Landgericht Hannover
Urt. v. 04.08.2005, Az.: 3 O 455/04
Bibliographie
- Gericht
- LG Hannover
- Datum
- 04.08.2005
- Aktenzeichen
- 3 O 455/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 42176
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHANNO:2005:0804.3O455.04.0A
Fundstellen
- WM 2006, 89-90 (Volltext mit amtl. LS)
- WuB 2006, 241-242
- ZBB 2006, 53 (red. Leitsatz)
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Kläger begehren die Feststellung, dass der mit der Beklagten geschlossene Kreditvertrag bei Rückzahlungsfälligkeit im November 2019 durch die Verrechnung mit der aus dem Kapitallebensversicherungsvertrag zu erwartenden Ablauf Leistung auf jeden Fall getilgt ist, unabhängig von der Höhe der Leistung aus dem Versicherungsvertrag.
Die Kläger wandten sich 1994 über einen Versicherungsmakler an die Beklagte zwecks Darlehensgewährung. Sie schlössen mit der Beklagten am 17. Mai 1994 zum Zwecke der Baufinanzierung einen Darlehensvertrag über 130. 000 DM. Hierbei handelte es sich um ein tilgungsfreies Darlehen, dessen Valuta erst durch einen Teil der Ablaufleistung aus der beim Deutschen Herold abgeschlossenen Kapitallebensversicherung im Oktober 2019 zurückgeführt werden sollte. Am 17. Mai 1994 schlössen die Kläger mit der Beklagten, diese wiederum namens und in Vertretung der Versicherung Deutscher Herold handelnd, ferner einen Darlehensvertrag über 180. 000 DM, ebenfalls tilgungsfrei und zurückzuzahlen durch einen erstrangigen Teil der zu erwartenden Ablaufleistung aus der beim Deutschen Herold abgeschlossenen Kapitallebensversicherung. Wegen der Einzelheiten wird auf die in Kopie zu den Akten gereichten Vertragsunterlagen (Bl. 11 und 12 d. A.) verwiesen. Der Versicherungsvertrag wurde von den Klägern ebenfalls am 17. Mai 1994 beantragt und - wegen eines erforderlichen Nachtrags - in der nunmehr gültigen Fassung im November 1994 geschlossen. Beim Versicherungsunternehmen Deutscher Herold handelt es sich um ein Unternehmen der Deutsche Bank Gruppe. Die zu erwartende Ablaufleistung wurde im November 1995 noch mit 319.085,00 DM prognostiziert, die Erlebensfallsumme sollte 137.902,00 DM betragen; die Todesfallsumme belief sich auf 200. 000 DM. Die Beklagte ließ sich den Anspruch der Kläger aus dem Lebensversicherungsvertrag abtreten. Mit Vertrag vom 19/20. Mai 1999 erfolgte eine Prolongation des ursprünglichen Darlehensvertrags nach Ablauf der Zinsbindungsfrist.
Nach Absenkung der Überschussbeteiligung ist nur noch mit einer Ablaufleistung in Höhe von 90.204,23 €, maximal 105.734,84 € zu rechnen. Mithin ist eine Tilgungslücke in einer Größenordnung von 52.765,64 € bis 68.296,25 € betreffend das Gesamtdarlehen von 310. 000 DM (=158.500,48 €) zu erwarten. Da die Valuta des von der Beklagten ausgereichten und - im Verhältnis zu dem vom Versicherungsunternehmen gewähren Kredits über 180. 000 DM - nachrangig zu tilgenden Darlehens mangels laufender Tilgung im Oktober 2019 nach wie vor 66.467,94 € beträgt, wird der Kreditbetrag durch Verwendung der Kapitallebensversicherungsleistung allenfalls zu einem geringen Teil zurückgezahlt werden können.
Die Kläger sind der Auffassung, dass die Beklagte eine etwaige verbleibende Differenz nicht verlangen könne, da sich ein weitergehender Rückzahlungsanspruch aus den vertraglichen Regelungen nicht ergäbe. Der Darlehensvertrag sei unabhängig von der Höhe der Ablaufleistung erfüllt; die Leistung aus dem Lebensversicherungsvertrag sei an Erfüllungs statt auf die Beklagte übertragen worden. Die möglicherweise anders lautende Regelung Zf. 8 Abs. 2 der AGB sei überraschend und daher unwirksam. Die Kläger behaupten, dass ein Hinweis auf das Risiko der Unterdeckung nicht erfolgt sei. Hierin liegt nach Meinung der Kläger eine Aufklärungspflichtverletzung. Denn nur bei besonders günstiger Entwicklung der Überschussbeteiligung wäre eine vollständige Tilgung möglich.
Die Kläger beantragen,
festzustellen, dass der Beklagten den Klägern gegenüber aus dem Kreditvertrag Nr. 277405787 vom "7. Mai 1997" über 130.000,00 DM (66.467,94 €) bei Ablauf am 31.10.2019 keine über den letztrangig abgetretenen Teilbetrag aus der zum 1,11.2019 fällig werdenden Ablaufleistung der Lebensversicherung mit, der Versicherungsnummer 1 DL-239 7002 bei der Deutschen Herold Lebensversicherungs-AG hinausgehende Forderung zusteht.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie ist der Meinung, dass in der vertraglichen Regelung kein Verzicht auf eine zur vollständigen Tilgung des Kredits erforderliche Nachforderung zu sehen sei. Aus den verträglichen Bestimmungen ergäbe sich, dass die Kläger eine Deckungslücke auszugleichen hätten. Die Ansprüche aus der Lebensversicherung seien lediglich erfüllungshalber abgetreten worden, Sie behauptet, dass der Mitarbeiter Volkers die Kläger auf das Risiko der Unterdeckung hingewiesen habe, wenngleich er - so die Auffassung der Beklagten - hierzu nicht verpflichtet gewesen sei. Die Kläger als Akademiker hätten das Risiko ohne weiteres erkennen können.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, die zu den Akten gereichten Unterlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16. Juni 2005 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die - auch nach § 256 ZPO - zulässige, insbesondere beim nach §21 Abs. 1 ZPO örtlich zuständigen Landgericht erhobene Klage ist unbegründet.
I.
1. Aus dem zwischen den Parteien bestehenden Darlehensvertrag ergibt sich nicht, dass infolge der Übertragung der Rechte aus dem Lebensversicherungsvertrag die Einziehung der Ablaufleistung an Erfüllungs statt (§ 364 Abs. 1 BGB) erfolgt und somit der Anspruch der Beklagten auf Darlehensrückzahlung ungeachtet der Höhe der ihr zur Verfügung stehenden Ablaufleistung erlöschen wird. Vielmehr hat die Beklagte gegenüber den Klägern einen Anspruch auf Darlehensrückzahlung auch und gerade insoweit, als der aus dem Lebensversicherungsvertrag zu leistende Betrag zur vollständigen Tilgung der Darlehensvaluta nicht ausreicht.
Aus den vertraglichen Bestimmungen ergibt sich hinreichend deutlich, dass die Darlehensnehmer eine etwaige Tilgungslücke auszugleichen hätten. Dies ergibt sich schon aus der gesetzlichen Regelung, wonach der zur Kapitalnutzung überlassene Geldbetrag bei Fälligkeit zurückzuzahlen ist. Die Parteien haben von der Möglichkeit einer abweichenden Regelung, dergestalt, dass die Auszahlung der Versicherungssumme an die Beklagte nicht erfüllungshalber, sondern an Erfüllungs statt erfolgt, vorliegend keinen Gebrauch gemacht. Im Darlehensvertrag ist zwar einerseits die Rede davon, dass die "Ablösung durch LV" erfolgen solle; in diesem Zusammenhang ist von "Tilgungsersatz" die Rede. Unter Zf. 8. Abs. 2 der allgemeinen Darlehensbedingungen, die auf der Rückseite des Darlehensvertrags oberhalb der Unterschriftszeile dokumentiert sind, ist jedoch geregelt, dass der Darlehensnehmer verpflichtet ist, auf Verlangen der Bank eine laufende und ggf. erhöhte Tilgung zu erbringen, wenn ein vorgesehener Tilgungsersatz nicht ausreichen sollte. In Abs. 3 ist des Weiteren geregelt, dass Tilgungsleistungen nicht auf die Grundschuld, sondern auf das Darlehen verrechnet werden. Einer solchen Bestimmung ("Verrechnung", Bestand der dinglichen Sicherheit) bedarf es nicht, wenn die Leistung aus dem Lebensversicherungsvertrag auf jeden Fall zum Erlöschen des Darlehensrückzahlungsanspruchs führen soll. Dass der Passus in Abs. 2 sich nur auf einen "Störfair beziehen ließe, so die Meinung der Kläger, ergibt sich weder aus dem Kontext noch aus dem Wortlaut der Regelung.
Die Regelung in Zf. 8. der Allgemeinen Darlehensbedingungen ist auch nicht nach § 305 c BGB unwirksam. Dazu müsste es sich um eine ungewöhnliche Klausel handeln, d.h. eine Klausel, die mit dem Leitbild des Vertrags unvereinbar ist oder vom dispositiven Recht erheblich abweicht (Heinrichs, in: Palandt, 62. Aufläge, § 305 c, Rdzf. 3). Das ist hier nicht der Fall, ungeachtet des Umstands, dass es an dem weiteren Merkmal des Überraschungsmoments fehlt, denn die Regelung ist unter der Rubrik Tilgung getroffen und drucktechnisch so angeordnet, dass mit der Kenntnisnahme gerechnet werden kann. Der Anspruch auf vollständige Darlehensrückzahlung entspricht nachgerade dem gesetzlichen Leitbild des Darlehensvertrags. Nach den Gesamtumständen konnten die Kläger auch nicht davon ausgehen, dass die Beklagte auf eine Nachforderung verzichten würde. Zwar könnte die Bezeichnung Tilgungsersatz in vergleichbarer Weise verstanden werden wie eine Regelung, wonach die Tilgung "durch Lebensversicherung" erfolgen soll. Des Weiteren ist kein bestimmter Fälligkeitszeitpunkt geregelt. Die Fälligkeit ergibt sich vielmehr aus dem Gesamtzusammenhang und richtet sich nach der Fälligkeit der Leistung aus dem Lebensversicherungsvertrag. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass die Beklagte das Risiko einer zu geringen Ablaufleistung tragen wollte. Insbesondere wäre die vertraglich vereinbarte Todesfallleistung (200. 000 DM) wegen der regelmäßig geringen Überschussanteile - jedenfalls in den ersten Jahren - auf jeden Fall nicht zur Tilgung ausreichend. In Zf. 6 Abs. 2 des mit dem Versicherungsunternehmen Deutscher Herold geschlossenen Darlehensvertrags ist zur Fälligkeit geregelt, dass der gesamte Kreditbetrag auch dann zur Rückzahlung fällig wird, wenn die Leistung aus der Lebensversicherung bei Ablauf zur vollständigen Tilgung nicht ausreichen sollte. Aus den vertraglichen Bestimmungen ist ferner nicht ersichtlich, dass der Beklagten bei höherer Ablaufleistung der überschießende Betrag zugestanden hätte, was, folgte man der Auffassung der Kläger, nur konsequent gewesen wäre.
Bei dem vom OLG Karlsruhe entschiedenen Fall handelt es sich um eine mit der vorliegend zu beurteilenden Konstellation nicht vergleichbare Einzelfallentscheidung, bei der nicht einmal die Revision zugelassen worden war. Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen auf folgende Umstände gestützt: Es sei ausdrücklich von einer "Tilgung durch Lebensversicherung" die Rede, wobei der Begriff der "Tilgungslebensversicherung" verwandt worden sei. Es seien Streichungen vorhanden gewesen, wonach Regelungen, die die Rechtsauffassung der Bank gestützt hätten, nicht gelten sollten. Darüber hinaus habe sich die Möglichkeit der "Verrechnung" nach Auffassung des Oberlandesgerichts nur auf den Fall bezogen, dass die Bank schon vor Eintritt des Versicherungsfalls Rechte aus der Lebensversicherung geltend machen würde.
Im vorliegenden Fall wurde indessen der Begriff des Tilgungsersatzes und nicht der der "Tilgungslebensversicherung" verwendet und es ist generell und nicht nur bezogen auf eine vorzeitige Kündigung von Verrechnungen die Rede (Zf. 8 Abs. 3 der Allgemeinen Darlehensbedingungen). Zudem sollte die Grundschuld, die als weitere Sicherheit diente, in ihrem Bestand von Tilgungsleistungen - jedenfalls formal - unabhängig sein (Zf. 8 Abs. 3). Hier konnten die Kläger im Zweifel gerade nicht davon ausgehen, dass die Beklagte auf etwaige Nachforderungen verzichten wollte.
2. Die Kläger können ihr Feststellungsbegehren auch nicht auf eigene Schadensersatzansprüche wegen Verschulden bei Vertragsanbahnung (§§ 280, 311 Abs. 2 BGB) stützen. Eine Bank ist in aller Regel nicht gehalten, den Kreditbewerber von sich aus auf mögliche Bedenken gegen die Zweckmäßigkeit der gewählten Kreditart hinzuweisen (BGH NJW 1989, S. 1667). Es ist grundsätzlich Sache des Bewerbers, selbst darüber zu befinden, welche der in Betracht kommenden Gestaltungsformen seinen wirtschaftlichen Verhältnissen am besten entspricht. Diese Entscheidung betrifft den Bereich der wirtschaftlichen Dispositionen, für die er im Verhältnis zum Kreditinstitut im Allgemeinen das alleinige Risiko trägt (BGH ZIP 1989, S. 83 [85]). Etwas anderes gilt jedoch, wenn die Bank einem - nicht besonders geschäftserfahrenen und rechtskundigen - Kreditbewerber anstelle eines üblichen Ratenkredits einen mit einer Kapitallebensversicherung verbundenen anbietet BGH NJW 1989, S. 1667 [1668]). Nach dem Vorbringen der Beklagten hätten sich die Kläger jedoch nach Aufklärung über die Besonderheiten der Darlehenstilgung wegen der steuerlichen Vorteile für das streitgegenständliche Finanzierungsmodell entschieden. Das Vorbringen der Beklagten zur Aufklärung über die Risiken der Unterdeckung durch den Zeugen Volkers haben die Kläger nicht substantiiert bestritten. Darüber hinaus ergäbe sich die von den Klägern begehrte Rechtsfolge nicht aus der vorab skizzierten Vertragspflichtverletzung. Der Schaden läge nämlich in der Differenz zwischen den Kosten des gewählten Kredits mit Koppelung einer Lebensversicherung im Vergleich zum Abschluss eines marktüblichen Ratenkreditvertrages (BGH WM 2003, S. 1370 [1372]). Ein Schaden dieser Art ist jedoch nicht Gegenstand der Klage. Darüber hinaus haben sich die Kläger über einen Versicherungsmakler an die Beklagte gewandt, so dass hier nicht dargetan ist, dass die Beklagte den Klägern an Stelle eines von ihnen ursprünglich gewünschten üblichen Ratenkredits die hier streitgegenständliche Finanzierungsform angeboten hätte (vgl. hierzu BGH a.a.O.).
II.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO.