Landgericht Hannover
Urt. v. 20.09.2005, Az.: 18 O 231/05

Schadensersatzansprüche eines Reisenden aufgrund einer während der Reise erlittenen Verletzung; Einhaltung der zur Anmeldung der Ansprüche geltenden Monatsfrist; Gelegenheit zur Kenntnisnahme von der im Reisekatalog enthaltenen Ausschlussfrist; Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch den Reiseveranstalter

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
20.09.2005
Aktenzeichen
18 O 231/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 36162
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHANNO:2005:0920.18O231.05.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
OLG Celle - 20.07.2006 - AZ: 11 U 255/05
BGH - 12.06.2007 - AZ: X ZR 87/06

Verfahrensgegenstand

Reisevertrag

In dem Rechtsstreit
...
hat die 18. Zivilkammer des Landgerichts Hannover
auf die mündliche Verhandlung vom 19. Juli 2005
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht xxx als Einzelrichter
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Klägerin buchte auf der Grundlage des xxx-Reisekataloges März bis Oktober 2004 im xxx Reisebüro in xxx im April 2004 eine Reise im Robinson-Club xxx für sich und ihre Tochter für die Zeit vom 19.5. bis zum 26.6.2004. Sie hatte bereits zuvor mehrfach dort Urlaub gemacht und dem Reisebüro telefonisch die Reisedaten mitgeteilt. Im Reisebüro wurde die Reisebestätigung vorbereitet und von der Klägerin am 21.4.2004 unterzeichnet (vgl. Bl. 22 d.A.). Auf der Reisebestätigung befindet sich der Hinweis: "Wegen der Leistungsbeschreibung sowie der Rechte, Obliegenheiten und Pflichten des Kunden, insbesondere bei Stornierungen, Leistungsmängeln und Versicherungsfällen wird auf die Ausschreibung/Beförderungsrichtlinien bzw. die Reisebedingungen des Veranstalters verwiesen." Die Reisebedingungen der Beklagten befinden sich unstreitig in deren Katalog.

2

Während des Urlaubs fand am 24.5.2004 eine "Wetten dass ..."-Kindershow statt, bei der die Klägerin in der ersten Reihe saß. Während dieser Show machte eine Animateurin gegenüber einem Kind den Vorschlag "Wetten, dass es Deiner Mama nicht gelingt, innerhalb von 2 Minuten 60 unterschiedliche Schuhe einzusammeln." Daraufhin wurden von anderen Besuchern Schuhe auf die Bühne geworfen. Die Klägerin wurde dabei von einem Damenschuh mit hohem Absatz am Kopf getroffen. Dadurch wurden sofort Kopfschmerzen, Benommenheit, Schwindel und Übelkeit ausgelöst. Die Klägerin teilte den Vorfall im Club mit. Am nächsten Morgen wurde die Verletzung mit Eisbeuteln gekühlt und durch den Clubarzt untersucht. Die Zeit bis zur Abreise verbrachte die Klägerin liegend in ihrem Zimmer. Auch während der Rückreise und danach traten noch Beschwerden auf, die nach Angaben der Klägerin zunächst nach 2 Tagen abklangen. Allerdings litt sie hin und wieder unter Kopfschmerzen. Ab Oktober 2004 erlitt die Klägerin heftige Kopfschmerzattacken. In der Folgezeit wurde festgestellt, dass die Klägerin unter einem Schädelhirntrauma litt.

3

Die Klägerin behauptet, dieses sei auf den Vorfall im Mai zurückzuführen. Sie meint, die Animateurin habe bereits durch die Wette ihre Pflicht verletzt, da absehbar gewesen sei, dass diese zum Werfen von Schuhen führen würde und dadurch die Gefahr bestand, dass Gäste getroffen werden. Die Klägerin verlangt materiellen Schadensersatz in Höhe von 1.408,00 EUR (Schadenszusammensetzung s. Bl. 18 d.A.), ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, wobei sie 15.000,00 EUR für angemessen hält sowie die Feststellung, dass die Beklagte zur Erstattung sämtlichen zukünftigen Schadens verpflichtet sei. Sie meint, ihre vertraglichen Ansprüche seien trotz der Versäumung der Ausschlussfrist gem. § 651 g BGB erhalten geblieben, da sie von der Beklagten nicht ausreichend über diese Frist informiert worden sei. Sie weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass ihr die Bedingungen mit der Ausschlussfrist weder bei der Buchung im Reisebüro noch mit den später übersandten Reiseunterlagen übermittelt wurden.

4

Die Klägerin beantragt,

  1. I.

    die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld zu bezahlen, welches in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens in einem Umfang von 5.000,00 EUR bis 15.000,00 EUR, nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.3.2005,

  2. II.

    die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.408,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 11.3.2005 zu bezahlen,

  3. III.

    festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche weiteren zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, welche dieser aus dem Unfall vom 24.5.2004 entstanden sind und/oder noch entstehen werden, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritteübergegangen sind oder übergehen werden.

5

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

6

Sie verweist auf die Ausschlussfrist, die bei Anmeldung der Ansprüche durch die Klägerin mit Schreiben vom 10.1.2005 bereits abgelaufen war. Da die Reisebedingungen - unstreitig - im Katalog abgedruckt seien und die Klägerin bei der Buchung deren Gültigkeit anerkannt habe, sei sie in ausreichender Form auf die Bedingungen hingewiesen worden, die sie ohne Weiteres im Reisebüro auf dem dort ausliegenden Prospekt habe entnehmen können.

7

Im Übrigen bestreitet die Beklagte ein Verschulden der Animateurin, die mit einem entsprechenden Verhalten der Gäste nicht habe rechnen können.

8

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

9

Die Klage ist nicht begründet.

10

I.

Etwaige vertragliche Ansprüche der Klägerin gem. § 651 f BGB sind ausgeschlossen, da die Klägerin die mit Reiseende beginnende Monatsfrist des § 651 g BGB zur Anmeldung ihrer Ansprüche nicht eingehalten hat.

11

Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, sie sei unverschuldet an der Einhaltung der Frist gehindert gewesen. Ihr Einwand, die - schweren - Verletzungsfolgen hätten sich erst mehrere Monate später herausgestellt, greift schon deshalb nicht durch, weil sie auch nach eigenen Angaben fortlaufend auch nach Rückkehr von der Reise unter Kopfschmerzen litt. Bezeichnenderweise macht sie mit der Klage auch noch Ansprüche auf Rückzahlung des Reisepreises geltend, obwohl ihr bereits unmittelbar nach der Reise klar war, ob bzw. in welchem Umfang die Reise durch die Verletzung beeinträchtigt war.

12

Ein Verschulden der Klägerin an der Versäumung der Frist entfällt auch nicht wegen eines Verstoßes der Beklagten gegen § 6 Abs. 2 Nr. 8 BGB InfoV. Nach dieser Vorschrift ist ein Hinweis des Reiseveranstalters auf die entsprechende Frist zwar erforderlich. Die Beklagte hat der Klägerin aber in ausreichendem Maße Gelegenheit zur Information über die Frist gegeben.

13

Die Reisebedingungen einschließlich des Hinweises auf die Ausschlussfrist sind unstreitig im Reisekatalog der Beklagten enthalten. Die Klägerin selbst hat in der Klagschrift vorgetragen "Vertragsgrundlage war die Katalogbeschreibung der Beklagten selbst in ihrem xxx-Reisekatalog März bis Oktober 2004". Der Klägerin hat demzufolge der Katalog der Beklagten vorgelegen. Sie hat darüber hinaus den Hinweis auf die weiteren Reisebedingungen im Rahmen der Buchung unterschrieben. Schon aufgrund dieses Hinweises war klar, dass nicht allein die Buchung, sondern darüber hinaus die im Katalog abgedruckten Vertragsbedingungen Vertragsbestandteil waren. Wenn die Klägerin - möglicherweise aufgrund früherer Reisen - es nicht für nötig gehalten hat, den neuen Katalog mitzunehmen, kann dies nicht der Beklagten angelastet werden. Sie hatte jedenfalls Gelegenheit zur Einsicht in den als Vertragsgrundlage von ihr selbst zitierten Katalog und damit auch Gelegenheit zur Kenntnisnahme von der Ausschlussfrist.

14

II.

Die Klägerin besitzt keine Ansprüche gem. § 823 Abs. 1 und 2 BGB gegen die Beklagte. Die Klägerin wirft der Beklagten vor, eine eigene Verkehrssicherungspflicht verletzt zu haben, da sie keine ausreichende Auswahl und Kontrolle des Animationsprogramms und des eingesetzten Personals vorgenommen habe. Für diese Darstellung gibt es aber keinerlei Anhaltspunkte. Allein der Umstand, dass bei einem Wettspiel ein Gast zu Schaden kommt, lässt darauf nicht schließen. Es kann von der Beklagten im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht nicht verlangt werden, dass diese im Detail vorgibt, welche Spiele mit welchem Ablauf möglich sind. Dies würde auch der von den Gästen erwarteten Spontanität und Kreativität im Rahmen des Animationsangebotes zuwider laufen. Auch wenn der hier eingetretene Vorfall bedauerlich ist, war dieser nicht durch Vorgaben oder Kontrollen der Beklagten zu beeinflussen und zu verhindern.

15

Die Beklagte haftet ferner nicht gem. § 831 BGB für ein mögliches schuldhaftes Verhalten der Animateurin. Diese ist nicht als Verrichtungsgehilfhin i.S.d. § 831 Abs. 1 BGB anzusehen. Nach ständiger Rechtsprechung sind die Hoteliers, Betreiber einer Ferienwohnungsanlage bzw. die dort tätigen Animateure nicht Verrichtungsgehilfen des Reiseveranstalters, weil es an der dazu nötigen Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit fehlt (vgl. Palandt/Sprau, BGB, 64. A., § 831 Rdz. 8 m.w.N. aus der Rechtsprechung).

16

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.