Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 14.11.2017, Az.: 13 ME 367/17

Entscheidung im Verfahren einstweiligen Rechtsschutzes angesichts der Möglichkeiten zur Änderung einer solchen Entscheidung oder zur erneuten Beantragung einer einstweiligen Anordnung als eine einem rechtskräftigen Endurteil gleichzustellende verfahrensbeendende Entscheidung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
14.11.2017
Aktenzeichen
13 ME 367/17
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 49544
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2017:1114.13ME367.17.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Oldenburg - 25.09.2017 - AZ: 12 B 7335/17

Amtlicher Leitsatz

Eine Entscheidung im Verfahren einstweiligen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO ist angesichts der Möglichkeiten zur Änderung einer solchen Entscheidung analog § 927 Abs. 1 ZPO oder § 80 Abs. 7 VwGO oder zur erneuten Beantragung einer einstweiligen Anordnung keine einem rechtskräftigen Endurteil gleichzustellende verfahrensbeendende Entscheidung im Sinne des § 153 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 578 Abs. 1 ZPO.

Tenor:

Der Wiederaufnahmeantrag der Antragstellerin wird verworfen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Wiederaufnahmeverfahrens.

Der Streitwert des Wiederaufnahmeverfahrens wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

1

Der Antrag der Antragstellerin auf Wiederaufnahme des Beschwerdeverfahrens 13 ME 301/17 und des darauf bezogenen Anhörungsrügeverfahrens 13 ME 350/17 ist unzulässig und daher zu verwerfen.

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1. Der Senat entscheidet über den Antrag auf Wiederaufnahme des Beschwerdeverfahrens und des darauf bezogenen Anhörungsrügeverfahrens nach § 153 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in Verbindung mit § 585 der Zivilprozessordnung (ZPO) ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss.

3

Richtet sich der Wiederaufnahmeantrag gegen über eine Beschwerde im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes und eine darauf bezogene Anhörungsrüge entscheidende Beschlüsse, sind "allgemeine Vorschriften" im Sinne des § 153 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 585 ZPO die Vorschriften über die Beschwerde im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes nach §§ 146 ff. VwGO und über die Anhörungsrüge nach § 152a VwGO. Es widerspräche der Zielsetzung des § 585 ZPO, wenn nach der Entscheidung über eine Beschwerde im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes und eine darauf bezogene Anhörungsrüge ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss über einen (unzulässigen) Wiederaufnahmeantrag mündlich verhandelt und durch Urteil entschieden werden müsste. Dies wäre auch sachwidrig, weil die Ablehnung eines (unzulässigen) Wiederaufnahmeantrages kein aufwendigeres Verfahren rechtfertigen kann als die Behandlung des vorausgegangenen gerichtlichen Verfahrens selbst (vgl. OVG Bremen, Beschl. v. 19.3.1990 - 2T 1/90 -, NJW 1990, 2337).

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Vor der danach durch Beschluss (vgl. BVerwG Beschl. v. 8.4.2015 - BVerwG 1 A 7.15 -, juris Rn. 2; Hamburgisches OVG, Beschl. v. 16.1.2006 - 4 Bf 435/03 -, NVwZ-RR 2006, 839 [OVG Hamburg 16.01.2006 - 4 Bf 435/03]; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 18.12.2002 - 21 A 4534/02 -, NVwZ-RR 2003, 535; Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 153 Rn. 24 (Stand: September 2004)) zu treffenden Entscheidung ist nach den hier anzuwendenden Verfahrensbestimmungen in §§ 146 ff. VwGO und § 152a Abs. 3 VwGO, anders als etwa bei einem dem Wiederaufnahmeverfahren vorausgegangenen Berufungsverfahren nach § 125 Abs. 2 Satz 1 und 3 VwGO (vgl. hierzu VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 12.4.1995 - 4 S 887/94 -, NVwZ-RR 1996, 539), eine Anhörung der Beteiligten nicht obligatorisch.

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2. Der Antrag auf Wiederaufnahme ist nach § 153 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 578 Abs. 1 ZPO bereits nicht statthaft (a.) sowie mangels Vertretung der Antragstellerin durch einen postulationsfähigen Prozessbevollmächtigten (b.) und mangels schlüssiger Darlegung eines Wiederaufnahmegrundes (c.) auch sonst unzulässig.

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a. Die Wiederaufnahme eines Verfahrens durch Nichtigkeits- und Restitutionsklage setzt nach dem Wortlaut des § 578 Abs. 1 ZPO voraus, dass das betreffende Verfahren durch rechtskräftiges Endurteil geschlossen wurde. Das Wiederaufnahmeverfahren ist aber entsprechend seinem Zweck, ausnahmsweise aus Gründen materieller Gerechtigkeit unanfechtbare Gerichtsentscheidungen nachträglich zu korrigieren, auch gegen der Rechtskraft fähige verfahrensbeendende Beschlüsse statthaft (vgl. BVerfG, Beschl. v. 22.1.1992 - 2 BvR 40/92 -, juris Rn. 6; BVerwG, Beschl. v. 17.3.2015 - BVerwG 5 A 1.15 , 5 PKH 15.15 -, juris Rn. 2; Beschl. v. 4.2.2002 - BVerwG 4 B 51.01 -, Buchholz 310 § 153 VwGO Nr. 33; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 5.9.2014 - 5 LA 57/14 -, NVwZ-RR 2015, 77, 78 jeweils m.w.N.). An die Stelle der Nichtigkeits- und Restitutionsklage tritt in diesem Fall ein entsprechender Antrag (vgl. BVerwG Beschl. v. 8.4.2015, a.a.O.; Beschl. v. 26.3.1997 - BVerwG 5 A 1.97, 5 PKH 14.97 -, Buchholz 310 § 153 VwGO Nr. 31).

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Eine Entscheidung im Verfahren einstweiligen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO, wie sie der Senat hier im Beschwerdeverfahren 13 ME 301/17 getroffen hat, ist angesichts der Möglichkeiten zur Änderung einer solchen Entscheidung analog § 927 Abs. 1 ZPO oder § 80 Abs. 7 VwGO (vgl. hierzu Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 123 Rn. 77 ff. m.w.N.) oder zur erneuten Beantragung einer einstweiligen Anordnung indes keine einem rechtskräftigen Endurteil gleichzustellende verfahrensbeendende Entscheidung im Sinne des § 153 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 578 Abs. 1 ZPO (vgl. BVerwG, Beschl. v. 17.10.1983 - BVerwG 2 WBW 1.83 -, BVerwGE 76, 127, 128; Bayerischer VGH, Beschl. v. 31.1.2017 - 9 CE 17.76 -, juris Rn. 3).

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Gleiches gilt für die Entscheidung über eine Anhörungsrüge nach § 152a VwGO. Auch dieser Entscheidung kommt keine einem rechtskräftigen Endurteil gleichzustellende verfahrensbeendende Wirkung zu. Das Verfahren ist vielmehr durch die der Anhörungsrüge vorausgegangene Sachentscheidung beendet. Mit der Zurückweisung der Anhörungsrüge wird lediglich die Fortführung des beendeten Verfahrens abgelehnt.

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b. Der Wiederaufnahmeantrag ist auch mangels Vertretung der Antragstellerin durch einen postulationsfähigen Prozessbevollmächtigten unzulässig.

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Nach § 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO müssen sich die Beteiligten vor dem Oberverwaltungsgericht außer in Prozesskostenhilfeverfahren durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dieses Vertretungserfordernis besteht nach § 67 Abs. 4 Satz 2 VwGO auch für eine Prozesshandlung, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Der von der Antragstellerin persönlich gestellte Wiederaufnahmeantrag genügt dem Vertretungserfordernis nicht. Gemäß § 67 Abs. 4 Sätze 3 und 7 VwGO sind als Bevollmächtigte in Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht nur die in § 67 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen, zu denen die Antragstellerin nicht zählt.

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c. Der Antrag auf Wiederaufnahme ist auch mangels schlüssiger Darlegung eines Wiederaufnahmegrundes unzulässig.

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Ein Wiederaufnahmeantrag ist nur zulässig, wenn der Antragsteller einen nach § 153 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit §§ 579, 580 ZPO in Betracht kommenden Wiederaufnahmegrund hinreichend schlüssig dargelegt hat (vgl. BFH, Urt. v. 29.1.2015 - I K 1/14 -, juris Rn. 7; BGH, Urt. v. 25.11.1994 - V ZR 124/93 -, juris Rn. 11; BVerwG, Beschl. v. 21.8.1979 - BVerwG VII B 143.77 -, Buchholz 310 § 62 VwGO Nr. 14; Bayerischer VGH, Beschl. v. 23.7.2013 - 6 BV 13.1273 -, juris Rn. 9; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 13.6.1994 - 25 A 2856/91 -, NVwZ 1995, 95; OVG Bremen, Beschl. v. 19.3.1990, a.a.O. jeweils m.w.N.). Ein Wiederaufnahmegrund ist nur dann schlüssig dargelegt, wenn die vorgebrachten Tatsachen - ihre Richtigkeit unterstellt - den behaupteten Wiederaufnahmegrund ergeben.

13

Daran fehlt es hier offensichtlich. Die Antragstellerin hat zur Begründung ihres Wiederaufnahmeantrags lediglich auf "§ 579 Abs. 1. bis 3. ZPO" verwiesen, ohne auch nur im Ansatz darzulegen, welche tatsächlichen Umstände eine Wiederaufnahme der Verfahren rechtfertigen könnten.

14

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

15

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG).

16

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 153 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 591 ZPO, § 152 Abs. 1 VwGO).