Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 13.05.2011, Az.: 13 LA 176/10
In den Iran zurückkehrenden Asylbewerbern droht weiterhin keine politische Verfolgung alleine wegen der Asylantragstellung und des Aufenthalts in Deutschland
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 13.05.2011
- Aktenzeichen
- 13 LA 176/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 15825
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2011:0513.13LA176.10.0A
Rechtsgrundlagen
- § 78 AsylVfG
- § 138 VwGO
Fundstelle
- AUAS 2011, 174-176
Amtlicher Leitsatz
In den Iran zurückkehrenden Asylbewerbern droht weiterhin keine politische Verfolgung alleine wegen der Asylantragstellung und des Aufenthalts in Deutschland.
Tenor:
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Gründe
Nach § 78 Abs. 3 AsylVfG ist in asylrechtlichen Streitigkeiten die Berufung nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, das Urteil von einer Entscheidung der in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG aufgeführten Gerichte abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein in § 138 VwGO bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt. Nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG sind in dem Zulassungsantrag die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Darlegung erfordert qualifizierte, ins Einzelne gehende, fallbezogene und aus sich heraus verständliche, auf den jeweiligen Zulassungsgrund bezogene und geordnete Ausführungen, die sich mit der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage einer eigenständigen Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffes auseinandersetzen.
Der seitens des Klägers geltend gemachte Berufungszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) wird nicht in einer den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG genügenden Weise dargelegt bzw. liegt nicht vor. Eine Rechtssache ist nur dann grundsätzlich bedeutsam, wenn sie eine höchstrichterlich oder obergerichtlich bislang noch nicht beantwortete Frage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die im Rechtsmittelverfahren entscheidungserheblich wäre und die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts einer fallübergreifenden Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache ist nur dann im Sinne des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG dargelegt, wenn eine derartige Frage konkret bezeichnet und darüber hinaus erläutert worden ist, warum die Frage im angestrebten Berufungsverfahren entscheidungserheblich und klärungsbedürftig wäre und aus welchen Gründen ihre Beantwortung über den konkreten Einzelfall hinaus dazu beitrüge, die Rechtsfortbildung zu fördern oder die Rechtseinheit zu wahren.
Der Kläger bezeichnet zunächst die Frage als grundsätzlich klärungsbedürftig, "ob die am 09.09.2008 verabschiedete Straffrechtsnovelle dazu führen könnte, dass in den Iran abgeschobene Asylbewerber unter dem Vorwand, sich aufgrund ihrer westlichen Lebensart abgewandt und sich sog. "neuen Ideen" zugewandt zu haben, mit staatlichen Maßnahmen zu rechnen hätten, die die asylrelevante Schwelle überschreiten". Diese Frage unterstellt in ihrer Allgemeinheit, dass jedem in den Iran abgeschobenen Asylbewerber allein aufgrund seines Aufenthalts im westlichen Ausland als Asylbewerber asylrelevante Maßnahmen drohen. Die Frage verleiht der Rechtssache der Kläger jedoch keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie in der obergerichtlichen Rechtsprechung bereits geklärt ist. Der 5. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts hat in seinem Urteil vom 27. April 2006 - 5 LB 106/02 - ausgeführt, dass die Stellung eines Asylantrags in der Bundesrepublik Deutschland die Annahme, der Antragsteller werde bei einer Rückkehr in den Iran mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politischer Verfolgung ausgesetzt sein, nicht rechtfertige. Diese Rechtsprechung ist vom 4. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts fortgeführt worden (vgl. Beschl. v. 25. Mai 2007 - 4 LA 20/07 -).und steht in Übereinstimmung mit der Beurteilung durch die übrigen Obergerichte, die sich mit dieser Frage befasst haben (vgl. nur OVG des Saarlandes, Beschl. v. 6. Dezember 2010 - 3 A 4/10 - m.w.N.). Die Ausführungen des Klägers bieten auch keinen Anlass dazu, diese Einschätzung einer erneuten Überprüfung in einem Berufungsverfahren zu unterziehen. Der Kläger hat keinerlei konkrete Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass Asylbewerber aufgrund der nach den Präsidentschaftswahlen vom 12. Juni 2009 zu verzeichnenden innenpolitischen Auseinandersetzungen abweichend von der bisherigen Vorgehensweise der iranischen Sicherheitskräfte nunmehr allein aufgrund der Asylantragstellung und ihres Aufenthalts im westlichen Ausland mit asylrelevanten Verfolgungsmaßnahmen rechnen müssten. Insbesondere hat er keinerlei Tatsachen benannt, die den Schluss rechtfertigten, dass zurückgekehrte Asylbewerber generell einer Anhängerschaft zur politischen Opposition verdächtigt würden und aus diesem Grunde Repressalien zu befürchten hätten. Der Kläger trägt im Zulassungsverfahren auch keine konkreten Gesichtpunkte vor, die iranische Stellen dazu veranlassen könnten, ihn der politischen Oppositionsbewegung zuzurechnen. Darüber hinaus lassen sich den dem Senat vorliegenden Erkenntnisquellen aus jüngerer Zeit keine Anzeichen dafür entnehmen, dass sich infolge der innenpolitischen Entwicklung im Iran seit den Präsidentschaftswahlen die Situation für zurückkehrende Asylbewerber verschlechtert hätte. Aus dem jüngsten Bericht des Auswärtigen Amtes vom 27. Februar 2011 über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran (Stand: Januar 2011) geht vielmehr hervor, dass allein der Umstand, dass eine Person in Deutschland einen Asylantrag gestellt habe, weiterhin keine staatlichen Repressionen nach der Rückkehr in den Iran auslöst. Bei der Rückkehr könne es in Einzelfällen zu einer Befragung durch die Sicherheitsbehörden über den Auslandsaufenthalt kommen, besonders zu Kontakten während dieser Zeit. Die Befragung gehe in Ausnahmefällen mit einer ein- bis zweitägigen Inhaftierung einher. Keiner westlichen Botschaft sei bisher ein Fall bekannt geworden, in dem Zurückgeführte darüber hinaus staatlichen Repressalien ausgesetzt gewesen seien. Es sei auch kein Fall bekannt geworden, in dem der zurückgeführte im Rahmen der Befragung psychisch oder physisch gefoltert worden sei. Es gebe derzeit keine Hinweise auf eine Veränderung dieser Praxis. Diese Einschätzung hat sich durch die Unruhen im Anschluss an die Präsidentenwahlen vom 12. Juni 2009 nicht verändert (so ausdrücklich Lagebericht des a.A. v. 19. November 2009 (Stand: Oktober 2009)).
Der Kläger bezeichnet weiterhin die Frage als grundsätzlich klärungsbedürftig, "ob Personen, die sich wie die Klägerin vom Islam losgesagt haben und zu einem anderen Glauben übergetreten sind, wegen der Verschärfung des iranischen Strafrechts bei einer Rückkehr in den Iran zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mit einer besonders scharfen Vorgehensweise der Sicherheitsorgane, die den Hardlinern zuzurechnen sind, zu rechnen hätten". Diese Frage war für das Verwaltungsgericht jedoch nicht entscheidungserheblich. Es ist unter eingehender Würdigung der Umstände des vorliegenden Falles zu der Auffassung gelangt, dass beim Kläger kein von einer ernsthaften und dauerhaften Glaubensüberzeugung getragener Glaubenswechsel, sondern ein von Opportunitätserwägungen motiviertes Verhalten vorliegt. An diese nicht mit Zulassungsgründen angegriffene Feststellung ist der Senat im Zulassungsverfahren gebunden. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechts- oder Tatsachenfrage kann nur dann zur Zulassung der Berufung führen, wenn die Frage, so wie sie mit dem Antrag aufgeworfen wird, für das angefochtene Urteil entscheidungserheblich gewesen ist (vgl. Berlit in GK, AsylVfG, § 78, Rdnr. 153, Loseblatt, Stand April 1998; Marx, a.a.O., § 78, Rdnr. 150; jew. m.w.N.). Vor diesem Hintergrund kommt es auf die Beantwortung der vom Kläger aufgeworfenen Grundsatzfrage nicht an, da es mangels ernsthaften Glaubenswechsels bereits an dem von der Frage vorausgesetzten Anknüpfungspunkt für Verfolgungsmaßnahmen iranischer Stellen fehlt (vgl. bereits Beschl. d. Senats v. 2. September 2010 - 13 LA 179/09 -).
Auch die neuerliche Taufe des Klägers vom 28. November 2010 ist nicht geeignet, die Zulassung der Berufung unter dem Gesichtspunkt grundsätzlicher Bedeutung herbeizuführen. Die Einführung neu eingetretener Tatsachen oder neuer Beweismittel in das Zulassungsverfahren kommt nur dann in Betracht, wenn im Hinblick auf diese Tatsachen und Beweismittel zugleich die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung erfüllt sind. Dazu gehört insbesondere auch die Geltendmachung innerhalb der Berufungsbegründungsfrist. Betreffen die geltend gemachten neuen Tatsachen oder Beweismittel nicht die allgemeine Situation, sondern lediglich Umstände des konkreten Einzelfalls, ist der Antragsteller auf den Asylfolgeantrag zu verweisen (vgl. Berlit, a.a.O., Rdnr. 144, Marx, a.a.O., Rdnr. 123 ff.; jew. m.w.N.). Die erneute Taufe des Klägers, mit dem dieser offenkundig die Ernsthaftigkeit seines Glaubenswechsels zu unterstreichen sucht, kann unter Berücksichtigung dieser Grundsätze im Zulassungsverfahren keine Beachtung finden, da sie lediglich den konkreten Einzelfall betrifft und zudem außerhalb der Berufungsbegründungsfrist des § 78 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG erfolgt und vorgetragen worden ist.