Landgericht Hannover
Beschl. v. 09.08.2005, Az.: 20 T 45/05

Bibliographie

Gericht
LG Hannover
Datum
09.08.2005
Aktenzeichen
20 T 45/05
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2005, 42178
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGHANNO:2005:0809.20T45.05.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hannover - 23.06.2005 - AZ: 906 IN 427/05
nachfolgend
BGH - 05.07.2007 - AZ: IX ZB 233/05

In dem Insolvenzverfahren über das Vermögen

...

hat die 20. Zivilkammer des Landgerichts Hannover auf die sofortige Beschwerde des Schuldners vom 11. Juli 2005 gegen den Beschluss des Insolvenzgerichts vom 23. Juni 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht ..., die Richterin am Landgericht ... und die Richterin am Landgericht ... am 9. August 2005 beschlossen:

Tenor:

  1. Das Verfahren wird der Kammer zur Entscheidung übertragen (§ 568 Satz 2 Ziffer 1 ZPO).

  2. Die sofortige Beschwerde des Schuldners wird zurückgewiesen.

  3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Schuldner.

  4. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 484 000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

1

I.

Mit Schreiben vom 29. April 2005, bei dem Amtsgericht Hannover eingegangen am 2. Mai 2005, beantragte die DZ Bank aufgrund einer fälligen Forderung in Höhe von 6 833 950,38 EUR die Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

2

Mit Schriftsatz vom 17. Mai 2005 (Bl. 120 d.A.) teilte der Verfahrensbevollmächtigte des Schuldners unter Vorlage einer Meldebescheinigung mit, der Schuldner habe seit dem 13. Mai 2005 seinen deutschen Wohnsitz aufgegeben, die neue Adresse in Frankreich werde umgehend mitgeteilt.

3

Mit Schriftsatz vom 30. Mai 2005 (Bl. 125 d.A.) teilte der Verfahrensbevollmächtigte des Schuldners mit, der Schuldner habe sich in 67100 Strasbourg einen neuen Lebensmittelpunkt aufgebaut.

4

Durch Beschluss vom 16. Juni 2005 (Bl. 145 d.A.) ordnete das Insolvenzgericht die vorläufige Verwaltung des Vermögens des Schuldners an und bestellte den Rechtsanwalt pp. zum Insolvenzverwalter mit der Maßgabe, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind.

5

Der vorläufige Insolvenzverwalter erstattete am 23. Juni 2005 (Bl. 163 ff. d.A.) sein Gutachten und beantragte die Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

6

Durch Beschluss vom 23. Juni 2005 (Bl. 195 d.A.) eröffnete das Insolvenzgericht des Amtsgerichts Hannover das Insolvenzverfahren unter Bejahung seiner Zuständigkeit.

7

Mit Schriftsatz vom 27. Juni 2005 (Bl. 229 d.A.) ließ der Schuldner die Ansicht vertreten, das Amtsgericht - Insolvenzgericht - Hannover sei nicht zuständig, weil der Schuldner am 1. Mai 2005 gemeinsam mit seiner Ehefrau eine Wohnung angemietet habe. Die etwas spätere Abmeldung in Hannover sei lediglich durch den mit dem Umzug verbundenen Zeit- und Organisationsaufwand verzögert worden. Die Tatsache, dass die Familie zunächst in Hannover verblieben sei, habe lediglich organisatorische Gründe, der Umzug der Familie sei für die nächste Zeit beabsichtigt.

8

Das Insolvenzgericht hat der Beschwerde des Schuldners durch Verfügung vom 29. Juni 2005 (Bl. 237 d.A.) nicht abgeholfen.

9

Mit Schriftsatz vom 11. Juli 2005 hat der Schuldner Beschwerde gegen den Beschluss vom 23. Juni 2005 einlegen lassen und seinen Vortrag aus dem Schriftsatz vom 27. Juni 2005 wiederholen lassen.

10

II.

Die sofortige Beschwerde des Schuldners hat keinen Erfolg.

11

Mit zutreffender Begründung hat das Insolvenzgericht seine Zuständigkeit bejaht.

12

Die Zuständigkeit des Amtsgerichts Hannover ergibt sich aus Art 3 EuInsVO in Verbindung mit § 3 InsO.

13

Nach § 3 EuInsVO sind für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Gerichte jenes Mitgliedsstaates zuständig, in dessen Gebiet der Schuldner im Zeitpunkt der Entscheidung über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat, wobei als Mittelpunkt dieser hauptsächlichen Interessen der Ort gilt, an dem der Schuldner gewöhnlich der Verwaltung seiner Interessen nachgeht und damit für Dritte feststellbar ist. Bei einer natürlichen Person sind Anknüpfungspunkt der allgemeine Wohnsitz und der Ort, an dem eine selbständige oder unselbständige Tätigkeit ausgeübt wird.

14

Hier hatte der Schuldner im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens seinen Wohnsitz in Strasbourg, gleichwohl hat das Amtsgericht Hannover zutreffend seine Zuständigkeit bejaht.

15

Mit zutreffender Begründung hat das Insolvenzgericht ausgeführt, der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners sei nach wie vor in Hannover.

16

Zutreffend hat das Insolvenzgericht dies damit begründet, dass der Schuldner weiterhin für das in Hannover ansässige Medienunternehmen seiner Ehefrau tätig sei. Zudem ergibt sich aus dem Gutachten des Insolvenzverwalters, dass der Schuldner erheblichen Grundbesitz in Hannover hat und in erheblichem Umfang an Grundstücksgemeinschaften in der Bundesrepublik beteiligt ist. Nach seinen eigenen Angaben wohnen die Ehefrau des Schuldners sowie seine drei Kinder weiterhin in Hannover, ein Umzug ist erst in der nächsten Zeit beabsichtigt. Der Schuldner hat seinen Wohnsitz in Deutschland erst seit dem 13. Mai 2005 aufgegeben, der Auszug aus dem Haus erfolgte ebenfalls am 13. Mai 2005, wie sich aus der Meldebestätigung vom 13. Mai 2005 ergibt.

17

Das Insolvenzgericht hat seine Entscheidung zudem zutreffend damit begründet, die Wohnsitzverlegung sei angesichts des dem Schuldner bereits bekannten Insolvenzantrages rechtsmissbräuchlich und damit nicht geeignet, die einmal begründete internationale Zuständigkeit deutscher Gerichts wieder aufzuheben. Die Verlegung des Wohnsitzes erfolgte in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit dem Insolvenzverfahren. Der Insolvenzverwalter hat in seinem Gutachten festgestellt, dass der Schuldner über Lebensversicherungen mit einem Rückkaufswert von mehr als 1 000 000,00 EUR verfügt. Einen Teil der Ansprüche aus diesen Lebensversicherungen in Höhe von 484 000,00 EUR hat der Schuldner im Rahmen eines Ehevertrages an seine Ehefrau abgetreten. Diese Abtretung erfolgte zu einem Zeitpunkt als die existenzbedrohende Krise der Grütterschen Unternehmen bereits erkennbar war. Die Ehefrau des Schuldners hat diese Versicherungsverträge nunmehr gekündigt, eine Auszahlung sollte am 30. Juni 2005 bzw. 1. Juli 2005 erfolgen.

18

Es spricht alles dafür, dass die Wohnsitzverlegung in das Ausland dazu dienen sollte, eine zeitnahe Eröffnung des Insolvenzverfahrens und damit einen Zugriff insbesondere auf diese Lebensversicherungen zu verhindern. Auch das Verhalten des Verfahrensbevollmächtigten des Schuldners spricht für diese Annahme. Dieser hat zunächst Fristverlängerung beantragt und um Akteneinsicht in seine Kanzlei in pp. gebeten, später in die Kanzlei pp. in pp. obwohl der Verfahrensbevollmächtigte des Schuldners über eine Niederlassung in Hannover verfügt.

19

Die Kostenentscheidung folgt aus § 4 InsO i.V.m. § 97 ZPO.

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Beschwerdeverfahrens ergibt sich aus § 58 GKG, § 3 ZPO