Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 12.05.2011, Az.: 12 LC 143/09

Zulässigkeit einer Anfechtungsklage betroffener Verkehrsteilnehmer gegen die in einem Luftreinhalteplan und Aktionsplan beschlossene Maßnahme der Einrichtung einer Umweltzone; Zuständigkeit für das Aufstellen von Luftreinhalteplänen und Aktionsplänen; Auswirkungen des Unterlassens einer Öffentlichkeitsbeteiligung im Verfahren zur Aufstellung bzw. Änderung von Luftreinhalteplänen; Ergänzung der allgemeinen straßenverkehrsrechtlichen Bestimmungen durch die in der 35. BImSchV geregelten Ausnahmen von den Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
12.05.2011
Aktenzeichen
12 LC 143/09
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2011, 20859
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2011:0512.12LC143.09.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BVerwG - 11.07.2012 - AZ: BVerwG 3 B 79.11

Fundstelle

  • zfs 2011, 654-655

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Die in einem Luftreinhalte- und Aktionsplan beschlossene Maßnahme der Einrichtung einer Umweltzone kann Gegenstand einer Anfechtungsklage betroffener Verkehrsteilnehmer sein. Der Luftreinhalte- und Aktionsplan unterliegt in dem Klageverfahren einer Inzidentkontrolle.

  2. 2.

    Eine abweichende Bestimmung der Zuständigkeit für das Aufstellen von Luftreinhalteplänen und Aktionsplänen durch die oberste Landesbehörde im Sinne des § 1 Abs. 5 Satz 3 der niedersächsischen ZustVO-Umwelt-Arbeitsschutz setzt eine dahingehende förmliche Verfügung nicht voraus. Für den Übergang der Zuständigkeit kann es ausreichend sein, dass die oberste Landesbehörde klar zum Ausdruck bringt, dass das Aufstellungsverfahren von der nunmehr zuständigen Stelle zu Ende geführt werden soll und die Verfahrensunterlagen an diese Stelle zur Weiterbearbeitung abgegeben werden.

  3. 3.

    Das Unterlassen einer Öffentlichkeitsbeteiligung entsprechend § 47 Abs. 5a BImSchG ist nach § 67 Abs. 10 BImSchG in Verfahren zur Aufstellung oder Änderung von Luftreinhalteplänen unschädlich, die nach dem 25. Juni 2005 eingeleitet worden sind (hier Einzelfall einer Einleitung vor dem Stichtag).

  4. 4.

    Bei einer Klage gegen Verkehrszeichen, die einen Dauerverwaltungsakt darstellen, ist regelmäßig auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen. Hingegen kann angesichts des prognostischen Charakters eines Luftreinhalteplans dieser nur eingeschränkt und anhand der Erkenntnisse beurteilt werden, die der Behörde im Zeitpunkt ihres Beschlusses bekannt waren oder bei ordnungsgemäßer Aufklärung des Sachverhalts zumindest hätten bekannt sein müssen.

  5. 5.

    Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 BImSchG vor, so ist die zuständige Behörde verpflichtet, einen Luftreinhalteplan aufzustellen und darin Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen - hier in der Gestalt von NO2-Immissionen - festzulegen. Ein Ermessen steht der Behörde insoweit nicht zu.

  6. 6.

    Die Regelung in § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG eröffnet der Straßenverkehrsbehörde auf der Vollzugsebene kein Ermessen, vielmehr ist die Behörde an die in einem Plan nach § 47 Abs. 1 oder 2 BImSchG vorgesehenen Maßnahmen strikt gebunden.

  7. 7.

    Die in der 35. BImSchV geregelten Ausnahmen von den Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG ergänzen die allgemeinen straßenverkehrsrechtlichen Bestimmungen - hier zur Verkehrsregelung durch Verkehrszeichen - einschließlich der Ausnahmevorschriften und sind diesen gegenüber als speziellere Regelung vorrangig.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die im innerstädtischen Bereich der Beklagten durch verkehrsbehördliche Anordnung errichtete Umweltzone. Diese ist Kernmaßnahme des vom Rat der Beklagten am 12. Juli 2007 beschlossenen Luftreinhalte-Aktionsplans Hannover (LRAP).

2

Die Umweltzone umfasst einen Großteil der innerstädtischen Straßenzüge in der Landeshauptstadt und wird begrenzt durch die Straßen Messeschnellweg, Südschnellweg, Frankfurter Allee, Friedrich-Ebert-Straße, Göttinger Straße, Westschnellweg, Herrenhäuser Straße, Schaumburger Straße, Haltenhoffstraße, Burgweg, Rehagen, Sorststraße, Voltmerstraße, Erlenweg, Mittellandkanal, Vahrenwalder Straße, Sahlkamp, Eulenkamp und Klingerstraße. Beginn und Ende der Umweltzone werden jeweils durch die Verkehrszeichen 270.1 und 270.2 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO bestimmt. In der Umweltzone gelten Fahrverbote für Kraftfahrzeuge mit erhöhten Schadstoffemissionen. Die Fahrverbote wurden in drei Stufen eingeführt und durch Anbringen entsprechender Zusatzzeichen zum Verkehrszeichen 270.1 im Verkehrsraum kenntlich gemacht. Seit dem 1. Januar 2008 dürfen grundsätzlich Kraftfahrzeuge der Schadstoffgruppe 1 nach § 6 Abs. 3 Nr. 1 der 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung zur Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung - 35. BImSchV), d.h. Dieselfahrzeuge schlechter EURO-2/II und Benziner ohne G-Kat (ohne Plakette) nicht mehr in der Umweltzone am Verkehr teilnehmen, ab dem 1. Januar 2009 auch Kraftfahrzeuge der Schadstoffgruppe 2 (Dieselfahrzeuge schlechter EURO 3/III, rote Plakette) und ab dem 1. Januar 2010 zudem Kraftfahrzeuge der Schadstoffgruppe 3 (Dieselfahrzeuge schlechter EURO 4/IV und Benzinfahrzeuge mit max. gelber Plakette). Neben den Ausnahmen nach Anhang 3 der 35. BImSchV sieht der Luftreinhalte-Aktionsplan weitere Ausnahmen von den Fahrverboten u.a. für Benzinfahrzeuge mit G-Kat (US-Norm), Bewohner innerhalb der Umweltzone, gewerblich genutzte und in der Umweltzone stationierte Fahrzeuge sowie den Anlieferverkehr vor.

3

Das Aufstellungsverfahren für den Luftreinhalte-Aktionsplan lässt sich wie folgt beschreiben: Mit Schreiben vom 14. Mai 2004 wandte sich das Niedersächsische Umweltministerium (im Folgenden: MU), welches seinerzeit zuständige Behörde im Sinne des § 47 Abs. 1 und 2 BImSchG in der damals geltenden Fassung war, wegen der Luftschadstoffbelastungen in der Landeshauptstadt an die Beklagte und wies auf die Notwendigkeit hin, einen Luftreinhalteplan aufzustellen. An den vom Lufthygienischen Überwachungssystem Niedersachen (LÜN) installierten Messstationen in der Göttinger Straße seien im Jahr 2003 die für Partikel (PM10) und Stickstoffdioxid (NO2) geltenden Immissionsgrenzwerte bzw. - PM10 betreffend - die zulässige Überschreitungshäufigkeit des Tagesmittelwerts nicht eingehalten worden. Nach Erkenntnissen des (früheren) Niedersächsischen Landesamts für Ökologie, welche in dem 1. Materialband für Maßnahmepläne nach der EU-Richtlinie zur Luftqualität in der Göttinger Straße niedergelegt worden seien, sei der Straßenverkehr einer der Hauptverursacher für die Belastung mit Luftschadstoffen in dieser Straße. Nach weiteren Erörterungen der Problematik mit der Beklagten erstellte das MU einen (ersten) Entwurf eines kombinierten Luftreinhalte- und Aktionsplans Hannover, Göttinger Straße (Stand: 4.1.2005), in dem als Plangebiet das Stadtgebiet der Beklagten und als betroffenes Gebiet ein etwa 200 m langer Abschnitt der Göttinger Straße angegeben wurde. Der Entwurf sah ein zweistufiges Maßnahmenpaket zur Verminderung der PM10- und NO2-Belastungen in der Göttinger Straße vor (erste Stufe: Änderung der Wegweisung für den Lkw-Verkehr zu Gewerbe-/Industriegebieten mit dem Ziel der Entlastung der Göttinger Straße, Umleitung des Transitverkehrs zur Reduzierung der Verkehrsdichte, nähere Untersuchung der Effekte einer Nassreinigung der Straße; zweite Stufe: Sperrung eines Teils der Göttinger Straße für den Lkw-Verkehr mit einem zulässigen Gesamtgewicht über 3,5 to ab einer bestimmten Belastungssituation). Unter dem 5. Januar 2005 wurde der Entwurf unter anderem einzelnen Interessenverbänden sowie der Beklagten und der Region Hannover zugeleitet und es wurde ihnen die Möglichkeit eingeräumt, Anregungen und Bedenken bis zum 18. Februar 2005 vorzubringen. Zugleich wurde der Entwurf im Internet veröffentlicht und durch Presseerklärung des MU vom 10. Januar 2005 der Öffentlichkeit vorgestellt.

4

Mit Schreiben vom 10. Januar 2005 sowie weiteren nachfolgenden Schreiben wandte die Beklagte sich ausdrücklich gegen die vorgesehene Maßnahme der Sperrung der Göttinger Straße, die sie für unverhältnismäßig und mit Blick auf den dadurch verursachten Ausweichverkehr für ökologisch kontraproduktiv hielt. Andere Maßnahmen erachtete sie zunächst für sinnvoll oder - die Nassreinigung der Göttinger Straße betreffend - jedenfalls für überprüfenswert. In ihrem Schreiben vom 31. März 2005 brachte die Beklagte zugleich zum Ausdruck, dass der Luftreinhalte- und Aktionsplan für die Göttinger Straße nur ein "Vorgeplänkel" für einen vom Land noch aufzustellenden Luftreinhalte- und Aktionsplan für das übrige Stadtgebiet sein könne. In der Folgezeit wurde das weitere Vorgehen in dieser Angelegenheit zwischen dem MU und der Beklagten abgesprochen. In einer gemeinsamen Presseinformation vom 25. April 2005 im Anschluss an einen Gesprächstermin am 22. April 2005 hieß es, dass die Beklagte am 17. Mai 2005 betroffene Interessenverbände zu deren Vorschlägen zu weiteren lokalen Maßnahmen anhören werde und dass das MU voraussichtlich bis Ende Mai 2005 die Straßen und Gebiete rechnerisch identifizieren werde, für die weitere Luftreinhaltepläne in Hannover erstellt werden müssten. Anschließend werde gemeinsam von Stadt und Land ein Entwurf eines entsprechenden Luftreinhalte- und Aktionsplans erarbeitet.

5

Der (zweite) Entwurf eines Luftreinhalte-Aktionsplans Hannover des MU vom 30. Juni 2006, welcher in entsprechender Weise dem zuvor beschriebenen Beteiligungsverfahren zugeführt wurde, sah nunmehr abweichend von dem Vorentwurf die Einrichtung einer Umweltzone für den Innenstadtbereich der Landeshauptstadt bei gleichzeitigem Wegfall der Maßnahme "Sperrung der Göttinger Straße" vor.

6

Mit Schreiben vom 1. März 2007 bat die Beklagte das MU um Information darüber, wann mit der Vorlage eines auf der Basis der inzwischen eingegangenen Einwendungen überarbeiteten Entwurfs zu rechnen sei oder ob die Vorlage unterbleibe. Das MU teilte der Beklagten daraufhin mit Erlass vom 14. März 2007 mit, dass nach der von der Landesregierung beschlossenen Änderung der Verordnung über Zuständigkeiten auf den Gebieten des Arbeitsschutz-, Immissionsschutz-, Sprengstoff-, Gentechnik- und Strahlenschutzrechts sowie in anderen Rechtsgebieten (ZustVO-Umwelt-Arbeitsschutz) die Zuständigkeit für die Aufstellung von Luftreinhalte- und Aktionsplänen auf die Kommunen übertragen werde (vgl. insoweit die nachfolgende ÄnderungsVO v. 23.3.2007, Nds. GVBl S. 125). Zur Verlagerung der Zuständigkeit sei anzumerken, dass nach bundesweiten Erfahrungen bei der Aufstellung von Luftreinhalteplänen davon auszugehen sei, dass diese in der Regel kommunale Grenzen nicht überschritten.

7

Der in der Folgezeit von der Beklagten überarbeitete (dritte) Entwurf des Luftreinhalte-Aktionsplans wurde vom Rat der Beklagten in seiner Sitzung am 12. Juli 2007 beschlossen. Der Plan wurde am 25. September 2008 im Gemeinsamen Amtsblatt für die Region Hannover und die Landeshauptstadt Hannover (S. 342) bekanntgemacht.

8

Der Kläger führt einen Betrieb für Kälte-Klima-Technik in F. in der Region Hannover. Zu seinen Betriebsfahrzeugen gehören (u.a.) vier Dieseltransporter. Drei der Transportfahrzeuge sind mit einer gelben Plakette im Sinne der 35. BImSchV gekennzeichnet, für das vierte Fahrzeug wurde eine Plakette nicht erteilt. Für drei der Fahrzeuge erteilte die Beklagte dem Kläger Ausnahmebewilligungen zum Fahren in der Umweltzone, zuletzt befristet bis zum 31. Dezember 2012.

9

Unter dem 8. Mai 2008 legte der Kläger gegen die zur Bestimmung der Umweltzone aufgestellten Verkehrszeichen 270.1 (mit Zusatzzeichen) Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. Oktober 2008 zurückwies.

10

Der Kläger hat am 21. Oktober 2008 Klage erhoben. Zur Begründung hat er geltend gemacht: Er sei aus betrieblichen Gründen auf das Befahren der Umweltzone mit seinen Transportfahrzeugen angewiesen. Eine Nachrüstung der Fahrzeuge mit Rußpartikelfiltern sei nach Auskunft des Herstellers nicht möglich. Die Anschaffung von Ersatzfahrzeugen sei mit hohen finanziellen Aufwendungen verbunden, wobei zu berücksichtigen sei, dass die Fahrzeuge mit Spezialeinrichtungen ausgestattet seien, die bei dem Erwerb von Ersatzfahrzeugen ebenfalls erneuert werden müssten. Auf die Erteilung von Ausnahmebewilligungen für das Befahren der Umweltzone könne er nicht verwiesen werden. Die Beklagte versehe die Bewilligungen mit erheblichen Einschränkungen, die für ihn nicht hinnehmbar seien. Die mit der Umweltzone verbundenen Verkehrsbeschränkungen seien rechtswidrig. Die Verkehrszeichen zur Einrichtung der Zone hätten nur auf der Grundlage eines formell und materiell rechtmäßigen Luftreinhalteplans aufgestellt werden dürfen. Die Voraussetzungen seien hier nicht gegeben. Der Luftreinhalte-Aktionsplan der Beklagten sei bereits in formeller Hinsicht zu beanstanden, weil die Beklagte für seinen Erlass nicht zuständig gewesen sei. Darüber hinaus sei zu bezweifeln, dass die nach § 47 Abs. 5a BImSchG erforderliche Öffentlichkeitsbeteiligung ordnungsgemäß durchgeführt worden sei. Der Plan sei auch materiell rechtswidrig. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 BImSchG lägen nicht vor. In Bezug auf die in dem Plan dargestellten Luftschadstoffe Stickstoffdioxid (NO2) und Partikel (PM10) seien Überschreitungen der bei Beschlussfassung geltenden Immissionsgrenzwerte einschließlich der festgelegten Toleranzmargen nach der insoweit maßgeblichen 22. BImSchV im Stadtgebiet der Landeshauptstadt nicht mehr festgestellt worden, zum Teil seien Messergebnisse auch nicht richtig ermittelt worden. Der Luftreinhalte-Aktionsplan genüge den Anforderungen nach der Anlage 6 zur 22. BImSchV nicht, zu den darin aufgeführten Punkten verhalte er sich nur teilweise. Der Plan sei insbesondere unverhältnismäßig. Durch die Einrichtung der Umweltzone könne das angestrebte Ziel, Luftverunreinigungen im Stadtgebiet zu vermindern, nicht erreicht werden, zumal andere Verursacher als der Straßenverkehr bei den Maßnahmen ausgeblendet worden seien. Die Umweltzone sei auch nicht erforderlich. Als mildere, gleich effektive Maßnahmen zur Verringerung von Luftschadstoffbelastungen kämen etwa zeitlich oder auf den Lkw- und Busverkehr beschränkte Fahrverbote in Betracht. Die Umweltzone sei in ihrer Gesamtheit unangemessen. Sie führe bei den betroffenen Verkehrsteilnehmern zu schwerwiegenden Nachteilen, die durch ein Ausweichen auf den öffentlichen Personennahverkehr oder die Inanspruchnahme von Ausnahmebewilligungen nicht ausgeglichen werden könnten.

11

Der Kläger hat beantragt,

die Verkehrszeichen 270.1, Beginn eines Verkehrsverbotes zur Verminderung schädlicher Luftverunreinigungen in einer Zone und das Zusatzzeichen zum Zeichen 270.1, Freistellung von Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG, sowie alle Verkehrszeichen im Bereich der Umweltzone der Beklagten an den im Luftreinhalte- und Aktionsplan auf S. 28 genannten Straßenzügen in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Oktober 2008 aufzuheben

und festzustellen, dass das Zusatzzeichen in der von der Beklagten zum 1. Januar 2010 angekündigten Fassung rechtswidrig ist.

12

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

13

Die Beklagte hat die angegriffenen Maßnahmen verteidigt. Überschreitungen des Immissionsgrenzwertes für Feinstaub (PM10) seien zwar nicht mehr gegeben. Dies sei aber allein auf ein geändertes Korrekturverfahren zurückzuführen. Unabhängig davon sei sie zur Aufstellung eines Luftreinhalte- und Aktionsplans verpflichtet, weil der Jahresimmissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid in den letzten Jahren in verschiedenen Straßenzügen ihres Stadtgebiets überschritten worden sei. Die NO2-Belastungen seien zu etwa 60% auf den Straßenverkehr zurückzuführen, so dass es verursachergerecht und verhältnismäßig sei, Fahrverbote nach Maßgabe der Umweltzone zu verfügen. Die von dem Kläger vorgeschlagenen Alternativen wie beispielsweise eine Verstetigung des Verkehrsflusses reichten nicht aus, um die Stickstoffdioxidimmissionen im Innenstadtbereich unter die einzuhaltenden Grenzwerte zu senken.

14

Das Verwaltungsgericht hat in der mündlichen Verhandlung am 21. April 2009 die Sachverständigen G. und Prof. Dr. H. nach Maßgabe seines Beweisbeschlusses vom 12. Februar 2009 als Gutachter angehört. Ferner hat es den Bediensteten I. vom Staatlichen Gewerbeaufsichtsamt J. gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO um Auskunft ersucht und den von der Beklagten benannten Sachverständigen Dr. K. vom Ingenieurbüro L. angehört. Mit Urteil vom selben Tage hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die gegen die angefochtenen Verkehrszeichen gerichtete Klage sei zulässig, insbesondere sei der Kläger als von den Fahrverboten der Umweltzone betroffener Verkehrsteilnehmer klagebefugt. Die Klage sei unbegründet. Rechtsgrundlage für die beanstandeten Fahrverbote sei § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG. Die Vorschrift eröffne der zuständigen Straßenverkehrsbehörde kein Ermessen, sondern sei mit Blick auf ihre Anknüpfung an einen Luftreinhalte- oder Aktionsplan nach § 47 Abs. 1 oder 2 BImSchG als eine Art Rechtsfolgenverweisung anzusehen. Da der von den Fahrverboten betroffene Bürger sich nicht unmittelbar gegen einen Luftreinhalte- oder Aktionsplan wenden könne, weil dieser ihm gegenüber keine Außenwirkung entfalte, gebiete es Art. 19 Abs. 4 GG, dass der Luftreinhalte-Aktionsplan der Beklagten vorliegend einer Inzidentkontrolle unterzogen werde. Der Plan sei entgegen dem Vortrag des Klägers rechtlich nicht zu beanstanden. Er genüge den formellen Anforderungen in jeder Hinsicht. Die Zuständigkeit für die Aufstellung von Luftreinhalte- und Aktionsplänen für das Stadtgebiet der Landeshauptstadt sei nach entsprechender Änderung der ZustVO-Umwelt-Arbeitsschutz mit Wirkung ab dem 30. März 2007 vom MU auf die Beklagte übergegangen. § 1 Abs. 5 Satz 1 dieser Verordnung bestimme zwar, dass die bisher zuständigen Stellen die bei ihnen anhängigen Verfahren zu Ende führen. Allerdings habe das MU von der Befugnis nach Satz 3 Gebrauch gemacht, abweichend von Satz 1 zu bestimmen, dass das anhängige Verfahren von der nunmehr zuständigen Stelle - hier der Beklagten - zu Ende geführt werde. Die Bestimmung des MU ergebe sich sinngemäß aus dessen Erlass vom 14. März 2007, in welchem die Anfrage der Beklagten vom 1. März 2007 über das weitere Vorgehen in dieser Sache beantwortet worden sei. Die Öffentlichkeit sei im Aufstellungsverfahren ordnungsgemäß beteiligt worden. Die in § 47 Abs. 5a BImSchG gestellten Anforderungen an die Öffentlichkeitsbeteiligung seien hier noch nicht zu beachten gewesen, weil die Vorschrift nach der Übergangsregelung in § 67 Abs. 10 BImSchG auf Verfahren, die vor dem 25. Juni 2005 eingeleitet worden seien, noch nicht anwendbar sei. Um ein Altverfahren in diesem Sinne handele es sich hier, denn das Aufstellungsverfahren für den Luftreinhalte-Aktionsplan der Beklagten sei spätestens im Januar 2005 eingeleitet worden. Der Plan sei schließlich auch ordnungsgemäß im Gemeinsamen Amtsblatt für die Region Hannover und die Landeshauptstadt Hannover bekanntgemacht worden. Der Plan weise die in der Anlage 6 zur 22. BImSchV vorgeschriebenen Inhalte auf und arbeite die darin genannten Punkte nahezu vollständig ab. Die materiellen Voraussetzungen für die Aufstellung des Luftreinhalte- und Aktionsplans lägen vor. Zwar habe die Feinstaubbelastung der Luft im Stadtgebiet der Beklagten keinen Anlass geboten, den Plan aufzustellen. Denn die PM10 -Belastungen seien in den Jahren 2002 bis 2005 tendenziell zurückgegangen, auch wenn es noch zu Grenzwertüberschreitungen gekommen sei. Im Jahr 2006 habe die Anzahl der maßgeblichen Überschreitungstage für den Tagesmittelwert nach Ermittlungen des LÜN bei 27 von erlaubten 35 Tagen gelegen, im Jahr 2007 sei die Zahl der Überschreitungen auf 8 und 2008 auf 13 gesunken. Die Beklagte sei aber zur Aufstellung eines Luftreinhalteplans verpflichtet gewesen, weil die Grenzwerte für Stickstoffdioxid in ihrem Stadtgebiet deutlich überschritten worden seien. Ausgehend davon, dass für diesen Schadstoff nach § 3 Abs. 4 der 22. BImSchV ab dem Jahr 2010 ein gemittelter Jahresgrenzwert von 40 µg/m3 einzuhalten sei, ergebe sich für die NO2-Belastungen unter Berücksichtigung der Toleranzmargen ein Grenzwert für 2006 von 48 µg/m3 und für 2007 von 46 µg/m3. Nach den Messungen des zuständigen Gewerbeaufsichtsamts seien diese Werte in den Jahren 2002 bis 2006 stets überschritten worden und hätten zwischen 58 µg/m3 und 66 µg/m3 gelegen. Auch für 2007 und 2008 ergebe sich an der Verkehrsmessstation Göttinger Straße eine entsprechende Grenzwertüberschreitung (mit Werten von jeweils 56 µg/m3). Die Belastung mit den Luftschadstoffen sei von der zuständigen Stelle ordnungsgemäß ermittelt worden, dies habe der Vertreter des Gewerbeaufsichtsamts in der mündlichen Verhandlung anschaulich erläutert. Die im Luftreinhalte-Aktionsplan getroffene Maßnahme der Anordnung einer Umweltzone sei entsprechend dem Verursacheranteil an die Emittenten gerichtet, die zur Überschreitung des gemittelten Jahresgrenzwerts für Stickstoffdioxid beitrügen. Die NO2-Belastung werde in Innenstadtbereichen überwiegend vom Straßenverkehr verursacht. Hauptverursacher der primären NO2-Emissionen seien dabei Dieselfahrzeuge, deren Stickoxidemissionen dreimal so hoch lägen wie bei vergleichbaren Kraftfahrzeugen mit Ottomotor. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme - so die weitere ausführliche Begründung des Verwaltungsgerichts - sei entgegen dem Klagevorbringen davon auszugehen, dass die nach der 35. BImSchV gestaffelt angeordneten Fahrverbote im Sinne des § 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG geeignet seien, einen wesentlichen Beitrag zur dauerhaften Verminderung der NO2-Belastung im Stadtgebiet der Beklagten zu leisten und die Schadstoffbelastung in einigen Straßenschluchten sogar unter den europarechtlich vorgegebenen Grenzwert zu senken. Die Fahrverbote seien auch erforderlich, insbesondere stelle die von dem Kläger geltend gemachte Verstetigung des Verkehrsflusses durch miteinander vernetzte Steuerungen von Lichtsignalanlagen kein milderes Mittel dar, um die NO2-Belastung im Innenstadtbereich der Beklagten zu senken. Schließlich seien die streitigen Fahrverbote aufgrund der strikten Handlungsverpflichtung der Beklagten, für die Einhaltung der vorgegebenen Grenzwerte für Luftschadstoffe bis 2010 Sorge zu tragen, und andererseits mit Blick auf die gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die das hoch giftige Gas Stickstoffdioxid verursachen könne, nicht unverhältnismäßig, zumal der Luftreinhalte-Aktionsplan einen umfangreichen Ausnahmekatalog vorsehe, der Bagatellfälle (geringe Fahrleistung in der Umweltzone), wirtschaftliche und soziale Härtefälle, Fahrten im öffentlichen Interesse und weitere Sonderfälle privilegiere.

15

Gegen das am 18. Mai 2009 zugestellte erstinstanzliche Urteil wendet sich der Kläger mit seiner vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen und am 9. Juni 2009 eingelegten Berufung.

16

Zur Begründung seines Rechtsmittels wiederholt und vertieft der Kläger seinen bisherigen Sachvortrag. Der Luftreinhalte-Aktionsplan der Beklagten sei in formeller und materieller Hinsicht fehlerhaft. Die Beklagte sei für die Aufstellung des Plans nicht zuständig gewesen. Der Verweis des Verwaltungsgerichts auf eine Änderung der Zuständigkeitsregelungen sei so nicht richtig. Das zunächst zuständig gewesene MU sei nach § 1 Abs. 5 Satz 1 der geänderten ZustVO-Umwelt-Arbeitsschutz für das weitere Verfahren zuständig geblieben. Eine wirksame Übertragung der Zuständigkeit nach § 1 Abs. 5 Satz 3 ZustVO-Umwelt-Arbeitsschutz sei nicht erfolgt, denn entsprechende Schreiben der obersten Landesbehörde mit der Maßgabe einer Aufgabenübertragung an die Beklagte gebe es nicht. In dem Erlass des MU vom 14. März 2007 werde zwar zu einer Übertragung der Zuständigkeit Stellung genommen. Dabei sei aber wohl davon ausgegangen worden, dass ein Zuständigkeitswechsel bereits durch das Inkrafttreten der Änderung der ZustVO-Umwelt-Arbeitsschutz eintreten werde. Eine Übertragung der Zuständigkeit durch bewussten Einzelakt der obersten Landesbehörde sei jedenfalls nicht ergangen. Wie sich aus einem Schreiben des MU vom 24. März 2009 ergebe, sei sich das Ministerium über das Erfordernis, die Zuständigkeit für das Aufstellen von Luftreinhalteplänen und Aktionsplänen im Einzelfall auf die Kommunen zu übertragen, nicht bewusst gewesen und habe sich auch nicht dementsprechend verhalten. Im Übrigen sei das Schreiben vom 24. März 2009 von einem anderen Referat bzw. Sachbearbeiter des MU verfasst worden, insoweit könnten die darin enthaltenen Äußerungen nur als Vermutung dazu angesehen werden, welche Absicht das MU durch den Erlass vom 14. März 2007 verfolgt habe. Der Luftreinhalte- Aktionsplan der Beklagten leide zudem an einem Verfahrensfehler, weil die Anforderungen über die Beteiligung der Öffentlichkeit nach § 47 Abs. 5a Satz 2 und 3 BImSchG nicht beachtet worden seien. Die Übergangsvorschrift des § 67 Abs. 10 BImSchG greife nicht, weil nicht klar ersichtlich sei, dass das Verfahren vor dem 25. Juni 2005 eingeleitet worden sei. Der vor diesem Stichtag vorgelegte Entwurf eines Luftreinhalteplans habe sich lediglich auf die Göttinger Straße bezogen. Erst später, d.h. nach dem Stichtag, sei der Geltungsbereich der Zone auf den gesamten Innenstadtbereich erweitert worden. Es stelle aber verfahrensrechtlich einen erheblichen Unterschied dar, ob nur eine Straße oder ein ganzes Stadtgebiet beplant werde.

17

In materieller Hinsicht sei festzustellen, dass die streitige Umweltzone unverhältnismäßig sei. Die Zonenanordnung sei zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen im Sinne des § 47 Abs. 1 BImSchG ungeeignet. Dies gelte nicht nur für die Feinstaubbelastungen, sondern auch - entgegen dem Verwaltungsgericht - hinsichtlich der NO2-Belastungen im Stadtgebiet. Insoweit verweist der Kläger auf neuere gutachterliche Erkenntnisse. Das von der Beklagten beauftragte Büro L. habe seine Prognose, NO2-Immissionen würden bis 2010 um 30% gesenkt, auf frühere Schadstoffmessungen in der Göttinger Straße durch das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt J. gestützt. Inzwischen habe sich aber herausgestellt, dass die Prognose sich nicht bestätigt habe und die Umweltzone ungeeignet sei, das gewünschte Ziel zu erreichen oder wenigstens zu fördern. Der Einbau und die Verwendung von Oxidationskatalysatoren in Diesel-Pkw und leichten Nutzfahrzeugen ab EURO 2 (zur Verringerung von Kohlenmonoxid und Kohlenwasserstoff) führe sogar zu erhöhten NO2-Emissionen. Dies sei in der Prognose des Büros L. nicht berücksichtigt worden mit der Folge, dass die Prognose in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht in Bezug auf NO2 um 5% reduziert worden sei. Die Richtigkeit dieser Reduzierung um (lediglich) 5% werde bestritten. Das Verwaltungsgericht sei davon ausgegangen, dass ein Rückgang der NOx-Emissionen auch zu einem entsprechenden Rückgang der NO2-Emissionen führe. Diese Wirkung sei wissenschaftlich nicht bewiesen und entspreche einer im Internet veröffentlichten Argumentationshilfe des MU vom 14. Mai 2009 zu dem Thema Umweltzone und Stickstoffdioxidminderung sowie weiteren von ihm - dem Kläger - vorgelegten Stellungnahmen von Sachverständigen (Lahl/Lambrecht, Kurtenbach u.a.) nicht. Im Übrigen sei die Umweltzone nicht so umgesetzt worden wie in der Prognoseberechnung des Büros L. zugrunde gelegt. Tatsächlich bleibe sie deutlich hinter den Erwartungen zurück, wie sich auch aus einem Gutachten des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamts J. vom 19. Dezember 2008 und - Umweltzonen allgemein betreffend - einer ADAC-Untersuchung von Juni 2009 ergebe. Die angegriffene Umweltzone sei nicht erforderlich, weil eine Verschärfung der EURO-Abgasgrenzwerte eine effektivere Maßnahme darstelle und den Bürger weniger beeinträchtige. Andere Luftreinhaltepläne - etwa der Stadt M. - seien wirksamer, weil in ihnen umfassendere Kataloge für verschiedene Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität vorgesehen seien. Die Anordnung von Fahrverboten sei auch nicht angemessen, weil die Verbote mit erheblichen Nachteilen für die betroffenen Verkehrsteilnehmer verbunden seien. Die zu Buche schlagenden Kosten für Nachrüstfilter, Gebühren für Ausnahmebewilligungen sowie die Entwertung alter Fahrzeuge seien im Verhältnis zu dem ohnehin nicht gegebenen Nutzen der Umweltzone schwerwiegend. Zu berücksichtigen sei auch, dass die Richtlinie 2008/50/EG den Mitgliedstaaten die Möglichkeit einräume, die Frist für die Einhaltung des Grenzwerts für Stickstoffdioxid um fünf Jahre zu verlängern. Insoweit bestehe kein Anlass für kurzfristige und uneffektive Maßnahmen.

18

Der Kläger beanstandet weiterhin die Praxis der Beklagten im Zusammenhang mit der Zulassung von Ausnahmen von den Fahrverboten der Umweltzone. Die Ausnahmen seien anhand der aufgestellten Verkehrszeichen nicht nachvollziehbar. Aus der Rechtswidrigkeit der Ausnahmepraxis folge zugleich die Rechtswidrigkeit der Umweltzone insgesamt.

19

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts abzuändern und die Einrichtung einer Umweltzone durch Aufstellen von Verkehrszeichen 270.1 mit Zusatzzeichen in den im Luftreinhalte-Aktionsplan der Beklagten auf Seite 28 genannten Straßenzügen und den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 7. Oktober 2008 aufzuheben.

20

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

21

Die Beklagte hält die gegen den Luftreinhalte-Aktionsplan vorgebrachten Einwendungen des Klägers für unbegründet. Das Aufstellungsverfahren für den Plan sei fehlerfrei durchgeführt worden. Der Erlass des MU vom 14. März 2007 lasse keinen Zweifel daran, dass die Zuständigkeit für die Aufstellung des Plans auf sie, die Beklagte, übergehen sollte. Dies ergebe sich auch aus dem erläuternden Schreiben des MU vom 24. März 2009. Subjektive Vorstellungen einzelner Sachbearbeiter im MU über die weitere Vorgehensweise seien insoweit unerheblich. Nach der Übergangsvorschrift des § 67 Abs. 10 BImSchG sei die Öffentlichkeit hier noch nicht nach § 47 Abs. 5a BImSchG zu beteiligen gewesen. Die Übergangsbestimmung sei einschlägig, auch wenn der Luftreinhalte-Aktionsplan ursprünglich nur für die Göttinger Straße ins Auge gefasst und erst später wesentlich erweitert worden sei. Aus dem im Klageverfahren vorgelegten Erlass des MU vom 14. April 2009 ergebe sich, dass eine Erweiterung der Umweltzone auf das gesamte Stadtgebiet spätestens im April 2005 erwogen worden sei. Der Luftreinhalte-Aktionsplan sei auch materiell rechtmäßig. Die angeordnete Umweltzone sei zur Verfolgung des erstrebten Zwecks einer Verminderung der Luftschadstoffbelastungen in ihrem Stadtgebiet geeignet. Der Kläger lasse bei seiner abweichenden Betrachtung des Problems der Bildung von direktem NO2 die positive Wirkung der Senkung von NOx-Emissionen auf die Stickstoffdioxidbildung außer Acht. Die positive Wirkung werde in der von ihr vorgelegten Stellungnahme des Sachverständigen Dr. K. beschrieben. Die Verhältnismäßigkeit der streitigen Maßnahme sei gegeben. Eine vorgezogene Verschärfung der EURO-Abgasgrenzwerte sei keine Alternative und stehe ihr, der Beklagten, als Maßnahme überdies nicht zur Verfügung.

22

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie der Planunterlagen betreffend die Aufstellung des Luftreinhalte-Aktionsplans der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

23

Die statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Die gegen die streitige Umweltzone gerichtete (Anfechtungs-)Klage ist zulässig (I.), sie hat in der Sache aber keinen Erfolg (II.).

24

I.

Die zur Kenntlichmachung der Umweltzone im Stadtgebiet der Beklagten aufgestellten Verkehrszeichen 270.1 und 270.2 gemäß der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO (mit Zusatzzeichen zum Zeichen 270.1 nach lfd. Nr. 46) stellen Allgemeinverfügungen im Sinne der §§ 1 Abs. 1 Nds. VwVfG, 35 Satz 2 VwVfG dar und sind als solche anfechtbar. Der Kläger kann geltend machen, durch die mit der Einrichtung der Umweltzone verbundenen Verkehrsverbote in eigenen Rechten verletzt zu sein. Er ist von den Fahrverboten nachteilig betroffen, denn drei seiner betrieblichen Nutzfahrzeuge sind mit einer gelben, eines ist nicht mit einer Plakette gekennzeichnet. Das Befahren der Umweltzone ist dem Kläger seit dem 1. Januar 2010 mit diesen Nutzfahrzeugen grundsätzlich untersagt, d.h. er ist auf die Beantragung von entsprechenden Ausnahmebewilligungen angewiesen. Die Ausnahmebewilligungen werden indes regelmäßig mit verschiedenen Beschränkungen wie beispielsweise der Auflage, beim Befahren der Umweltzone ein Fahrtenbuch zu führen, versehen und außerdem nur befristet - hier zuletzt bis zum 31. Dezember 2012 - sowie gegen Erhebung einer Verwaltungsgebühr erteilt.

25

Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, kann das Klageziel, die durch den Luftreinhalte-Aktionsplan beschlossene Maßnahme der Einrichtung einer Umweltzone einer gerichtlichen Überprüfung zu unterziehen, nicht auf andere (und einfachere) Weise, namentlich nicht durch eine Klage gegen den nach § 47 Abs. 1 und 2 BImSchG beschlossenen Luftreinhalte-Aktionsplan erreicht werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Aktionspläne ebenso wie Luftreinhaltepläne rechtlich als Handlungspläne konzipiert, die in ihrer Rechtsnatur Verwaltungsvorschriften ähnlich sind und für Private und für Anlagenbetreiber weder Rechte noch Pflichten begründen (BVerwG, Beschl. v. 29.3.2007 - 7 C 9.06 -, BVerwGE 128, 278; ebenso OVG NRW, Beschl. v. 25.1.2011 - 8 A 2751/09 -, [...]; vgl. auch Jarass, BImSchG, 8. Aufl., § 47 Rn. 47). Die Pläne verpflichten nicht den Bürger, sondern binden nur verwaltungsintern (vgl. BT-Drs. 14/8450, S. 14). Der Luftreinhalte- Aktionsplan der Beklagten unterliegt danach lediglich einer Inzidentkontrolle in dem gegen die verkehrsbehördliche Anordnung nach § 40 Abs. 1 BImSchG geführten Klageverfahren (vgl. OVG NRW, a.a.O.; Jarass, a.a.O.; Scheidler, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Bd. 1 Teil II, § 40 BImSchG Rn. 41; Herrmann, in: GK-BImSchG, § 47 Rn. 130 ff.).

26

II.

Die Klage ist unbegründet. Die streitgegenständliche Anordnung einer Umweltzone in der Landeshauptstadt ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).

27

1.

Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG (in der bei Beschlussfassung durch die Beklagte geltenden Fassung vom 25.6.2005, BGBl. I S. 1865) beschränkt oder verbietet die zuständige Straßenverkehrsbehörde den Kraftfahrzeugverkehr nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften, soweit ein Luftreinhalte- oder Aktionsplan nach § 47 Abs. 1 oder 2 BImSchG dies vorsieht. Nach § 47 Abs. 1 BImSchG hat die zuständige Behörde, wenn die durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Abs. 1 festgelegten Immissionsgrenzwerte einschließlich festgelegter Toleranzmargen überschritten werden, einen Luftreinhalteplan aufzustellen, welcher die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen festlegt und den Anforderungen der Rechtsverordnung entspricht. Besteht die Gefahr, dass die durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Abs. 1 festgelegten Immissionsgrenzwerte oder Alarmschwellen überschritten werden, hat die zuständige Behörde nach Abs. 2 dieser Vorschrift einen Aktionsplan, der festlegt, welche Maßnahmen kurzfristig zu ergreifen sind bzw. - seit der Fassung des Gesetzes durch Änderungsgesetz vom 11. August 2010 (BGBl. I S. 1163) - einen Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen aufzustellen. Die durch das Siebte Gesetz zur Änderung desBundes-Immissionsschutzgesetzes vom 11. September 1001 (BGBl. I S. 3622) mit Wirkung ab dem 18. September 2002 grundlegend umgestalteten und durch das Achte Gesetz zur Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vom 31. Juli 2010 (BGBl. I S. 1059) nochmals ergänzten bzw. geänderten Bestimmungen in§ 47 Abs. 1 und 2 BImSchG tragen europarechtlichen Vorgaben Rechnung und dienen der Umsetzung von Art. 8 Abs. 3 und Art. 7 Abs. 3 der Richtlinie 96/62/EG des Rates vom 27. September 1996 über die Beurteilung und die Kontrolle der Luftqualität (ABl. EG Nr. L 296 S. 55) - Rahmenrichtlinie - (vgl. BT-Drs. 14/8450 S. 9), welche zusammen mit den so genannten Tochterrichtlinien in der am 11. Juni 2008 in Kraft getretenen Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. L Nr. 152 S. 1) - Luftqualitätsrichtlinie - zusammengefasst worden ist. Vorliegend hat die Beklagte einen kombinierten Luftreinhalte- und Aktionsplan im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 2 BImSchG (a.F.) beschlossen, wobei die unter Nr. 7.11 des Plans vorgesehene Umweltzone als zeitlich gestaffelte und langfristig angelegte Maßnahme an den Anforderungen der § 47 Abs. 1 BImSchG zu messen ist. Sie stellt eine nur vorübergehende Maßnahme, welche durch einen Aktionsplan im Sinne von Abs. 2 zu regeln wäre, nicht dar.

28

2.

In formeller Hinsicht bestehen gegen den Luftreinhalte-Aktionsplan keine durchgreifenden Bedenken.

29

a)

Ohne Erfolg macht der Kläger geltend, der Plan sei nicht von der zuständigen Behörde beschlossen worden. Nach der ZustVO-Umwelt- Arbeitsschutz in der bis zum 29. März 2007 geltenden Fassung war zunächst das MU für das Aufstellen von Luftreinhalteplänen und Aktionsplänen sachlich zuständig (§ 1 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Nr. 8.1.1.11 der Anlage). Durch Änderungsverordnung vom 23. März 2007 (Nds. GVBl. S. 125) wurde die Zuständigkeit geändert und auf die kommunale Ebene verlagert. Nach Nr. 8.1.1.9 der Anlage zu § 1 Abs. 1 sind für das Aufstellen der genannten Pläne nunmehr u.a. die kreisfreien Städte, zu denen die Landeshauptstadt gehört (§ 4 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Region Hannover), zuständig. Allerdings bestimmt § 1 Abs. 5 Satz 1 der ZustVO-Umwelt-Arbeitsschutz, dass im Falle einer Änderung der Zuständigkeiten nach dieser Verordnung die bisher zuständigen Stellen die bei ihnen anhängigen Verfahren zu Ende führen. Nach Satz 3 (i.d.F. der Verordnung vom 5.1.2006, Nds. GVBl. S. 2) kann die oberste Landesbehörde bestimmen, dass ein anhängiges Verfahren abweichend von Satz 1 von der nunmehr zuständigen Stelle zu Ende geführt wird. Eine derartige Bestimmung ist hier gegeben, weshalb es nicht zu beanstanden ist, dass die Beklagte das vom MU eingeleitete Aufstellungsverfahren für einen Luftreinhalte- und Aktionsplan für das Stadtgebiet Hannover übernommen und zum Abschluss gebracht hat. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, kann mit Blick auf den Erlass des MU vom 14. März 2007, welcher auf das Schreiben der Beklagten an das Ministerium vom 1. März 2007 verfügt wurde, eine abweichende Übertragung der Zuständigkeit im Sinne des § 1 Abs. 5 Satz 3 ZustVO-Umwelt-Arbeitsschutz angenommen werden. In dem Erlass wurde der Beklagten mitgeteilt, dass die Landesregierung bereits am 13. März 2007 die Verordnung zur Änderung ZustVO-Umwelt-Arbeitsschutz beschlossen habe und dass durch die Änderungsverordnung den Kommunen die Zuständigkeit für die Aufstellung von Luftreinhalteplänen und Aktionsplänen übertragen werde. Die Änderungsverordnung werde voraussichtlich am 27. März 2007 im Niedersächsischen Gesetz- und Verordnungsblatt veröffentlicht werden - tatsächlich ist dies am 29. März 2007 geschehen - und einen Tag nach ihrer Verkündung in Kraft treten. Darüber hinaus wurde in dem Erlass zu der zuvor geäußerten Kritik der Beklagten an der beabsichtigten Zuständigkeitsverlagerung Stellung genommen, d.h. die Kritik wurde für unberechtigt gehalten. Auch wenn der Erlass sich zu den Regelungen in § 1 Abs. 5 Satz 1 und 3 ZustVO-Umwelt-Arbeitsschutz nicht verhält, wurde in ihm klar zum Ausdruck gebracht, dass die Zuständigkeit in dem Verfahren auf die Beklagte übergehen sollte. Darüber bestand auch bei der Beklagten als Adressatin des Erlasses kein Zweifel. Jedenfalls als die in dieser Sache geführten Verfahrensakten und -unterlagen vom MU an sie abgegeben wurden, bestand für die Beklagte Gewissheit darüber, dass das MU das Aufstellungsverfahren selbst nicht zu Ende führen wollte und insoweit eine abweichende Bestimmung im Sinne von § 1 Abs. 5 Satz 3 ZustVO-Umwelt-Arbeitsschutz getroffen hatte. Einer weiteren (förmlichen) Verfügung mit einer ausdrücklichen Bestimmung des Zuständigkeitswechsels hat es unter diesen Umständen nicht bedurft. Entgegen dem Vortrag des Klägers führt diese Sichtweise nicht dazu, die Regelung in § 1 Abs. 5 Satz 3 ZustVO-Umwelt-Arbeitsschutz als obsolet anzusehen. Denn gäbe es die Vorschrift nicht, käme eine vom Regelfall des § 1 Abs. 5 Satz 1 der Verordnung abweichende Bestimmung von vornherein nicht in Betracht.

30

Das Verwaltungsgericht war auch nicht gehalten, zu der Auslegung des Erlasses vom 14. März 2007 bzw. zur weiteren Aufklärung der Frage, ob eine abweichende Bestimmung im Sinne von § 1 Abs. 5 Satz 3 ZustVO-Umwelt-Arbeitsschutz getroffen wurde, Beweis zu erheben. Der Erlass ist in der zuvor dargelegten Weise auslegungsfähig, ein Aufklärungsbedarf besteht insoweit nicht. Auf die Wirksamkeit der nachträglichen ("rein vorsorglichen") Zuständigkeitsübertragung durch den weiteren Erlass des MU vom 24. März 2009 (i.d.F. des Erlasses v. 14.4.2009) kommt es unter diesen Umständen nicht an. Es bedarf auch keiner weiteren Vertiefung, wer welche Schreiben des MU in dieser Angelegenheit unterzeichnet hat. Die Bedenken des Klägers, die dahin geäußert werden, dass sich verschiedene Referate des MU (31 und 35) mit der Frage der wirksamen Übertragung der Zuständigkeit für das Verfahren auf die Beklagte befasst haben, sind in diesem Zusammenhang nicht nachvollziehbar. Denn es unterliegt der Organisationsbefugnis des Ministeriums, die Wahrnehmung der Geschäfte im eigenen Geschäftsbereich zu regeln und gegebenenfalls mehreren Referaten zu übertragen. Der Erlass vom 14. März 2007 wurde unterzeichnet von Staatssekretär Dr. N., dessen Vertretungsmacht keinen vernünftigen Zweifeln unterliegt.

31

b)

Der von dem Kläger vorgebrachte Einwand einer fehlerhaften Öffentlichkeitsbeteiligung ist unbegründet. Nach § 47 Abs. 5 Satz 2 und 3 BImSchG (i. d. bis zum 14..12.2006 geltenden Fassung) musste die Öffentlichkeit bei der Aufstellung der Pläne nach den Absätzen 1 bis 4 beteiligt werden. Einzelheiten über den Umfang der Beteiligung waren gesetzlich nicht vorgegeben. Es war geboten, den Entwurf der Öffentlichkeit, also jedermann, zugänglich zu machen. Ein öffentlicher Erörterungs- bzw. Anhörungstermin war nicht zwingend erforderlich (Jarass, BImSchG, 6. Aufl., § 47 Rn. 36). Bei der Aufstellung des streitbefangenen Plans wurde diesen (Mindest-)Anforderungen entsprochen. Der vom MU erstellte erste Entwurf eines Luftreinhalte- und Aktionsplans Hannover, Bereich Göttinger Straße, vom 4. Januar 2005 wurde unter dem 5. Januar 2005 den Interessenverbänden und weiteren Organisationen im Sinne des § 12 Abs. 1 der 22. BImSchV (a.F.) zur Kenntnisnahme übersandt und ihnen wurde die Möglichkeit eingeräumt, Bedenken und Anregungen bis zum 18. Februar 2005 vorzubringen. Der Entwurf wurde zudem in das Internet eingestellt. In der Presseerklärung des MU vom 10. Januar 2005 wurde auf die Veröffentlichung im Internet hingewiesen und es wurde auch auf diesem Wege bekanntgegeben, dass Anregungen und Bedenken zum Luftreinhalteplan bis zum 18. Februar 2005 schriftlich an das MU übermittelt werden könnten. In entsprechender Weise wurde mit dem überarbeiteten Entwurf vom 30. Juni 2006 verfahren, welcher abweichend vom vorherigen Entwurf nun erstmals als Kernmaßnahme die Einrichtung einer Umweltzone für den Innenstandbereich der Beklagten vorsah. Der Entwurf wurde den Interessenverbänden und weiteren Organisationen unter dem 17. Juli 2006 mit einer Frist zur Äußerung von Anregungen und Bedenken bis zum 31. August 2008 zugeleitet. Mit diesem Hinweis wurde er auch in das Internet eingestellt und durch entsprechende Presseerklärung vom 19. Juli 2006 der Öffentlichkeit zur Kenntnis gegeben. Dem gesetzlichen Ziel, den Betroffenen die Möglichkeit zu geben, die Behörde in einem frühen Stadium über Einwände gegen die vorgesehenen Maßnahmen zu informieren (BT-Drs. 14/8450 S. 14), wurde damit Genüge getan, eine umfassendere Beteiligung der Öffentlichkeit war nicht geboten.

32

Durch das Gesetz über die Öffentlichkeitsbeteiligung in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG vom 9. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2819) - Öffentlichkeitsbeteiligungsgesetz -, welches der Anpassung des deutschen Bundesrechts an die zwingenden Vorgaben dieser EG-Richtlinie dient (vgl. BT-Drs. 16/2494 S. 14) und am 15. Dezember 2006 in Kraft getreten ist, wurde die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Aufstellung von Luftreinhalteplänen durch Ergänzung des § 47 Abs. 5 BImSchG (um Satz 4) und Einfügung von Abs. 5a neu und umfassender geregelt. Das Beteiligungsverfahren lehnt sich nunmehr mit Ausnahme des hier nicht relevanten Anwendungsbereichs von Abs. 5a Satz 8 an die Struktur der Vorschriften zur Beteiligung der Öffentlichkeit in Genehmigungsverfahren für Anlagen an. Berechtigt zur Abgabe von Stellungnahmen sind wie bei der Beteiligung der Öffentlichkeit in immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren für Anlagen jede natürliche oder juristische Person sowie Vereinigungen, insbesondere Vereinigungen zur Förderung des Umweltschutzes (BT-Drs. 16/2494 S. 27). Im vorliegenden Verfahren wurden die Vorgaben für die Öffentlichkeitsbeteiligung nach § 47 Abs. 5a BImSchG noch nicht beachtet. So wurde beispielsweise etwa die Aufstellung des Luftreinhalteplans mit den entsprechenden Informationen zu dem Beteiligungsverfahren entgegen Satz 2 nicht in einem amtlichen Veröffentlichungsblatt bekanntgemacht und der Entwurf wurde nicht nach Satz 3 öffentlich ausgelegt. Das Unterlassen ist aber unschädlich, weil nach der ebenfalls durch dasÖffentlichkeitsbeteiligungsgesetz neu eingeführten Übergangsvorschrift des § 67 Abs. 10 BImSchG die Beteiligungspflicht nach § 47 Abs. 5a erst für die Verfahren zur Aufstellung oder Änderung von Luftreinhalteplänen gilt, die nach dem 25. Juni 2005, d.h. nach dem Ablauf der Frist für die Umsetzung der Richtlinie 2003/35/EG, eingeleitet worden sind.

33

Das Aufstellungsverfahren für den Luftreinhalte-Aktionsplan der Beklagten wurde bereits vor dem Stichtag 25. Juni 2005 eingeleitet. Zwar wurde bei der Planaufstellung zunächst vornehmlich die Luftschadstoffbelastung in der Göttinger Straße betrachtet und nicht die entsprechende Belastungssituation im weiteren Stadtgebiet der Beklagten. So wurde der erste Entwurf des Plans mit dem Titel "Luftreinhalte- und Aktionsplan Hannover, Göttinger Straße" versehen und die in dem Entwurf unter 8. vorgeschlagenen Maßnahmen waren darauf gerichtet, die Luftqualität (allein) in der Göttinger Straße zu verbessern, obwohl als Plangebiet das gesamte Stadtgebiet der Beklagten angegeben wurde. In ihrer Stellungnahme vom 17. Februar 2005 bezeichnete die Beklagte den Entwurf dementsprechend als einen Entwurf für einen Luftreinhalteplan für die Göttinger Straße. Auch in dem Schreiben des MU an die Beklagte vom 21. März 2005 war von einem Luftreinhalteplan für den Bereich Göttinger Straße die Rede. Allerdings war die Terminologie in dieser Hinsicht nicht einheitlich, wie sich daran zeigt, dass in weiteren Schreiben der Beklagten (z.B. v. 23.2., 28.2 und 11.3.2005) sowie des MU (v. 2.3.2005, im Übrigen auch in dessen Schreiben v, 21.3.2005), welche sich u.a. mit einer Fristverlängerung für die Stellungnahme der Beklagten zu dem Planentwurf befassen, der Begriff "Luftreinhalteplan Hannover" verwendet wurde. Unabhängig von der nicht einheitlichen Begrifflichkeit kann bei der gebotenen sachbezogenen Betrachtungsweise nicht der Schluss gezogen werden, bis zu dem nach § 67 Abs. 10 BImSchG maßgeblichen Stichtag 25. Juni 2005 sei ein Aufstellungsverfahren für einen auf die Göttinger Straße beschränkten Luftreinhalte- und Aktionsplan eingeleitet worden und erst danach ein neues, eigenständig zu betrachtendes Aufstellungsverfahren für den letztlich beschlossenen Luftreinhalte-Aktionsplan für das gesamte Stadtgebiet der Beklagten. Dass sich ein dahingehender Schluss verbietet, ergibt sich aus Folgendem: Bereits in dem Schreiben des MU vom 14. Mai 2004 wurde die Notwendigkeit eines Luftreinhalteplans für Hannover insgesamt aufgezeigt. Die Ist-Situation der Luftqualität in Hannover wurde zwar aufgrund der in der Göttinger Straße gemessenen Werte für PM10 und NO2 beschrieben, die beispielhaft aufgeführten Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität gingen aber über diesen Straßenzug hinaus und bezogen sich ausdrücklich auf Verkehrskonzepte im weiteren Stadtgebiet (u.a. Verzicht auf das Konzept der Verkehrsbündelung auf einige stark belastete Straßen, Fahrverbote für nicht schadstoffarme Fahrzeuge). Ausdrücklich wurde gegenüber der Beklagten eine Besprechung der Gesamtproblematik angeraten. Zu dieser Besprechung kam es am 22. Juni 2004, ausweislich der Tagesordnung ging es dabei um einen "Luftreinhalteplan für das Gebiet der Landeshauptstadt Hannover". Ein stadtweiter Ansatz zur Verbesserung der Luftqualität - über die Göttinger Straße hinaus - wurde auch in dem Schreiben der Beklagten vom 7. Dezember 2004 (mit Anlage) zum Ausdruck gebracht. Der Entwurf eines Luftreinhalteplans vom 4. Januar 2005 trug zwar die Bezeichnung "Luftreinhalte- und Aktionsplan Hannover, Göttinger Straße", allerdings wurde in ihm - wie dargelegt - die Landeshauptstadt als Plangebiet und die Göttinger Straße (lediglich) als "betroffenes" Gebiet bezeichnet. In einem Schreiben der Beklagten an das MU vom 18. April 2005 wurde im Vorgriff auf einen Gesprächstermin am 22. April 2005 angemerkt, dass es bei diesem Gespräch im Wesentlichen nicht um die Göttinger Straße gehen werde, sondern "um das wesentlich zentralere Thema, ob und in welchen Straßen der Landeshauptstadt die EU-Grenzwerte für Feinstaub noch überschritten werden" und wie gemeinsam Maßnahme- und Aktionspläne für diese Straßen entwickelt werden könnten. Als Grundlage für den Gesprächstermin dienten unter anderem fachliche Bewertungen des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamts J., die später in einem 11. Materialband für Maßnahmepläne nach der EU-Richtlinie zur Luftqualität (im Folgenden: 11. Materialband) zusammengefasst wurden. Das Gewerbeaufsichtsamt hatte zusätzlich zu den an den Messstationen in der Göttinger Straße für das Jahr 2002 gemessenen Werten für PM10 und NO2 anhand der Modellsysteme PROKAS, MISKAM und LASAT die entsprechenden Schadstoffbelastungen in weiteren Teilen des Stadtgebiets ermittelt bzw. hochgerechnet, um weitere "hot spot"-Bereiche mit Grenzwertüberschreitungen für PM10 und NO2 feststellen zu können. Auf die Modellberechnungen bzw. die seinerzeit noch laufenden Untersuchungen wurde in einem Vermerk des MU vom 22. April 2005 Bezug genommen, d.h. im Zusammenhang mit der Luftschadstoffbelastung wurden weitere Belastungsschwerpunkte in der Landeshauptstadt in die Betrachtung einbezogen. Dies zeigt sich auch im Hinblick auf eine gemeinsame Presseerklärung des MU und der Beklagten vom 25. April 2005, in der zusätzlich zu der Bewertung der für die Göttinger Straße geplanten Maßnahmen unter Bezugnahme auf den Gesprächstermin am 22. April 2005 das weitere Vorgehen vorgestellt wurde. Danach bestand Einvernehmen, dass die Beklagte am 17. Mai 2005 einen Anhörungstermin für betroffene Interessenverbände durchführen sollte, was dann auch geschah. Das MU sollte die Straßen und Gebiete im Stadtgebiet rechnerisch ermitteln, für die "weitere Luftreinhaltepläne" erstellt werden müssten. Anschließend sollte ein gemeinsamer Entwurf eines Luftreinhalte- und Aktionsplans erarbeitet werden, der nach Durchführung der Öffentlichkeitsbeteiligung und Beratung in den Ratsgremien der Landeshauptstadt vom MU als Gesamtplan in Kraft gesetzt werden sollte. Das Inaussichtstellen eines Gesamtplans verdeutlicht, dass das Verfahren seinerzeit nicht (mehr) auf die Aufstellung eines Luftreinhalte- und Aktionsplans für den Teilbereich Göttinger Straße beschränkt war, sondern geeignete Maßnahmen zur Luftreinigung auch in anderen Straßenzügen mit entsprechender Luftschadstoffbelastung erarbeitet werden sollten. Ohne dass es auf den genauen Zeitpunkt des Beginns dieser (Gesamt-)Planung ankäme, bestehen unter diesen Umständen keine durchgreifenden Zweifel daran, dass das Aufstellungsverfahren für den streitgegenständlichen Plan jedenfalls vor dem 25. Juni 2005 eingeleitet wurde.

34

c)

Der Luftreinhalte-Aktionsplan der Beklagten wurde dem Erfordernis nach § 47 Abs. 5 Satz 2und 3 BImSchG entsprechend für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Nach Beschlussfassung am 12. Juli 2007 wurde er in das Internet eingestellt und ist darin weiterhin abrufbar. Außerdem wurde der Plan im Gemeinsamen Amtsblatt für die Region Hannover und die Landeshauptstadt Hannover vom 25. September 2008 bekanntgemacht.

35

d)

Formelle Mängel, auf die der Kläger sich im vorliegenden Verfahren mit Erfolg berufen könnte, haften dem Luftreinhalte-Aktionsplan auch im Übrigen nicht an. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, enthält der Plan im Wesentlichen die Angaben, die nach § 11 Abs. 3 i.V.m. Anlage 6 der 22. BImSchV (in der bis zum 5. August 2010 geltenden Fassung) erforderlich sind. Soweit sich einzelne Informationen (z.B. zu den Koordinaten der Verkehrsmessstelle in der Göttinger Straße) nicht unmittelbar aus dem Luftreinhalte-Aktionsplan ergeben, ist dies ein Mangel, durch den weder die Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Umweltzone noch die Rechtmäßigkeit des Plans insgesamt in Frage gestellt wird. Erst recht ist nicht ersichtlich und von dem Kläger nicht dargetan, dass in dieser Hinsicht ein Fehler vorliegen könnte, der zu einer Verletzung von Rechten des Klägers geführt haben könnte. Dies wäre aber für den Erfolg der Klage, die den Individualrechtsschutz gewährleisten soll und nicht den Charakter eines objektiv-rechtlichen Beanstandungsverfahrens hat, erforderlich.

36

3.

Der Luftreinhalte-Aktionsplan der Beklagten ist, soweit er unter Nr. 7.11 die Einrichtung einer Umweltzone vorsieht, in materieller Hinsicht nicht zu beanstanden.

37

Was den maßgeblichen Zeitpunkt für die materielle Beurteilung anbelangt, so ist zunächst darauf hinzuweisen, dass bei einer Klage gegen Verkehrszeichen, die einen Dauerverwaltungsaktes darstellen, regelmäßig auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen ist. Bei verkehrsbehördlichen Anordnungen in Befolgung eines Luftreinhalteplans nach § 40 Abs. 1 BImSchG kann dies aber nicht ohne Weiteres gelten. Der Luftreinhalteplan hat prognostischen Charakter und kann demgemäß nur eingeschränkt und anhand der Erkenntnisse beurteilt werden, die der beschließenden Behörde im Zeitpunkt ihres Beschlusses bekannt waren oder bei ordnungsgemäßer Aufklärung des Sachverhalts zumindest hätten bekannt sein müssen. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen hat in diesem Zusammenhang - in Bezug auf die in einem Luftreinhalteplan festgelegte Umweltzone für die Stadt Köln - wie folgt ausgeführt (Beschl. v. 25.1.2011 - 8 A 2751/09 -, [...]):

"Bei der inzidenten Beurteilung des Luftreinhalteplans ist hingegen der bei Aufstellung des Plans vorhandene tatsächliche und wissenschaftliche Erkenntnisstand maßgeblich. Bei planerischen Entscheidungen, die nicht allein auf der Erfassung eines gegenwärtigen Zustands, sondern auch auf einer Prognose in der Zukunft liegender Tatsachen beruht, deren zukünftiger Eintritt vorausschauend angenommen worden ist, liegt es in der Natur der Sache, dass die Richtigkeit der Prognose einer gerichtlichen Überprüfung nur eingeschränkt zugänglich ist. Auf tatsächlichem Gebiet liegende Prognosen über die zukünftige Entwicklung der tatsächlichen Verhältnisse entziehen sich naturgemäß einer exakten Tatsachenfeststellung.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 1985 - 3 C 25.84 -, BVerwGE 72, 38 = [...] Rn. 56 (Krankenhausbedarfsplanung).

Die gerichtliche Überprüfung derartiger Prognosen beschränkt sich deshalb darauf, ob die Prognose von zutreffenden Werten, Daten und Zahlen ausgeht, auf realistischen Annahmen beruht, methodisch einwandfrei erarbeitet worden ist und ob das Prognoseergebnis einleuchtend begründet worden ist.

Vgl. OVG Schl.-H., Beschluss vom 28. Juni 2010 - 1 LA 24/10 -, NordÖR 2010, 450 = [...] Rn. 9 (zu Verkehrsprognosen).

Das heißt insbesondere, dass eine Prognose rechtlich nicht danach zu bewerten ist, ob sie sich aus heutiger Sicht als richtig erweist. Maßgeblich ist vielmehr, ob die Prognose mit den seinerzeit zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln unter Berücksichtigung aller für sie erheblichen Umstände einwandfrei gestellt worden ist. Grundsätzlich unerheblich ist, ob sie durch die spätere Entwicklung mehr oder weniger bestätigt oder widerlegt ist. Abweichendes kann gelten, wenn das Auseinanderklaffen von Prognose und nachträglicher Entwicklung als Indiz für die unsachgemäße Aufstellung der Prognose erscheint.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Juli 1978 - 4 C 79.76 -, BVerwGE 56, 110, Leitsatz 3 = [...] Rn. 57.

Bei der Bewertung der hier im Aufstellungsverfahren anzustellenden Zukunftsprognosen ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass Planungen der hier vorliegenden Art nicht auf vorhandenen Erfahrungen aufbauen konnten. Die zum 1. Januar 2008 in Köln eingerichtete Umweltzone zählte neben den zeitgleich eingerichteten Umweltzonen in Hannover und Berlin zu den ersten Einrichtungen dieser Art im Bundesgebiet. Bei schwierigen und komplexen Herausforderungen können aber - zeitlich begrenzt - grundsätzlich auch Regelungen mit einem gewissen Versuchs- oder Experimentiercharakter zulässig sein.

Vgl. zum Ozongesetz 1995 (§§ 40a ff. BImSchG): BVerwG, Urteil vom 15. April 1999 - 3 C 25.98 -, BVerwGE 109, 29 = [...] Rn. 33 f.

Dies vorausgeschickt ist es für sich genommen rechtlich unerheblich, wenn sich während des bei Planaufstellung in den Blick genommenen Zeitraums bis zum Zieljahr 2010 herausgestellt haben sollte, dass die prognostizierten Entwicklungen nicht oder nicht in dem erwarteten Ausmaß eingetreten sein sollten. Das hätte nicht zur Folge, dass der Plan - sofern er auf einer methodisch plausiblen Prognose beruht - ohne weiteres während seines Geltungszeitraums wirkungslos würde."

38

Der Senat schließt sich dieser Beurteilung, die dem planerischen Element der Maßnahmen im Sinne des § 47 Abs. 1 und 2 BImSchG in überzeugender Weise Rechnung trägt, an. Für die Beurteilung der in dem angegriffenen Luftreinhalte-Aktionsplan der Beklagten vorgesehenen Umweltzone als rechtmäßig ist deshalb maßgeblich, dass sie auf der Grundlage der im Entscheidungszeitpunkt am 12. Juli 2007 gegebenen Sach- und Rechtslage ordnungsgemäß beschlossen, d.h. insbesondere durch eine fachlich fehlerfrei erarbeitete und nachvollziehbar begründete Prognose über die Entwicklung der verkehrsbedingten Luftschadstoffbelastungen in der Landeshauptstadt gestützt wurde.

39

a)

Die Voraussetzungen für den Erlass eines Luftreinhalteplans nach § 47 Abs. 1 BImSchG haben vorgelegen. Eine maßgebliche Überschreitung der in der 22. BImSchV, welche auf der Grundlage der Ermächtigung in § 48a Abs. 1 und 3 BImSchG ergangen ist, festgelegten Immissionsgrenzwerte einschließlich festgelegter Toleranzmargen lässt sich zwar für Feinstaub (PM10) nicht bzw. nicht in der Weise feststellen, dass sie die verfügten Fahrverbote rechtfertigen könnte. Dies ist zwischen den Beteiligten auch nicht streitig. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 der 22. BImSchV (vorher: Abs. 2 Satz 1 dieser Verordnung und jetzt§ 4 Abs. 1 39. BImSchV) beträgt der für den Schutz der menschlichen Gesundheit ab 1. Januar 2005 einzuhaltende über 24 Stunden gemittelte Immissionsgrenzwert für Partikel PM10 50 µg/m3 bei 35 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr. Nach der im Luftreinhalte-Aktionsplan dargestellten tabellarischen Übersicht (S. 7) wurde die zulässige Anzahl von Überschreitungstagen ohne Berücksichtigung der Toleranzmargen nach § 4 Abs. 3 der 22. BImSchV (a.F.) an der Verkehrsmessstation in der Göttinger Straße in den Jahren 2000 bis 2005 durchweg überschritten (102, 138, 86 und 64 Überschreitungstage). Im Jahr 2006 waren 54 Überschreitungstage zu verzeichnen, danach sank deren Anzahl nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts deutlich ab (2007: 8, 2008: 13). Die Entwicklung wurde im Aufstellungsverfahren für den Luftreinhalte-Aktionsplan bereits berücksichtigt und führte zu der Erkenntnis, dass der Plan nicht vornehmlich wegen der Feinstaubbelastungen, sondern wegen der Belastung der Luft mit Stickstoffdioxiden erforderlich sei. Auch wurden die Auswirkungen von Fahrverboten auf die Belastung der Luft mit Feinstaub PM10 als gering eingeschätzt, während bei den noch kleineren und für die Gesundheit noch gefährlicheren Partikeln PM2,5 und PM0,1 mit einer überproportionalen Senkung der Schadstoffbelastung der Luft gerechnet wurde. Da für die kleineren Partikel Immissionsgrenzwerte nicht festgelegt waren (vgl. für PM2,5 nunmehr § 5 Abs. 2 und 3 der 39. BImSchV), konnte der Luftreinhalte-Aktionsplan indes auf deren Ausbreitung nicht gestützt werden (vgl. auch S. 31 des Plans).

40

Für Stickstoffdioxid (NO2) beträgt nach § 3 Abs. 4 der 22. BImSchV der zum Schutz der menschlichen Gesundheit einzuhaltende über ein Kalenderjahr gemittelte Immissionsgrenzwert ab dem Jahr 2010 40 µg/m3 (vgl. nunmehr § 3 Abs. 2 der 39.BImSchV). Abs. 5 sah für diesen Immissionsgrenzwert Toleranzmargen für den Zeitraum bis zum 1. Januar 2010 vor. Der bereits erwähnten Tabelle im Luftreinhalte-Aktionsplan (S. 7) lässt sich entnehmen, dass der Immissionsgrenzwert an der Verkehrsmessstation in der Göttinger Straße in den Jahren 2002 bis 2006 auch unter Berücksichtigung der Toleranzmargen deutlich und konstant überschritten wurde mit gemessenen Werten von 58, 66, 66, 63 und 63 µg/m3. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts lag der Wert in den Jahren 2007 und 2008 bei jeweils 65 µg/m3 und damit noch immer über dem zulässigen Immissionsgrenzwert (von 48 bzw. 46 µg/m3 bei Berücksichtigung der Toleranzmargen). Vergleichbare Überschreitungen des Immissionsgrenzwertes konnten im Aufstellungsverfahren auch für weitere stark belastete Straßenzüge in der Innenstadt Hannovers zugrunde gelegt werden. Insoweit hat das seinerzeit zuständig gewesene MU zunächst die an der Messstation Göttinger Straße gemessenen Werte und hier gewonnenen Erkenntnisse in fachkundlich abgesicherter Weise zum Anlass genommen, weitere, ebenfalls stark mit Luftschadstoffen belastete Straßenzüge näher zu betrachten. Dies geschah in der bereits genannten Untersuchung des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamts J. im Jahr 2005, welche als 11. Materialband in das Aufstellungsverfahren eingeführt wurde. Nach den Angaben im Luftreinhalte-Aktionsplan hat die Landeshauptstadt ca. 515.000 Einwohner, die Zahl der betroffenen Anwohner innerhalb der letztlich festgelegten Umweltzone beträgt ca. 218.000. Für das betroffene Gebiet reichte es nach § 10 Abs. 2 Satz 1, Abs. 7 Satz 2 i.V.m. Anlage 1 I b) und Anlage 3 I a) der 22. BImSchV aus, dass die NO2-Belastung allein an der bereits im Jahr 1989 installierten Verkehrsmessstation in der Göttinger Straße (HRVS) und der westlich außerhalb des Gebiets gelegenen Messstation zur Ermittlung der Belastung des städtischen Hintergrundes (HRSW) gemessen wurde. Zusätzlich zu den für die Göttinger Straße gewonnenen Messergebnissen im Jahr 2002 wurden in der Untersuchung des Gewerbeaufsichtsamts weitere "hot spot"-Bereiche mit Grenzwertüberschreitungen für NO2 und PM10 anhand von Modellrechnungen ermittelt und an der Messstation kalibriert. Dabei wurde in einer ersten Stufe (Basisstufe für Szenariorechnung) mit dem Modellsystem PROKAS unter Berücksichtigung der typisierten Bebauungsstruktur das gesamte relevante Straßennetz der Landeshauptstadt abgebildet. Die notwendigen Verkehrsdaten für die Straßen wurden nach dem Verkehrsmodell VISUM ermittelt. In einer zweiten Stufe (Detailgebietsszenario) wurde eine detailliertere Betrachtung auf der Grundlage des Projekts VALIUM und der Beschreibungen im 1. Materialband zur Maßnahmenplanung ("Feinstaub- und Schadgasbelastungen in der Göttinger Straße, Hannover" des Ingenieurbüros O. von April 2003) vorgenommen. Dabei wurde die großräumige Hintergrundbelastung mit dem Ausbreitungsmodell LASAT berechnet, die detaillierte Modellierung der Gebäudeeinflüsse erfolgte mit dem Strömungs- und Ausbreitungsmodell MISKAM. In die Berechnung der Schadstoffimmissionen flossen die Emissionen von Fahrzeugen auf den betrachteten Straßen im Untersuchungsgebiet ein, wobei bei den motorbedingten und den nicht motorbedingten Emissionsfaktoren zwischen den Fahrzeugarten Pkw und Lkw unterschieden wurde. Die NOx- und PM10-Emissionen wurden für jeden der betrachteten Straßenabschnitte der Landeshauptstadt unter Berücksichtigung des jeweiligen Verkehrsaufkommens und der Verkehrssituationen ermittelt. Anhand der Emissionsdaten wurden schließlich die Immissionsverhältnisse in den Straßenräumen berechnet mit dem Ergebnis, dass für viele Straßenzüge im Innenstadtbereich Hannovers für das Referenzjahr 2002 eine Überschreitung des gemittelten Jahresimmissionsgrenzwerts für NO2 festgestellt wurde. Belastungsschwerpunkte ergaben sich für die Bereiche der Göttinger Straße, der Schlosswender Straße, des Bremer Damms, der Celler Straße und der Marienstraße mit NO2-Belastungen zwischen 53 und 64 µg/m3 im Jahresmittel (vgl. Abb. 6.2 und Tab. 6.3 des 11. Materialbands). In Bezug auf die PM10-Belastungen zeigte sich ein ähnliches Bild, wenngleich sich die Überschreitungen des Jahresmittelwerts unter Berücksichtigung der Toleranzmarge für das Jahr 2002 hier im Wesentlichen auf die Bereiche Fössestraße, Marienstraße und Celler Straße beschränkten (vgl. Abb. 6.3 und Tab. 6.3). Die Beklagte bzw. das zunächst zuständig gewesene MU konnte die auf diese Weise ermittelten Werte für die genannten innerstädtischen Straßenzüge bei der weiteren Aufstellung des Luftreinhalte-Aktionsplans berücksichtigen. Die in der Untersuchung des Gewerbeaufsichtsamts verwendeten Berechnungsmodelle wurden im 11. Materialband im Einzelnen beschrieben und ihre Eignung für die Untersuchung wurde begründet. Des weiteren wurde dargelegt, weshalb einzelne Ausgangsdaten verändert wurden (z.B. zum Lkw-Anteil, vgl. insoweit 4.4 des 11. Materialbands). Fachlich begründete Bedenken bringt der Kläger dagegen nicht vor, sie sind auch sonst nicht zu erkennen.

41

b)

Haben die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 BImSchG für den Bereich der Göttinger Straße und die betrachteten weiteren innerstädtischen Straßenzüge der Landeshauptstadt vorgelegen, so war die Beklagte (bzw. zunächst das MU) verpflichtet, einen Luftreinhalteplan aufzustellen und darin Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung von Luftverunreinigungen - hier in der Gestalt von NO2-Immissionen - festzulegen. Ein Ermessen, dies zu tun oder zu unterlassen, stand der Behörde nicht zu (vgl. Jarass, BImSchG, 8. Aufl., § 47 Rn. 10).

42

Nach den derzeit zu Grunde zu legenden fachlichen Erkenntnissen ist die Belastung der Luft mit Stickstoffdioxiden in innerstädtischen Bereichen in wesentlichen Teilen - nach Einschätzung der Beklagten zu mehr als 60% - auf den Straßenverkehr zurückzuführen (vgl. auch VG Köln, Urt. v. 9.10.2009 - 18 K 5493/07 -, [...]; VG Düsseldorf, Urt. v. 8.12.2009 - 3 K 3720/99 -, [...]; VG Berlin, Urt. v. 9.12.2009 - 11 A 299.08 u.a. -, DAR 2010, 156; Scheidler, UPR 2006, 216). Danach erscheint es sachgerecht und hat sich mit Blick auf die Verpflichtung nach§ 47 Abs. 4 Satz 1 BImSchG, die Maßnahmen eines Luftreinhalte- oder Aktionsplans entsprechend dem Verursacheranteil gegen alle Emittenten zu richten, die zum Überschreiten der entsprechenden Immissionsgrenzwerte beitragen, geradezu aufgedrängt, an diesem Verursachungsanteil anzusetzen und Beschränkungen für den Kraftfahrzeugverkehr und hier insbesondere für weniger schadstoffarme Kraftfahrzeuge vorzunehmen. Mit der im Luftreinhalte-Aktionsplan vorgesehenen Umweltzone verfolgt die Beklagte das Ziel, stärker emittierende Kraftfahrzeuge, vor allem ältere Dieselfahrzeuge, in höher belasteten Straßenabschnitten innerhalb der Zone vom Verkehr auszuschließen und die Straßenabschnitte dadurch zu entlasten. Zugleich und insbesondere soll die beschleunigte Umstellung der gesamten Fahrzeugflotte durch den Ersatz alter durch neue, schadstoffarme Kraftfahrzeuge sowie durch Nachrüstung von Fahrzeugen mit Partikelfiltern gefördert werden (vgl. S. 28 des Plans).

43

Was die räumliche Abgrenzung der Umweltzone anbelangt, so ist diese in hinreichendem Maße nachvollziehbar und mit Blick auf den der Planungsbehörde zustehenden Gestaltungsspielraum nicht zu beanstanden. In dem genannten 11. Materialband hat das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt J. auf der Basis der von ihm ermittelten innerstädtischen Belastungsschwerpunkte kartographisch ellipsenförmige Überschreitungsbereiche skizziert (vgl. Abb. 6.4). Dass die Umweltzone die Überschreitungsbereiche umfasst und diese den Kernbereich der Zone bilden, hat sich nach der Untersuchung des Gewerbeaufsichtsamtes aufgedrängt und begegnet keinen Bedenken. Die äußeren - noch weiter gefassten - Grenzen der Umweltzone orientieren sich schließlich an dem Straßennetz der Landeshauptstadt im Übrigen und verlaufen im Wesentlichen entlang vorhandener Schnellwege. Dies ist Praktikabilitätsgesichtspunkten geschuldet und gerichtlich ebenfalls nicht zu beanstanden.

44

Entgegen der Auffassung des Klägers erweisen sich die festgelegten Fahrverbote in der Umweltzone nicht als unverhältnismäßig.

45

aa)

Die Beklagte durfte die Fahrverbote als geeignet ansehen, um eine Verringerung von verkehrsbedingten NO2-Belastungen in den betroffenen Straßenabschnitten zu bewirken. Nach der vom Ingenieurbüro L. für das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt J. erstellten Ergänzung zum 11. Materialband (Materialband 11a "Verteilung der Luftschadstoffbelastung in der Landeshauptstadt Hannover auf der Basis der neuen Emissionsfaktoren für Straßenverkehr unter Berücksichtigung der Ausweisung einer Umweltzone" von Mai 2006), welche der Beklagten vor der Beschlussfassung am 12. Juli 2007 vorgelegen hat, wurden Auswirkungen der geplanten Umweltzone hinsichtlich der NO2- und PM10-Immissionen in ihrem Geltungsbereich für die Jahre 2008 und 2010 prognostiziert. Dabei wurden für das Bezugsjahr 2008 Fahrverbote für Benzinfahrzeuge <EURO 2 und Dieselfahrzeuge <EURO 3 zugrunde gelegt und für das Bezugsjahr 2010 Fahrverbote für Benzinfahrzeuge <EURO 3 und Dieselfahrzeuge <EURO 4. Als Vergleichsjahr diente das Jahr 2005. Für das Vergleichsjahr und die Bezugsjahre wurden die NO2- und PM10-Immissionen nach dem PROKAS-Modell berechnet. Die Berechnungen führten für 2008 zu der Prognose, dass eine deutliche Reduzierung der NO2-Immissionen und eine erkennbare Reduzierung von PM-Immissionen zu erwarten sei. Bei den NO2-Immissionen sei die Bezugsgröße der gemittelte Jahresgrenzwert von 40 µg/m3. In einigen Straßenzügen - u.a. in der Göttinger Straße - sei mit einer Abnahme der NO2-Immissionen von bis zu 18% zu rechnen, in der Marienstraße mit einer etwas geringeren Abnahme (16%). Im Jahr 2010 seien im Vergleich zu 2005 noch deutlichere Reduzierungen der NO2-Immissionen zu erwarten, d.h. relative Veränderungen von bis zu minus 35% z.B. in der Göttinger Straße und ca. 30% in der Marienstraße. Die Reduzierung der PM10-Immissionen falle voraussichtlich geringer aus, im Bezugsjahr 2008 würden die relativen Änderungen gegenüber 2005 Werte bis knapp unter minus 5% (in der Marienstraße bis zu minus 3%) erreichen und im Bezugsjahr 2010 Werte von knapp minus 8% bzw. in der Marienstraße von etwa minus 6%. Zu erklären sei die geringere Abnahme damit, dass sich zwar die motorbedingten Emissionen in der Umweltzone reduzierten, nicht aber die Emissionen durch Reifenabrieb und Aufwirbelungen. Die Reduzierungen wurden anhand von kartografischen Darstellungen (vgl. Abb. 6.5 und 6.9 für NO2) und einer tabellarischen Auflistung der prognostizierten Immissionswerte für einzelne "hot spot"-Bereiche näher beschrieben. Abschließend hieß es in der Untersuchung, auch nach Einrichtung der Umweltzone sei in einigen Straßenabschnitten weiterhin mit Überschreitungen der Grenzwerte für NO2 zu rechnen. Dennoch sei die Umweltzone aus Gründen des Immissionsschutzes sehr zu begrüßen. Die Beklagte hat diese prognostische Einschätzung in vertretbarer Weise zur Grundlage ihrer Entscheidung gemacht, die Umweltzone einzuführen. Die Untersuchung hat die Erwartung, dass sich die hier interessierenden NO2 -Immissionen durch die Anordnung von Fahrverboten deutlich verringern werden, nachhaltig bekräftigt und die Einrichtung der Zone im Ergebnis als geeignetes Instrument dargestellt, um die Luftqualität in ihrem Geltungsbereich zu verbessern. Die Beklagte hat die Untersuchung nicht kritiklos übernommen, sondern vor der Beschlussfassung am 12. Juli 2007 über den Luftreinhalte-Aktionsplan nochmals einer aktuellen Überprüfung unterzogen. Dabei hat sie das Inkrafttreten der 35. BImSchV zum 1. März 2007 berücksichtigt, durch deren Regelungen sich die Möglichkeit ergeben hat, durch den nachträglichen Einbau von Partikelfiltern in Dieselfahrzeugen deren Einstufung in eine bessere (höhere) Schadstoffklasse zu erlangen. Der Einbau von Partikelfiltern dient der Verminderung von Feinstaubbelastungen, führt aber nicht zwangsläufig zu einer entsprechenden Abnahme von NO2 -Emissionen (vgl. dazu auch nachfolgend). Deshalb blieb auch die Prognose der Beklagten im Luftreinhalte-Aktionsplan hinter der in dem Materialband 11a geäußerten Erwartung zurück. Die Beklagte ging davon aus, dass die NO2-Immissionen durch Einrichtung der Umweltzone bis zum Jahr 2010 um 10 bis 15% gesenkt werden konnten. Dies ist indes eine Größenordnung, die weiterhin für die Errichtung der Umweltzone gesprochen hat. Davon abweichende fachliche Stellungnahmen oder Gutachten, durch die die Geeignetheit der Umweltzone für die Verminderung von NO2-Immissionen durchgreifend in Frage gestellt worden wären, lagen der Beklagten bei der Beschlussfassung am 12. Juli 2007 nicht vor. Die Beklagte konnte auch nicht auf (negative) Erfahrungen in Vergleichsfällen zurückgreifen, denn die in Hannover eingerichtete Umweltzone gehörte mit zu den ersten Zonen dieser Art. Insofern muss auch der Versuchscharakter der Umweltzone berücksichtigt werden, der eine in jeder Hinsicht abgesicherte Prognose ihrer Auswirkungen nicht zuließ (vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, a.a.O.).

46

Das auf verschiedene gutachterliche Äußerungen gestützte Vorbringen des Klägers führt demgegenüber nicht zu der Erkenntnis, die prognostische Einschätzung der Beklagten über die Auswirkungen der Umweltzone sei in einem Maße fehlerhaft gewesen, dass die Umweltzone von vornherein nicht als geeignet zur Verwirklichung des erstrebten Zwecks hätte angesehen werden dürfen.

47

Mit dem von der Klägerin aufgezeigten Problem, dass der Einbau bestimmter Oxidationskatalysatoren (zum Teil in Verbindung mit Dieselpartikelfiltern nach dem sog. CRT- oder auch anderen Systemen) in Dieselfahrzeugen zu einem Anstieg der direkten NO2-Emissionen führt, hat sich bereits das Verwaltungsgericht näher auseinandergesetzt. Hierzu hat es die in der mündlichen Verhandlung anwesenden Sachverständigen und zum Teil auch behördlichen Mitarbeiter angehört, welche die unterschiedlichen Wirkungsweisen verschiedener Nachrüstsysteme mit und ohne Partikelfilter beschrieben haben. Die Anhörung führte zu der Erkenntnis, dass eine Erhöhung der direkten NO2-Emissionen bei schweren Nutzfahrzeugen > 3,5 t eintreten kann, allerdings nur bei Verwendung von Partikelfiltern oder Filtersystemen, die in ihrer Arbeitsweise nicht NO2 - neutral sind. Bei NO2 -neutralen Systemen tritt dieser Effekt nicht ein. In anderen Fällen, beispielsweise bei Pkw und leichten Nutzfahrzeugen mit ab Werk ausgestatteten Oxidationskatalysatoren, werden nach der Stellungnahme P. (Anlage B 5 zum Schriftsatz der Beklagten vom 17.4.2009) sogar deutlich niedrigere NO2-Emissionen hervorgerufen. Das von dem Kläger aufgezeigte Problem betrifft danach lediglich einen Teilbereich der Fahrzeugflotte. Diesen Umstand hat der von dem Kläger benannte ADAC-Sachverständige Q. vernachlässigt. In der Berufungsverhandlung vor dem Senat hat der Sachverständige anhand eines Schaubildes das Problem einer Erhöhung der direkten NO2-Emissionen während der Abgasverbrennung in Partikelfiltern nur allgemein erläutert und dabei die These vertreten, eine Erneuerung der Fahrzeugflotte sei effektiver als die Nachrüstung von Dieselfahrzeugen mit entsprechenden Filtersystemen. Abgesehen davon, dass auch die Beklagte durch die errichtete Umweltzone das vorrangige Ziel verfolgt, eine beschleunigte Umstellung der Fahrzeugflotte - sowohl durch den Ersatzalter durch neue (schadstoffärmere) Fahrzeuge als auch durch eine Nachrüstung der von den Fahrverboten betroffenen Fahrzeuge mit geeigneten Abgasfiltersystemen - zu fördern, überzeugt die Beurteilung des Sachverständigen nicht, weil sie die unterschiedlichen Wirkungsweisen der Filtersysteme für verschiedene Fahrzeugtypen bzw. Fahrzeuge verschiedener Hersteller außer Acht lässt. Die Einschätzung des Sachverständigen steht auch nicht im Einklang mit dem im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten (undatierten) "ADAC Verbraucherschutztest an Nachrüstfiltern für Pkw", demzufolge ein Test verschiedener Nachrüstsysteme (HJS, TwinTec, Remus, Volkswagen) unter praxisnahen Bedingungen ergeben hat, dass die entsprechenden Nachrüstfilter zu einer Verminderung der Russpartikel in Dieselabgasen führen würden und darüber hinaus auch der Ausstoß von Stickstoffdioxid um etwa 30% verringert werde, weil der Russ im Filter erfolgreich durch NO2 regeneriert werde. In dem Testbericht hieß es ausdrücklich, entgegen vielfach geäußerten Befürchtungen komme es durch den Einsatz von Nachrüstpartikelfiltern nicht zu höheren NO2 -Belastungen. Einer weiteren Klärung bedarf der danach festzustellende Widerspruch in den fachlichen Bewertungen (durch ADAC-Sachverständige), auf den die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich hingewiesen hat, nicht. Denn wie bereits das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt und der in der Berufungsverhandlung angehörte fachliche Beistand der Beklagten P. eingehend und überzeugend erläutert hat, sind in die Betrachtung vielmehr auch die NOx -Emissionen, die Ursache für das bei Austritt aus der Abgasanlage gebildete indirekte Stickstoffdioxid sind, mit einzubeziehen. Danach lässt eine Verringerung der NOx -Emissionen, wie sie beispielsweise Kraftfahrzeugen der EURO-Schadstoffgruppe 4 im Verhältnis zur Schadstoffgruppe 2 abverlangt wird, eine Verringerung der indirekten NO2 -Emissionen und zugleich auch der NO2-Immissionen erwarten.

48

In der ergänzenden Stellungnahme vom 21. Oktober 2009 hat das Ingenieurbüro Lohmeier den Einfluss der direkten NO2-Emissionen auf die NO2-Immissionen klarstellend beschrieben. Danach sei es zwar prinzipiell unbestritten, dass in den letzten Jahren in betrachteten Straßenräumen der Anteil direkter NO2-Emissionen am NOx angestiegen sei. Eine der Ursachen sei insbesondere die Erhöhung der Fahrleistungen von Diesel-Pkw der Schadstoffklassen EURO 3 und EURO 4. Der Effekt führe aber nicht zwangsläufig zu einer Erhöhung der NO2-Immissionen. An anderer Stelle der Ausführungen wurde dies damit erläutert, dass im Flottenmittel die direkten NO2-Emissionsanteile (p) deutlich unter 50% lägen; es dominiere stets der NO2-Emissionsanteil, welcher sich chemisch aus dem (dominanten) NO gebildet habe. Sinke die NO-Emission stärker als die direkte NO2-Emission steige, und das sei bei den betrachteten Szenarien der Umweltzone der Fall, dann sinke der NO2-Jahresmittelwert der Konzentrationen. Erst bei einem im Flottenmittel unrealistisch hohen Anteil direkter NO2-Emissionen von beispielsweise p = 30% würde sich diese positive Wirkung in der Phase 1 der Umweltzone, d.h. im Bezugsjahr 2008, umkehren. Im Bezugsjahr 2010 würde dieser Punkt auch dann noch nicht erreicht. Die konkreten Szenarien in der Stellungnahme gingen von unterschiedlich hohen p-Anteilen von 13% bis zu 30% aus (vgl. Tab. 5 mit leichten Abweichungen gegenüber Tab. 2). Bei Annahme eines p-Anteils von 13% wurde der berechnete NO2-Jahresmittelwert in der Göttinger Straße für das Jahr 2005 mit 58 µg/m3 angegeben, für 2008 (ohne/mit Umweltzone) mit 53/50 µg/m3 und für das Jahr 2010 (ohne/mit Umweltzone) mit 50/42 µg/m3. Bei einem p-Anteil von 15% ergaben sich Werte von 60, 55/51 und 51/43 µg/m3, bei einem p-Anteil von 18% Werte von 63, 57/53 und 53/44, bei einem p-Anteil von 20% Werte von 65, 59/54 und 54/45 µg/m3 und bei einem p-Anteil von 30% Werte von 74, 66/61 und 61/49 µg/m3. Auf der Basis dieser berechneten Zahlen gelangte das Ingenieurbüro zu der plausiblen Schlussfolgerung, dass die NO2-Jahresmittelwerte auch bei Zugrundelegung unterschiedlich stark gestiegener direkter NO2-Emissionen wegen der stärker abnehmenden NOx -Emissionen deutlich unter dem Jahresmittelwert für das Bezugsjahr 2005 lägen.

49

Mit Blick auf die unterschiedlichen Funktionsweisen der Kfz-Nachrüstsysteme und die in den vorherigen Ausarbeitungen noch nicht berücksichtigten Ausnahmetatbestände nach der inzwischen in Kraft getretenen 35.BImSchV hat der Sachverständige Dr. K. vom Ingenieurbüro L. in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht die in dem Materialband 11a abgegebene Prognose geringfügig dahin abgeschwächt, dass die sich möglicherweise durch eine Nachrüstung mit Partikelfiltern ergebenden Effekte mit einem Faktor von 1 bis 5% zu berücksichtigen seien, d.h. in einigen der belasteten Straßenschluchten der Umweltzone sei nicht mit einer Verringerung der NO2-Emissionen um bis zu 30%, sondern lediglich bis zu 25% zu rechnen. Diese verminderte Wirkung hat indes, wie die Beklagte in der erstinstanzlichen Verhandlung klargestellt hat, die ohnehin konservative Schätzung im Luftreinhalte-Aktionsplan, derzufolge die Beklagte - wie dargelegt - nur von einer Verminderung der NO2-Belastung in einer Größenordnung zwischen 10 und 15% ausgegangen ist, nicht zu Fall gebracht. In seiner Untersuchung von August 2010 gelangte das Ingenieurbüro L. zu keinen grundlegend anderen Erkenntnissen. In der Untersuchung wurden die verkehrsbedingten Schadstoffemissionen und -immissionen für das Hauptverkehrsstraßennetz in der Umweltzone der Landeshauptstadt anhand von Modellrechnungen nach dem Verfahren PROKAS und unter Einschluss des überarbeiteten Handbuchs für Emissionsfaktoren (HBEF. 3.1) ermittelt. Betrachtet wurden die Bezugsjahre 2007 und 2010, wobei für 2010 alle Fahrzeuge ohne grüne Plakette durch solche mit grüner Plakette rechnerisch ersetzt wurden. Als Ergebnis zeigte sich für die NOx-Emissionen im Stadtgebiet ein Rückgang von ca. 29% bei einem Anstieg der direkten NO2-Emissionen um ca. 3%. In Bezug auf den NO2-Jahresmittelwert wurde für das betrachtete Straßennetz eine Abnahme von maximal 4,9 µg/m3 für 2010 im Vergleich zu 2007 ermittelt, für die Göttinger Straße ergab sich eine Abnahme von 3 µg/m3 (von 57 auf 54 µg/m3 = - 5%). Bei der Länge der Straßenabschnitte mit einer Überschreitung des NO2-Jahresmittelgrenzwertes wurde eine Verringerung von 22,4 km (2007) auf 14,2 km (2010) ermittelt. Beide Untersuchungen des Ingenieurbüros können als weitere Belege dafür herangezogen werden, dass die prognostische Einschätzung der Beklagten, die Einrichtung einer Umweltzone stelle ein geeignetes Instrument zur Verminderung der NO2-Belastungen im Stadtgebiet dar, durchaus vertretbar und nicht verfehlt gewesen ist.

50

Die weiteren fachlichen Stellungnahmen, die der Kläger vorgelegt hat, führen zu keiner abweichenden Beurteilung. Mit ihnen stellt der Kläger im Wesentlichen in Frage, dass die Umweltzone die von ihr erhoffte Wirkung nicht erbracht habe. Damit zeigt er aber keine Prognosemängel auf, die auf die Rechtmäßigkeit des Luftreinhalte-Aktionsplans bzw. der hier streitigen Teilmaßnahme der Einrichtung einer Umweltzone durchschlagen, sondern allenfalls einen zukünftigen Abänderungsbedarf, welcher hier nicht weiter zu prüfen ist und der sich ohnehin erst nach einer umfassenden Auswertung der Umweltzone einschließlich ihrer Auswirkungen im Jahr 2010, an der es bisher fehlt, näher bestimmen lassen könnte. Davon abgesehen bezieht der Kläger sich auf fachliche Bewertungen, die ihrerseits nicht unbestritten sind und einen wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisstand nicht wiedergeben.

51

In der von dem Kläger in Bezug genommenen und im Internet veröffentlichten Stellungnahme des MU vom 14. Mai 2009 ("Argumentationshilfe-Umweltzonen und Stickstoffdioxidminderung") wurden Umweltzonen als ungeeignetes Instrument zur Stickstoffdioxidminderung bezeichnet. Hervorgehoben wurde in der Stellungnahme die bereits oben beschriebene besondere Bedeutung der NOx-Emissionen aus dem Straßenverkehr für die NO2-Belastungen. Dabei wurde aber zugrunde gelegt, dass etwa bei Diesel-Pkw ab der Abgasstufe EURO 3, die mit Oxidationskatalysatoren ausgestattet seien, die Verbrennung im Katalysator eine Umwandlung von NO in NO2 bewirke, so dass bis zu über 50% der Stickoxide in Form von (primärem) NO2 freigesetzt würden. Bei schweren Nutzfahrzeugen, die mit einer Kombination aus Oxidationskatalysator und Partikelfilter (nach dem CRT-System) ausgestattet seien, würden sogar bis zu 60% der Stickoxide im Abgas direkt in Form von NO2 emitiert. Der Hinweis auf die Freisetzung derart hoher Anteile direkter NO2-Emissionen überzeugt allerdings - jedenfalls ohne weitere Ergänzungen - nicht, denn dabei werden u.a. die Nachrüstmöglichkeiten mit NO2-neutralen Katalysatoren bzw. Kombinationssystemen und die nach dem Gutachten des Ingenieurbüros L. vom 21. Oktober 2009 deutlich niedriger anzusetzenden Prozentwerte für direktes NO2 im Durchschnitt der Fahrzeugflotte vernachlässigt. Im Übrigen entspricht die Argumentationshilfe des MU auch nicht mehr den aktuellen (veröffentlichten) Verlautbarungen des Ministeriums. In einer gemeinsamen Presseerklärung des MU und der Beklagten vom 25. Januar 2011 (www.umwelt.niedersachsen.de) wurden unter anderem einzelne (Zwischen-)Ergebnisse zu den Auswirkungen der Umweltzone und Überlegungen zur weiteren Vorgehensweise auf der Grundlage eines gemeinsam verfassten Ergebnisberichts (von Januar 2011) vorgestellt. In Bezug auf die NO2-Belastungen hieß es ausdrücklich, es bestehe Einigkeit darin, dass die Umweltzone grundsätzlich zur Minderung von Stickoxiden beitrage - wenn auch weniger als erwartet. Die Feststellung, die Umweltzone sei in dieser Hinsicht ungeeignet, findet sich in der Erklärung nicht. Für eine derartige Äußerung bestand nach den in dem Ergebnisbericht aufgeführten Modellberechnungen des Ingenieurbüros L. (von August 2010) und des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamts J. (vgl. dazu nachfolgend) auch kein Anlass. Zu einer ähnlichen - die Einrichtung von Umweltzonen befürwortenden - Einschätzung ist zuvor auch der von der Beklagten vorgelegte Bericht der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (Stand: Juni 2009) gelangt, in dem erste Erfahrungen zu verschiedenen Umweltzonen im Bundesgebiet - unter anderem in Hannover - referiert und bewertet wurden. Darin hieß es ebenfalls, Umweltzonen seien im Verbund mit anderen Minderungsmaßnahmen (weiterhin) als ein wichtiges und geeignetes Instrument zur Senkung von verkehrsbedingten Luftbelastungen, sowohl für Feinstaub als auch für Stickstoffdioxid, anzusehen.

52

In dem von dem Kläger auszugsweise vorgelegten Aufsatz von Lahl/Lambrecht ("Weiterhin hohe NO2 -Belastungen: Ursachen und Minderungsmaßnahmen", 2009) wurde eine vorgezogene Einführung der EURO 6-Emissionsgrenzwerte für Pkw und Lkw befürwortet. Zu den Auswirkungen von Umweltzonen, insbesondere derjenigen in Hannover, verhält sich der Aufsatz indes nicht. Entsprechendes gilt auch für die vorgelegte Ausarbeitung von R. u.a. (Das innerstädtische "Stickstoffdioxid (NO2)-Problem" April 2009), in der zur Bildung des direkten und indirekten NO2 in Abgassystemen von Kraftfahrzeugen und insbesondere zu den NO2 / NOx -Emissionsverhältnissen Stellung genommen wurde. Auch diese Ausarbeitung äußerte sich zu den Auswirkungen von Fahrverboten, namentlich in Umweltzonen wie der in Hannover, nicht.

53

Mit seinem Verweis auf die ADAC-Untersuchung "Wirksamkeit von Umweltzonen" (Juni 2009) vermag der Kläger ebenfalls nicht durchzudringen. In der Untersuchung wurden Veränderungen der PM10 - sowie der NO2 -Emissionsbelastungen an verkehrsnahen Messstationen in Städten mit/ohne Umweltzone (Berlin/Potsdam; Mannheim/Ludwigshafen, Karlsruhe; Stuttgart, Tübingen, Ludwigsburg/Pforzheim, Heilbronn, Herrenberg, Mühlacker) im Jahr 2008 gegenüber 2007 verglichen und bewertet. Sowohl bei den Feinstaubbelastungen als auch den Stickstoffdioxidbelastungen hätten sich in den betrachteten Städten bei einer großen Streubreite einzelner Ergebnisse tendenziell meist niedrigere Messwerte ergeben. Der Rückgang sei indes, da er gleichermaßen in den Städten mit und ohne Umweltzone festgestellt worden sei, im Wesentlichen auf Witterungseinflüsse zurückzuführen. In der Zusammenfassung gelangte die Studie zu der Feststellung, dass die mangelnde Wirksamkeit von Umweltzonen eindeutig bestätigt worden sei. Die erwartete Verbesserung der Luftqualität durch die Einführung von Umweltzonen im Vergleich zur Schadstoffbelastung in Städten ohne Fahrverbote sei nachweislich nicht eingetreten, vielmehr hätten die Verbesserungen lediglich im Bereich von Mess(un)genauigkeiten gelegen. Abgesehen davon, dass die Beklagte die Untersuchung bei der Beschlussfassung über den Luftreinhalte-Aktionsplan naturgemäß noch nicht berücksichtigen konnte, ist die Untersuchung ihrerseits nicht unumstritten geblieben (vgl. VG Berlin, a.a.O.: "Muster ohne Wert") und lässt schon deshalb eine Schlussfolgerung dahin, dass die festgelegte Umweltzone als Instrument zur Verminderung der Luftschadstoffe, namentlich der verkehrsbedingten NO2 -Emissionen, von vornherein nicht geeignet erschien, nicht zu. In methodischer Hinsicht ist, wie das Verwaltungsgericht Berlin (a.a.O.) zu Recht bemängelt hat, bereits zweifelhaft, eine Veränderung der verkehrsbedingten Luftschadstoffe in einzelnen Städten (z.B. in Berlin und Potsdam) miteinander zu vergleichen, ohne auf die örtlichen Gegebenheiten, in denen sich die Messstellen befinden, näher einzugehen. In die Vergleichsbewertung wurde, worauf die Beklagte zutreffend hinweist, auch nicht das jeweilige lokale Verkehrsaufkommen einbezogen (Kritisch deshalb auch Bericht der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz von Juni 2009). Außerdem wurde in der Untersuchung des ADAC selbst eingeräumt, dass in den betrachteten Städten mit Umweltzone die entsprechenden Fahrverbote zeitlich gestuft vorgesehen seien und im Jahr 2008 hier lediglich Fahrverbote für Fahrzeuge der Schadstoffgruppe 1 (ohne Plakette) bestanden hätten. Nach dem genannten Bericht der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz gehören (wohl in Berlin) zu der Schadstoffgruppe 1 allerdings nur noch 10% der Nutzfahrzeuge, während 98,3% aller Kraftfahrzeuge mindestens zur Schadstoffgruppe 2 (rote Plakette) gehören. Danach verwundert es nicht, dass die vom ADAC aufgezeigten Verminderungen der Luftschadstoffe im Jahr 2008 gegenüber 2007 in den betrachteten Städten mit Umweltzonen eher bescheiden ausgefallen sind. Verlässliche Rückschlüsse auf das Fehlschlagen der Umweltzonen auch nach Eingreifen der weiteren Phasen lassen sich darauf aber nicht stützen. Soweit es die vom ADAC betrachtete Umweltzone in Berlin betrifft, ist deren Eignung zur Verminderung auch der verkehrsbedingten NO2-Immissionen im Übrigen sowohl in der von der Beklagten vorgelegten Ausarbeitung der Senatsverwaltung für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz Berlin (Lutz/Dr. Rauterberg-Wulff, "Ein Jahr Umweltzone Berlin: Wirkungsuntersuchungen", Stand: Mai 2009) als auch in der Anhörung von P. durch den erkennenden Senat durchaus positiv bewertet worden (vgl. auch den Bericht der Bund/Länder Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz). So heißt es etwa in der Ausarbeitung von Mai 2009, dass der Stufe 1 der Umweltzone eine Minderung der Stickstoffdioxid-Konzentration um etwa 7 bis 10% zugeschrieben werden könne. In der Berufungsverhandlung hat P. unter Bezugnahme auf neuere technische (Ermittlungs-)Mög-lichkeiten erklärt, die NOx-Emissionen hätten sich in der Berliner Umweltzone bis Ende 2010 um 20% vermindert, immissionsseitig lasse sich eine Minderung von NO2 in der Größenordnung von 5% feststellen. Auch dies widerspricht der vom ADAC vertretenen These, Umweltzonen seien in dieser Hinsicht ungeeignet.

54

Soweit der Kläger sich auf Messberichte des Staatlichen Gewerbeaufsichtsamtes J. zu den Auswirkungen der Umweltzone in Hannover beruft, führen auch diese nicht zu der Erkenntnis, dass die Umweltzone grundsätzlich ungeeignet sei, Minderungen der verkehrsbedingten Stickstoffdioxid-Emissionen zu bewirken. In dem Bericht des Gewerbeaufsichtsamts von April 2009 wurde ergänzend zu ersten Untersuchungen im Juli 2008 zu den Auswirkungen der Umweltzone im Jahr 2008 im Vergleich zu 2007 Stellung genommen. Danach konnte bezogen auf den Jahresmittelwert für NO2 an der Messstation in der Göttinger Straße ein signifikanter Unterschied nicht festgestellt werden (bei Jahresmittelwerten von jeweils 56 µg/m3). Allerdings wurden in dem Messbericht selbst Einschränkungen hinsichtlich seiner Aussagekraft gemacht. So wurde unter anderem vermutet, dass der Befolgungsgrad bei den Fahrverboten wegen der besonderen Lage der Göttinger Straße und wegen der von Januar bis April 2008 ausgesetzten Fahrzeugkontrollen gering gewesen sein könnte. Eine Umfahrung des in der Umweltzone liegenden, ca. 1,5 km langen Abschnitts der Göttinger Straße sei mit einem großen Umweg verbunden. Ergänzend dazu hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass die zur Feststellung der Hintergrundbelastungen eingerichtete Messstelle (HRSW) im Laufe des Jahres 2007 verlegt worden sei und die Auswirkung der Stationsumsetzung auf die Immissionsmessungen noch unklar sei. Auch dies ist ein Gesichtspunkt, der nicht von der Hand zu weisen ist und die Aussagekraft des Messberichts in Frage stellt. Aus der Fortschreibung des Berichts (vom Juli 2010) geht hervor, dass der NO2-Jahresmittelwert an der Verkehrsmessstation im Jahr 2009 gegenüber 2008 von 56 auf 53 µg/m3 gesunken war. Die Minderung spricht vordergründig für einen positiven Effekt der Umweltzone, allerdings hat das Gewerbeaufsichtsamt darauf hingewiesen, dass ein vergleichbarer Rückgang der NO2-Jahresmittelwerte auch in anderen Städten ohne Umweltzone (Braunschweig, Osnabrück) zu beobachten gewesen sei. In dem Messbericht wurden deshalb Zweifel geäußert, dass der Rückgang der Umweltzone zugeschrieben werden kann. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat haben die Vertreter des Gewerbeaufsichtsamts die Messberichte nochmals erläutert und bestätigt, dass der NO2-Jahrensmittelwert an der Verkehrsmessstation in der Göttinger Straße im Jahr 2009 in der genannten Größenordnung gesunken sei und dass die Umweltzone hierfür ursächlich sein könne, aber nicht müsse. Allerdings hat der Vertreter S. dieser Behörde auch auf neuere Modellberechnungen hingewiesen, die neben der Untersuchung des Ingenieurbüros L. von August 2010 in den gemeinsamen Ergebnisbericht des MU und der Beklagten von Januar 2011 eingearbeitet worden seien. Danach habe sich an der Messstation in der Göttinger Straße eine Minderung des NO2-Jahresmittelwerts in einer Größenordnung von etwa 6 µg/m3, ergeben, wobei davon auszugehen sei, dass etwa die Hälfte dieses Rückgangs auf die Umweltzone zurückzuführen sei. Letztendlich zeigen die Messberichte des Gewerbeaufsichtsamtes allenfalls, dass sich eindeutige Aussagen über die positiven Auswirkungen der Umweltzone auf die verkehrsbedingten NO2-Emissionen in ihrem Geltungsbereich (noch) nicht sicher treffen lassen. Andererseits können sie nicht als Beleg dafür angeführt werden, dass die Einrichtung der streitigen Umweltzone ungeeignet ist, zur Verminderung dieser Emissionen beizutragen und die prognostische Einschätzung der Beklagten in dieser Hinsicht fehlerhaft (gewesen) ist.

55

bb)

Der Senat teilt weiterhin nicht die Bedenken des Klägers, die sich gegen die Erforderlichkeit der beanstandeten Umweltzone richten. Wie dargelegt, sind die NO2-Immissionen in innerstädtischen Bereichen zu einem wesentlichen Teil auf den Kraftfahrzeugverkehr zurückzuführen, so dass es sachgerecht ist und den Anforderungen des § 47 Abs. 4 BImSchG entspricht, Maßnahmen zur Verminderung der verkehrsbedingten Luftschadstoffe zu ergreifen. Nach Messungen des LÜN traten in den Jahren 2002 bis 2005 an der Verkehrsmessstation in der Göttinger Straße durchweg beträchtliche Überschreitungen des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes von 40 µg/m3 auch unter Berücksichtigung der vorgesehenen Toleranzmargen auf (vgl. Messbericht des Gewerbeaufsichtsamts von Juli 2010; Tab. 3 des Luftreinhalte-Aktionsplans; hinsichtlich weiterer Straßenzüge Materialband 11a). Auch aktuell und in näherer Zukunft kommt es nach Einschätzung des MU und der Beklagten zu weiteren Grenzwertüberschreitungen (vgl. gemeinsame Presseerklärung v. 25.1.2011 sowie Ergebnisbericht v. Januar 2011). Da die Einhaltung des Immissionsgrenzwerts für Stickstoffdioxid nach Anhang XI B. der Luftqualitätsrichtlinie i.V.m. § 3 Abs. 4 der 22. BImSchV/§ 3 Abs. 2 der 39. BImSchV ab dem 1. Januar 2010 verpflichtend ist, durfte die Beklagte die Errichtung der Umweltzone bei dieser Sachlage in Ausübung des ihr zustehenden Gestaltungsspielraums als alternativlos ansehen, um die Einhaltung des Grenzwerts zu gewährleisten oder diesem Ziel jedenfalls näherzukommen. Dabei muss beachtet werden, dass die Umweltzone im Luftreinhalte-Aktionsplan nicht isoliert, sondern neben weiteren, unter Nrn. 7.1 bis 7.10 des Plans dargestellten Maßnahmen vorgesehen ist. Zu diesen gehören unter anderem Maßnahmen zur Steuerung und Verflüssigung des Straßenverkehrs, zur Gestaltung der Straßenräume, zur Ausstattung der städtischen Verwaltung und Eigenbetriebe mit schadstoffarmen bzw. erdgasbetriebenen Fahrzeugen sowie allgemein zum Klimaschutz. Dass der Beklagten an Stelle der streitigen Umweltzone andere, gleich oder besser wirksame Maßnahmen zur Verminderung der NO2-Immissionen im Verkehrsraum zur Verfügung gestanden haben, lässt sich bei der Bandbreite der ohnehin vorgesehenen Maßnahmen nicht feststellen. Die von dem Kläger zur Sprache gebrachte vorzeitige Verschärfung der EURO-Abgaswerte (Einführung der Abgasstufen EURO5/6/VI) mag durchaus erfolgversprechend sein, um einen spürbaren Rückgang der NO2-Emissionen im Straßenverkehr zu bewirken (vgl. auch die Argumentationshilfe des MU v. 14.5.2009; Lahl/Lambrecht, a. a. O). Insoweit wären aber legislative Maßnahmen außerhalb des Aufgabenbereichs der zuständigen Behörde i. S. des § 47 Abs. 1 BImSchG gefordert, die der Beklagten nicht zur Verfügung stehen.

56

Der von dem Kläger in Bezug genommene Luftreinhalteplan der Stadt Aachen, der einen Maßnahmenkatalog ohne die Anordnung einer Umweltzone enthält, führt im vorliegenden Verfahren nicht weiter und insbesondere nicht zu der Annahme, die streitige Umweltzone in Hannover sei nicht erforderlich. Auch in der Stadt Aachen wurde die Anordnung einer Umweltzone diskutiert, wie sich den von dem Kläger zitierten Auszügen aus dem dortigen Luftreinhalteplan entnehmen lässt. Dass die Anordnung dort unterblieben ist, lässt Rückschlüsse auf eine Fehlerhaftigkeit des streitgegenständlichen Luftreinhalte-Aktionsplans der Beklagten aber nicht zu. Eine Vergleichbarkeit der Sachverhalte ist nicht ansatzweise ersichtlich. Der Kläger verweist in diesem Zusammenhang allein auf "in etwa" vergleichbare Jahresmittelwerte für NO2 (im Jahr 2007). Die Überschreitung von Immissionsrichtwerten - hier nach § 3 Abs. 4 der 22. BImSchV - erfordert nach § 47 Abs. 1 BImSchG die Aufstellung eines Luftreinhalteplans. Welche Maßnahmen dann zu ergreifen sind, hängt aber naturgemäß von den weiteren örtlichen Gegebenheiten ab, zu denen sich der Kläger bei seiner Bezugnahme auf den Luftreinhalteplan der Stadt Aachen nicht verhält.

57

Der Kläger trägt weiterhin vor, gegenüber der Umweltzone seien die im Ergebnisbericht des MU und der Beklagten von Januar 2011 beschriebenen verkehrsplanerischen Maßnahmen mit dem Ziel einer Erhöhung des Radverkehrsanteils am sog. Modal-Split (von 13 auf 25%) und zur Verstetigung des Verkehrs ("grüne Welle") vorzugswürdig. Die Maßnahmen seien im Vergleich zur Umweltzone milder und wirksamer. Das Vorbringen greift in dieser Hinsicht zu kurz. Wie bereits dargelegt, beschränkt sich der Luftreinhalte-Aktionsplan der Beklagten bei den vorgesehenen Maßnahmen nicht auf eine Anordnung der Umweltzone, vielmehr werden weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität - zum Teil bereits ergriffene, zum Teil neu durchzuführende - beschrieben. Unter Nr. 7.3 befasst sich der Plan mit dem Thema der Verflüssigung des Kraftfahrzeugverkehrs, diesbezüglich wurde allerdings noch Prüfungsbedarf gesehen. Im Aufstellungsverfahren war hierzu verdeutlicht worden, dass die Vernetzung der innerstädtischen Hauptverkehrswege gegeben und Verkehrsanlagen weitgehend aufeinander abgestimmt seien. Weitere Optimierungen in dieser Hinsicht wurden kritisch betrachtet, weil dafür zum Teil Vorrangschaltungen für den öffentlichen Personennahverkehr aufgegeben werden müssten. Der Luftreinhalte-Aktionsplan verhält sich weiterhin zur Frage des Ausbaus und der Erweiterung des Radwegenetzes. Unter Nr. 6.5 wird festgestellt, dass Hannover bereits über ein gutes Radverkehrsnetz verfüge und der Anteil der Fahrten, die mit dem Fahrrad durchgeführt werden, mit 13% am Gesamtverkehr (Stand 1997) deutlich über dem "Modal-Split" vergleichbarer Großstädte gelegen habe. Wenn beide Maßnahmen - Verstetigung des Verkehrs und Erhöhung des Anteils des Radverkehrs am Verkehrsaufkommen - in dem Ergebnisbericht von Januar 2011 erneut thematisiert werden, zeigt das zwar, dass hier weiterhin ein Steigerungspotential gesehen wird. In welchem Umfang Verminderungen der NO2-Immissionen auf diesem Wege tatsächlich bewirkt werden können, ist letztlich aber unklar geblieben und lässt sich derzeit auch nicht verlässlich abschätzen. Mit Blick darauf, dass Maßnahmen in dieser Richtung schon in der Vergangenheit - vor Erlass des Luftreinhalte-Aktionsplans - realisiert wurden, können dahingehende Bemühungen jedenfalls nur als flankierend angesehen werden und erscheinen nicht in einer Weise erfolgversprechend, dass dadurch das Erfordernis der Umweltzone entfiele. Eine dahingehende Annahme verbietet sich auch deshalb, weil, wie in dem Ergebnisbericht von Januar 2011 konstatiert wird, auch in den nächsten Jahren noch in mehreren Bereichen der Landeshauptstadt Überschreitungen des Jahresgrenzwerts für die NO2-Immissionen zu erwarten sind. Insoweit ist ein Spielraum, auf die Umweltzone zu verzichten, nicht zu erkennen.

58

Die Erforderlichkeit der Umweltzone kann schließlich nicht mit dem Argument in Frage gestellt werden, dass die Einhaltung des Jahresgrenzwerts für NO2 von 40 ug/m3 durch entsprechenden Antrag bei der Europäischen Kommission hinausgeschoben werden könne. Zum einen war diese nunmehr durch Art. 22 der Luftqualitätsrichtlinie eröffnete Möglichkeit im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Luftreinhalte-Aktionsplan der Beklagten noch nicht gegeben. Zum anderen setzt die Verlängerung voraus, dass die zuständige Behörde bisher die ihr zur Verfügung stehenden und gebotenen Maßnahmen zur Verminderung des jeweiligen Luftschadstoffs ergriffen hat. Der Verlängerungsantrag ist kein Instrument, welches es billigt, erforderliche Maßnahmen zur Luftreinigung nicht durchzuführen (vgl. zum Ganzen Art. 22 i.V.m. Anhang XV der Luftqualitätsrichtlinie).

59

cc)

Die als Kernmaßnahme des Luftreinhalte-Aktionsplans beschlossene Umweltzone belastet die betroffenen Verkehrsteilnehmer nicht unangemessen. Wie dargelegt, setzen die Fahrverbote bei den weniger schadstoffarmen Kraftfahrzeugen als Hauptverursacher der NO2-Immissionen im Straßenverkehr an. Stickstoffdioxid ist, wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, ein hochgiftiges Gas, welches die Gesundheit schädigen kann. Den Nutzern weniger schadstoffarmer Fahrzeuge einen Beitrag zur Minderung dieser Schadstoffbelastungen abzuverlangen, erscheint deshalb sachgerecht und ist auch europarechtlichen Vorgaben geschuldet. Die phasenweise Einführung der Umweltzone durch die Beklagte mit Geltung ihrer weitestgehenden Stufe erst ab dem 1. Januar 2010 trägt Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten Rechnung und hat die Verkehrsteilnehmer in hinreichendem Maße dazu in die Lage versetzt, sich auf die Fahrverbote frühzeitig einzustellen und ihr Verhalten bzw. die Ausstattung der von ihnen genutzten Fahrzeuge entsprechend anzupassen. Hinzu kommen zahlreiche Befreiungen und Ausnahmen von den Fahrverboten, die unbillige Härten wirtschaftlicher oder sonstiger Art auf Seiten der betroffenen Verkehrsteilnehmer ausschließen bzw. überwiegenden öffentlichen oder privaten Interessen an einem Befahren der Umweltzone trotz grundsätzlich bestehenden Fahrverbots Rechnung tragen. Neben der Befreiung durch Kennzeichnung mit der erforderlichen Plakette (§ 2 Abs. 1 i.V.m. Anhang 1 der 35. BImSchV) und der Ausnahme von den Verkehrsverboten nach § 2 Abs. 3 i.V.m. Anhang 3 der 35. BImSchV enthält der Luftreinhalte-Aktionsplan (S. 31 ff.) weitere Ausnahmeregelungen im Sinne des § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV für die Umweltzone, wobei für einzelne Ausnahmetatbestände ein Kriterienkatalog erstellt wurde (z.B. für Bewohner innerhalb der Umweltzone und den Anlieferverkehr). Ergänzend wird in dem Plan auf die Eilzuständigkeit der Polizei nach§ 1 Abs. 2 der 35. BImSchV für weitere Ausnahmegenehmigungen hingewiesen. Der Einwand, die Umweltzone führe zu unverhältnismäßigen Einschränkungen, lässt sich mit Blick auf die vielfältigen Befreiungs- und Ausnahmetatbestände nicht halten, selbst wenn diese ein einschränkungsloses Befahren der Umweltzone mit entsprechenden Fahrzeugen nicht ermöglichen.

60

Auf eine Verletzung der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) kann der Kläger sich nicht mit Erfolg berufen. Denn die angegriffenen Fahrverbote in der Umweltzone weisen ersichtlich keine berufsregelnde Tendenz auf (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.9.2010 - 3 C 37.39 -, NJW 2011, 246 [BVerwG 23.09.2010 - BVerwG 3 C 37.09] zu einem Lkw-Überholverbot). Die allgemeine Handlungsfreiheit ist von vornherein nur in den Schranken des Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet. Die in ihren Schutzbereich fallende Fortbewegungsmöglichkeit wird durch die Fahrverbote hier nur geringfügig beeinträchtigt. Die Beeinträchtigung stellt sich - wie dargelegt - nicht als unangemessen dar.

61

4.

Begegnet die im Luftreinhalte-Aktionsplan der Beklagten vorgesehene Umweltzone nach alledem keinen durchgreifenden Bedenken, so ist auch ihre verkehrsbehördliche Einrichtung auf der Grundlage des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG nicht zu beanstanden.

62

Wie sich aus der Regelung des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG ("beschränkt oder verbietet ...") ergibt, eröffnet diese der Straßenverkehrsbehörde auf der Vollzugsebene kein Ermessen, vielmehr ist die Behörde an die in einem Plan nach § 47 Abs. 1 oder 2 BImSchG vorgesehenen Maßnahmen strikt gebunden. Nur soweit der Plan selbst bei der Auswahl oder Gestaltung einzelner Maßnahmen Spielräume eröffnet, steht der Straßenverkehrsbehörde ein entsprechendes (Auswahl-)Ermessen zu. Das Verwaltungsgericht hat die Regelung in § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG deshalb zu Recht als Rechtsfolgenverweisung angesehen (vgl. auch VG Köln, a.a.O.; VG Düsseldorf, a.a.O.; Jarass, BImSchG, 8. Aufl., § 40 Rn. 7 f.). Kompensiert wird die Bindung der Straßenverkehrsbehörde an die Maßnahmen in einem Luftreinhalte- oder Aktionsplan dadurch, dass diese nach § 47 Abs. 4 Satz 2 BImSchG im Einvernehmen mit der Straßenverkehrsbehörde festgelegt werden (vgl. Scheidler, a.a.O., § 40 Rn. 104). Im vorliegenden Fall bedarf dieser Gesichtspunkt keiner weiteren Betrachtung, weil die Beklagte, die den Luftreinhalte-Aktionsplan beschlossen hat, zugleich auch zuständige Straßenverkehrsbehörde für ihr Stadtgebiet ist.

63

Ohne Erfolg rügt der Kläger, die Einrichtung der Umweltzone, d.h. ihre konkrete Ausge-staltung, genüge nicht den straßenverkehrsrechtlichen Anforderungen, die an das Aufstellen von Verkehrszeichen gestellt werden. Diesbezüglich verweist er darauf, dass sich die vorgesehenen generellen Ausnahmen von den Fahrverboten nicht aus den Verkehrszeichen selbst ergäben. Sie seien auch nicht durch Zusatzzeichen öffentlich bekanntgemacht worden. Der Mangel führe zur Rechtswidrigkeit der Ausnahmeregelungen und damit in entsprechender Anwendung des § 44 Abs. 4 VwVfG zur Rechtswidrigkeit der Umweltzone insgesamt, denn nur bei Vorliegen wirksamer Ausnahmeregelungen genüge die Umweltzone dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Mit diesem Vortrag vermag der Kläger nicht durchzudringen. Die auf der Grundlage des§ 40 Abs. 3 BImSchG ergangene 35. BImSchV regelt (u.a.) Ausnahmen von den Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG, die die allgemeinen straßenverkehrsrechtlichen Bestimmungen - hier zur Verkehrsregelung durch Verkehrszeichen - einschließlich der Ausnahmevorschriften ergänzen und diesen gegenüber als speziellere Regelungen vorrangig sind. Der Kläger weist auf diesen Vorrang zwar hin, vernachlässigt ihn aber in seiner weiteren Argumentation. Die stufenweise Einführung der Umweltzone beginnend ab dem 1. Januar 2008 mit Befreiungen für Fahrzeuge mit roter, gelber oder grüner Plakette und mit Verschärfungen der Fahrverbote ab 1. Januar 2009 und 1. Januar 2010 entspricht den Befreiungsregelungen in § 2 Abs. 1 i.V.m. Anhang 1 der 35. BImSchV. Die Befreiungen wurden und werden durch darauf bezogene Verkehrszeichen (Zusatzzeichen zum Verkehrszeichen 270.1 Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO, lfd. Nr. 46) in dem erforderlichen Maße öffentlich bekanntgemacht. Im Luftreinhalte-Aktionsplan wird auf weitere Ausnahmen für bestimmte Fahrzeuge im Sinne des § 2 Abs. 3 der 35. BImSchV hingewiesen. Insoweit enthält der Plan keine eigenen Regelungen, vielmehr wird nur deklaratorisch auf die Gesetzeslage Bezug genommen. Ausgenommen von den Fahrverboten sind danach die im Anhang 3 der 35. BImSchV aufgeführten Kraftfahrzeuge. Ein Erfordernis, die kraft Rechtsverordnung vorgesehenen Ausnahmen durch Verkehrszeichen gesondert anzuordnen, besteht insoweit nicht. Nach § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV kann die zuständige Behörde, in unaufschiebbaren Fällen auch die Polizei, darüber hinaus den Verkehr mit von Verkehrsverboten i. S. des § 40 Abs. 1 BImSchG betroffenen Fahrzeugen von und zu bestimmten Einrichtungen zulassen, soweit dies im öffentlichen Interesse liegt, insbesondere wenn dies zur Versorgung der Bevölkerung mit lebensnotwendigen Gütern und Dienstleistungen notwendig ist, oder überwiegende und unaufschiebbare Interessen Einzelner dies erfordern, insbesondere wenn Fertigungs- und Produktionsprozesse auf andere Weise nicht aufrechterhalten werden können. Nach Maßgabe dieser Vorschrift sieht der Luftreinhalte-Aktionsplan generelle - zum Teil im öffentlichen, zum Teil im überwiegenden und unaufschiebbaren Interesse Einzelner liegende - Ausnahmen von den Fahrverboten vor, namentlich für Benzinfahrzeuge mit G-Kat (US-Norm), historische Kraftfahrzeuge mit dem Kennzeichen H, Schaustellerfahrzeuge, die Busflotte des öffentlichen Nahverkehrs und ausländische Reisebusse. Dagegen ist gerichtlich nichts zu erinnern, wobei zu den so genannten Oldtimern ergänzend anzumerken ist, dass derartige Fahrzeuge ohnehin in dem Ausnahmekatalog nach Anhang 3 (Nr. 10) der 35. BImSchV aufgeführt und somit bereits kraft Rechtsverordnung von den Fahrverboten nach § 40 Abs. 1 BImSchG ausgenommen sind.

64

Aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. März 2008 (- 3 C 18.07 -, BVerwGE 130, 383; vorhergehend: VG Ansbach, Urt. v. 25.5.2007 - AN CK 06.02661 -, [...]) kann der Kläger nichts für sich herleiten. Darin hat das Bundesverwaltungsgericht zu einer Korridorregelung zur Ausnahme von durch Verkehrszeichen angeordneten Durchfahrverboten für den sogenannten Maut-Ausweichverkehr ausgeführt, nach § 45 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 StVO dürften die "genannten Behörden", also insbesondere die Straßenverkehrsbehörden, den Verkehr nur durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen regeln und lenken. Damit werde das den Behörden zu diesem Zweck zur Verfügung stehende rechtliche Instrumentarium im Hinblick auf die Form der Regelung und die Art der Bekanntgabe beschränkt. Zwischen einem Verkehrsverbot und hiervon gewährten Ausnahmen könne nicht in der Weise getrennt werden, dass die Ausnahmen nicht unter die Vorgabe des § 45 Abs. 4 Satz 1 StVO fielen. Für eine solche Differenzierung gebe der Wortlaut der Regelung keinen Anhalt. Zudem verweise§ 41 Abs. 2 Nr. 6 Satz 5 StVO (a.F.) für allgemeine Beschränkungen von Ge- oder Verboten oder allgemeine Ausnahmen von ihnen gerade auf die Verwendung von Zusatzschildern. Auch bei den hier von den zuständigen Straßenverkehrsbehörden erlassenen Durchfahrverboten handele es sich um eine einheitliche Lenkung und Regelung des Verkehrs i. S. von § 45 Abs. 4 Satz 1 StVO. Die getroffene Gesamtregelung ergebe sich erst aus dem Zusammenwirken von Verbot und Ausnahmen, zu denen auch die Korridorregelung gehöre. Die einzelnen Elemente des Gesamtkonzepts seien schon deshalb zu einer Einheit verklammert worden, weil die Beklagten dieses Verfahrens eine einheitliche Ermessensentscheidung getroffen und die Ausnahmen beigefügt hätten, um Einwänden gegen die Verhältnismäßigkeit des Durchfahrverbotes Rechnung zu tragen und die Zustimmung der höheren Straßenverkehrsbehörde zu erhalten. Im Weiteren hat das Bundesverwaltungsgericht klargestellt, dass die beanstandete Korridorregelung auch nicht auf § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO gestützt werden könne, weil Ausnahmegenehmigungen nach dieser Regelung nicht für einen unbestimmten Personenkreis gedacht seien. Entgegen dem Berufungsvortrag des Klägers lassen sich die Maßstäbe dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung auf die hier zu beurteilende Frage, in welcher Weise (generelle) Ausnahmen von den Verkehrsverboten nach § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG vorgesehen werden können, nicht ohne weiteres übertragen. Denn unabhängig davon, dass das Immissionsschutzrecht in §§ 40 Abs. 1 Satz 2 BImSchG, 1 Abs. 2 der 35. BImSchV hierzu spezielle Regelungen bereithält (vgl. BR-Drs. 552/05 (Beschluss) S. 9 ff), ist das Verkehrszeichen 270.1 unter der laufenden Nr. 44 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO inzwischen selbst ausdrücklich mit der Erläuterung (Nr. 1) versehen, dass von dem Verbot solche Kraftfahrzeuge ausgenommen sind, die nach § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV ausnahmsweise im Einzelfall oder allgemein durch Zusatzzeichen oder Allgemeinverfügung zugelassen sind. Dass die Beklagte für die obengenannten Fahrzeuge (Benzinfahrzeuge mit G-Kat (US-Norm) u.a.) Ausnahmen vorgesehen hat, ohne diese durch Verkehrszeichen (Zusatzzeichen) kenntlich zu machen - dies wäre im Hinblick auf die Anforderungen an die sofortige Erkennbarkeit des Regelungsgehalts von Verkehrszeichen (Sichtbarkeitsgrundsatz) im Übrigen auch nicht realisierbar gewesen - begegnet danach keinen Bedenken. Vielmehr war es ausreichend, die Ausnahmen durch Allgemeinverfügung zuzulassen. Dies ist mit der Bekanntmachung des Luftreinhalte-Aktionsplans im Gemeinsamen Amtsblatt für die Region Hannover und die Landeshauptstadt Hannover sowie der öffentlichen Bekanntmachung entsprechender Allgemeinverfügungen (vom 14.8.2009 und vom 4.4.2011, vgl. dazu HAZ v. 6.4.2011) geschehen.

65

Die von dem Kläger erhobenen Einwände gegen die im Luftreinhalte-Aktionsplan vorgesehenen weiteren Ausnahmen für bestimmte Einzelfälle sind ebenfalls unbegründet. Die Beklagte hat für diese Ausnahmen einen Kriterienkatalog erstellt, der im Luftreinhalte-Aktionsplan wiedergegeben ist. Der Katalog enthält ähnlich einer normkonkretisierenden und ermessenslenkenden Verwaltungsvorschrift Vorgaben dazu, unter welchen Bedingungen eine Ausnahmegenehmigung im Einzelfall erteilt werden kann. Zeitlich befristete Ausnahmegenehmigungen sind danach unter anderem für Bewohner der Umweltzone und den Anlieferverkehr vorgesehen. Durchgreifende Bedenken bestehen insoweit nicht. Dass die aufgestellten Kriterien mit Blick auf die Ermächtigung in § 1 Abs. 2 der 35. BImSchV unsachgemäß sein könnten, legt der Kläger nicht ansatzweise dar und ist auch nicht ersichtlich. Eine unzulässige Einengung des behördlichen Entscheidungsspielraums ist schon deshalb nicht gegeben, weil in dem Katalog am Ende allgemein auf "sonstige Fälle", in denen die Umweltzone angesteuert werden soll, abgehoben wird. Die Behauptung des Klägers, über den Kriterienkatalog hinaus seien Einzelfälle denkbar, in denen die Fahrverbote in der Umweltzone zu einer unbilligen Härte führen und die deshalb eine Ausnahmegenehmigung erfordern könnten, geht deshalb ins Leere und ist im Übrigen in der Sache ohne Substanz geblieben.