitarbeiters des Beigeladenen, die dieser vorgelegt habe. Daraus sei lediglich zu erkennen, dass eine bestimmte Anzahl an Stunden an bestimmten Tagen aufgewendet worden sei. Für welche Tätigkeit dieser Zeitaufwand angefallen sei, lasse sich der Auflistung jedoch nicht entnehmen. Abgesehen davon sei ein derartiger Aufwand aber auch nicht annähernd objektiv erforderlich gewesen. Das Verwaltungsgericht habe sich nicht damit auseinander gesetzt, dass der erhöhte Schwierigkeitsgrad bereits bei der Einstufung des Bauvorhabens in die verschiedenen Bauwerkklassen nach der Tabelle Anhang 4 der Baugebührenordnung berücksichtigt werde. Zudem weiche die geltend gemachte Stundenzahl auch erheblich von der ab, die der Senat in einer sachverständigen Äußerung in einem anderen Verfahren als durchschnittlich festgestellt habe. Das Verwaltungsgericht habe deshalb ggf., sofern es die Übertragung dieser Erfahrungswerte für nicht anwendbar halte, selbst einen sachverständigen Beweis erheben müssen zu der Frage, wie viele Seiten pro Stunde im vorliegenden Fall hätten geprüft werden können. Schließlich sei ein grobes Missverhältnis auch erst bei einem Unterschied von 50% anzuerkennen.

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Die Kläger beantragen,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Baugebührenbescheide der Beklagten vom 12. und 26. Oktober 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheids der Beklagten vom 30. März 2007 aufzuheben, soweit darin ein höherer Betrag als 17.616 EUR festgesetzt worden ist.

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Die Beklagt beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

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Zur Begründung verweist sie darauf, dass sich aus den vom Beigeladenen vorgelegten Unterlagen ergebe wie viel Stunden aufgewendet worden seien und das Verwaltungsgericht sich zu Recht darauf berufen habe. Aus den verschiedenen Stellungnahmen der Beklagten wie des Beigeladenen in Verbindung mit den Anlagen könne durchaus der entstandene Zeitaufwand nachvollzogen werden. Eine Beweisaufnahme sei nur soweit erforderlich, soweit ein schlüssiger Klägervortrag gegeben sei, an dem es hier aber fehle.

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Der Beigeladene stellt keinen Antrag und verweist im Übrigen auf die bereits früher vorgetragenen Umstände, die für ihn zu dem besonders hohen Zeitaufwand geführt hätten. Die Abrechnung nach tatsächlichem Zeitaufwand sei ungeachtet des Umstands berechtigt, dass die Tabelle 4/BauGO eine Degression enthalte.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge, die auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung der Klägerin ist begründet.

13

Die angefochtenen Bescheide genügen - auch in der Fassung des Widerspruchsbescheids - bereits nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße und nachvollziehbare Begründung. Es ist aus ihnen nicht unmittelbar ersichtlich, wie sich die Höhe der geltend gemachten Kosten tatsächlich errechnet.

14

Der Anspruch der Beklagten auf Erstattung der Kosten des Prüfingenieurs ergibt sich aus § 1 Abs. 1 Ziffer 2 und § 13 Abs. 1, 2 und 3 Ziffer 1 Nds. Verwaltungskostengesetz. Die Höhe dieses Betrags richtet sich nach § 3 Nds.Verwaltungskostengesetz in Verbindung mit der Baugebührenordnung vom 13. Januar 1998 in der Fassung vom 30. April 2005 (Nds. Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 126). Die Baugebührenordnung regelt in § 1 Abs. 1 Satz 3, dass Gebühren und Vergütungen, die an einen Prüfingenieur zu zahlen sind, als Auslagen zu erstatten sind, soweit sich aus dem Gebührenverzeichnis nichts anderes ergibt. Die Höhe ist im Gebührenverzeichnis (Anlage 1 zur BauGO) geregelt. Nach deren Ziffer 9.1 ist die Standsicherheitsprüfung mit einer Gebühr nach der Tafel (Anlage 4 zur Baugebührenordnung) abzugelten. Diese beträgt, da das zu prüfende Bauwerk - das ist mittlerweile zwischen den Beteiligten unstreitig - in die Bauwerksklasse 4 einzuordnen ist, entsprechend dem Rohbauwert des Vorhabens 16.650,-- EUR. Nach Ziffer 9.14 kann die Leistung des Prüfingenieurs nach Zeitaufwand berechnet werden, wenn die Gebühren nach Ziffer 9.1 bis 9.9 im "groben Missverhältnis" zum Zeitaufwand stehen, der Prüfingenieur also in großem Umfang mehr Stunden geleistet hat, als durch die Pauschalierung in der Prüfgebühr nach Ziffer 9.1 erfasst werden (können).

15

Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgericht handelt es sich hierbei nicht um "verkleidete Auslagen", die in der Erstattung von Gebühren einer anderen Behörde bestehen und deshalb nach den Maßstäben für die Überprüfung von "echten" Gebühren zu beurteilen sind (so Loeser/Barthel, Nds. Verwaltungskostengesetz, Kommentar, Stand September 2010, Einleitung Anmerkung 4.5.1). Die auf der Grundlage des § 13 Abs. 1 Satz 1 Nds. Verwaltungskostengesetz zur erstattenden Aufwendungen richten sich nach dem Prinzip der realen Kostenerstattung (Loeser/Barthel a.a.O.., sowie § 13 Anmerkung 4). Die von Loeser, auf den sich das Verwaltungsgericht insoweit "stützt", sogenannten "verkleideten Auslagen" beziehen sich auf die Gebühren einer anderen Behörde, die ebenfalls wieder nach gebührenrechtlichen Grundsätzen bemessen sind. Die Höhe der Auslagen, die nach § 13 Nds. Verwaltungskostengesetz zu erstatten sind, richtet sich dagegen nach dem Prinzip der realen Kostenerstattung. Soweit in Ziffer 9.14 der Anlage 1 zur Baugebührenordnung auf den konkreten Zeitaufwand des Prüfingenieurs abgestellt wird, ist deshalb dieser konkrete Zeitaufwand anhand der Angaben des Prüfingenieurs nachzuvollziehen. Werden die Angaben des Prüfingenieurs mit Angaben zu typischerweise entstehenden Kosten verglichen, handelt es sich um eine Plausibilitätsprüfung der individuellen Angaben und nicht um eine "Übernahme" von pauschalierten Angaben über typischerweise entstehende Kosten. Die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, es werde dadurch auf die Überprüfung des individuell entstandenen Aufwands verzichtet geht deshalb fehl.

16

Allerdings kommt eine Erstattung nach der Ziffer 9.14 Anlage 1 zur Baugebührenordnung nur in Betracht, wenn ein "grobes Missverhältnis" vorliegt. Im Eilbeschluss vom 15. April 2008 - 1 ME 17/08 - hat der Senat bereits angedeutet, dass ein grobes Missverhältnis möglicherweise im Sinne der Rechtssprechung des BGH zu§ 138 BGB zu deuten wäre und der Runderlass des Niedersächsischen Sozialministers zur Baugebührenordnung, in der Fassung vom 19. September 2002 Nds. Ministerialblatt Nr. 36 Seite 864, zur Anwendung der Tarifstellen der Baugebührenordnung nicht nachvollziehbar sei, soweit er eine Degression der Prozentsätze für das Ansteigen der Gebühren vorsieht.

17

Das kann hier letztlich aber offen bleiben, weil die angefochtenen Bescheide aus anderem Grund rechtswidrig sind.

18

Selbst wenn man zur grundsätzlichen Möglichkeit der Anwendung der Ziffer 9.14 Anlage 1 zur Baugebührenordnung kommt, bedeutet das nicht, dass die Berechnung der Auslagen, die der Prüfingenieur - hier der Beigeladene - vorlegt und die die Grundlage der angefochtenen Gebührenbescheide bildete, nicht plausibel sein muss und deshalb im Einzelnen nachvollziehbar aufgeschlüsselt werden muss, damit sie vom Betroffenen und ggf. auch vom Gericht, im Einzelnen nachgeprüft werden kann. Das ist hier ohne zureichenden Grund unterblieben.

19

Die Höhe des von der Klägerin zu zahlenden Betrags ist von der Beklagten auch im Widerspruchsbescheid noch nicht nachvollziehbar aufgeschlüsselt. Die bloße Übernahme der vom Beigeladenen vorgelegten "Beschreibung" seiner Arbeit reicht insoweit als Begründung nicht aus.

20

Nach § 39 VwVfG muss ein Verwaltungsakt eine Begründung enthalten, in der die Behörde die für die Entscheidung wesentlichen Fragen darstellt. Die Begründung muss für den Betroffenen aus sich heraus verständlich sein und die Rechtsgrundlagen angeben (Kopp/Ramsauer VwVfG 9. Auflage, § 39 RdNr. 18; Fehling/Kastner/Warendorf, Handkommentar Verwaltungsrecht § 39 VwVfG RdNr. 21 bis 26). Wann die Begründung eines Verwaltungsaktes verzichtbar ist, regelt § 39 Abs. 2 VwVfG. Danach kann die Begründung entbehrlich sein, wenn die Gründe für den Betroffenen offenkundig, d.h. ohnehin erkennbar oder bekannt sind. Welche Gründe hier für die Anwendung der Ziffer 9.14 anstelle der Ziffer 9.1 der Anlage 1. zur Gebührenordnung sprechen, kann für den Betroffenen nicht "offenkundig" sein, wenn es sich um Gründe handelt, die in der Sphäre eines Dritten liegen, wie etwa die angefallene Zahl an Arbeitsstunden. Ein Verzicht auf die Begründung entsprechend§ 39 Abs. 2 VwVfG, kommt danach hier nicht in Betracht (vgl. auch Fehling/Kastner/Warendorf a.a.O.. RdNr. 39).

21

Das völlige Fehlen einer Begründung ist unbeachtlich, wenn sie nicht nur offensichtlich ist, sondern auch die Entscheidung nicht beeinflusst hat (Fehling/Kastner/Warendorf a.a.O.. RdNr. 48). Das ist hier aber gerade nicht erkennbar. In der Begründung des Widerspruchsbescheids, mit der versucht wurde, die vollständig fehlende Begründung der beiden Bescheide vom Oktober nachzubessern, fehlt gerade der Nachweis, dass und in welchen Umfang die in den einzelnen "Rechnungen" des Prüfingenieurs aufgeführten Tätigkeiten, den einschlägigen Ziffern der Anlage 1 der Gebührenordnung zugeordnet wurden und daran anknüpfend, die Feststellung getroffen werden konnte, ein "grobes Missverhältnis" im Sinne der Ziffer 9.14 liege vor. Es ist deshalb nicht erkennbar, ob die Behörde auch bei umfassender Einordnung aller durchgeführten Arbeiten des Prüfingenieurs entsprechend den Ziffern der Anlage 1 der Gebührenordnung die Abrechnung nach dem tatsächlichen Aufwand oder nach den dort vorgesehenen Gebührensätzen vorgenommen hätte.

22

§ 39 VwVfG dient der Sicherung und Ermöglichung effektiven Rechtsschutzes für den Betroffenen. Um ihm die Wahrnehmung ihrer Rechte zu ermöglichen bzw. zu erleichtern müssen die im Bescheid angegebenen Gründe den Betroffenen in die Lage versetzen, sich sachlich mit ihnen auseinander zu setzten und ggf. gezielte Gegenargumente zu finden. Das ist hier selbst anhand des Widerspruchsbescheids nicht möglich. Es ist nicht erkennbar, ob einzelne Arbeiten des Prüfingenieurs, die aber in der nicht näher differenzierten Beschreibung der Tätigkeiten enthalten sind, den Ziffern 9.6 oder 9.9 der Anlage 1 der Baugebührenordnung zuzuordnen waren. Dem Betroffenen muss es möglich sein, sich mit gezielten Angriffen gegen einen solchen Bescheid zu wenden, will er nicht Gefahr laufen, sein Vorbringen als "nicht substantiiert" zurückgewiesen zu sehen. Gerade diesen Vorwurf haben Beklagter und Beigeladener, schließlich auch das Verwaltungsgericht der Klägerin gemacht. Auf die im Widerspruchsbescheid enthaltene "Beschreibung" der Tätigkeit des Beigeladenen, die aus dessen Stellungnahme vom 14. November 2006 übernommen wurde und wonach nach Auffassung des Beigeladenen der Aufwand von 618 Stunden begründet war, konnte die Klägerin nicht differenziert eingehen. Die Gründe, die zur Anwendung der Ziffer 9.14 führten, waren weder aus sich heraus noch aus dieser "Beschreibung" ersichtlich oder gar geeignet, die Klägerin zu substantiierten Gegenargumenten zu befähigen. Aus dieser sowie aus den vom Beigeladenen weiterhin vorgelegten Unterlagen lässt sich nicht zweifelsfrei entnehmen, wie die zu den jeweiligen Tagen etwa angegebenen Stunden der Arbeit an den Unterlagen der Klägerin zuzuordnen sind. Der Beigeladene hat sich hierzu im Laufe des Verfahrens vielfach geäußert und Material vorgelegt. In dem Schriftsatz vom 14. November 2006 gegenüber der Beklagten, wie auch vom 8. Juni 2009 gegenüber dem Verwaltungsgericht hat der Beigeladene erklärt, er habe die der Baugenehmigung zugrunde gelegten Seiten geprüft, wozu insgesamt 2895 Seiten gehörten. Dazu habe er aber weitere 1250 Seiten geprüft, die hätten ausgetauscht und damit zweimal hätten geprüft werden müssen. Zudem habe er Vergleichsberechnungen durchgeführt auf insgesamt 2400 Seiten und ungewöhnlich lange Prüfberichte gefertigt, von einmal 8 Seiten mit 33 Prüfbemerkungen und einmal 5 Seiten mit 20 Prüfbemerkungen. In einem weiteren Schreiben vom 19. Oktober 2009 führt der Beigeladene, anders als dies in der Beschreibung im Widerspruchsbescheid anklingt, aus, es sei in diesem Rahmen unerheblich, welches Büro die jeweiligen Standssicherheitsnachweise vorgelegt habe, da es ja nur um deren Prüfung schlechthin gegangen sei. Soweit der Beigeladene auf die allgemeine Schwierigkeit der Sache verweist und anführt, ihretwegen seien nur 4 bis 6 Seiten pro Stunde jeweils "zu schaffen gewesen, kann dementsprechend die Zeit, die für Vermerke, Telefongespräche und Briefe, sowie die 1250 Seiten Nachträge anfielen nicht erfasst sein. Diese Hinweise sprechen im Übrigen gerade nicht dagegen, einen pauschalen Ansatz von 10 Seiten pro Stunde für schwierige, statische Berechnungen anzunehmen. Die Tätigkeiten wie Verfassen von Prüfberichten, Telefongesprächen und Briefen können neben der eigentlichen Überprüfung der Seiten mit der Statikberechnung durchaus anfallen. Insoweit sind aber die Ausführungen in sich nicht schlüssig, wenn einerseits auf den erhöhten Aufwand für Zusatzarbeiten verwiesen wird und andererseits daraus die Berechnung einer möglichen Überprüfung von - nur - 4 bis 6 Seiten pro Stunde erklärt wird. Die innerhalb dieser Begründung ebenfalls benannte Überprüfung von 1250 Zusatzseiten wird nicht gesondert dargelegt, sondern nur als allgemeine Begründung der Schwierigkeit des Falles zur Rechtfertigung der insgesamt verwendeten Stundenzahl herangezogen.

23

Wenn die Beklagte diese "Beschreibungen" undifferenziert in ihren Bescheid übernimmt, mangelt es daher an einer nachvollziehbaren Begründung. Soweit es sich nämlich etwa hinsichtlich der genannten 1250 Seiten Nachträge um die Prüfung von "Nachträgen zu den bautechnischen Nachweisen, sowie zu den Zeichnungen und Plänen nach den Nummern 9.6 und 9.7 in Folge von Änderungen oder Fehlern" handelt", ist für diese unter der Ziffer 9.9 des Anhangs 1 der Gebührenordnung eine spezielle Gebühr vorgesehen, die in einem "dem Bearbeitungsaufwand entsprechenden Vomhundertsatz der jeweiligen Gebühr nach den Nr. 9.1. bis 9.8" besteht. D.h. derartige Nachträge, die nicht nur auf Veränderungen des Bauwerks beruhen können, sondern auch auf "Fehlern" in der Planung oder Berechnung, sollen zwar extra berücksichtigt werden - also neben der Gebühr nach 9.1 -, aber nur in einem dem tatsächlichen Aufwand entsprechenden Anteil der nach Ziffer 9.1 anfallenden Gebühr, d.h. maximal bis zu deren Höhe und nicht allein nach Zeitaufwand zu berechnet werden. Dieser Betrag, der maximal bis zur Höhe der Gebühr nach 9.1 entstehen kann, muss dann neben der Gebühr, die auf der Grundlage der Ziffer 9.1 iVm. der Tafel Anlage 4 entsteht, mit der Gesamtleistung verglichen werden. Erst wenn beide Gebühren ein grobes Missverhältnis im Sinne der Ziffer 9.14, erkennen lassen, ist die Möglichkeit zur Erhebung der Gebühr nach Zeitaufwand auf der Grundlage der Ziffer 9.14 eröffnet. Die bloße pauschale Verweisung auf Seiten, die als Nachtrag "doppelt" hätten geführt werden müssen und deshalb zu einer erhöhten Stundenanzahl geführt hätten, wird dem nicht gerecht.

24

Sofern Entwurfszeichnungen zu Prüfen waren bzw. geprüft wurden, würde möglicherweise die Zuordnung zur Ziffer 9.6 der Anlage 1 der Gebührenordnung in Betracht gekommen sein, die dafür eine eigene Gebührenhöhe festlegt und dann ihrerseits nach Ziffer 9.14 mit dem tatsächlichen Zeitaufwand zu vergleichen gewesen wäre.

25

All dies lässt sich weder den Bescheiden, noch dem Widerspruchsbescheid, noch dem weiteren Vorbringen der Beklagten im gerichtlichen Verfahren entnehmen, sodass nach der Begründung der Bescheide unklar bleibt, worauf sich die Forderung nach dem Ersatz der tatsächlichen Auslagen anstelle der nach Ziffer 9.1 vorgesehenen Gebühr im Einzelnen gründet.

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Entgegen der Annahme des Beigeladenen ist diese Betrachtung der Dinge auch nicht dadurch verschlossen, dass es auf die Nummern 9.6 und - vor allem - 9.9 der Anlage 1 (Gebührenverzeichnis) zur Baugebührenordnung aus Rechtsgründen nicht ankäme. Nr. 9.14 lässt die Berechnung nach Zeitaufwand nur zu, wenn die Gebühren für Leistungen, die im Ausgangspunkt nach den Nrn. 9.1 bis 9.9 abzurechnen sind, in einem groben Missverhältnis zu dem Prüfaufwand stehen. Eingeschlossen sind mithin die Nummer 9.6 und 9.9. Die letztgenannte umfasst gerade die Prüfung von Nachträgen zu den bautechnischen Nachweisen sowie zu den Zeichnungen und Plänen nach den Nrn. 9.6 und 9.7, welche infolge von Änderungen oder Fehlern erforderlich geworden sind/waren. Darin bestand der Kern der Erläuterungen des Beigeladenen, weshalb es zu den erheblichen und zeitintensiven "Nacharbeiten" gekommen sei. Die Klägerin habe als Bauherrin wiederholt die Pläne geändert, zudem seien für diese mit der Folge mindestens zwei Planungsbüros tätig geworden, dass die unterbreiteten Entwürfe nicht kompatibel gewesen seien. Das habe zum einen erhebliche Nachberechnungen, zum anderen die Notwendigkeit hervorgerufen, in zum Teil sehr ausführlichen Schreiben Ergänzungen der Unterlagen erbitten zu müssen; denn in der unterbreiteten Form hätten sie schlicht nicht berechnet werden können.

27

Entgegen der Annahme des Beigeladenen fällt gerade das unter die Nummer 9.6 des Gebührenverzeichnisses. Denn darin wird als eigener Gebührentatbestand die Nachprüfung von Nachträgen zu den bautechnischen Nachweisen erfasst, welche entweder durch Änderungen oder durch Fehler des Bauherrn erforderlich geworden sind. Gerade letzteres war hier nach Darstellung des Beigeladenen eine der ganz maßgeblichen Ursachen für ein Prüfvolumen, das ihn mit den nach der Nr. 9.1 des Gebührenverzeichnisses von Gebührenordnung wegen entstehenden Betrages nicht annähernd habe auskommen lassen. Nr. 9.9 stellt daher eine Spezialbestimmung dar, welche erst einmal angewandt und aufgeschlüsselt werden muss, bevor sich die Erwägungen der Frage zuwenden können, ob selbst das keine finanziellen Folgen hat, welche zum tatsächlichen Prüfaufwand noch nicht in "grobem Missverhältnis" (Nr. 9.14) steht.

28

Weil diese Fragen im Verlauf des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zwar (insbesondere von Seiten des Beigeladenen) angesprochen, dort aber selbst bis zur mündlichen Verhandlung des Senats nicht nach Stunden und daraus resultierendem Ertrag berechnet und aufgeschlüsselt worden waren, ist der Begründungsmangel nicht entsprechend § 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 VwVfG im Laufe des Gerichtsverfahrens geheilt worden. Weil - wie erst in der mündlichen Verhandlung deutlich wurde - noch zwei weitere Bescheide mit einem Volumen von insgesamt gut 24.500,-- EUR offen sind (vgl. Seite 4/5 des Protokolls der mündlichen Verhandlung), wird sich die Begründung auch der Frage zu widmen haben, unter welchen der in Betracht kommenden Gebührentatbestände die dort geltend gemachten Beträge zu subsumieren sind.