Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 02.11.2017, Az.: 13 LB 31/14
Anspruch auf Erlass einer lebensmittelrechtlichen Allgemeinverfügung zur Einfuhr und zum Vertrieb von Produkten mit einer Dosierung von 100mg Ginkgo biloba Trockenextrakt am Tag; Prüfung des Vorliegens einer pharmakologischen Wirkung; Beurteilung des Vorliegens eines Arzneimittels
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 02.11.2017
- Aktenzeichen
- 13 LB 31/14
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2017, 43905
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2017:1102.13LB31.14.00
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BVerwG - 12.12.2018 - AZ: BVerwG 3 B 9.18 (3 C 19.18)
- BVerwG - 07.11.2019 - AZ: BVerwG 3 C 19.18
Rechtsgrundlagen
- § 2 Abs. 2 LFGB
- § 54 Abs. 1 S. 1 LFGB
- § 54 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 LFGB
- Art. 1 Nr. 2 EGRL 83/2001
- § 54 Abs. 2 LFGB
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Eine pharmakologische Wirkung - als das für die Beurteilung des Vorliegens eines Arzneimittels wesentliche Kriterium - entfaltet ein Produkt, wenn es die menschlichen physiologischen Funktionen in nennenswerter Weise durch gezielte Steuerung wiederherstellen, korrigieren oder sonst positiv beeinflussen kann; maßgeblich für die Beurteilung ist der bestimmungsgemäße, normale Gebrauch. Die pharmakologische Wirkung muss wissenschaftlich nachgewiesen sein.
- 2.
Eine pharmakologische Wirkung setzt nicht zwingend den Nachweis auch einer therapeutischen Wirksamkeit des Produkts voraus.
- 3.
Der Annahme der pharmakologischen Wirkung eines Stoffgemisches steht nicht entgegen, dass dessen Wirkungsmechanismus nicht vollständig geklärt ist. Für die Abgrenzung eines Arzneimittels von einem Lebensmittel in Form eines Nahrungsergänzungsmittels anhand des Kernmerkmals der pharmakologischen Wirkung sind der Nachweis einer Ursache-Wirkungs-Beziehung und das Wirkungsausmaß entscheidend.
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 5. Kammer - vom 8. August 2012 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 15.000 EUR festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG).
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Verpflichtung der Beklagten, eine lebensmittelrechtliche Allgemeinverfügung zur Einfuhr und zum Vertrieb von Produkten mit einer Dosierung von 100mg Ginkgo biloba Trockenextrakt am Tag zu erlassen.
Mit Schreiben vom 8. Dezember 2009 beantragte die Klägerin bei der Beklagten den Erlass einer Allgemeinverfügung nach § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches für die Produkte "Ginkgo 100mg E. Kapseln" und "Ginkgo Biloba + Q-10 A. Kapseln". Hersteller beider Produkte ist die E. in Österreich. Die Produkte beinhalten zu 20 bzw. 18 Prozent Ginkgo biloba Trockenextrakt (im Folgenden: GbE). Sie führen pro Kapsel 100mg GbE zu. Nach der Verzehrempfehlung ist einmal täglich eine Kapsel mit Flüssigkeit einzunehmen. Ihren Antrag begründete die Klägerin damit, dass sie zwar davon ausgehe, die Produkte ohne Weiteres nach Deutschland einführen und hier vertreiben zu dürfen. Denn bei dem in den Produkten enthaltenen GbE handele es sich nicht um einen den Lebensmittelzusatzstoffen gleichgestellten Stoff im Sinne des § 2 Abs. 3 Satz 2 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches, der einer Zulassung bedürfe, sodass das Inverkehrbringen der Produkte auch nicht nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches verboten sei. Vielmehr sprächen ihrer Auffassung nach gute Gründe dafür, dass es sich bei dem GbE um eine charakteristische Zutat eines Lebensmittels im Sinne der Vorschrift handele. Sie könne aber nicht ausschließen, dass einzelne Überwachungsbehörden oder Wettbewerber eine entgegengesetzte Auffassung verträten. Da sie zu der Frage der Zulässigkeit einer Einfuhr der Produkte nach Deutschland Rechtssicherheit erlangen wolle, bedürfe sie der begehrten Allgemeinverfügung. Es gebe auch keine zwingenden Gründe des Gesundheitsschutzes, die der Erteilung der beantragten Allgemeinverfügung entgegenstünden. Selbst für höhere, arzneilich wirksame Dosierungen sähen die Arzneimittelmonographien der European Scientific Cooperative on Phytotherapy und der Weltgesundheitsorganisation keine Warnhinweise vor. Die Produkte seien in anderen europäischen Mitgliedstaaten verkehrsfähig. Nach einer Mitteilung des österreichischen Bundesministeriums für soziale Sicherheit und Generationen an den Fachverband der Nahrungs- und Genussmittelindustrie Österreich vom 16. Oktober 2001 bestünden gegen die Verwendung von Ginkgo in Lebensmitteln "bei einer geringeren Dosierung als 160mg an löslichem Extrakt (Beginn der pharmakologischen Wirkung)" keine Bedenken. Nach einem Schreiben des niederländischen "Adviesbureau Waar en Wet" vom 25. November 2003 genüge ein Produkt "Ginseng Ginkgo Dragees", welches unter anderem 34,50mg Ginkgo-Blatt-Extrakt enthalte, den Anforderungen des niederländischen Lebensmittelgesetzes.
Mit Schreiben vom 19. Juli 2010 teilte die Beklagte der Klägerin mit, es bestehe der Verdacht, dass es sich bei den Produkten der Klägerin aufgrund der Dosierungen des GbE von 100mg/Tag um nicht zugelassene Arzneimittel handele. Weil es in den Aufgabenbereich des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) falle, eine pharmakologische Wirkung zu beurteilen, habe sie von dort eine Stellungnahme erbeten.
Am 25. März 2011 hat die Klägerin bei dem Verwaltungsgericht Braunschweig Untätigkeitsklage erhoben.
Während des laufenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens hat die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 28. April 2011 abgelehnt und zur Begründung geltend gemacht, dass es sich bei den streitgegenständlichen Produkten nicht um Lebensmittel, sondern um Arzneimittel handele, für die eine Allgemeinverfügung nach § 54 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches nicht erlassen werden dürfe. Die Arzneimitteleigenschaft ergebe sich aus der pharmakologischen Wirkung von GbE, die ab einer Tagesdosis von 120mg in zahlreichen Studien ermittelt, in verschiedenen Monographien beschrieben und daher anerkannt sei. Das Papier des Europarates "Homeostasis - a model to distinguish between foods (including food supplements) and medicinal products" (Homöostase-Papier) vom 7. Februar 2008 schlage vor, dass zur Festlegung der maximalen Dosierung physiologisch wirksamer Bestandteile in Nahrungsergänzungsmitteln von der niedrigsten Dosierung, für die eine pharmakologische Wirkung anerkannt sei, zunächst 10% aus Gründen analytischer Schwankungen und weitere 10% aus Sicherheitsgründen abzuziehen seien. Hiernach ergebe sich für GbE eine für Nahrungsergänzungsmittel maximal zulässige Dosis von 97,2mg am Tag. Darüber hinaus lägen hinsichtlich der pharmakologischen Wirkung von GbE neue wissenschaftliche Erkenntnisse vor, die bei Erstellung der Monographie der Kommission E des früheren Bundesgesundheitsamtes aus dem Jahre 1994 nicht berücksichtigt worden seien. Eine Studie von Santos und anderen aus dem Jahr 2003 habe die Auswirkungen der Zufuhr von 80mg GbE täglich bei älteren Männern über die Dauer von acht Monaten untersucht und festgestellt, dass dies die Blutviskosität und die zerebrale Perfusion in bestimmten Bereichen sowie die kognitiven Fähigkeiten verbessert habe. Die Studie habe somit eine pharmakologische Wirkung auch bei GbE in einer Dosierung von 80mg/Tag belegt.
Den von der Klägerin gegen diesen Bescheid erhobenen Widerspruch hat die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 1. September 2011 zurückgewiesen.
Die Klägerin hat nach Erlass des Bescheides und Widerspruchbescheides an ihrer Klage festgehalten und geltend gemacht, die Beklagte habe die streitgegenständlichen Produkte zu Unrecht als Arzneimittel bewertet. Die Aufbereitungsmonographie der Kommission E messe nur GbE in einer Dosierung von 120mg/Tag eine pharmakologische Wirkung zu. Es gebe keine neueren wissenschaftlichen Erkenntnisse, die es rechtfertigten, von dieser Bewertung abzuweichen und von einer pharmakologischen Wirkung bereits bei GbE in einer Dosierung von 100mg/Tag auszugehen. Insbesondere belege dies nicht die Studie von Santos aus dem Jahr 2003. Dem stehe schon entgegen, dass die Studie an gesunden Männern durchgeführt worden sei. Sie lasse deswegen Rückschlüsse auf eine pharmakologische Wirkung bei kranken Personen nicht zu. Die European Food Safety Authority gehe bei der Anmeldung sog. health-claims nach der Verordnung 1924/2006/EG davon aus, dass Studien an gesunden Personen nicht geeignet seien, um gesundheitsbezogene Wirkungen an Kranken zu belegen. Die Studie von Santos habe somit nur eine gesundheitsfördernde Wirkung bei gesunden Personen im Sinne eines Nahrungsergänzungsmittels belegt. Es sei darüber hinaus fraglich, ob überhaupt von einer pharmakologischen Wirkung des GbE ab einer Dosierung von 120mg/Tag ausgegangen werden könne. Der Gemeinsame Bundesausschuss habe in seiner Sitzung am 14. April 2011 zur Änderung der Arzneimittel-Richtlinie beschlossen, bei der Behandlung von Patienten mit einer Alzheimer Demenz GbE in einer Dosierung von 240mg/Tag in Fertigarzneimitteln als verordnungsfähig anzusehen, hingegen nicht mehr solche mit einer niedrigeren Dosierung. Dem liege eine Einschätzung des Institutes für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) zugrunde, wonach bei niedrigeren Dosierungen als 240mg/Tag aufgrund der heterogenen Studienlage keine abschließende Aussage zum Nutzen getroffen werden könne. Schließlich widerspreche die von der Beklagten angewandte Berechnungsmethode nach dem Homöostase-Papier des Europarates dem Gesetzeswortlaut sowie der maßgeblichen Rechtsprechung insbesondere des Europäischen Gerichtshofes. Hiernach sei für die Feststellung einer pharmakologischen Wirkung maßgeblich, dass ein therapeutischer Nutzen wissenschaftlich belegt sei. Dies sei für GbE in einer Dosierung von 100mg/Tag nicht der Fall, was in wettbewerbsrechtlichen Entscheidungen verschiedener nationaler Gerichte bereits bestätigt worden sei. Es sei nicht möglich, zum Verzehr bestimmte Produkte auf einen bloßen Verdacht hin den Arzneimitteln zuzuordnen. Es bestehe auch kein Zusammenhang zwischen der Einnahme von GbE und etwaigen gesundheitlichen Risiken. Insbesondere seien erhöhte Blutungsrisiken wissenschaftlich nicht belegt. Sie - die Klägerin - habe auch ein hinreichendes Rechtsschutzinteresse für den begehrten Erlass einer Allgemeinverfügung. Dem stehe nicht entgegen, dass sie eigentlich der Überzeugung sei, keine Genehmigung für den Vertrieb der Produkte zu benötigen. Denn es gebe Überwachungsbehörden, die anderer Auffassung seien.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 28. April 2011 in Form des Widerspruchsbescheides vom 1. September 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin eine Allgemeinverfügung gemäß § 54 LFGB für das Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen der Nahrungsergänzungsmittel "Ginkgo 100mg GPH Kapseln" und "Ginkgo biloba + Q-10 Kapseln" mit Ginkgo biloba Extrakt zu erteilen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen,
und geltend gemacht, die Annahme einer pharmakologischen Wirkung setze den Nachweis einer therapeutischen Wirksamkeit nicht zwingend voraus. Es sei zwischen therapeutischer Wirksamkeit und pharmakologischer Wirkung zu unterscheiden. Die pharmakologische Wirkung sei die Grundlage einer therapeutischen Wirksamkeit. Bei der Wirksamkeit eines Stoffes handele es sich um einen wertenden Begriff, dessen Feststellung Begrifflichkeiten wie Krankheit, Bedarf oder eine therapeutische Zielsetzung voraussetze. Nach der gesetzlichen Definition liege ein Arzneimittel nicht erst bei einer therapeutischen Wirksamkeit, sondern schon bei einer pharmakologischen, metabolischen oder immunologischen Wirkung vor. Arzneimittel wirkten daher auch bei Gesunden, seien dort aber nicht therapeutisch wirksam. Nach der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts müsse für die Bejahung der Arzneimitteleigenschaft nur ein "halbwegs gesicherter Erkenntnisstand vorliegen, der einen tragfähigen Rückschluss auf die Wirkung des Produkts" erlaube. Die Studie von Santos habe gezeigt, dass die Zufuhr von GbE in einer Dosierung von 80mg/Tag zu einer verbesserten Blutviskosität, einer verbesserten zerebralen Perfusion sowie einer verbesserten kognitiven Funktion geführt habe. Hierdurch sei eine pharmakologische Wirkung belegt. Dass die Studie an gesunden Probanden durchgeführt worden sei, sei nicht relevant, weil in der Phase I von klinischen Prüfungen zu Arzneimitteln die Wirkung von Stoffen zwingend bei gesunden Menschen zu erproben sei. Die Feststellungen der Kommission E in deren Monographie zur Arzneimitteleigenschaft eines Stoffes seien als wissenschaftlicher Beleg für die therapeutische Wirksamkeit anerkannt. Es könne aber nicht ausgeschlossen werden, dass auch unterhalb der dort genannten Dosierungen eine pharmakologische Wirkung gegeben sei. Die Ergebnisse der Studie von Santos seien durch eine weitere Studie von Galduroz und anderen aus dem Jahr 2007 bestätigt worden. Dort sei gesunden Probanden über 24 Wochen GbE in einer Dosierung von 80mg/Tag verabreicht worden. Die Studie habe gleiche Ergebnisse erbracht wie die von Santos. Beide Studien zeigten jeweils eine nennenswerte Beeinflussung der physiologischen Funktionen und belegten deswegen eine pharmakologische Wirkung. Es handele sich insoweit um die gleichen Wirkungsmechanismen, die Grundlage für die Anerkennung einer therapeutischen Wirksamkeit von Arzneimitteln mit GbE gewesen seien. Die in Rede stehenden Erzeugnisse der Klägerin wirkten sich signifikant auf die zerebrale Perfusion und die Blutviskosität aus. Hierin sei eine pharmakologische Wirkung zu sehen. Der Bericht des IQWiG, der der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 14. Mai 2011 zugrunde gelegen habe, beziehe sich ausschließlich auf die Frage eines therapeutischen Nutzens der Behandlung einer Alzheimer Demenz. Er stelle weder die pharmakologische Wirkung von GbE in niedrigeren Dosierungen infrage noch beziehe er sich auf die weiteren anerkannten Anwendungsgebiete von Produkten mit GbE. Die Wirkungen von GbE in einer Dosierung von 100mg/Tag könnten mit normaler Ernährung in vergleichbarer Weise nicht erreicht werden. Ein Lebensmittel, das einen vergleichbar selektiven Einfluss auf die Fließfähigkeit des Blutes und sonstige in Qualität und Quantität vergleichbare Wirkungsmechanismen aufweise wie die Zufuhr von GbE in einer Dosierung von 100mg/Tag, sei nicht bekannt. Für die Blutviskosität und auch die zerebrale Perfusion seien keine Normwerte oder Toleranzbereiche definiert, innerhalb derer von "normalen" Werten ausgegangen werde. Es sei auch nicht bekannt, in welchem Ausmaß sich diese Parameter durch die Zufuhr von GbE in einer Dosierung von 120mg/Tag veränderten. Die Studien, die der Anerkennung von GbE in dieser Dosierung als therapeutisch wirksames Arzneimittel zugrunde gelegen hätten, enthielten hierzu keine Angaben. Dies liege daran, dass die Anerkennung als Arzneimittel auf der Annahme eines sogenannten "well-established use" erfolgt sei. Es hätten insoweit Studien zur therapeutischen Wirksamkeit für die Anerkennung als Arzneimittel genügt, ohne die pharmakologische Wirkung vollständig aufzuklären. Sie - die Beklagte - könne nicht abschließend beurteilen, ob zwingende Gründe des Gesundheitsschutzes im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs dem Erlass einer Allgemeinverfügung entgegenstünden. Dies wäre im weiteren Verfahren, etwa seitens des Bundesamtes für Risikobewertung, zu beurteilen; bislang habe sie von dort noch keine Stellungnahme eingeholt. Gesundheitliche Risiken, die im Zusammenhang mit der Einnahme von GbE diskutiert würden, seien einerseits eine erhöhte Blutungsneigung und unerwünschte Blutungsereignisse. Dem Bundessamt für Arzneimittel und Medizinprodukte lägen 74 Meldungen unerwünschter Nebenwirkungen bezüglich Blutungen, beispielsweise Gastrointestinalblutungen sowie zerebrale Blutungen, im Zusammenhang mit GbE vor. Andererseits bestehe ein Verdacht auf eine Gentoxizität bzw. das Auslösen von Überempfindlichkeitsreaktionen. Diese Risiken könnten bei der Bewertung der Wirkung von GbE als pharmakologisch berücksichtigt werden, weil sie zeigten, dass diese über eine ernährungsübliche Wirkung weit hinausgehe. Sie könne bestätigen, dass vonseiten der Landesbehörden gegen Nahrungsergänzungsmittel vorgegangen werde, die GbE in einer Dosierung von 100mg/Tag enthielten. Für den Fall, dass die in Rede stehenden Erzeugnisse nicht als Arznei-, sondern als Lebensmittel zu behandeln wären, gehe sie davon aus, dass deren Inverkehrbringen das Verbot nach § 6 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Nr. 2 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs entgegen stehe, weil das GbE dann ein nicht zugelassener, den Lebensmittelzusatzstoffen gleichgestellter Stoff im Sinne von § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs sei. Insoweit könne nicht davon ausgegangen werden, dass GbE üblicherweise als charakteristische Zutat eines Lebensmittels verwendet werde.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 8. August 2012 als unbegründet abgewiesen. Es hat angenommen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung der begehrten lebensmittelrechtlichen Allgemeinverfügung schon deshalb nicht vorlägen, weil es sich bei den streitgegenständlichen Produkten nicht um Lebensmittel, sondern um Arzneimittel handele. Die Produkte könnten einem Menschen verabreicht werden, um die menschlichen physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische Wirkung nennenswert zu beeinflussen. Sie seien daher Funktionsarzneimittel. Eine Beeinflussung in diesem Sinne sei bei jeder Veränderung gegeben, die außerhalb der normalen im menschlichen Körper ablaufenden Lebensvorgänge liege. Für den Nachweis, dass ein Produkt menschliche physiologische Funktionen im Sinne einer pharmakologischen Wirkung beeinflusse, sei - in Übereinstimmung mit dem Homöostase-Papier des Europarates - vorrangig darauf abzustellen, ob sich belegen lasse, dass das Produkt physiologische Parameter so beeinflussen könne, dass diese normale Toleranzbereiche verließen oder in diese zurückkehrten. Voraussetzung hierfür sei allerdings, dass die relevanten physiologischen Parameter bzw. die Toleranzbereiche, in denen bestimmte physiologische Parameter noch als "normal" angesehen würden, präzise definiert und sie mit möglichst breitem Einverständnis anerkannt seien. Sei zu klären, ob ein Produkt, für das in einer bestimmten Dosierung eine pharmakologische Wirkung anerkannt sei, auch in einer geringeren Dosierung ein Arzneimittel darstelle, könne der Nachweis auch durch einen wertenden Vergleich geführt werden. Es sei dann zu belegen, dass die geringere Dosierung des Produktes die relevanten physiologischen Parameter in gleichem Ausmaß verändere wie die anerkannt pharmakologisch wirkende Dosierung. Sofern ein Vorgehen nach diesen Methoden nicht möglich sei, müsse anhand der konkreten Umstände im Einzelfall bewertet werden, ob das Produkt menschliche physiologische Funktionen pharmakologisch relevant beeinflussen könne und es unter ergänzender Berücksichtigung seiner Zusammensetzung, der Gebrauchsmodalitäten, des Umfangs seiner Verbreitung, seiner Bekanntheit bei den Verbrauchern und der Risiken, die seine Verwendung mit sich bringen könne, als Arzneimittel einzustufen sei. Hier sei nach letztgenannter (Ausnahme-)Methodik vorzugehen. Denn für die Blutviskosität sowie die zerebrale Perfusion als die relevanten physiologischen Parameter seien Normwerte bzw. Normbereiche nicht definiert; ein Vergleich des Ausmaßes der Veränderungen durch GbE in einer Dosierung von 100mg/Tag auf diese Parameter mit den Veränderungen, die die anerkannt therapeutisch wirkende Dosierung von 120mg/Tag habe, sei nicht möglich, weil die Studien, die Grundlage der Zulassung der Dosierung von 120mg/Tag als therapeutisch wirksames Arzneimittel gewesen seien, hierzu keine Angaben enthielten. Diese Studien verhielten sich nur zu der therapeutischen Wirksamkeit, ohne Art und Umfang der pharmakologischen Wirkung vollständig aufzuklären. Eine pharmakologische Wirkung für GbE in einer Dosierung von 100mg/Tag könne aber anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles festgestellt werden. Die Studien von Santos aus dem Jahr 2003 und von Galduroz aus dem Jahr 2007 hätten bereits für GbE in einer Dosierung von 80mg/Tag belegt, dass sich die Blutviskosität um circa zwanzig Prozent gegenüber dem Ausgangswert verringere. Dies sei für die (höhere) Dosierung der in Rede stehenden Produkte mit 100mg/Tag ebenfalls (mindestens) zu erwarten. Diese spezifische Veränderung eines bestimmten physiologischen Parameters sei nach Art und Ausmaß so schwerwiegend, dass sie als pharmakologisch bewertet werden müsse, weil sie eine erhebliche Beeinflussung der physiologischen Funktionen sei, die nicht mehr innerhalb der normalen im menschlichen Körper ablaufenden Lebensvorgänge liege. Sie sei bei wertender Betrachtung - angesichts des Umstandes, dass für die Blutviskosität Normbereiche nicht definiert bzw. anerkannt seien - mit dem Fall vergleichbar, dass ein Produkt einen innerhalb eines anerkannten Normbereichs liegenden physiologischen Parameter so verändere, dass er außerhalb des Normbereichs liege, bzw. einen außerhalb des Normbereichs liegenden Parameter in den Normbereich zurückführe. Ebenso sei zu berücksichtigen, dass nach den Studien von Santos und Galduroz auch die zerebrale Perfusion signifikant erhöht werde. Die Produkte führten mit Flavonoidglykosiden und Terpenlaktonen gleiche pharmakodynamische Stoffe zu und wiesen insofern insgesamt vergleichbare pharmakodynamische Eigenschaften auf wie therapeutisch wirksame Dosierungen von 120mg/Tag. Auch diese wirkten - wie beispielsweise aus Nr. 5.1 der Fachinformationen zum Produkt "Tebonin intens 120mg" ersichtlich - durch die Förderung der Durchblutung sowie die Verbesserung der Fließeigenschaften des Blutes. Ohne dass es für die Zuordnung der Produkte zu Arzneimitteln maßgeblich sei, könnten auch die mit der Verwendung der Produkte möglicherweise verbundenen gesundheitlichen Risiken berücksichtigt werden. Solche seien für GbE in einer Dosierung von 100mg/Tag zwar nicht durch Studien oder auf andere Weise konkret nachgewiesen. Angesichts der beschriebenen Wirkungen der Produkte sowie der dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte angezeigten unerwünschten Nebenwirkungen für höhere Dosierungen ließen sich gesundheitliche Risiken, insbesondere für Blutungen, auch im Zusammenhang mit dem Konsum zusätzlicher blutverdünnender bzw. durchblutungsfördernder Produkte aber auch nicht ausschließen. Dass die in den Studien von Santos und Galduroz festgestellten Beobachtungen unzutreffend seien oder die Untersuchungen wissenschaftlichen Standards nicht entsprochen hätten, sei nicht ersichtlich. Die Beklagte habe in der mündlichen Verhandlung vielmehr nachvollziehbar dargelegt, dass es sich bei den Studien um hinreichend belastbare, doppelblind randomisierte und placebokontrollierte wissenschaftliche Untersuchungen gehandelt habe. Es könne auch nicht angenommen werden, dass selbst für GbE in einer Dosierung von 120mg/Tag eine pharmakologische Wirkung nicht (mehr) anerkannt sei. Sämtliche Monographien, insbesondere auch die der Kommission E aus dem Jahr 1994, bejahten ab einer Dosierung von 120mg/Tag nicht nur eine pharmakologische Wirkung, sondern weitergehend eine therapeutische Wirksamkeit. Eine abweichende Betrachtung sei auch nicht aufgrund des Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 14. Mai 2011 geboten, wonach nur noch Produkte mit 240mg/Tag zur Behandlung einer Alzheimer Demenz verordnungsfähig seien. Hiermit sei die grundsätzliche therapeutische Wirksamkeit ab einer Dosierung von 120mg/Tag nicht in Frage gestellt, zumal sich der Beschluss nur auf die Behandlung der Alzheimer Demenz und nicht auf die weiteren anerkannten Anwendungsgebiete von GbE beziehe und der Beschluss außerdem nur die anerkannten Therapiestandards für schwerwiegende Erkrankungen betreffe und insoweit eine Kosten-Nutzen-Abwägung beinhalte. Auch dass die Dosierung der streitgegenständlichen Produkte mit 100mg/Tag unterhalb der anerkannt therapeutisch wirksamen Dosierung von 120mg/Tag liege, stehe der vorgenommenen Bewertung der Produkte als Arzneimittel nicht entgegen. Der Nachweis einer therapeutischen Wirksamkeit sei zwar ein hinreichender, aber kein notwendiger Beleg für eine pharmakologische Wirkung. Eine solche könne vielmehr auch unterhalb anerkannt therapeutisch wirksamer Dosierungen gegeben sein.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat wegen besonderer tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten zugelassene Berufung der Klägerin.
Die Klägerin erneuert und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Ihre Verpflichtungsklage sei zulässig. Sie habe ein schutzwürdiges Interesse an der Erteilung der begehrten Allgemeinverfügung, auch wenn sie diese nicht für notwendig erachte. Es lägen auch die Voraussetzungen für die Erteilung einer Allgemeinverfügung vor. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts handele es sich bei den Produkten nicht um Arzneimittel. Schon die Grundannahmen des Verwaltungsgerichts zur Abgrenzung eines Arzneimittels von einem Lebensmittel seien verfehlt. Eine pharmakologische Wirkung müsse nicht nur möglich oder wahrscheinlich sein, sondern positiv nachgewiesen werden. Die Darlegungs- und Beweislast liege bei der Beklagten. Ein halbwegs gesicherter, durch wertende Vergleiche erlangter Erkenntnisstand genüge von vorneherein nicht. Der Versuch einer Entkoppelung von therapeutischer Wirksamkeit und pharmakologischer Wirkung berücksichtige die Vorgaben der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts nicht. Denn einem Produkt, dass zwar keine therapeutische Wirksamkeit, aber eine pharmakologische Wirkung aufweise, sei der Marktzugang faktisch verwehrt. Aufgrund der pharmakologischen Wirkung müsse es als Arzneimittel angesehen werden, könne mangels therapeutischer Wirksamkeit aber die erforderliche Arzneimittelzulassung nicht erlangen. Den einschlägigen gesetzlichen Regelungen und auch der hierzu ergangenen Rechtsprechung könne zudem nicht entnommen werden, dass eine pharmakologische Beeinflussung menschlicher physiologischer Funktionen dann gegeben sei, wenn eine Veränderung bewirkt werde, die außerhalb der normalen im menschlichen Körper ablaufenden Lebensvorgänge liege. Eine solche Anknüpfung sei auch verfehlt. Denn auch Lebensmittel mit bloßen ernährungsphysiologischen Wirkungen könnten physiologische Parameter so verändern, dass diese normgemäße Toleranzbereiche verließen oder in diese zurückkehrten. Selbst nach den Grundannahmen des Verwaltungsgerichts seien die Produkte aber keine Arzneimittel. Die Ableitung einer pharmakologischen Wirkung der streitgegenständlichen Produkte mit GbE in einer Dosierung von 100mg/Tag aus vermeintlichen pharmakologischen Wirkungen von Produkten mit GbE in höheren Dosierungen gehe fehl. Zum einen müssten die Wirkungen abhängig von der jeweils konkreten Dosierung ermittelt und festgestellt werden. Zum anderen seien die pharmakologischen Wirkungen auch für höher dosierte Produkte nach dem maßgeblichen aktuellen Stand der Wissenschaft nicht unstreitig. Die Monographie der Kommission E des vormaligen Bundesgesundheitsamtes aus dem Jahre 1994, die eine therapeutische Wirksamkeit ab einer Wirkstoffkonzentration von 120mg/Tag bejaht habe, sei veraltet. Der Gemeinsame Bundesausschuss habe 2011 die Verordnungsfähigkeit erst ab einer Wirkstoffkonzentration von 240mg/Tag angenommen. Die im US-amerikanischen Ärzteblatt 2009 veröffentlichte Meta-Analyse der Cochrane Collaboration und andere Publikationen zu den Wirkungen von Ginkgo-Blatt-Extrakten hätten eine gesicherte Anti-Demenz-Wirkung gar nicht feststellen können. Klinische Studien zum Nachweis einer pharmakologischen Wirkung fehlten. Der Wirkungsmechanismus von Ginkgo biloba sei auch nach Auffassung der Beklagten nicht vollständig geklärt; ein pharmakologischer Wirkungsmechanismus sei nicht festgestellt. Diese mangelnde Feststellung eines pharmakologischen Wirkungsmechanismus könne nicht durch andere Kriterien ersetzt werden. Auch die vom Verwaltungsgericht herangezogene Fachinformation des Arzneimittels Tebonin sei demgegenüber nicht aussagekräftig. Für die streitgegenständlichen Produkte sei eine pharmakologische Wirkung nicht nachgewiesen. Die Studien von Santos und Galduroz belegten eine therapeutische Wirksamkeit nicht; sie seien ausschließlich an gesunden Probanden durchgeführt worden. Zudem seien sie durch die nachfolgenden Studien zwischenzeitlich überholt. Für die physiologischen Parameter der Blutviskosität und der zerebralen Perfusion fehle es auch nach Auffassung der Beklagten an normgemäßen Toleranzbereichen. Es könne also von vorneherein nicht festgestellt werden, dass die Produkte diese physiologischen Parameter in pharmakologisch relevanter Weise beeinflussten. Auch die aktuelle Monographie des Committee on Herbal Medicinal Products belege eine pharmakologische Wirkung der streitgegenständlichen Produkte nicht, da sie andere Indikationen, andere Wirkstoffkonzentrationen und andere Extraktionsmittel zugrunde lege. Die Gutachten des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen Dr. F. aus 2007 und 2012 sowie der Prof. Dr. G. aus 2012 zeigten vielmehr, dass die Beeinflussung der Blutviskosität allein ein ernährungsphysiologischer Effekt, aber eben keine pharmakologische Wirkung sei. Die arzneiliche Verwendung von Ginkgo erfolge in Deutschland erst seit etwa 1990. Bis dahin sei Ginkgo praktisch ausschließlich als Lebensmittel verwendet worden, was zahlreiche Teemischungen, Säfte und Erfrischungsgetränke heute noch belegten. Die Studien mit monographiekonformen Extrakten könnten auf die streitgegenständlichen Produkte schon deshalb nicht übertragen werden, weil die Extrakte mit verschiedenen Extraktionsmitteln hergestellt würden. Monographiekonform sei die Extraktion mit einem Azeton-Wasser-Gemisch. Sie - die Klägerin - extrahiere mit einem Ethanol-Wasser-Gemisch. Etwaige Zweifel könnten auch nicht über die Zweifelsregelung des Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2001/83/EG eine Arzneimitteleigenschaft begründen. Die Zweifelsregelung komme nur dann zur Anwendung, wenn die Arzneimittelkriterien erfüllt seien, aber Zweifel durch eine mögliche zusätzliche Zuordnung zu anderen Rechtsbereichen bestünden. Die streitgegenständlichen Produkte führten entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch nicht zu gesundheitlichen Risiken. Auch insoweit habe das Verwaltungsgericht nur Vermutungen angestellt. Der erforderliche Nachweis gesundheitlicher Risiken sei aber nicht geführt worden. Vielmehr habe sie - die Klägerin - anhand der Bescheinigungen der niederländischen und österreichischen Behörden, der Monographien der European Scientific Cooperative on Phytotherapy und der Weltgesundheitsorganisation, der Publikation des für die Nahrungsmittelsicherheit zuständigen italienischen Ministeriums und der Metaanalyse der Cochrane Collaboration belegt, dass die Produkte unbedenklich seien.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 5. Kammer - vom 8. August 2012 (5 A 52/11) zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin eine Allgemeinverfügung für die Einführung und den Vertrieb von Produkten mit einer Dosierung von 100mg Ginkgo Biloba Trockenextrakt pro Tag zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Die therapeutische Wirksamkeit sei nicht Bestandteil der gesetzlichen Arzneimitteldefinition. Es genüge eine pharmakologische Wirkung. Entgegen der klägerischen Ansicht bedürfe es auch keines positiven Wirksamkeitsnachweises, wie er Voraussetzung für eine Arzneimittelzulassung sei. Ein halbwegs gesicherter Erkenntnisstand, der einen tragfähigen Rückschluss auf die pharmakologischen Wirkungen des Produkts erlaube, sei ausreichend. Ein solcher Nachweis könne bereits mit den wissenschaftlich belastbaren Studien von Santos und Galduroz geführt werden. Beide Studien seien randomisiert, placebokontrolliert und doppelblind durchgeführt worden. Sie erfüllten die Voraussetzungen der Evidenzklasse Ib und könnten damit sogar Grundlage einer behördlichen Arzneimittelzulassungsentscheidung sein. Beide Studien belegten, dass die Zufuhr von GbE in einer Dosierung von 80mg/Tag kausal für eine statistisch signifikante Verringerung der Blutviskosität sei. Nach der Studie Santos sei die nachgewiesene Ursache-Wirkung-Beziehung evident. Offen gelassen werde lediglich, inwieweit GbE in dieser Dosierung bei der Behandlung älterer Menschen mit kognitiven Störungen therapeutisch wirksam eingesetzt werden könne. Diese Frage der therapeutischen Wirksamkeit sei für die hier allein maßgebliche Beurteilung einer pharmakologischen Wirkung aber unerheblich. Die in beiden Studien belegte statistisch signifikante Veränderung der Blutviskosität sei eine pharmakologische Wirkung. Denn diese Veränderung liege außerhalb der normalen im menschlichen Körper ablaufenden Lebensvorgänge. Sie gehe über das hinaus, was durch eine normale Nahrungsaufnahme an Einwirkungen auf den Körper erzielt werden könne. Um vergleichbare pharmakologische Wirkungen zu erzielen, müssten abhängig von der Wirkstoffkonzentration etwa 10 bis 100 Tassen Ginkgo-Blatt-Tee an jedem Tag getrunken werden. Solche Mengen seien nicht verzehrüblich. Ohne Belang sei hingegen, dass es für die Blutviskosität keine anerkannten Normwerte gebe. Solche Werte seien nicht für alle körperlichen Funktionen definiert. Entscheidend sei, dass eine Wirkung relativ gemessen eine signifikante Veränderung von Werten für körperliche Funktionen hervorrufe. Dass der Wirkungsmechanismus nicht bis in Einzelne geklärt sei, könne gerade bei Vielstoffgemischen, wie den streitgegenständlichen Produkten, vernachlässigt werden. Die pharmakologische Wirkung von Ginkgo biloba-Extrakten werde auch in dem vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte herausgegebenen Bulletin zur Arzneimittelsicherheit aus Dezember 2016 daraus abgeleitet, dass die wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoffe in ihrer Gesamtheit die physiologischen Funktionen beeinflussten. Die festgestellte Veränderung der Blutviskosität sei auch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auf eine pharmakologische Wirkung des Ginkgo biloba-Extrakts zurückzuführen. Denn eine Verringerung der Blutviskosität sei eine Wirkung, die dem Funktionieren des menschlichen Organismus und folglich der menschlichen Gesundheit zuträglich sei. Die Ergebnisse der Studien Santos und Galduroz könnten auf die streitgegenständlichen Produkte übertragen werden. Wirksamkeitsbestimmende Inhaltsstoffe von Ginkgo seien Flavonoide, Ginkgolide und Bilobalid. Hinsichtlich dieser Inhaltsstoffe seien die von Santos und Galduroz untersuchten Extrakte den streitgegenständlichen Produkten vergleichbar. Dem stehe entgegen der klägerischen Ansicht nicht entgegen, dass die Produkte durch verschiedene Extraktionsmittel gewonnen worden seien. Nach dem Europäischen Arzneibuch sei nicht das Extraktionsmittel, sondern die Zusammensetzung der im Extrakt an- und abgereicherten Stoffe maßgeblich. Die pharmakologische Wirkung werde auch durch die Monographie des Committee on Herbal Medicinal Products der Europäischen Arzneimittelagentur aus 2015 bestätigt. Ginkgo-Extrakte bewirkten danach eine gesteigerte Wachsamkeit im EEG bei geriatrischen Probanden, eine Herabsetzung der Blutviskosität, eine gesteigerte Durchblutung in bestimmten Hirnarealen bei gesunden Männern und eine Reduzierung der Thrombozytenaggregation. Nach der Monographie des Committee on Herbal Medicinal Products, die auch auf die Studie von Santos Bezug nehme, sei die pharmakologische Wirkung von Ginko biloba-Extrakten belegt, und zwar auch bei einer Wirkstoffkonzentration von 80mg/Tag. Denn die Festlegung einer Tagesdosis von 240mg zur Verbesserung altersbedingter kognitiver Beeinträchtigungen betreffe nur die therapeutische Wirksamkeit, nicht aber die hier maßgebliche pharmakologische Wirkung, die auch schon bei niedrigeren Wirkstoffkonzentrationen gegeben sei. Die kontinuierlich und sukzessiv steigende Wirkung werde durch die Studie von Itil und anderen aus 1996 belegt. Entgegen der klägerischen Darstellung gebe es keine Verkehrsauffassung, wonach Ginkgo-Produkte allgemein als Lebensmittel angesehen würden. Es müsse jedenfalls zwischen Ginkgo-Blatt- und Ginkgo-Extrakt-Produkten unterschieden werden. Eine Verwendung als Lebensmittel sehe die Stoffliste nur hinsichtlich der Ginkgo-Blätter vor. Auch insoweit gälten aber Einschränkungen bei hohen Dosierungen, da die Ginkgo-Blätter teilweise hohe Konzentrationen an Ginkgolsäuren enthielten, die gesundheitsschädlich wirken könnten. Auch der von der Klägerin benannte Novel-Food-Katalog der Europäischen Kommission und die Praxis in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union bezögen sich auf Ginkgo-Blatt-Produkte. Die Ginkgo-Extrakte würden hingegen allgemein als Arzneimittel angesehen. Allein daraus, dass mehrere Produkte mit 100mg Ginkgo-Extrakt unbeanstandet als Nahrungsergänzungsmittel in Verkehr seien, ergebe sich nichts Anderes. Nahrungsergänzungsmittel seien beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittel lediglich anzuzeigen. Eine Prüfung der Verkehrsfähigkeit erfolge durch das Bundesamt nicht. Dies sei vielmehr den zuständigen Landesbehörden überlassen, die auch bereits mehrfach solche Produkte beanstandet und sie als Funktionsarzneimittel eingestuft hätten. Darüber hinaus seien beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte mehrere Anträge auf Zulassung von Ginkgo-Extrakt-Produkten mit einer Wirkstoffkonzentration von 100mg nach § 21 Abs. 4 des Arzneimittelgesetzes anhängig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten in diesem Verfahren und im Parallelverfahren 13 LB 32/14 verwiesen, die Gegenstand der gemeinsamen mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Klägerin bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin kann die Verpflichtung der Beklagten zum Erlass einer lebensmittelrechtlichen Allgemeinverfügung zur Einfuhr und zum Vertrieb der Produkte "Ginkgo 100mg E. Kapseln" und "Ginkgo biloba + Q-10 A. Kapseln" mit einer Dosierung von 100mg Ginkgo biloba Trockenextrakt am Tag nicht beanspruchen. Der dies ablehnende Bescheid der Beklagten vom 28. April 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. September 2011 ist rechtmäßig (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
I. Die Verpflichtungsklage ist zulässig.
1. Die Klägerin ist klagebefugt im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO.
Die Klagebefugnis setzt voraus, dass die Klägerin geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung in eigenen Rechten verletzt zu sein, und dass nach ihrem Vorbringen die Verletzung dieser Rechte möglich ist. Die Verletzung eigener Rechte muss hiernach auf der Grundlage des Klagevorbringens als möglich erscheinen. Diese Möglichkeit ist nur dann auszuschließen, wenn offensichtlich und nach keiner Betrachtungsweise subjektive Rechte der Klägerin verletzt sein können (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.10.2012 - BVerwG 6 C 36.11 -, BVerwGE 144, 284, 286 - juris Rn. 17 m.w.N. zur ständigen Rechtsprechung).
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Klägerin macht geltend, die Voraussetzungen für die Erteilung der begehrten Allgemeinverfügung lägen jedenfalls dann vor, wenn die von verschiedenen für die Lebensmittel- und Arzneimittelüberwachung zuständigen Behörden der Länder geäußerte Auffassung zur mangelnden Verkehrsfähigkeit der streitgegenständlichen Produkte als Lebensmittel zutreffe. Die hiermit aufgezeigte Möglichkeit des Bestehens eines Anspruchs auf Erteilung der Allgemeinverfügung ist jedenfalls nicht offensichtlich oder nach jeder erdenklichen, also nicht nur der von der Klägerin selbst favorisierten Betrachtungsweise ausgeschlossen.
2. Der Klägerin fehlt auch nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für die Erhebung der Verpflichtungsklage.
Dieses ergibt sich bei Gestaltungs- und Leistungsklagen in der Regel schon aus der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes zur Durchsetzung eines behaupteten Gestaltungs- oder Leistungsbegehrens (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.1.1989 - BVerwG 9 C 44.87 -, BVerwGE 81, 164, 165 - juris Rn. 9). Besondere Umstände, die im vorliegenden Fall ausnahmsweise auf ein fehlendes Rechtsschutzbedürfnis hindeuten könnten (vgl. hierzu Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl., Vor § 40 Rn. 37 ff. m.w.N.), sind nicht gegeben.
Das Verpflichtungsbegehren wird von der Klägerin nicht offensichtlich missbräuchlich verfolgt. Sie selbst vertritt zwar die Auffassung, die streitgegenständlichen Produkte auch ohne die begehrte Allgemeinverfügung in das Bundesgebiet einführen und hier vertreiben zu dürfen. Sie geht davon aus, dass die streitgegenständlichen Produkte den lebensmittelrechtlichen Vorschriften entsprechen. Die Beklagte - und andere für die Lebensmittel- und Arzneimittelüberwachung zuständige Behörden der Länder - vertreten aber eine widerstreitende Auffassung. Diese zugrunde gelegt ist das Begehren der Klägerin auf Erteilung einer Allgemeinverfügung, hierauf hat bereits das Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend hingewiesen, durchaus nachvollziehbar.
Der Klägerin stehen auch nicht offensichtlich einfachere und effektivere Möglichkeiten der Rechtsdurchsetzung zur Verfügung. Zur Klärung der Frage, ob die streitgegenständlichen Produkte auch ohne Erteilung einer Allgemeinverfügung im Bundesgebiet nach § 54 Abs. 1 Satz 1 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs verkehrsfähig sind, dürfte zwar auch eine Feststellungsklage zulässigerweise erhoben werden können (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.5.1985 - BVerwG 3 C 53.84 -, BVerwGE 71, 318 f. - juris Rn. 15; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 17.3.2006 - 13 A 1977/02 -, juris Rn. 27). Diese führt aber nicht zwingend zu einer umfänglicheren Klärung. Gerade bei der Abweisung einer solchen Klage mangels Verkehrsfähigkeit der streitgegenständlichen Produkte im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs bliebe etwa ungeklärt, ob die Klägerin ein damit verbundenes Verbringungsverbot durch eine Allgemeinverfügung nach § 54 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs überwinden und die Erteilung einer solchen Verfügung beanspruchen könnte. Unabhängig davon besteht nach § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO lediglich eine grundsätzliche Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber den Gestaltungs- und Leistungsklagen, nicht aber umgekehrt (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.5.1977 - BVerwG VIII C 44.76 -, BVerwGE 54, 54, 55 f. - juris Rn. 14; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 4.4.2011 - 11 LC 29/10 -, juris Rn. 25).
II. Die Verpflichtungsklage bleibt in der Sache aber ohne Erfolg; sie ist unbegründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zum Erlass einer lebensmittelrechtlichen Allgemeinverfügung nach § 54 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs - LFGB - in der hier maßgeblichen, zuletzt durch Art. 1 des Gesetzes vom 30. Juni 2017 (BGBl. I S. 2147) geänderten Fassung (vgl. zum grundsätzlich maßgeblichen Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei Verpflichtungsklagen: BVerwG, Urt. v. 31.3.2004 - BVerwG 8 C 5.03 -, BVerwGE 120, 246, 250 - juris Rn. 35; Niedersächsisches OVG, Urt. v. 15.6.2010 - 8 LB 115/09 -, juris Rn. 27 jeweils m.w.N.) nicht zu.
Nach § 54 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 2 LFGB dürfen abweichend von § 53 Abs. 1 Satz 1 LFGB Lebensmittel, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union rechtmäßig hergestellt oder rechtmäßig in den Verkehr gebracht werden oder aus einem Drittland stammen und sich in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union rechtmäßig im Verkehr befinden, auch wenn sie bestimmten in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Vorschriften für Lebensmittel nicht entsprechen, in das Bundesgebiet verbracht und hier in den Verkehr gebracht werden, wenn die Verkehrsfähigkeit der Erzeugnisse in der Bundesrepublik Deutschland durch eine Allgemeinverfügung des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit im Bundesanzeiger bekannt gemacht worden ist. Die Allgemeinverfügung wird nach § 54 Abs. 2 LFGB vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit im Einvernehmen mit dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle erlassen, soweit nicht zwingende Gründe des Gesundheitsschutzes entgegenstehen. Sie ist von demjenigen zu beantragen, der als Erster die Erzeugnisse in das Inland zu verbringen beabsichtigt. Bei der Beurteilung der gesundheitlichen Gefahren eines Erzeugnisses sind die Erkenntnisse der internationalen Forschung sowie bei Lebensmitteln die Ernährungsgewohnheiten in der Bundesrepublik Deutschland zu berücksichtigen. Allgemeinverfügungen wirken zugunsten aller Einführer der betreffenden Erzeugnisse aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum.
Die Klägerin kann die Erteilung einer Allgemeinverfügung auf dieser Rechtsgrundlage schon deshalb nicht beanspruchen, weil die streitgegenständlichen Produkte keine Lebensmittel im Sinne des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs sind.
§ 2 Abs. 2 LFGB verweist für den Lebensmittelbegriff auf die Definition in Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31 v. 1.2.2002, S. 1), zuletzt geändert durch Verordnung (EU) Nr. 652/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 (ABl. L 189 v. 27.6.2014, S. 1), - Lebensmittel-Basis-VO -. Nach Abs. 1 dieser Bestimmung sind Lebensmittel alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden. Nach Art. 2 Abs. 3 Buchst. d Lebensmittel-Basis-VO gehören Arzneimittel im Sinne der Richtlinien 65/65/EWG und 92/73/EWG hingegen nicht zu den Lebensmitteln im Sinne der Lebensmittel-Basis-VO und damit auch nicht zu den Lebensmitteln im Sinne des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches. Die maßgebliche Arzneimitteldefinition ergibt sich mittlerweile aus Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. Nr. L 311, S. 67; vgl. BVerwG, Urt. v. 1.3.2012 - BVerwG 3 C 15.11 -, juris Rn. 12; siehe auch Art. 128 Abs. 2 Richtlinie 2001/83/EG). Nach Art. 1 Nr. 2 Richtlinie 2001/83/EG in der hier maßgeblichen, zuletzt durch die Richtlinie 2012/26/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG (ABl. Nr. L 299, S. 1) geänderten Fassung sind Arzneimittel alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder zur Verhütung menschlicher Krankheiten bestimmt sind, (Buchst. a; sog. Präsentationsarzneimittel) oder alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die im oder am menschlichen Körper verwendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um entweder die menschlichen physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen (Buchst. b; sog. Funktionsarzneimittel).
Die streitgegenständlichen Produkte sind zwar keine Präsentationsarzneimittel im Sinne des Art. 1 Nr. 2 Buchst. a Richtlinie 2001/83/EG (a.), aber Funktionsarzneimittel im Sinne des Art. 1 Nr. 2 Buchst. b Richtlinie 2001/83/EG (b.).
1. Ein Produkt erfüllt die genannten Merkmale eines Präsentationsarzneimittels im Sinne des Art. 1 Nr. 2 Buchst. a Richtlinie 2001/83/EG, wenn es entweder ausdrücklich als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten bezeichnet oder empfohlen wird oder wenn sonst bei einem durchschnittlich informierten Verbraucher auch nur schlüssig, aber mit Gewissheit der Eindruck entsteht, dass das Produkt in Anbetracht seiner Aufmachung die betreffenden Eigenschaften haben müsse (vgl. EuGH, Urt. v. 15.11.2007 - C-319/05 -, juris Rn. 40 ff. (Knoblauchpräparat); BVerwG, Urt. v. 20.11.2014 - BVerwG 3 C 27.13 -, juris Rn. 22 (E-Zigarette) jeweils m.w.N. zur ständigen Rechtsprechung).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
Die von der Klägerin vorgelegten Beschriftungsentwürfe für die Produktetiketten (Blatt 15 und 19 f. der Gerichtsakte im Verfahren 13 LB 31/14) bezeichnen die Produkte als bloße "Nahrungsergänzungsmittel mit Ginkgo biloba" und geben lediglich eine "Verzehrempfehlung: Als Nahrungsergänzung. Erwachsene: 1 x 1 Kapsel täglich mit Flüssigkeit einnehmen". Dies und auch die weiteren Angaben auf den Produktetiketten (Hersteller, Produktbezeichnung, Inhaltsmenge, Zutaten, Hinweise) empfehlen oder bezeichnen die Produkte nicht als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten. Bei einem durchschnittlich informierten Verbraucher kann nach den Produktetiketten vernünftigerweise auch nicht der Eindruck entstehen, dass die streitgegenständlichen Produkte solche Eigenschaften zur Heilung, Linderung oder Verhütung von Krankheiten haben müssen.
2. Zu den Funktionsarzneimitteln nach Art. 1 Nr. 2 Buchst. b Richtlinie 2001/83/EG zählen hingegen alle Stoffe und Stoffzubereitungen, die im oder am menschlichen Körper angewendet oder einem Menschen verabreicht werden können, um die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen.
Die Entscheidung, ob ein Erzeugnis unter diese Definition fällt, ist von Fall zu Fall zu treffen. Dabei sind alle Merkmale des Produkts zu berücksichtigen (vgl. Art. 2 Abs. 2 Richtlinie 2001/83/EG), insbesondere seine Zusammensetzung, seine pharmakologischen, immunologischen oder metabolischen Eigenschaften, die Modalitäten seines Gebrauchs, der Umfang seiner Verbreitung, seine Bekanntheit bei den Verbrauchern und die Risiken seiner Verwendung (vgl. EuGH, Urt. v. 3.10.2013 - C-109/12 -, juris Rn. 42 (Laboratoires Lyocentre); Urt. v. 15.1.2009 - C-140/07 -, juris Rn. 31 ff. (Red Rice); BVerwG, Urt. v. 20.11.2014, a.a.O., Rn. 24 jeweils m.w.N. zur ständigen Rechtsprechung). Im Rahmen dieser Einzelfallprüfung sind die pharmakologischen, immunologischen oder metabolischen Eigenschaften das Kriterium, auf dessen Grundlage ausgehend von den Wirkungsmöglichkeiten des Erzeugnisses zu beurteilen ist, ob es zur Wiederherstellung, Korrektur oder Beeinflussung der physiologischen Funktionen im oder am menschlichen Körper angewandt oder einem Menschen verabreicht werden kann (vgl. EuGH, Urt. v. 3.10.2013, a.a.O., Rn. 43). Das Produkt muss die Körperfunktionen nachweisbar und in nennenswerter Weise wiederherstellen, korrigieren oder beeinflussen können, wobei auf dessen bestimmungsgemäßen, normalen Gebrauch abzustellen ist (vgl. EuGH, Urt. v. 6.9.2012 - C-308/11 -, juris Rn. 35 (Chemische Fabrik Kreussler); v. 30.4.2009 - C-27/08 -, juris Rn. 21 ff. (Weihrauch H 15-Tabletten); BVerwG, Urt. v. 26.5.2009 - BVerwG 3 C 5.09 -, juris Rn. 15 (Red Rice) jeweils m.w.N.).
Nicht erfasst vom Begriff des Funktionsarzneimittels sind Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, deren Wirkung nicht gesundheitsfördernd, sondern gesundheitsschädlich ist oder deren Wirkungen sich auf eine schlichte Beeinflussung der physiologischen Funktionen beschränken, ohne dass sie geeignet wären, der Gesundheit unmittelbar oder mittelbar zuträglich zu sein (vgl. EuGH, Urt. v. 10.7.2014 - C-358/13 und C-181/14 -, juris Rn. 31 ff. (Hanf); BVerwG, Urt. v. 20.11.2014, a.a.O., jeweils m.w.N.).
Unter Anwendung dieser Maßstäbe hat der Senat die Überzeugung gewonnen, dass die streitgegenständlichen Produkte insbesondere nach ihrer Zusammensetzung (a.) und ihren pharmakologischen Eigenschaften (b.), aber auch nach den Modalitäten ihres Gebrauchs (c.), dem Umfang ihrer Verbreitung und ihrer Bekanntheit bei den Verbrauchern (d.) und den Risiken ihrer Verwendung (e.) Funktionsarzneimittel im Sinne des Art. 1 Nr. 2 Buchst. b Richtlinie 2001/83/EG sind.
a. Die streitgegenständlichen Produkte enthalten als wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoff (auch) jeweils 100mg Ginkgo biloba-Trockenextrakt. Dieser beinhaltet nach dem von der Klägerin im Verwaltungsverfahren vorgelegten Analysezertifikat (Blatt 24 ff. der Beiakte A im Verfahren 13 LB 31/14) 26,25% Flavonglykoside und 6,75% Terpenlaktone. Der Anteil von Ginkgolsäuren liegt bei höchstens 5ppm. Das Droge:Extrakt-Verhältnis beträgt 50:1.
Dieser Extrakt entspricht den Vorgaben der Monographien
der Kommission E des früheren Bundesgesundheitsamtes vom 21. Juni 1994 (Bundesanzeiger Nr. 133 v. 19.7.1994) - Monographie Kommission E 1994 -;
der Weltgesundheitsorganisation (WHO, Monographs on selected medicinal plants, Vol. I, 1999, S. 154 ff., dort S. 158 "Folium Ginkgo") - Monographie WHO 1999 -,
der European Scientific Cooperative on Phytotherapy (ESCOP, Monographs, 2nd Ed. 2003, S. 178 ff.) - Monographie ESCOP 2003 - und
im Europäischen Arzneibuch (8. Ausgabe 2104, Band 2, S. 1886 ff.) - Monographie Europäisches Arzneibuch 2014 -.
Hiernach liegt das Droge:Extrakt-Verhältnis im Bereich von 35 bis 67:1. Der Extrakt ist charakterisiert durch 22 bis 27% Flavonglykoside und 5 bis 7% Terpenlaktone. Der Anteil von Ginkgolsäuren liegt unter 5 ppm. Er wird aus den getrockneten Ginkgo biloba-Blättern ohne Zumischung von Konzentraten oder isolierten Inhaltsstoffen extrahiert. Bei der Extraktherstellung werden die erwünschten Inhaltsstoffe (Flavonglykoside und Terpenlaktone (Ginkgolide und Bilobalide)) bis zum 50fachen angereichert, etwa die Terpenlaktone von 0,03 bis 0,25% in getrockneten Blättern auf 5 bis 7% im Trockenextrakt, und die unerwünschten Inhaltsstoffe erheblich abgereichert, etwa Ginkgolsäuren von bis zu 2% auf unter 0,0005% bzw. 5 ppm.
Die streitgegenständlichen Produkte enthalten mithin sogenannten monographiekonformen Ginkgo biloba-Trockenextrakt (GbE; so auch die Bewertung in dem von der Klägerin beigebrachten Gutachten der Prof. Dr. G. v. 26.11.2012, dort S. 6 = Blatt 1270 der Gerichtsakte im Verfahren 13 LB 31/14). Der Vergleichbarkeit der Extrakte steht - entgegen der Auffassung der Klägerin - auch nicht entgegen, dass zur Herstellung des in den streitgegenständlichen Produkten enthaltenen GbE ein anderes Extraktionsmittel (Ethanol und Wasser) verwendet worden ist, als dies in der Monographie Kommission E 1994 vorgesehen ist (Aceton-Wasser). Denn es ist nicht ersichtlich, dass das Extraktionsmittel die wirkbestimmenden Inhaltsstoffe des Extrakts beeinflusst (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 8.11.2016 - I-4 U 1/10 -, juris Rn. 85). Die Monographie Europäisches Arzneibuch 2014 (S. 1886 "Herstellung") unterscheidet demgemäß auch nicht zwischen verschiedenen Extraktionsmitteln, sondern sieht allgemein eine Extraktion unter Verwendung von organischen Lösungsmitteln oder von Mischungen aus organischen Lösungsmitteln und Wasser vor.
In der danach monographiekonformen Zusammensetzung ist der auch in den streitgegenständlichen Produkten enthaltene GbE mit den Ginkgo biloba-Blättern nicht mehr vergleichbar. Die im GbE enthaltenen wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoffe kommen in dieser Zusammensetzung weder qualitativ noch quantitativ in der menschlichen Nahrung vor (vgl. zu Vorstehendem: Hänsel/Sticher, Pharmakognosie - Phytopharmazie, 9. Aufl. 2010, S. 232 f.).
b. Eine pharmakologische Wirkung - als das für die Beurteilung des Vorliegens eines Arzneimittels wesentliche Kriterium (vgl. EuGH, Urt. v. 3.10.2013, a.a.O., Rn. 43; BVerwG, Urt. v. 26.5.2009, a.a.O., Rn. 13 m.w.N.) - entfaltet ein Produkt, wenn es
die menschlichen physiologischen Funktionen
in nennenswerter Weise
durch gezielte Steuerung
wiederherstellen, korrigieren oder sonst positiv beeinflussen kann;
maßgeblich für die Beurteilung ist der bestimmungsgemäße, normale Gebrauch (vgl. EuGH, Urt. v. 6.9.2012, a.a.O., Rn. 35; Urt. v. 30.4.2009, a.a.O., Rn. 22; BVerwG, Urt. v. 20.11.2014, a.a.O., Rn. 24 f.; Urt. v. 26.5.2009, a.a.O., Rn. 15; Rennert, Der Arzneimittelbegriff in der jüngeren Rechtsprechung des BVerwG, in: NVwZ 2008, 1179, 1183 f.; Stephan, Pharmakologische Wirkung als Abgrenzungskriterium, in: BGesBl. 2017, 286 ff. jeweils m.w.N.).
Die menschlichen physiologischen Funktionen sind die normalen Lebensvorgänge, die im menschlichen Körper ablaufen (vgl. nur Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 267. Aufl., Stichwort "Physiologie").
Eine nennenswerte Einwirkung auf die physiologischen Funktionen ist nur dann gegeben, wenn sie die Erheblichkeitsschwelle überschreitet. Einwirkungen, die für den Stoffwechsel völlig unerheblich sind und physiologische Funktionen nicht wirklich beeinflussen, können dagegen die Zuordnung zu den Arzneimitteln nicht rechtfertigen (vgl. EuGH, Urt. v. 16.4.1991 - C-112/89 -, juris Rn. 22 (Upjohn); BVerwG, Urt. v. 16.5.2007 - BVerwG 3 C 34.06 -, juris Rn. 29 (Kampherhaltige Pferdesalbe)).
Pharmakologische Wirkung entfaltet ein Produkt zudem nur, wenn die enthaltenen Wirkstoffe oder Wirkstoffkombinationen die physiologischen Funktionen gezielt von außen steuern (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.7.2007 - BVerwG 3 C 21.06 -, juris Rn. 29 (OPC aus Traubenkernen); Urt. v. 14.12.2006 - BVerwG 3 C 40.05 -, juris Rn. 22 (Padma 28); BGH, Urt. v. 11.7.2002 - I ZR 34/01 -, juris Rn. 64 (Muskelaufbaupräparate): "pharmakologische Manipulation des Stoffwechsels"). Insoweit unterscheidet sich die pharmakologische Wirkung klar von der ernährungsphysiologischen Wirkung einer unspezifischen Aufnahme von Nährstoffen über Lebensmittel, bei der der menschliche Körper die benötigten Bestandteile selbst identifiziert und modifiziert. Werden dem menschlichen Körper spezifisch - und insoweit durchaus gezielt - bestimmte Nährstoffe zugeführt, ist die Wirkung des Produkts pharmakologisch, wenn sie über das hinausgeht, was durch den Verzehr eines den entsprechenden Stoff enthaltenden Lebensmittels in angemessener Menge im menschlichen Körper ausgelöst werden kann, und wenn sie wesentlich höher oder anders zu beurteilen ist als die Wirkung anderer pflanzlicher oder tierischer Erzeugnisse, die mit der täglichen Nahrung aufgenommen werden (vgl. EuGH, Urt. v. 15.11.2007, a.a.O., Rn. 68; BVerwG, Urt. v. 25.7.2007, a.a.O., Rn. 29; Urt. v. 14.12.2006, a.a.O., Rn. 22; BGH, Urt. v. 26.6.2008 - I ZR 112/05 -, juris Rn. 21 (HMB-Kapseln); Urt. v. 11.7.2002, a.a.O., Rn. 67).
Die Wiederherstellung der physiologischen Funktionen setzt voraus, dass die normalen Lebensvorgänge nicht mehr ordnungsgemäß ablaufen. Auch von einer Korrektur kann nur bei einer Abweichung vom normalen Funktionieren des Organismus die Rede sein. Da die Beeinflussung der physiologischen Funktionen diesen beiden Vorgängen ergänzend hinzugefügt und damit gleichgestellt wird, muss auch sie zu einer Veränderung führen, die außerhalb der normalen im menschlichen Körper ablaufenden Lebensvorgänge liegt (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.7.2007, a.a.O., Rn. 28). Anders als es der Senat in seinem Zulassungsbeschluss vom 6. Februar 2014 - 13 LA 223/12 - erwogen hatte, bedingt Letzteres aber nicht zwingend, dass für die relevante physiologische Funktion ein Normwert oder Normbereich definiert oder gemeinhin anerkannt ist und dass das Produkt die relevante physiologische Funktion derart beeinflusst, dass diese den Normwert oder Normbereich (wieder) einhält. Ein solch restriktives Verständnis würde ohne jede sachliche Rechtfertigung solche Produkte von der Zuordnung zu den Arzneimitteln ausschließen, die zwar in signifikanter Weise menschliche physiologische Funktionen beeinflussen, für die aber ein Normwert oder Normbereich nicht definiert oder gemeinhin anerkannt ist. Es genügt daher, dass das Produkt die menschlichen physiologischen Funktionen derart beeinflusst, dass diese für die Gesundheit des Menschen positiv verändert werden (vgl. EuGH, Urt. v. 10.7.2014, a.a.O., Rn. 36; BVerwG, Beschl. v. 25.10.2007 - BVerwG 3 C 42.06 -, juris Rn. 20 (Weihrauch H 15-Tabletten)).
Eine pharmakologische Wirkung setzt schließlich nicht zwingend den Nachweis auch einer therapeutischen Wirksamkeit des Produkts voraus. Ein Produkt, das therapeutisch wirksam ist, stellt zwar ein Funktionsarzneimittel dar (vgl. EuGH, Urt. v. 29.4.2004 - C-150/00 -, Rn. 63 (Vitamin- und Mineralstoffpräparate); Urt. v. 30.11.1983 - C-227/82 -, juris Rn. 27 (van Bennekom); BVerwG, Urt. v. 26.5.2009, a.a.O., Rn. 16). Fehlt diese therapeutische Wirksamkeit, so ist aber nicht von vorneherein ausgeschlossen, dass es sich dennoch um ein Funktionsarzneimittel handelt (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.7.2007, a.a.O., Rn. 26 m.w.N.). Gegenteiliges vermag der Senat - entgegen der Auffassung der Klägerin - der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und auch des Bundesverwaltungsgerichts nicht zu entnehmen. Der Europäische Gerichtshof hat in seiner Rechtsprechung zur Frage der Abgrenzung eines Arzneimittels von einem Lebensmittel durchaus auch die einem Produkt zukommende "Funktion der Verhütung oder Heilung" von Krankheiten oder krankhaften Beschwerden herausgestellt (vgl. EuGH, Urt. v. 15.11.2007, a.a.O., Rn. 64 f.). Hieran anknüpfend hat das Bundesverwaltungsgericht zur Abgrenzung von Produkten, die nicht therapeutischen, sondern ausschließlich Entspannungs- oder Rauschzwecken dienen und dabei gesundheitsschädlich sind, auf die mangelnde objektive Eignung des Produkts abgestellt, für "therapeutische Z w e c k e" eingesetzt zu werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.11.2014, a.a.O., Rn. 25). Ein über diese Zweckrichtung und über die pharmakologische Wirkung hinausgehendes allgemeines Erfordernis einer therapeutischen W i r k s a m k e i t für das Vorliegen eines Funktionsarzneimittels ergibt sich hieraus indes nicht. Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem Vorlagebeschluss an den Europäischen Gerichtshof vielmehr ausdrücklich auf die hiermit verbundene Folge hingewiesen, dass das betroffene Produkt bis zum Nachweis auch einer therapeutischen Wirksamkeit faktisch von der Marktteilnahme ausgeschlossen ist. Denn aufgrund der Einstufung als Arzneimittel kann die erforderliche Zulassung gemäß § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AMG auch dann versagt werden, wenn die vom Antragsteller angegebene therapeutische Wirksamkeit nicht nachgewiesen ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.12.2006 - BVerwG 3 C 38.06 -, juris Rn. 31 (Red Rice)). Der Europäische Gerichtshof hat hierauf das für die Beurteilung des Vorliegens eines Arzneimittels maßgebliche und in der Richtlinie 2001/83/EG beschriebene Kriterium der pharmakologischen Wirkung aber gerade nicht einschränkend ausgelegt. Er hat es für die Zuordnung zu einem Arzneimittel vielmehr genügen lassen, dass das Produkt aufgrund seiner Zusammensetzung - einschließlich der Dosierung seiner Wirkstoffe - und bei bestimmungsgemäßer Anwendung die physiologischen Funktionen in nennenswerter Weise auch durch eine (bloße) pharmakologische Wirkung wiederherstellen, korrigieren oder beeinflussen kann (vgl. EuGH, Urt. v. 15.1.2009, a.a.O., Rn. 41 ff., und hieran anknüpfend BVerwG, Urt. v. 26.5.2009, a.a.O., Rn. 13 und 16). Auch in seiner nachfolgenden Rechtsprechung hat der Europäische Gerichtshof nicht den Nachweis einer therapeutischen Wirksamkeit gefordert, sondern es für ausreichend erachtet, dass solche Produkte nicht als Arzneimittel angesehen werden, deren Wirkungen sich auf eine schlichte Beeinflussung der physiologischen Funktionen beschränken, ohne dass sie geeignet wären, der menschlichen Gesundheit unmittelbar oder mittelbar zuträglich zu sein (vgl. EuGH, Urt. v. 10.7.2014, a.a.O., Rn. 36). Die darüber hinausgehende Forderung der Klägerin, nur Produkte mit nachgewiesener therapeutischer Wirksamkeit als Arzneimittel einzustufen, ist auch sachlich nicht gerechtfertigt. Sie geht ersichtlich über die Anforderungen hinaus, die Art. 1 Nr. 2 Buchst. b Richtlinie 2001/83/EG an das Vorliegen eines Funktionsarzneimittels stellt, und negiert zugleich die Unterschiede der in Abgrenzung hierzu in Art. 1 Nr. 2 Buchst. a Richtlinie 2001/83/EG für das Vorliegen eines Präsentationsarzneimittels gestellten Anforderungen. Darüber hinaus vermengt sie die Anforderungen an das Vorliegen und an die Zulassung eines Arzneimittels und würde dazu führen, dass Produkte, die signifikante pharmakologische Wirkung auf die menschlichen physiologischen Funktionen entfalten, bis zum Nachweis oder auch beim Ausbleiben eines Nachweises der therapeutischen Wirksamkeit als Lebensmittel anzusehen und dem arzneimittelrechtlichen Rechtsregime entzogen wären. Zudem ignoriert sie, dass eine therapeutische Wirksamkeit nicht für ein Produkt abstrakt, sondern nur bezogen auf eine oder mehrere konkrete Erkrankungen und den insoweit erstrebten Heilungs- oder Linderungserfolg beurteilt werden kann (vgl. zum Begriff der therapeutischen Wirksamkeit: BVerwG, Urt. v. 1.12.2016 - BVerwG 3 C 14.15 -, juris Rn. 24; Mutschler, Arzneimittelwirkungen: Lehrbuch der Pharmakologie und Toxikologie, 8. Aufl. 2001, S. 3 und 123 f.).
Die so beschriebene pharmakologische Wirkung muss wissenschaftlich nachgewiesen sein. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner früheren Rechtsprechung zwar genügen lassen, dass insoweit zumindest ein halbwegs gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisstand vorliegt, der einen tragfähigen Rückschluss auf die Wirkungen des Produkts erlaubt (vgl. BVerwG, Urt. 25.7.2007, a.a.O., Rn. 31 f.). Nachdem der Europäische Gerichtshof - auf einen Vorlagebeschluss des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Beschl. v. 14.12.2006, a.a.O.) - aber festgestellt hat, dass die Richtlinie 2001/83/EG nicht auf ein Produkt anwendbar ist, dessen Arzneimitteleigenschaft nicht wissenschaftlich nachgewiesen ist (vgl. EuGH, Urt. v. 15.1.2009, a.a.O., juris Rn. 24 ff.), hat das Bundesverwaltungsgericht seine Rechtsprechung geändert. Auch das Bundesverwaltungsgericht fordert nunmehr, dass die pharmakologische Wirkung wissenschaftlich nachgewiesen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.5.2009, a.a.O., Rn. 18 f.). Der fehlende Nachweis einer pharmakologischen Wirkung kann durch andere Kriterien zur Bestimmung eines Funktionsarzneimittels auch nicht ersetzt werden. Zwar hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass die in seiner Rechtsprechung entwickelten Kriterien der Modalitäten des Gebrauchs eines Produkts, des Umfangs seiner Verbreitung, der Bekanntheit bei den Verbrauchern und der Risiken, die seine Verwendung mit sich bringen, für die Entscheidung, ob ein Produkt unter die Definition des Funktionsarzneimittels fällt, weiterhin relevant sind (vgl. EuGH, Urt. v. 15.1.2009, a.a.O., Rn. 31 ff.). Damit ist aber nur gemeint, dass sie ergänzend heranzuziehen sind, wenn eine pharmakologische Wirkung positiv festgestellt worden ist. Wenn eine solche Wirkung ausgeschlossen ist, kann die Arzneimitteleigenschaft nicht allein aufgrund dieser weiteren Kriterien bejaht werden (vgl. EuGH, Urt. v. 30.4.2009, a.a.O., Rn. 23 ff.). Sie haben keine für ein Arzneimittel nach der Funktion konstitutive Wirkung. Nichts anderes gilt für den Fall, dass eine pharmakologische Wirkung weder positiv feststeht noch sicher ausgeschlossen werden kann. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kommt ein Rückgriff auf die ergänzenden Kriterien auch in solchen Grenzfällen nicht in Betracht (vgl. EuGH, Urt. v. 15.1.2009, a.a.O., Rn. 26 und 29). Es verbietet sich deshalb, ein Produkt bei dem bloßen Verdacht einer pharmakologischen Wirkung anhand dieser Kriterien als Funktionsarzneimittel einzuordnen (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.5.2009, a.a.O., Rn. 19).
Unter Anwendung dieser Maßstäbe hat der Senat die Überzeugung gewonnen, dass die streitgegenständlichen Produkte eine pharmakologische Wirkung entfalten.
(1) Für Produkte mit GbE in einer Dosierung von 120mg/Tag ist durch
die Monographie Kommission E 1994 und
die Monographie des Committee on Herbal Medicinal Products (HMPC) der European Medicines Agency vom 28. Januar 2015 (European Union herbal monograph on Ginkgo biloba L., folium, veröffentlicht unter: www.ema.europa.eu) - Monographie HMPC 2015 -
eine pharmakologische Wirkung wissenschaftlich nachgewiesen.
Nach der Monographie Kommission E 1994 sind als pharmakologische Wirkungen unter anderem experimentell nachgewiesen eine Steigerung der Hypoxietoleranz, insbesondere des Hirngewebes, eine Hemmung der altersbedingten Reduktion von muskarinergen Cholinozeptoren und α2-Adrenorezeptoren, eine Förderung der Cholinaufnahme im Hippocampus, eine Steigerung der Gedächtnisleistung und des Lernvermögens, eine Verbesserung der Fließeigenschaften des Blutes (Blutviskosität), eine Förderung der Durchblutung, vorzugsweise im Bereich der Mikrozirkulation, eine Inaktivierung toxischer Sauerstoffradikale (Wirkung der Flavonoide), ein Antagonismus gegenüber dem plättchenaktivierenden Faktor (PAF) (Wirkung der Ginkgolide) sowie eine neuroprotektive Wirkung (Wirkung der Ginkgolide A und B sowie des Bilobalids).
Nach der Monographie HMPC 2015 bewirkt GbE unter anderem eine erhöhte EEG-Wachsamkeit bei geriatrischen Patienten ("increased EEG vigilance in geriatric subjects"), eine Verringerung der Blutviskosität ("reduction in blood viscosity"), eine verbesserte zerebrale Perfusion in bestimmten Bereichen bei gesunden Männern im Alter von 60 bis 70 Jahren) ("improved cerebral perfusion in specific areas in healthy men (60-70 years)") und eine Verringerung der Blutplättchenaggregation ("reduction in platelet aggregation").
Über diese pharmakologische Wirkung hinaus ist nach beiden Monographien eine therapeutische Wirksamkeit von GbE in einer Dosierung von 120mg/Tag nachgewiesen, und zwar nach der Monographie Kommission E 1994 bei hirnorganisch bedingten Leistungsstörungen im Rahmen eines therapeutischen Gesamtkonzeptes mit dementiellen Syndromen, zur Verbesserung der schmerzfreien Gehstrecke bei peripherer arterieller Verschlusskrankheit im Rahmen physikalisch-therapeutischer Maßnahmen und bei Schwindel sowie Tinnitus vaskulärer und involutiver Genese, und nach der Monographie HMPC 2015 zur Verbesserung einer (altersabhängigen) kognitiven Beeinträchtigung und der Lebensqualität bei leichter Demenz ("Herbal medicinal product for the improvement of (age-associated) cognitive impairment and of quality of life in mild dementia.").
Die Monographie Kommission E 1994 ist eine belastbare wissenschaftliche Grundlage für die vorstehenden Erkenntnisse. Sie ist auf gesetzlicher Grundlage von einem kompetenten Expertengremium erstellt und vom damaligen Bundesgesundheitsamt anerkannt und veröffentlicht worden (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.7.2007 - BVerwG 3 C 22.06 -, juris Rn. 33).
Für die Monographie HMPC 2015 gilt Gleiches. Denn auch die Monographien des Ausschusses für pflanzliche Arzneimittel der Europäischen Arzneimittelagentur (Committee on Herbal Medicinal Products (HMPC) of the European Medicines Agency) werden auf gesetzlicher Grundlage erstellt und veröffentlicht (vgl. Art. 16h Abs. 3 Richtlinie 2001/83/EG). Sie sind zwar nicht rechtsverbindlich, aber von den Mitgliedstaaten bei der Prüfung von Anträgen zu berücksichtigen (Art. 16h Abs. 3 UAbs. 2 Satz 1 Richtlinie 2001/83/EG). Sie beinhalten aus regulatorischer Sicht den aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand (vgl. Knöss, Monographien als Richtschnur, in: Pharmazeutische Zeitung online, Nr. 13/2014, veröffentlicht unter: www.pharmazeutische-zeitung.de, Stand: 2.11.2017) und haben die Bedeutung eines Sachverständigengutachtens, das aufgrund seiner Entstehung, seines Inhalts und seiner Funktion eine hohe Gewähr für die wissenschaftliche Richtigkeit der Bewertung bietet und von dem die nationalen Behörden nur in sorgfältig begründeten Ausnahmefällen abweichen dürfen (vgl. mit eingehender Begründung: VG Köln, Urt. v. 5.7.2011 - 7 K 8612/09 -, juris Rn. 55 ff.).
(2) Für Produkte mit GbE in einer Dosierung von 80mg/Tag ist durch
die Studie Santos/Galduroz/Barbieri/Castiglioni/Ytaya/Bueno, Cognitive Performance, SPECT, and Blood Viscosity in Elderly Non-demented People Using Ginkgo Biloba (in: Pharmacopsychiatry 2003, 127 ff.) - Studie Santos 2003 -und
die Studie Galduroz/Antunes/Santos, Gender- and age-related variations in blood viscosity in normal volunteers: A study of the effects of extract of Allium sativum and Ginkgo biloba (in: Phytomedicine 2007, 447 ff.) - Studie Galduroz 2007 -
eine pharmakologische Wirkung nachgewiesen.
Die Studie Santos 2003 wurde über einen Zeitraum von acht Monaten an 48 gesunden männlichen Probanden im Alter zwischen 60 und 70 Jahren auf einer randomisierten, doppelblinden Basis mit Placebo- und Ginkgo biloba-Gruppen durchgeführt. Die Studie zeigt zum einen, dass GbE in einer Dosierung von 80mg/Tag im Vergleich zum Placebo zu einer signifikanten Verringerung der Blutviskosität um mehr als 20% führt (vgl. Studie Santos 2003, a.a.O., S. 129 und 132). Zum anderen weist sie eine signifikante Verbesserung der zerebralen Perfusion in bestimmten Gehirnregionen (rechte und linke Gehirnhälfte um den Frontallappen, den Parietallappen und den Okzipitallappen) und der kognitiven Fähigkeiten nach (vgl. Studie Santos 2003, a.a.O., S. 129 f. und 132).
Darüber hinaus dokumentiert die Studie Santos 2003 eine Nützlichkeit des GbE in einer Dosierung von 80mg/Tag bei der Behandlung kognitiver Defizite bei älteren Menschen (Studie Santos 2003, a.a.O., S. 132: "Summing up the neuropsychological results, it seems that the beneficial effects of Ginkgo biloba are exerted on those cognitive domains that are more likely to be affected by aging. ... Although it is not currently possible to specify more precisely the mechanism through which Ginkgo biloba acts, it does appear to be useful in the treatment of cognitive deficits in older people and further research is called for in the light of the results obtained studies of this plant.") und weist damit nach, dass dem GbE auch in dieser Dosierung die Funktion der Heilung oder Linderung von Krankheiten oder krankhaften Beschwerden zukommen kann, jedenfalls aber der Gesundheit mittelbar zuträglich ist. Diese Annahme wird bestätigt durch die Bewertung dieser Studienergebnisse durch den Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel der Europäischen Arzneimittelagentur im Rahmen der Arbeiten zur Monographie HMPC 2015 (vgl. HMPC, Assessment report on Ginkgo biloba L., folium, 2014, S. 49: "In contrast, these parameters were opposite in the control group. These results suggest that Ginkgo biloba dry extract appears to be effective in the treatment of cognitive deficits in elderly."; vgl. zu dieser Bewertung auch: Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, Der wissenschaftliche Kenntnisstand zu Ginkgoblättern (Ginkgo biloba L., folium) und Zubereitungen, in: Bulletin zur Arzneimittelsicherheit 4/2016, S. 7, veröffentlicht unter www.pei.de/SharedDocs/Downloads/vigilanz/bulletin-zur-arzneimittelsicherheit/2016/4-2016.pdf?__blob=publicationFile&v=4, Stand: 2.11.2017).
Die (Vergleichs-)Studie Galduroz 2007 wurde über einen Zeitraum von sechs Monaten an 160 gesunden weiblichen und männlichen Probanden durchgeführt, die nach zufallsbedingter Zuordnung eine Kapsel mit GbE in einer Dosierung von 80mg/Tag, eine Kapsel mit Knoblauchöl in einer Dosierung von 250mg/Tag oder eine Placebo-Kapsel einnahmen. Auch diese Studie zeigt, dass GbE in einer Dosierung von 80mg/Tag zu einer signifikanten Verringerung der Blutviskosität um etwa 20% führt. In den Vergleichsgruppen zeigten sich solche signifikanten Verbesserungen der Blutviskosität nicht; für die Einnahme des Placebo ist eine Verschlechterung der Blutviskosität dokumentiert und für die Einnahme des Knoblauchöls eine nicht signifikante Verringerung der Blutviskosität (vgl. Studie Galduroz 2007, a.a.O., S. 449 f.).
Beide Studien bieten eine hinreichend belastbare wissenschaftliche Grundlage für den Nachweis einer pharmakologischen Wirkung von GbE in einer Dosierung von 80mg/Tag. Nach der den Senat überzeugenden Darstellung der Beklagten (Schriftsatz v. 16.7.2014, dort S. 2 ff. = Blatt 876 ff. der Gerichtsakte im Verfahren 13 LB 31/14) sind beide Studien der Evidenzklasse Ib der Empfehlungen der dem United States Department of Health and Human Services unterstellten Agency for Healthcare Research and Quality (AHRQ) zuzuordnen (vgl. hierzu Kottas u.a., Konzeptionelle Überlegungen zum Nachweis einer Ursache-Wirkungs-Beziehung bei klinischen Studien, in: DZKF 2011, 77, 79; Kabisch u.a., Randomisierte kontrollierte Studien, in: Dt. Ärzteblatt 2011, 663 ff.); sie könn(t)en damit in der Arzneimittelentwicklung Grundlage für die behördliche Zulassungsentscheidung sein, da sie bei methodisch korrekter Durchführung und Auswertung zu belastbaren Ergebnissen führen.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist für das vorliegende Verfahren auch der Umstand, dass die Studien an gesunden Probanden durchgeführt worden sind, ohne Belang. Für das Vorliegen der pharmakologischen Wirkung eines Produkts kommt es maßgeblich darauf an, ob dieses die menschlichen physiologischen Funktionen in nennenswerter Weise durch gezielte Steuerung positiv beeinflussen kann, und zwar auch ohne dass eine Krankheit vorliegt (so ausdrücklich EuGH, Urt. v. 10.7.2014, a.a.O., Rn. 36 m.w.N.).
Ebenso unerheblich ist, dass der Wirkungsmechanismus von GbE - wenn auch nicht völlig offen (vgl. zum Wirkungsmechanismus von GbE: Monographie Kommission E 1994; Monographie ESCOP 2003, a.a.O., S. 180 ff.; Diamond/Shiflett/Feiwel/ Matheis/Noskin/Richards/Schoenberger, Ginkgo biloba Extract: Mechanisms and Clinical Indications, in: Archives of physical medicine and rehabilitation 2000, 668 ff.), so doch - nicht vollständig geklärt ist. Der Wirkungsmechanismus mag für die Abgrenzung eines Arzneimittels (molekular ausgelöste Zellreaktion) von einem Medizinprodukt (physikalisch ausgelöste Reaktion) erheblich sein; für die hier streitrelevante Abgrenzung eines Arzneimittels von einem Lebensmittel in Form eines Nahrungsergänzungsmittels anhand des Kernmerkmals der pharmakologischen Wirkung sind hingegen das Wirkungsausmaß (vgl. Stephan, a.a.O., S. 290) und der hier durch die Studien Santos 2003 und Galduroz 2007 geführte Nachweis einer Ursache-Wirkungs-Beziehung entscheidend (vgl. hierzu auch EuGH, Urt. v. 6.9.2012, a.a.O., Rn. 29 ff.).
(3) Mit dem Nachweis der pharmakologischen Wirkung von Produkten mit GbE in einer Dosierung von 120mg/Tag (siehe oben (1)) und 80mg/Tag (siehe oben (2)) ist auch der wissenschaftliche Nachweis für die pharmakologische Wirkung der streitgegenständlichen Produkte mit GbE in einer Dosierung von 100mg/Tag erbracht (so auch OLG Hamm, Urt. v. 8.11.2016, a.a.O., Rn. 73 ff.).
Zwar liegen dem Senat für diese konkrete und insoweit maßgebliche Dosierung (vgl. zur Maßgeblichkeit der konkreten Dosierung für die Beurteilung der pharmakologischen Wirkung: BVerwG, Urt. v. 26.5.2009, a.a.O., Rn. 15; Urt. v. 25.7.2007, a.a.O., Rn. 39) keine wissenschaftlichen Studien zum Nachweis der pharmakologischen Wirkung vor. Die Studie von
Itil/Eralp/Tsambis/Itil/Stein, Central nervous system effects og ginkgo biloba, a plant extract (in: American Journal of Therapeutics 1996, 63 ff.) - Studie Itil 1996 -
belegt aber, dass die pharmakologische Wirkung von GbE bei einer Dosierung zwischen 40mg/Tag und 240mg/Tag kontinuierlich linear steigt und nicht erst bei einer bestimmten Dosierung von mehr 40mg/Tag abrupt einsetzt oder bei einer Dosierung zwischen 80mg/Tag und 120mg/Tag wieder nachlässt (vgl. Studie Itil 1996, a.a.O., insbesondere S. 67 ff: "Dynamic Brain Mapping based on 14 areas of the brain showed that, as hypothesized before the study, the 7.5-13-Hz alpha activity increased with all doses of EGb. ... Based on the 7.5-13-Hz alpha activity, statistically significant differences were established between placebo and all three doses and in all time periods ... The discrimination oft the bioelectrical effects of EGb in every dose (40mg, 120mg, 240mg) from placebo based on prestudy hypothesized frequency band (7,5 - 13 - HZ CEEG activity) and the total frequency spectrum (cognitive activator profile) indicates that the extract indeed exerts not only statistically quantifiable but also the predicted type of pharmacological effects on the CNS. ... There was a linear dose response: The higher the dose, the greater the increase of alpha activity and the more cognitive activating type of CNS effects were observed." und die Abbildung auf S. 71). Auch diese Studie bietet eine hinreichend belastbare wissenschaftliche Grundlage. Sie wurde an 12 männlichen Probanden im Alter zwischen 18 und 65 Jahren auf einer randomisierten, doppelblinden Basis durchgeführt.
Den streitgegenständlichen Produkten mit GbE in einer Dosierung von 100mg/Tag kommt danach jedenfalls die dargestellte (siehe oben (2)) pharmakologische Wirkung des GbE in einer Dosierung von 80mg/Tag zu: sie beeinflussen die physiologischen Funktionen nennenswert, indem sie signifikant die Blutviskosität verringern und die zerebrale Perfusion in bestimmten Gehirnregionen sowie die kognitiven Fähigkeiten verbessern. Diese positive Beeinflussung menschlicher physiologischer Funktionen kann bei der Behandlung kognitiver Defizite bei älteren Menschen nützlich sein, so dass dem GbE auch in dieser Dosierung die Funktion der Heilung oder Linderung von Krankheiten oder krankhaften Beschwerden zukommen kann, er jedenfalls aber der menschlichen Gesundheit mittelbar zuträglich ist.
Ohne dass es hierauf noch entscheidungserheblich ankommt, bestehen nach Lachenmeier/Steffen/el-Atma/Maixner/Löbell-Behrends/Kohl-Himmelseher (What is food and what is a medicinal product in the European Union? Use of the benchmark dose (BMD) methodology to define a threshold für "pharmacological action", in: Regulatory Toxicology and Pharmacology 2012, 286 ff.) zudem durchaus Anhaltspunkte dafür, dass eine pharmakologische Wirkung von GbE auch in deutlich niedrigerer Dosierung als der in den streitgegenständlichen Produkten enthaltenen, und zwar ab 15mg/Tag (= 1/10 der benchmark dose von 151mg/Tag), gegeben ist.
Gegen die Annahme einer pharmakologischen Wirkung von GbE in einer Dosierung von 100mg/Tag kann - entgegen der Auffassung der Klägerin - auch nicht erfolgreich eingewandt werden, dass es sich bei der nennenswerten positiven Beeinflussung nicht um eine gezielte Steuerung von außen, sondern um die bloße ernährungsphysiologische Wirkung einer unspezifischen Aufnahme von Nährstoffen über Lebensmittel handelt. Denn die Wirkung von GbE in einer Dosierung von 100mg/Tag geht ersichtlich über das hinaus, was durch den Verzehr eines den entsprechenden Stoff enthaltenden Lebensmittels in angemessener Menge im menschlichen Körper ausgelöst werden kann, und ist wesentlich höher zu beurteilen als die Wirkung anderer pflanzlicher oder tierischer Erzeugnisse, die mit der täglichen Nahrung aufgenommen werden.
Unterstellt, (getrocknete) Ginkgo biloba-Blätter stellen überhaupt ein Lebensmittel dar (vgl. hierzu kritisch unten d.), müssten diese, um eine dem GbE in einer Dosierung von 100mg/Tag vergleichbare Wirkung im menschlichen Körper zu erzielen, in einer Menge verzehrt werden, die der Senat nicht mehr als angemessen oder verzehrüblich ansieht. Die Beklagte hat zur Überzeugung des Senats aufgezeigt (vgl. Schriftsatz v. 9.5.2017, dort S. 10 f. = Blatt 1324R f. der Gerichtsakte im Verfahren 13 LB 31/14), dass täglich 50 bis 100 Tassen eines handelsüblichen Ginkgo-Tees (50 bis 100mg Ginko-Blätter je Teebeutel) oder 10 bis 20 Tassen eines apothekenexklusiven Ginkgo-Tees (250 bis 500mg Ginkgo-Blätter je Teebeutel) verzehrt werden müssten, um ausgehend von einem Droge:Extrakt-Verhältnis von 50:1 eine dem streitgegenständlichen Produkt mit GbE in einer Dosierung von 100mg/Tag vergleichbare Wirkung zu erzielen. Dies ist nach Auffassung des Senats schon für sich genommen keine angemessene und verzehrübliche Menge mehr. Unabhängig davon ist im Tee mit (getrockneten) Ginkgo-Blättern der Anteil gesundheitsschädlicher Ginkgolsäuren, die in getrockneten Ginkgo-Blättern anders als im GbE nicht, jedenfalls aber nicht auf unter 0,0005% abgereichert sind, erheblich (vgl. hierzu Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, Die Sicherheit von Ginkgoblätterhaltigen Tees kann wegen mangelnder Daten nicht beurteilt werden, Gesundheitliche Bewertung Nr. 21/2010 v. 9.12.2009, veröffentlicht unter www.bfr.bund.de/cm/343/die_sicherheit_von_ginkgoblaetter_haltigen_tees_kann_wegen_mangelnder_daten_nicht_beurteilt_werden.pdf, Stand: 2.11.2017). Auch dies stellt einen Verzehr in den genannten Mengen als nicht angemessen und nicht verzehrüblich dar.
Die Wirkung von GbE in einer Dosierung von 100mg/Tag ist auch wesentlich höher zu beurteilen als die Wirkung anderer pflanzlicher oder tierischer Erzeugnisse, die mit der täglichen Nahrung aufgenommen werden. Die mit wirkbestimmenden Inhaltsstoffe des GbE, die Ginkgolide und das Bilobalid, sind bisher nur in Ginkgo biloba gefunden worden und konnten auch nur aus dieser Pflanze extrahiert werden, womit der Ginkgobaum eine einzigartige Stellung im Pflanzenreich einnimmt (vgl. Hänsel/Sticher, a.a.O., S. 1135). Dass andere pflanzliche oder tierische Erzeugnisse, die mit der täglichen Nahrung aufgenommen werden, eine dem GbE in einer Dosierung von 100mg/Tag oder auch nur dem Ginkgo biloba vergleichbare Wirkung im menschlichen Körper erzeugen könnten, ist für den Senat nicht ersichtlich. Dies gilt auch für die von der Klägerin herausgestellten Knoblauch- und Vitaminpräparate. Selbst für die Einnahme von 250mg/Tag des Knoblauchöls ist eine vergleichbare Wirkung nicht festgestellt worden (vgl. Studie Galduroz 2007, a.a.O., S. 449 f.). Für Vitaminpräparate ist eine - dem Wirkungsausmaß des GbE in einer Dosierung von 100mg/Tag - vergleichbare Wirkung nicht ansatzweise ersichtlich.
Dem Nachweis einer pharmakologischen Wirkung steht auch nicht entgegen, dass das Produkt "Ginkgo Biloba + Q-10 A. Kapseln" neben GbE in einer Dosierung von 100mg/Tag weitere Inhaltsstoffe enthält. Die Klägerin weist insoweit zwar zutreffend daraufhin, dass der Nachweis einer therapeutischen Wirksamkeit auf die konkrete Kombination von wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoffen bezogen sein muss (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 15.3.2012 - I ZR 44/11 -, juris Rn. 25 ff. (ARTROSTAR)). Zur hier vorzunehmenden Abgrenzung des Arzneimittels von einem Lebensmittel bedarf es des Nachweises einer therapeutischen Wirksamkeit aber nicht (siehe oben b.). Nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür, dass die pharmakologische Wirkung des GbE in einer Dosierung von 100mg/Tag durch die weiteren Inhaltsstoffe des streitgegenständlichen Produkts ausgeschlossen oder auch nur herabgesetzt sein könnte, bestehen für den Senat nicht.
(4) Der danach geführte Nachweis einer pharmakologischen Wirkung der streitgegenständlichen Produkte wird durch die von der Klägerin beigebrachten widerstreitenden, auch aktuelleren Publikationen und Bewertungen nicht durchgreifend in Zweifel gezogen (vgl. zum Erfordernis der Aktualität des wissenschaftlichen Nachweises: BVerwG, Urt. v. 25.7.2007, a.a.O., Rn. 33).
Das von der Klägerin beigebrachte Sachverständigengutachten des Herrn Dr. F. vom 30. Dezember 2007 (Blatt 1171 ff. der Gerichtsakte im Verfahren 13 LB 31/14) weist maßgeblich darauf hin, dass die therapeutische Wirksamkeit von GbE in einer Dosierung von 100mg/Tag nicht nachgewiesen sei und auch (andere) pflanzliche Lebensmittel Flavonoide mit gefäßmodulierender Wirkung enthielten oder eine durchblutungsfördernde Wirkung entfalteten. Diese Einwände greifen nicht durch. Der Nachweis einer therapeutischen Wirkung ist, wie dargestellt (siehe oben b.), schon nicht erforderlich. Dass auch pflanzliche Lebensmittel Flavonoide mit gefäßmodulierender Wirkung enthalten oder eine durchblutungsfördernde Wirkung entfalten können, steht außer Frage. Nur ergibt sich aus dem Gutachten nicht und ist für den Senat auch sonst nicht ersichtlich, dass und welche anderen pflanzlichen Lebensmittel bei einer Aufnahme als Nahrung in angemessenem und verzehrüblichen Umfang eine dem GbE in einer Dosierung von 100mg/Tag auch nur vergleichbare Wirkung entfalten könnten.
Auch die Bewertung verschiedener Studien in der Publikation von Fransen/Pelgrom/ Stewart-Knox/de Kaste/Verhagen (Assessment of health claims, content and safety of herbal supplements containing Ginkgo biloba, in: Food & Nutrition Research 2010, 54 ff.) ist nicht geeignet, die nachgewiesene pharmakologische Wirkung der streitgegenständlichen Produkte infrage zu stellen. Die vorgenommene Bewertung öffentlich verfügbarer wissenschaftlicher Studien befasst sich maßgeblich mit drei ausgewählten therapeutischen Indikationen von GbE, der Verbesserung der Durchblutung, der Verbesserung der Symptome des Alters und der Verbesserung des Gedächtnisses ("improvement of blood circulation, improvement of symptoms of old age, and improvement of memory"). Eine therapeutische Wirksamkeit hierfür wird als nicht belegt angesehen. Auch diese Bewertung präsentiert keine durchgreifenden Einwände. Zum einen kommt es auf den Nachweis einer therapeutischen Wirksamkeit für die hier allein erforderliche Abgrenzung des Lebensmittels von einem Arzneimittel von vorneherein nicht an (siehe oben b.); die pharmakologische Wirkung von GbE wird in der Bewertung hingegen nicht in Zweifel gezogen. Zum anderen vermag der Senat anhand der Bewertung den dort gezogenen Schluss einer mangelnden therapeutischen Wirksamkeit nicht nachzuvollziehen. So wird zwar der in der Studie Santos 2003 geführte Nachweis einer signifikanten Verringerung der Blutviskosität erwähnt und als solcher auch nicht diskutiert oder hinterfragt, dieser aber wegen der in anderen Studien untersuchten Blutflussparameter und damit verbundener Schwierigkeiten beim Vergleich der Studienergebnisse als nicht ausreichend angesehen (vgl. Fransen u.a., a.a.O., Abschnitt "Health effect 1: improved blood circulation": "Santos et al. (25) did find a lower blood viscosity (determined with a rotational viscosimeter) in 48 older men that used 80mg/day G. biloba extract for a period of 8 months. ... Unfortunately, the studies described above included different blood flow parameters, therefore, comparison of the studies is complicated. We concluded there was insufficient evidence that GBSTE use results in improved blood circulation in healthy subjects."). Nachvollziehbare Gründe für diese Schlussfolgerung vermag der Senat der Bewertung nicht zu entnehmen.
Der Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Änderung der Arzneimittel-Richtlinie vom 14. April 2011, dort Anlage 1 (OTC-Übersicht) Nr. 20 Ginkgo biloba-Blätter-Extrakt, stellt die pharmakologische Wirkung von GbE in einer Dosierung von 100mg nicht infrage. Der Beschluss bezieht sich allein auf die therapeutische Wirksamkeit von GbE in einer Dosierung von 240mg/Tag zur Behandlung von Alzheimer Demenz unter Berücksichtigung von patienten- und angehörigenrelevanten Therapiezielen. Auch die diesem Bericht zugrunde liegende Untersuchung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) zielte nur auf die Nutzenbewertung einer langfristigen Behandlung mit ginkgohaltigen Präparaten bei Alzheimer Demenz im Vergleich zu einer Placebogabe hinsichtlich patientenrelevanter Therapieziele sowie die Nutzenbewertung einer langfristigen Behandlung mit ginkgohaltigen Präparaten bei Alzheimer Demenz im Vergleich zu einer Behandlung mit anderen medikamentösen oder nichtmedikamentösen Therapieoptionen hinsichtlich patientenrelevanter Therapieziele (vgl. IQWiG, Ginkgohaltige Präparate bei Alzheimer Demenz - Abschlussbericht, IQWiG-Berichte 2008, Nr. 39, veröffentlicht unter www.iqwig.de/download/A05-19B_Abschlussbericht_Ginkgohaltige_Praeparate_
bei_Alzheimer_Demenz.pdf, Stand: 2.11.2017). Eine allgemeine Aussage zur mangelnden pharmakologischen Wirkung von GbE in einer Dosierung von weniger als 240mg trifft der Beschluss nicht; sie kann aus ihm - entgegen der klägerischen Auffassung - auch nicht abgeleitet werden.
Das von der Klägerin beigebrachte weitere Sachverständigengutachten des Herrn Dr. F. vom 26. Oktober 2012 (Blatt 693 ff. der Gerichtsakte im Verfahren 13 LB 31/14) stellt maßgeblich den nicht vollständig geklärten Wirkungsmechanismus von GbE insbesondere für die Verringerung der Blutviskosität heraus. Dies vermag indes, wie dargestellt (siehe oben (2)), den geführten Nachweis der pharmakologischen Wirkung nicht zu erschüttern. Auch der wiederholte Hinweis darauf, dass auch (andere) pflanzliche Lebensmittel gefäßmodulierende oder durchblutungsfördernde Wirkung entfalten könnten, greift, wie bereits ausgeführt (siehe oben (4)), nicht durch.
Auch das von der Klägerin beigebrachte Sachverständigengutachten der Frau Prof. Dr. G. vom 26. November 2012 (Blatt 1265 ff. der Gerichtsakte im Verfahren 13 LB 31/14) stellt die pharmakologische Wirkung von GbE in einer Dosierung von 100mg/Tag nicht infrage. Schon die Grundannahme in diesem Gutachten, eine pharmakologische Wirkung könne nur bezogen auf ein bestimmtes Krankheitsgeschehen, nicht aber allgemein beurteilt werden, geht fehl. Wie dargestellt (siehe oben b.) kann eine pharmakologische Wirkung in Bezug auf einzelne menschliche physiologische Funktionen festgestellt werden, und zwar unabhängig von einem Krankheitsbild. Letzteres erlangt erst Bedeutung, wenn es um die therapeutische Wirksamkeit eines Produktes geht, die für die hier streitrelevante Abgrenzung eines Lebensmittels von einem Arzneimittel aber nicht nachzuweisen ist. Im Übrigen beschränkt sich das Gutachten darauf, mangelnde Nebenwirkungen oder toxische Wirkungen von GbE in einer Dosierung von 100mg/Tag herauszustellen. Auch eine klinische Wirksamkeit von GbE in einer Dosierung von weniger als 120mg/Tag sei nicht nachgewiesen. Selbst in höheren Dosierungen sei diese Wirksamkeit mit Blick auf zahlreiche Krankheitsbilder nicht nachgewiesen und fraglich. Eine Wirksamkeit zur Behandlung von Alzheimer und kognitiven Einschränkungen könne allenfalls bei einer Dosierung ab 240mg/Tag angenommen werden. Diese Einwände greifen auch in der Sache nicht durch. Eine mangelnde toxische Wirkung oder therapeutische Wirksamkeit der streitgegenständlichen Produkte stellt den geführten Nachweis der pharmakologischen Wirkung von vorneherein nicht infrage. Eine Auseinandersetzung mit den Studien Santos 2003 und Galduroz 2007 erfolgt im Gutachten gar nicht.
Auch die von der Klägerin in Bezug genommene Cochrane-Metaanalyse von Birks/Evans (Ginkgo biloba for cognitive impairment and dementia, veröffentlicht in: Cochrane Database of Systematic Reviews 2009, Issue 1, Art.-No.: CD003120) stellt die pharmakologische Wirkung der streitgegenständlichen Produkte nicht infrage. Die dort getroffenen Aussagen zu möglichen Nebenwirkungen der Nutzung von Ginkgo biloba-Produkten und zum generell mangelnden Nachweis einer therapeutischen Wirksamkeit für die Behandlung von Demenz oder kognitiven Beeinträchtigungen sind hier von vorneherein ohne Belang (vgl. Birks/Evans, a.a.O., "Abstract", "Authors conclusions: Ginkgo biloba appears to be safe in use with no excess side effects compared with placebo. ... The evidence that Ginkgo biloba has predictable and clinically significant benefit for people with dementia or cognitive impairment is inconsistent and unreliable."). Auch einer Bewertung des offensichtlichen Widerspruchs zu der vom IQWiG getroffenen Feststellung, dass GbE in einer Dosierung von 240mg/Tag zur Behandlung von Alzheimer Demenz durchaus therapeutisch wirksam ist (vgl. IQWiG, Ginkgohaltige Präparate bei Alzheimer Demenz - Abschlussbericht, IQWiG-Berichte 2008, Nr. 39, a.a.O.), bedarf es daher hier nicht (vgl. hierzu Kasper/Winkler/Kutzelnigg, Stellenwert vom Ginkgo biloba-Extrakt bei Demenzerkrankungen, in: Pharmazie in unserer Zeit 2009, 424 ff.). Die darüber hinaus geäußerte Kritik an der Methodik, der Dauer und dem Umfang verschiedener Studien (vgl. Birks/Evans, a.a.O., "Abstract", "Authors conclusions: "...Many of the early trials used unsatisfactory methods, were small, and publication bias cannot be excluded. ..." and "Main results:" "36 trials were included but most were small and of duration less than three months. Nine trials were of six months duration (2016 patients). These longer trials were the more recent trials and generally were of adequate size, and conducted to a reasonable standard. ...") tangiert die hier relevanten Studien Galduroz 2007, Santos 2003 und Itil 1996 ersichtlich nicht.
Soweit die Klägerin sich schließlich auf Entscheidungen verschiedener nationaler Gerichte beruft, die eine Bewertung von Produkten mit Ginkgo biloba-Extrakt vornehmen, vermag der Senat diesen nichts zu entnehmen, was den hier allein maßgeblichen und geführten Nachweis einer pharmakologischen Wirkung von GbE in einer Dosierung von 100mg/Tag durchgreifend in Zweifel ziehen könnte.
c. Der Senat vermag auch nicht festzustellen, dass der monographiekonforme Ginkgo biloba-Trockenextrakt in einer Dosierung von 100mg/Tag maßgeblich zum Ausgleich von Defiziten in der gewöhnlichen Nahrung und damit als Lebensmittel in Form eines Nahrungsergänzungsmittels eingesetzt werden soll (vgl. zur Abgrenzung: BGH, Urt. v. 10.2.2000 - I ZR 97/98 -, juris Rn. 33; Kügel/Hahn/Delewski, NemV, 1. Aufl., 2007, § 1 Rn. 278). Anhand des Vorbringens der Klägerin ist für den Senat nicht nachzuvollziehen, welche Nährstoffe der streitgegenständlichen Produkte zum Ausgleich welcher konkreten Defizite in der gewöhnlichen Nahrung eingesetzt werden könnten. Dies ist auch nicht offensichtlich, da die in Ginkgo biloba enthaltenen und in den streitgegenständlichen Produkten mit wirkbestimmenden Inhaltsstoffe, die Ginkgolide und das Bilobalid, bisher nur in dieser Pflanze gefunden und auch nur aus dieser Pflanze extrahiert werden konnten, womit der Ginkgobaum eine einzigartige Stellung im Pflanzenreich einnimmt (vgl. Hänsel/Sticher, a.a.O., S. 1135). Der Gebrauch dürfte danach nicht auf einen Ausgleich ernährungsphysiologischer Defizite, sondern auf eine gezielte Veränderung bestimmter physiologischer Körperfunktionen gerichtet sein.
Hinzu kommt, dass die streitgegenständlichen Produkte in Kapselform und damit - neben Tabletten oder Pillen - einer für Arzneimittel typischen Darreichungsform angeboten werden sollen. Auch wenn die äußere Form kein allein ausschlaggebendes Indiz für das Vorliegen eines Arzneimittels ist, da andernfalls bestimmte Nahrungsmittel erfasst werden, die herkömmlicherweise in ähnlicher Form wie Arzneimittel aufgemacht sind, kann sie ein durchaus wichtiges Indiz für die Absicht sein, das Erzeugnis als Arzneimittel in den Handel zu bringen (vgl. EuGH, Urt. v. 15.11.2007, a.a.O., Rn. 52 f.; Urt. v. 21.3.1991 - C-369/88 -, juris Rn. 38 (Delattre); Urt. v. 30.11.1983, a.a.O., Rn. 19).
d. Der Senat vermag auch nicht festzustellen, dass den streitgegenständlichen Produkten vergleichbare andere Produkte mit gleichen oder ähnlichen wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoffen im Verkehr als Lebensmittel verbreitet und den Verbrauchern allgemein als Lebensmittel bekannt sind.
Die Klägerin hat zwar zahlreiche ginkgohaltige Produkte bezeichnet, die im Verkehr als Lebensmittel verbreitet sind (vgl. etwa die Schriftsätze der Klägerin v. 16.2.2017, dort S. 16 ff., und v. 12.9.2014, dort S. 5 ff., sowie Anlagenkonvolut K 24). Hierbei handelt es sich aber maßgeblich um Produkte, die getrocknete Ginkgo biloba-B l ä t t e r oder w ä s s r i g e Ginkgo biloba-Extrakte enthalten. Soweit die Produkte im Einzelnen überhaupt Ginkgo biloba-T r o c k e n x t r a k t e enthalten, ist anhand des Vorbringens der Klägerin und der von ihr vorgelegten Unterlagen nicht nachzuvollziehen, dass es sich dabei um monographiekonformen GbE handelt.
Belastbare Anhaltspunkte für eine Verkehrsauffassung von monographiekonformem GbE als Lebensmittel sind danach nicht gegeben. Die Monographie HMPC 2015 spricht vielmehr gegen eine solche Verkehrsauffassung. Denn in Nr. 4.1 der Monographie HMPC 2015 ist ein "well-established use" als pflanzliches Arzneimittel zur Verbesserung (altersabhängiger) kognitiver Beeinträchtigung und Lebensqualität bei leichter Demenz ("Herbal medicinal product for the improvement of (age-associated) cognitive impairment and of quality of life in mild dementia.") dokumentiert. Voraussetzung einer solchen Dokumentation ist eine mindestens zehnjährige medizinische Verwendung als Arzneimittel mit ausreichender bibliografischer Dokumentation sowie akzeptierten und fachlich anerkannten Daten (vgl. zu dieser Bedeutung des "well-established use" im Sinne der Monographie HMPC: Knöss, Monographien als Richtschnur, a.a.O.). Gegen eine Verkehrsauffassung von monographiekonformem GbE in einer Dosierung von bis zu 100mg als Lebensmittel spricht auch die Zulassung eines Produktes mit deutlich niedrigerer Dosierung als Arzneimittel (Handelsname: Tebonin forte 40mg; PZN: 4247370; vgl. zur Zusammensetzung das Produktetikett und die Gebrauchsinformation auf Blatt 976 f. der Gerichtsakte im Verfahren 13 LB 31/14).
Ob darüber hinaus für (getrocknete) Ginkgo biloba-Blätter und gegebenenfalls auch für wässrige Ginkgo biloba-Extrakte eine Verkehrsauffassung als Lebensmittel gegeben ist, bedarf hier keiner Entscheidung. Der Senat weist daher nur kurz darauf hin, dass in diese Richtung zwar neben den von den Klägerin bezeichneten Produkten auch die Angaben im Novel-Food Katalog der Europäischen Kommission (veröffentlicht unter: ec.europa.eu/food/safety/novel_food/catalogue/search/public/index.cfm, Stand: 2.11.2017: "The request concerns the leaves of Ginkgo biloba. Vague information about uses of other parts of the plant or ingredients derived from Ginko biloba would require confirmation.") und in der Stoffliste des Bundes und der Bundesländer (Kategorie "Pflanzen und Pflanzenteile", 2014, S. 70 f.: "Negativmonographie für Ginkgoblätter sowie diverse alkoholische Extrakte aufgrund nicht ausreichender Belege zur Wirksamkeit bei gleichzeitig nicht auszuschließenden Risiken, Positivmonographie für standardisierten Aceton/Wasser-Trockenextrakt") deuten. Mit Blick auf die Ergebnisse der vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte vorgenommenen Auswertung von Fach- und Populärmedien (vgl. Stellungnahme v. 13.3.2012, dort S. 3 f. = Blatt 286 ff. der Gerichtsakte im Verfahren 13 LB 31/14) bestehen hieran aber erhebliche Zweifel (vgl. hierzu auch OLG Hamburg, Urt. v. 29.1.2009 - 3 U 54/08 -, ZLR 2009, 246, 264 ff.).
Der Bewertung der streitgegenständlichen Produkte als pharmakologisch wirksame Arzneimittel steht - im Hinblick auf das europarechtliche Prinzip der gegenseitigen Anerkennung - auch nicht entgegen, dass sie in Österreich und auch den Niederlanden zulässigerweise als Lebensmittel in Form eines Nahrungsergänzungsmittels vertrieben werden. Denn ein Mitgliedstaat darf angesichts des gegenwärtigen Standes der Harmonisierung der nationalen Regelungen ein Erzeugnis, sofern es die Eigenschaften eines (Funktions-)Arzneimittels tatsächlich aufweist, auch dann als Arzneimittel behandeln, wenn es in einem anderen Mitgliedstaat als Lebensmittel in Form eines Nahrungsergänzungsmittels eingestuft wird (vgl. EuGH, Urt. v. 3.10.2013, a.a.O., Rn. 48; Urt. v. 5.3.2009 - C-88/07 - juris Rn. 69; Urt. v. 15.1.2009, a.a.O., Rn. 28).
e. Ohne dass es hierauf für die Einordnung der streitgegenständlichen Produkte als Arzneimittel noch entscheidungserheblich ankommt, sprechen schließlich auch die in
der Monographie HMPC 2015, dort Nr. 4.8 Undesirable effects - well-established use ("Blood and lymphatic system disorders: Bleeding of individual organs has been reported (eye, nose, cerebral and gastrointestinal haemorrhage). The frequency is not known. Nervous system disorders: Very common: headache, Common: dizziness, Gastrointestinal disorders: Common: diarrhoea, abdominal pain, nausea, vomiting. Immune system disorders: Hypersensitivity reactions (allergic shock) may occur. The frequency is not known. Skin and subcutaneous tissue disorders: Allergic skin reactions (erythema, oedema, itching and rash) may also occur. The frequencies are not known."),
der Monographie ESCOP 2003 ("In rare Cases, mild gastrointestinal disorders, headache or allergic skin reactions have been reported..."),
der Monographie Kommission E 1994 ("Sehr leichte Magen-Darm-Beschwerden, Kopfschmerzen oder allergische Hautreaktionen.") und
der Gesundheitlichen Bewertung Nr. 21/2010 des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte, v. 9.12.2009, a.a.O., dort Nr. 3.1.2.1.2.4 Unerwünschte Wirkungen,
dokumentierten Risiken bei der Verwendung von GbE gleich welcher Dosierung für die hier gewonnene Überzeugung vom Vorliegen eines Funktionsarzneimittels.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.