Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 16.11.2017, Az.: 1 LC 17/17

Baugebühren; Herstellungskosten; Prüfingenieur; Rohbauwert; Schätzung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
16.11.2017
Aktenzeichen
1 LC 17/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 54052
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 14.12.2016 - AZ: 2 A 151/16

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die endgültige Höhe der von der Bauaufsichtsbehörde an den Prüfingenieur zu zahlenden und dieser von dem Bauherrn als Auslagen zu erstattenden Gebühren bestimmt sich nach § 3 BauGO.

2. Hat der Bauherr die schlüsselfertige Errichtung seines Vorhabens zu einem Festpreis vereinbart, kann ein Nachweis des Rohbauwertes nicht durch eine Vereinbarung über zu leistende Abschlagszahlungen erbracht werden.

3. Die Schätzung des Rohbauwertes nach § 3 Abs. 3 Satz 1 BauGO ist fehlerhaft, wenn diese über den vom Bauherrn zuvor nachgewiesenen Gesamtherstellungskosten liegt.

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 2. Kammer - vom 14. Dezember 2016 wird der Bescheid der Beklagten vom 24. September 2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8. April 2016 aufgehoben, soweit er einen Betrag von mehr als 9.816,00 EUR festsetzt.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen einen Heranziehungsbescheid der Beklagten für die Kosten für einen Prüfingenieur, weil sie die Höhe der zu erstattenden Prüfgebühren im Hinblick auf den der Gebührenberechnung zugrunde gelegten Rohbauwert für unrechtmäßig hält.

Die Klägerin ist Bauherrin des von der Beklagten baugenehmigten und zwischenzeitlich errichteten Einkaufzentrums A. B. C. in D.. Bei diesem handelt es sich um ein mehrgeschossiges Gebäude mit einem Brutto-Rauminhalt von 305.000 m3.

Am 25. Februar 2014 beauftragte die Beklagte den Prüfingenieur G. mit der Prüfung der Standsicherheitsnachweise, der Feuerwiderstandsfähigkeit der Bauteile und der Ausführungspläne für das Gebäude und teilte ihm für seine Gebührenberechnung mit, dass der vorläufige Rohbauwert 27.449.500,00 EUR betrage und das Bauwerk in die Bauwerksklasse 4 einzustufen sei. Dabei schätzte sie die Kosten für die bis zu einer Rohbauabnahme fertigzustellenden Arbeiten, indem sie das Bauvolumen des Gebäudes von 305.285,25 m3 mit einem Gebührensatz von 85 EUR/m3 (1,1218 x 76 EUR/m3) multiplizierte, die Kosten für die Fassade in Höhe von 1.500.000,00 EUR addierte und den sich daraus ergebenden Betrag auf den vollen 500,00 EUR-Betrag aufrundete. Hinsichtlich des Gebührensatzes orientierte sie sich an einem im Jahr 2007 eingeholten Gutachten eines Sachverständigen für Bauablaufstörungen, Baupreisermittlung und Abrechnung im Hoch- und Ingenieursbau, das dieser zur Schätzung des Rohbauwertes für das Bauvorhaben H. -I. im Stadtgebiet der Beklagten erstellt hatte.

Auf der Grundlage des mitgeteilten Rohbauwertes rechnete der Prüfingenieur gegenüber der Beklagten mehrere Teilleistungen ab. Die Beklagte legte dessen Rechnungen ihren an die Klägerin adressierten Erstattungsbescheiden zugrunde. Gegen sämtliche Bescheide erhob die Klägerin Widerspruch. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 5. März 2014 führte die Klägerin aus, der Rohbauwert betrage lediglich 15.145.400,00 EUR und legte im April 2014 zum Nachweis einen Zahlungsplan der J. K. L. GmbH (im Folgenden: J. GmbH) aus dem Jahr 2013 vor, mit der sie in „Endverhandlungen über die Beauftragung mit dem Bau“ stehe. Der Zahlungsplan weist verschiedene Posten und für die schlüsselfertige Herstellung des Bauwerks eine Gesamtsumme von 23.920.000,00 EUR netto (28.464.800,00 brutto) aus.

Mit E-Mail vom 12. August 2014 übersandte die Klägerin einen weiteren Zahlungsplan vom 25. April 2014. Sie gab an, die Gewerke im Wege einer Funktionalausschreibung an die
J. GmbH vergeben zu haben. Der Zahlungsplan sei verbindlich vereinbart worden. Aus diesem gingen die tatsächlichen Rohbaukosten hervor.

Der Zahlungsplan beinhaltet u.a. die folgenden Positionen:

Baustelleneinrichtung

958.000,00 EUR

Rohbauleistungen

14.732.000,00 EUR

Dächer

85.000,00 EUR

Fassade Verglasung

850.000,00 EUR

Fassade Stahlblech

780.000,00 EUR

Summe netto

17.405.000,00 EUR

Mehrwertsteuer

3.306.950,00 EUR

Summe brutto

20.711.950,00 EUR

Als Gesamtsumme für die Errichtung des Vorhabens weist der Zahlungsplan einen Betrag von 21.805.000,00 EUR netto (25.947.950,00 EUR brutto) aus.

Weil der Prüfingenieur G. verstarb, beauftragte die Beklagte am 27. August 2014 den Prüfingenieur M. mit den noch ausstehenden bzw. mit nach Planungsänderungen erneut erforderlichen Prüfungen. Auch diesem teilte sie „vorläufig“ einen Rohbauwert in Höhe von 27.449.500,00 EUR und die Einstufung des Bauwerks in die Bauwerksklasse 4 mit. Mit Schreiben vom 17. September 2014 stellte der Prüfingenieur M. der Beklagten für Teilleistungen Prüfgebühren in Höhe von 11.320,00 EUR in Rechnung.

Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 24. September 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. April 2016 macht die Beklagte diesen Betrag gegenüber der Klägerin geltend.

Am 7. Juli 2015 übergab die Klägerin der Beklagten eine CD mit u.a. den Ausschreibungsunterlagen, einem Angebot der J. GmbH vom 25. April 2014, das Vorhaben zu einem Gesamtpreis in Höhe von 21.805.000,00 EUR netto zu errichten, und einem Generalübernehmervertrag. In einem Gesprächstermin am 20. August 2015 kamen die Beteiligten überein, dass als Rohbauwert mindestens ein Betrag von 23.533.122,00 EUR zugrunde zu legen sei.

Mit ihrer am 28. April 2016 erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, dass der der Berechnung der Gebühren zugrunde liegende Rohbauwert zu hoch bemessen sei. Als Rohbauwert sei ein Betrag von 23.533.122,60 EUR brutto zugrunde zu legen, wie er sich aus dem ersten Zahlungsplan der J. GmbH aus dem Jahr 2013 ergebe, der im Zeitpunkt der Erteilung der Baugenehmigung maßgeblich gewesen sei. Mit dem Zahlungsplan habe sie nachgewiesen, dass Rohbaukosten in der vorgenannten Höhe zu erwarten seien. Eine Schätzung des Rohbauwertes sei daher nicht zulässig gewesen. Die vorgenommene Schätzung hätte sich nicht an dem Sachverständigengutachten zur Schätzung des Rohbauwertes der H. -I. orientieren dürfen. Es fehle an der Vergleichbarkeit der Vorhaben, bei dem A. handele es sich um ein Einkaufscenter und nicht um ein Schloss.

Die Klägerin hat beantragt,

den angefochtenen Baugebührenbescheid vom 24. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. April 2016 aufzuheben, soweit die darin festgesetzte Gebühr den Betrag überschreitet, der sich ergeben würde, wenn der Ermittlung der Baugebühr ein Rohbauwert in Höhe von 23.533.500,00 EUR zugrunde gelegt würde.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

und ist dem Vorbringen der Klägerin wie folgt entgegengetreten: Zwar könnten die in dem Zahlungsplan genannten Teilleistungen den Rohbaukosten zugeordnet werden, es fehle aber an einer prüffähigen Beschreibung der Lieferungen und Bauleistungen und einer Aufschlüsselung der Kosten. In Ermangelung eines prüffähigen Nachweises sei sie daher zur Schätzung befugt gewesen. Die Schätzung beruhe auf einem Verfahren, das bereits auf den Bau eines anderen Einkaufszentrums Anwendung gefunden habe und auf das sie deshalb habe zurückgreifen dürfen.

Mit Urteil vom 14. Dezember 2016 hat das Verwaltungsgericht Braunschweig die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Schätzung des Rohbauwertes sei weder dem Grunde noch der Höhe nach zu beanstanden. Zwar sei es der Klägerin unbenommen, bis zur Bestandskraft der angegriffenen Bescheide den Rohbauwert nachzuweisen. Einen solchen Nachweis habe sie aber nicht erbracht. Die Vorlage einer Bestätigung der J. GmbH über voraussichtlich zu leistende Abschlagszahlungen genüge den Anforderungen an einen Nachweis nicht, da es der Beklagten nicht möglich sei, diese auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Auf dieser Grundlage lasse sich nicht feststellen, ob geleistete Teilzahlungen dem Rohbauwert entsprächen. Ließe man einen solchen Zahlungsplan als Nachweis genügen, läge es in der Hand des Bauherrn, durch Angabe eines möglichst niedrigen Preises in nicht unerheblichem Maß auf die Höhe der Baugebühren Einfluss zu nehmen. Die Schätzung sei auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Im Hinblick auf die Größe des Vorhabens sei die Feststellung ortsüblicher Preise nicht möglich gewesen. Es begegne keinen rechtlichen Bedenken, dass die Beklagte im Ausgangspunkt auf den in Nr. 18 der Anlage 2 zur Baugebührenordnung genannten Rohbauwert für mehrgeschossige Fabrik-, Werkstatt- und Lagergebäude zurückgegriffen und diesen – unter Berücksichtigung eines vertretbaren Abschlages – in Ansatz gebracht habe.

Das Verwaltungsgericht hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen zur Klärung der Frage, ob die Anwendung von § 3 Abs. 2 und 3 BauGO es ausschließt, in Fällen einer Funktionalausschreibung, bei der die Rohbaukosten nicht im Einzelnen ausgewiesen werden, einen Nachweis des Rohbauwertes dadurch zu führen, dass Abschlagszahlungen, die Rohbauleistungen betreffen, glaubhaft gemacht werden.

Die Klägerin trägt ergänzend vor, dass Verwaltungsgericht habe verkannt, dass der Zahlungsplan den Anforderungen an einen Nachweis der Rohbaukosten genüge. Es komme nicht auf den Wert der für die Fertigstellung des Rohbaus anfallenden Leistungen an, sondern auf die bei ihr, der Klägerin, tatsächlich anfallenden Kosten. Es habe daher auch keiner weitergehenden Aufgliederung der Kosten bedurft. Da die nachgewiesenen Rohbaukosten ca. 82 % des Gesamtpreises ausmachten, bestünden auch keinerlei Anzeichen dafür, dass der Zahlungsplan die Kosten des Rohbaus beschönige.

Die Klägerin beantragt,

das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts zu ändern und den angefochtenen Baugebührenbescheid der Beklagten vom 24. September 2014 in der Fassung ihres Widerspruchsbescheides vom 8. April 2016 aufzuheben, soweit die darin festgesetzte Gebühr den Betrag überschreitet, der sich ergeben würde, wenn der Ermittlung der Baugebühr ein Rohbauwert in Höhe von 23.544.500,00 EUR zugrunde gelegt würde.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

und hält an ihrer Auffassung fest, dass der Zahlungsplan in Ermangelung einer weitergehenden Aufgliederung nicht geeignet sei, den Rohbauwert nachzuweisen, so dass sie zur Schätzung des Wertes befugt gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist begründet.

Der angegriffene Bescheid der Beklagten vom 24. September 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. April 2016 erweist sich als rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die Beklagte hat keinen Anspruch auf Erstattung von Auslagen in der angegriffenen Höhe.

Rechtsgrundlage für die Erstattung der Kosten eines Prüfingenieurs sind § 1 Abs. 1 Ziffer 2 und § 13 Abs. 1, 2 und 3 Ziffer 1 des Niedersächsischen Verwaltungskostengesetzes – Nds. VerwKostG - vom 25. April 2007 (Nds. GVBl. 2007, S. 172) in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 3 der Baugebührenordnung – BauGO – vom 13. Januar 1998 in der Fassung vom 4. September 2014 (Nds. Gesetz- und Verordnungsblatt, S. 258). Die Erstattungsfähigkeit von Auslagen richtet sich dabei nach dem Prinzip der realen Kostenerstattung, d. h. sie sind nicht nach den Maßstäben für die Überprüfung von „echten“ Gebühren zu beurteilen, sondern ihrer Höhe nach gebunden an den Betrag der tatsächlich angefallenen Aufwendungen (Senatsurt. v. 10.5.2011 - 1 LC 30/09 -, juris Rdnr. 16 f.; Loeser/Barthel, Nds. VerwKostG, Stand: Februar 2016, Einleitung Anmerkung 4.5.1). Als Auslagen erstattungsfähig sind nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BauGO nur solche Gebühren und Vergütungen, die an den jeweiligen Prüfingenieur „zu zahlen sind“. Die Bauaufsichtsbehörde kann folglich nur das als Auslagen erstattet verlangen, was sie rechtmäßiger Weise hätte an den Prüfingenieur entrichten dürfen.

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist die Klägerin nicht verpflichtet, der Beklagten die von dem Prüfingenieur M. mit Schreiben vom 17. September 2014 in Rechnung gestellten Gebühren in voller Höhe als Auslagen zu erstatten.

Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 BauGO erhalten Prüfingenieure für Baustatistik für ihre Leistungen in Angelegenheiten der Bauaufsicht Gebühren und Auslagen. Bei den „Gebühren“ des Prüfingenieurs handelt es sich um die Vergütung in Erfüllung seiner als öffentlichen Aufgabe erbrachten Tätigkeit. Die Vergütung bestimmt sich nach der Baugebührenordnung und ihren Anlagen, wobei die Gebühren gemäß § 1 Abs. 1 Satz 4 BauGO auf volle Euro abzurunden sind; die Umsatzsteuer ist in den Gebühren bereits enthalten (§ 2 Abs. 1 Satz 2 BauGO). Die Höhe der Gebühren ergibt sich gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 BauGO aus dem Gebührenverzeichnis (Anlage 1) und den Anlagen 2 bis 5. Nach den Nummern 9.9 bis 9.12 der Anlage 1 zur BauGO errechnen sich die Gebühren eines Prüfingenieurs nach einem dem Prüfaufwand entsprechenden Prozentsatz der jeweiligen Gebühr, die sich gemäß der Tafel der Anlage 4 zur BauGO aus dem Rohbauwert und der Bauwerksklasse ergibt.

Zwar liegen dem Senat keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die von dem Prüfingenieur gemäß den Nummern 9.9, 9.10 und 9.12 der Anlage 1 zur BauGO in Ansatz gebrachten Prozentsätze unzutreffend sind; dies wurde von den Beteiligten auch nicht in Frage gestellt. Unstreitig ist das Bauwerk außerdem der Bauwerksklasse 4 zuzuordnen.

Allerdings hält der zugrunde gelegte Rohbauwert von 27.449.500,00 EUR der gerichtlichen Überprüfung nicht stand.

Zwar hatte die Beklagte dem Prüfingenieur M. diesen Rohbauwert mit Erteilung des Prüfauftrages – wie in § 2 Abs. 3 BauGO vorgesehen – mitgeteilt. Aus der bloßen Mitteilung des Rohbauwertes nach § 2 Abs. 3 BauGO folgt aber nicht, dass dieser im Verhältnis zwischen Bauaufsichtsbehörde und Prüfingenieur endgültig bestimmt ist und der Bauherr eine auf dieser Grundlage bemessene Vergütung des Prüfingenieurs stets zu erstatten hat. Eine solch weitgehende Rechtswirkung lässt sich dem Wort „mitteilt“ in § 2 Abs. 3 BauGO nicht entnehmen. Vielmehr bezweckt die Mitteilung, dass der Prüfingenieur eine Überprüfung des ihm mitgeteilten Rohbauwertes oder der Bauwerksklasse verlangen kann (vgl. zur insoweit wortlautgleichen Vorgängervorschrift die Ausführungsbestimmungen zur Baugebührenordnung, Runderlass des Ministeriums für Soziales vom 19. Mai 1992, Zu § 2, Nr. 5, Nds. MBl. Nr. 20/1992, S. 835 (836)). § 2 Abs. 3 BauGO trägt damit dem Umstand Rechnung, dass zwischen dem Prüfingenieur und dem Bauherrn kein Rechtsverhältnis besteht und jener seine Gebühren nur gegenüber der Bauaufsichtsbehörde geltend machen kann. Zugleich wird der Behörde die Möglichkeit eröffnet, die der Ermittlung des Rohbauwertes zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen zu überprüfen. Insoweit ergänzt § 2 Abs. 3 BauGO die Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung über Bauvorlagen und die Einrichtung von automatisierten Abrufverfahren für Aufgaben der Bauaufsichtsbehörden – BauVorlVO – vom 7. November 2012 (Nds. GVBl. 2012, S. 419), wonach der Bauherr in seiner Baubeschreibung u.a. die anrechenbaren Rohbauwerte anzugeben hat, soweit dies zur Beurteilung der Baumaßnahme oder der baulichen Anlage erforderlich ist, und damit seinerseits der Baubehörde einen ersten Anhaltpunkt für die Ermittlung des Rohbauwertes geben muss.

Enthält § 2 Abs. 3 BauGO mithin keine Sonderregelung, so bestimmt sich der Rohbauwert auch für den Vergütungsanspruch des Prüfingenieurs nach § 3 BauGO auf den § 2 Abs. 1 („nach Maßgabe dieser Verordnung und den Anlagen“) mit verweist. Der gemäß § 2 Abs. 3 BauGO mitgeteilte Rohbauwert steht dementsprechend unter dem Vorbehalt des Nachweises des Rohbauwertes durch den Bauherrn gemäß § 3 Abs. 3 BauGO.

Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGO ist für ein – wie vorliegend – nicht in der Anlage 2 zur BauGO aufgeführtes Gebäude der Rohbauwert nach den Kosten zu ermitteln, die im Zeitpunkt der (Bau-)Genehmigung für alle bis zu einer Rohbauabnahme fertigzustellenden Arbeiten und Lieferungen entstehen werden. § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGO konkretisiert die bei der Ermittlung des Rohbauwertes zu berücksichtigenden Kosten. Zu diesen gehören danach insbesondere die Kosten für Erdarbeiten, Abdichtungen, Dachdeckungsarbeiten, Klempnerarbeiten, Gerüste, Baugrubensicherungen, die Baustelleneinrichtung sowie die Kosten für Bauteile, die nicht bis zu einer Rohbauabnahme fertigzustellen sind, für die jedoch ein Standsicherheitsnachweis erforderlich ist und - nach § 3 Abs. 2 Satz 5 BauGO - die auf diese Kosten entfallende Umsatzsteuer.

§ 3 Abs. 3 BauGO bestimmt, wie diese Rohbaukosten zu ermitteln sind: Nach § 3 Abs. 3 Satz 1 BauGO kann u.a. die Bauaufsichtsbehörde den Rohbauwert unter Berücksichtigung ortsüblicher Preise schätzen, wenn dieser nicht vom Bauherrn nachgewiesen ist. Darüber hinaus verlagert § 3 Abs. 3 Satz 2 BauGO den maßgeblichen Zeitpunkt für die Feststellung des Rohbauwertes nach hinten, indem er dem Bauherrn die Möglichkeit eröffnet, den Nachweis noch bis zum Zeitpunkt der Bestandskraft seines Gebührenbescheides zu erbringen. § 3 Abs. 3 Satz 1 BauGO enthält damit eine Privilegierung des Bauherrn eines nicht in der Anlage 2 zur BauGO aufgeführten Gebäudes gegenüber Bauherren eines dort genannten Gebäudes. Ihm wird die Wahlmöglichkeit eingeräumt, den Rohbauwert nachzuweisen oder einen auf einer Schätzung des Rohbauwertes beruhenden „Gebühren“bescheid bestandskräftig werden zu lassen. Letzteres wird er in aller Regel dann tun, wenn die tatsächlichen Kosten höher sind als die geschätzten.

Dass diese Privilegierung auf den Fall beschränkt sein soll, dass Baugebühren, nicht aber Auslagen geltend gemacht werden, lässt sich § 3 Abs. 3 BauGO nicht entnehmen. Zwar stellt § 3 Abs. 3 Satz 2 BauGO seinem Wortlaut nach auf die Unanfechtbarkeit des „Gebühren“bescheides ab, während § 1 BauGO zwischen Gebühren einerseits und Auslagen andererseits unterscheidet. Die Interessenlage ist aber in beiden Fällen vergleichbar. Prüfingenieure werden im Aufgabenbereich der Bauaufsichtsbehörde tätig. Weil diese kein eigenes Personal hat, um die von Amts wegen gebotene Prüfung der Statik vorzunehmen, ist sie berechtigt, diese Aufgabe an bestimmte öffentlich bestellte Prüfingenieure zu vergeben. Diese handeln dementsprechend als „verlängerter Arm“ und uneingeschränkt im Pflichtenkreis der Bauaufsichtsbehörde als Träger öffentlicher Verwaltung. Die im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit in Rechnung gestellten Beträge sind Aufwendungen, welche unmittelbar bei Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe entstanden sind (OVG Lüneburg, Beschl. v. 15.4.2008 - 1 ME 17/08 -, NVwZ-RR 2008, 752 = KKZ 2010, 236 = juris Rdnr. 12). Dies rechtfertigt es, die Kosten des Prüfingenieurs den Gebühren gleichzustellen.

Der Nachweis des Rohbauwertes i.S. von § 3 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. BauGO knüpft an feststehende Kosten an. § 3 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. BauGO bezweckt nämlich nicht, dem Bauherrn eine Schätzungsprärogative hinsichtlich seiner Rohbaukosten einzuräumen. Dies stände nicht nur im Widerspruch zur Funktion eines Nachweises, die überprüfbare Richtigkeit einer (behaupteten) Tatsache zu belegen, sondern dem steht auch § 3 Abs. 3 Satz 2 BauGO entgegen. Dieser wäre nämlich im Hinblick auf die Vorschrift des § 9 Abs. 1 Satz 2 BauVorlVO andernfalls überflüssig, nach der der Bauherr den von ihm geschätzten Rohbauwert bereits in seiner Baubeschreibung anzugeben hat. Nachzuweisen sind die Kosten, die im Zeitpunkt der Genehmigung bis zu einer Rohbauabnahme entstehen werden. Unbeachtlich ist danach, ob die Kosten – etwa infolge von späteren Änderungen in der Planung – tatsächlich entstanden sind. Bezogen auf den vorliegenden Fall ist Bezugspunkt für den zu erbringenden Nachweis danach die Genehmigungslage im Zeitpunkt der Beauftragung des Prüfingenieurs M..

Die Klägerin hat jedoch den Rohbauwert nicht nachgewiesen. Die von der Klägerin vorgelegten Zahlungspläne genügen den Anforderungen an einen Nachweis nicht. Gleichwohl ist der Bescheid der Beklagten in der angegriffenen Höhe aufzuheben, da die von ihr vorgenommene Schätzung der gerichtlichen Überprüfung nicht standhält.

Entgegen der Annahme der Beklagten und des Verwaltungsgerichts bedarf es für den zu erbringenden Nachweis zwar nicht zwingend einer Aufstellung, die nach Lieferungen und Leistungen aufgeschlüsselt ist. Ausreichend und zugleich erforderlich ist vielmehr, dass sich den vorgelegten Unterlagen entnehmen lässt, dass es sich bei den nachgewiesenen Kosten um alle nach § 3 Abs. 2 Satz 2 BauGO für die Ermittlung des Rohbauwertes zu berücksichtigenden Kosten handelt. Als Nachweis kann grundsätzlich auch das Angebot eines (potentiellen) Auftragnehmers genügen, diese Leistungen zu einem Festpreis zu erbringen, da dieser gemäß § 145 BGB zunächst (vgl. § 147 Abs. 2, § 148 BGB) an seinen Antrag gebunden und das Angebot daher im Grundsatz geeignet ist, nachzuweisen, dass das Vorhaben zu dem darin angegebenen Preis errichtet werden kann.

Dennoch ist das Angebot der J. GmbH vom 25. April 2014, dem der Zahlungsplan vom selben Tage beigefügt war, nicht geeignet, den Rohbauwert nachzuweisen. Zwar ist der Klägerin zuzugeben, dass die in dem Zahlungsplan aufgeführten Beträge nach dem jeweiligen Baufortschritt zu zahlen sind. Dadurch kommt es aber nicht zu einer – wie die Klägerin meint – „Aufteilung des gesamten Werklohnes auf die einzelnen dem Rohbauwert entsprechenden Gewerke“. Denn im Falle der Funktionalausschreibung ist gerade nicht die Vergütung für die einzelnen Teile des Werkes i.S. von § 641 Abs. 1 Satz 2 BGB bestimmt. Der Zahlungsplan stellt lediglich eine vorläufige Anzahlung auf die Vergütung des Gesamtwerks dar (zur Abgrenzung vgl. Busche in: MüKo zum BGB, 6. Aufl., § 632a, Rdnr. 3). Sinn und Zweck der Abschlagszahlung ist es, den an sich zur Vorleistung verpflichteten und zur Vorfinanzierung gezwungenen Unternehmer wirtschaftlich zu entlasten (Busche in: MüKo zum BGB, 6. Aufl., § 632a, Rdnr. 1). Die Abschlagszahlungen haben sich danach zwar grundsätzlich an dem mit dem Baufortschritt verbundenen Wertzuwachs zu orientieren (vgl. § 632a Abs. 1 Satz 1 BGB, § 16 Abs. 1 Nr. 1 VOB/B, Pause, BauR 2009, S. 898). Im Falle einer Pauschalpreisvereinbarung können die Vertragsparteien aber durch Zahlungspläne eine hiervon abweichende Vereinbarung treffen. Dies entspricht dem Zweck von Zahlungsplänen, da es mitunter erhebliche Schwierigkeiten bereiten kann, im Falle der Vereinbarung eines Pauschalpreises den Wertzuwachs zu ermitteln (Pause, BauR 2009, S. 900 f.).

Dass Abschlagszahlungen und nicht eine Teilvergütung vereinbart wurden, folgt vorliegend aus § 13.2 Satz 1 des von der Klägerin vorgelegten Generalübernehmervertrages, wonach „Abschlagsrechnungen“ leistungsbezogen maximal einmal monatlich gestellt werden können, und aus der in § 4.2 getroffenen Pauschalfestpreisvereinbarung. Dem Zahlungsplan lässt sich daher nichts zum Rohbauwert entnehmen. Die Klägerin hat in ihrer Klagebegründung im erstinstanzlichen Verfahren selbst zutreffend ausgeführt, dass der Pauschalpreis – und damit auch die in dem Zahlungsplan aufgeführten Beträge – auf der Grundlage einer internen Kalkulation der Mengen, Massen und Personalkosten der J. GmbH beruhe, die ihr nicht bekannt sei. Es kommt nicht darauf an, ob die sich aus dem Zahlungsplan ergebenden Kosten als Rohbaukosten plausibel sind. Der Bauherr hat es selbst in der Hand, durch die Ausgestaltung seiner Ausschreibungsunterlagen sicherzustellen, dass er den Nachweis seiner Rohbaukosten erbringen kann. Unterlässt er dies und vergibt sein Vorhaben im Wege der sog. Funktionalausschreibung, ohne gesondert einen Festpreis für die nach § 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 BauGO bis zur Rohbauabnahme fertigzustellenden Arbeiten und Lieferungen zu vereinbaren, hat er es hinzunehmen, dass der Rohbauwert von der Bauaufsichtsbehörde geschätzt wird.

Liegt danach kein geeigneter Nachweis über den Rohbauwert vor, war die Beklagte nach § 3 Abs. 3 Satz 1 BauGO verpflichtet, diesen zu schätzen. Allerdings hält auch die von der Beklagten vorgenommene Schätzung einer gerichtlichen Überprüfung nicht stand.

Die Schätzung ist – wovon das Verwaltungsgericht zutreffend ausgegangen ist – eine besondere Art der Tatsachenfeststellung, die lediglich einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung unterliegt (BVerwG, Urt. v. 18.3.2004 - 3 C 23.03 -, NVwZ 2004, 991 = juris Rdnr. 35 ff.). Die Schätzung ist dabei nicht der Ermessensausübung, sondern der Tatsachenfeststellung zuzurechnen, so dass das Gericht überprüft, ob die Schätzung von einer plausiblen Tatsachengrundlage getragen ist (vgl. Bay. VGH, Urt. v. 7.10.2013 - 4 B 13.209 -, NVwZ-RR 2014, 243 [BVerwG 10.10.2013 - BVerwG 5 C 32.12] = KStZ 2014, 53 = juris Rdnr. 25) und die äußeren Grenzen des der Behörde eingeräumten Schätzungsspielraumes nicht überschritten wurden (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 6.2.1987 - 14 S 1928/85 -, KStZ 1987, 196; OVG Münster, Urt. v. 17.12.1969 - II A 784/67 -, OVGE 25, 198).

Die Schätzung der Beklagten überschreitet die äußeren Grenzen des ihr eingeräumten Schätzungsspielraums. Die Bauaufsichtsbehörde hat bei der von ihr vorzunehmenden Schätzung alle ihr bekannten Tatsachen zu berücksichtigen. Hat der Bauherr – wie vorliegend – bereits im Zeitpunkt der Schätzung zwar nicht den Rohbauwert, aber mit einer vorgelegten Pauschalpreisvereinbarung die Herstellungskosten nachgewiesen, ist eine Schätzung fehlerhaft, wenn der geschätzte Rohbauwert über diesen Gesamtbaukosten liegt und die Bauaufsichtsbehörde keine Anhaltspunkte für die Annahme namhaft macht/machen kann, es sei dem Bauherrn gelungen, das Gesamtbauwerk für ein Entgelt errichten zu lassen, für das ortsüblicherweise nicht einmal der Rohbau hergestellt werden kann. Solche Anhaltspunkte sind weder in den Bescheiden noch in der mündlichen Verhandlung zutage getreten. Sie wären aber ungeachtet des Umstandes erforderlich, dass – wovon die Beklagte und das der Schätzung zugrunde gelegte Sachverständigengutachten ausgegangen sind – Erkenntnisse über die ortsüblichen Preise nicht vorlagen.

Der angegriffene Bescheid der Beklagten ist nur in der angefochtenen Höhe aufzuheben; der Senat ist gemäß § 88 VwGO an die Fassung des klägerischen Antrages gebunden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.