Landgericht Hannover
Urt. v. 29.06.2005, Az.: 22 O 21/05
1.563 Euro; 2.500 Euro; 391 Euro; Anlockwirkung; Beteiligungsbetrag; Casino; einmaliger Einsatz; Gewinnbeteiligung; Großer Gewinn; Internet; Internet-Casino; irreführende Werbung; Irreführungsgefahr; Kapitalanlagegeschäft; Kapitalanlagemodell; Kleiner Einsatz; Lizenzerlös; monatlicher Ertrag; monatlicher Gewinn; neues Geschäftsmodell; Sittenwidrigkeit; staatlich konzessionierte Casinokette; Unlauterkeit; Unternehmensbeteiligung; Werbeaussage; Werbebehauptung; Wettbewerbsverstoß; übertriebene Gewinnerwartung; übertriebene Renditeerwartung; übertriebenes Anlocken
Bibliographie
- Gericht
- LG Hannover
- Datum
- 29.06.2005
- Aktenzeichen
- 22 O 21/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 50932
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 3 UWG
- § 5 UWG
Tenor:
I. Dem Beklagten wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft,
oder
einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten,
untersagt,
im geschäftlichen Verkehr für eine Beteiligung am Lizenzerlös einer staatlich konzessionierten Casinokette (Internet-Casinos) zu werben:
1. „Kleiner Einsatz = Großer Gewinn
Ein neuartiges Geschäftsmodell begeistert Anleger“,
2. „... würden Sie es für möglich halten, für eine einmalige Zahlung in Höhe von 2.500,00 Euro bereits nach einem Jahr AUF DAUER die Aussicht auf eine monatliche Ausschüttung von 391,- Euro zu erhalten, die sich in den folgenden 3 Jahren sogar noch mehrmals verdoppelt bis auf eine monatliche Auszahlung von sage und schreibe 1.563,- Euro? Monatlich wie gesagt!“,
3. „Möglich wird das Ganze durch eine direkte Beteiligung am Lizenzerlös einer staatlich konzessionierten Casinokette (80 Casinos), die dem Anleger einen garantierten und festen Anteil vom Lizenzerlös zusichert. Für einmalige 2.500,- Euro Beteiligungssumme sind auf Dauer monatliche Auszahlungen zwischen 391,- Euro und 1.563,- Euro möglich. Jeweils 10 Tage nach Ende eines Kalendermonats bekommt jeder Anteilseigner seinen Anteil am Lizenzerlös ausgezahlt. Pünktlich und zuverlässig, Monat für Monat ... Eine neue Form von 'Zusatzrente'?“,
4. „Ein äußerst gewinnträchtiger Entschluss wie sich im nachhinein herausstellen sollte.
Unsere Umsatzentwicklung übertrifft nämlich selbst die kühnsten Erwartungen der Analysten:
Die Spieleinsätze in unseren staatlich konzessionierten Casinos schossen im Oktober weit über die 50 Millionen Dollar-Marke!
Für unsere Anleger bedeutet dies monatlich weiter rasch ansteigende Gewinn-Auszahlungen! Mitmachen lohnt sich also! Nur für kurze Zeit gibt es noch die Gelegenheit zum Einstieg. Gehen Sie zusammen mit uns auf rasante Wachstumsfahrt. Kleiner Einsatz = Großer Gewinn!“,
„Obwohl Sie als Anleger mit dem eigentlichen Betriebsablauf der achtzig Casinos nichts zu tun haben, können Sie trotzdem über einen mit Passwort geschützten Zugang die gesamten Einzahlungen und vieles mehr persönlich einsehen. Täglich haben wir bereits mehrere Tausend Einzahlungen, mit steigender Tendenz. Das heißt, selbst im Urlaub vom Liegestuhl aus, können Sie Ihre täglichen, wöchentlichen und monatlichen Gewinne kontrollieren. Mit jedem zum Preis von 2.500,- Euro erworbenen Gewinnanteil sind somit hohe monatliche Auszahlungen verbunden:
- Im 1. Geschäftsjahr bis zu 391,- Euro monatliche Auszahlung pro Gewinnanteil
- Im 2. Geschäftsjahr bis zu 781,- Euro monatliche Auszahlung pro Gewinnanteil
- Im 3. Geschäftsjahr bis zu 1.172,- Euro monatliche Auszahlung pro Gewinnanteil
- Im 4. Geschäftsjahr bis zu 1.563,- Euro monatliche Auszahlung pro Gewinnanteil.
Danach entscheidet die Marktentwicklung über weitere Steigerungsmöglichkeiten ...
II. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Wert des Streitgegenstandes beträgt 75.000,00 €.
Tatbestand:
Mit der vorliegenden Hauptsacheklage zu dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung pp pp nimmt der Kläger den Beklagten auf Unterlassung in Anspruch.
Der Kläger ist ein gerichtsbekannter, eingetragener Verein, zu dessen satzungsgemäßen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder, insbesondere die Achtung darauf gehört, dass die Regeln des lauteren Wettbewerbs eingehalten werden. Der Kläger ist gem. § 1 Nr. 4 der Unterlassungsklageverordnung vom 3. Juli 2002 als branchenübergreifend und überregional tätiger Wettbewerbsverband im Sinne von § 13 Abs. 5 Nr. 2 UKlaG festgestellt.
Der Beklagte versendet unter der Bezeichnung „pp.“ Werbeunterlagen, in denen unter der Überschrift
„Kleiner Einsatz = Großer Gewinn
Ein neuartiges Geschäftsmodell begeistert Anleger“
für eine Beteiligung an Internet-Casinos geworben wird, die außerordentlich hohe Erträge erbringen soll. Laut Mitteilung der Zeitschrift „pp Heft 1/2005, Seite 21, wird eine entsprechende Werbung vom Beklagten auch in großformatigen Inseraten in Tageszeiten betrieben.
Gem. Rundschreiben des Beklagten vom 5. Januar 2005 stehen die Erträge angeblich fest und beziffern sich zwischen 391,00 € und 1.563,00 € pro Monat bei einem einmaligen Einsatz von 2.500,00 €. Angeblich erzielen diese Erträge bereits andere Anleger, indem es heißt:
„Die ersten Anleger hatten den absolut richtigen Riecher, als sie vor wenigen Monaten den Entschluss fassten, sich an unserem neuartigen Geschäftsmodell zu beteiligen.“
Der unter dem Namen „pp.“ herausgegebene Beteiligungsprospekt und das Rundschreiben des Beklagten vom 5. Januar 2005, worin dieser sich als Direktor von pp. bezeichnet, enthalten die vom Kläger beanstandeten Aussagen, die der Kammervorsitzende bereits mit der einstweiligen Verfügung vom 3. Februar 2005 untersagt hat (pp).
Nachdem der Beklagte dem Kläger eine Frist zur Klagerhebung hat setzen lassen, begehrt der Kläger nunmehr auch in der Hauptsache einen Unterlassungstitel. Er hält die Werbung des Beklagten für wettbewerbswidrig
und beantragt,
wie erkannt.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er meint, der Kläger habe die sogenannte Passivlegitimation nicht dargetan. Als Direktor des pp. sei er nicht automatisch als Handelnder im Sinne des § 3 Abs. 5 UWG für die in der Klageschrift aufgeführten Unterlagen anzusehen. Das Marketing habe eine Gesellschaft übernommen, die nicht mit der pp. identisch sei. Im übrigen, so meint der Kläger, seien die Voraussetzungen des § 3 Abs. 5 UWG nicht gegeben. Es handele sich teilweise um Aussagen ohne Tatsachenkern, die zu einer Irreführung nicht geeignet seien. Teilweise seien Fragen an den Leser gestellt, Zusicherungen würden nicht gegeben. Es werde nur auf mögliche Auszahlungen zu den aufgeführten Beträgen hingewiesen. Aus der Casino-Statistik der pp. für die Monate Oktober 2004 bis Januar 2005, so behauptet der Beklagte, ergäben sich Nettospielerlöse zwischen 1 - 2 Mio. US-Dollar pro Monat.
Wegen des Vorbringens der Parteien im einzelnen wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Akten pp lagen im Verhandlungstermin vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Gem. §§ 3, 5, 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), §§ 2, 3, 5 Unterlassungsklagengesetz ist es dem Beklagten zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr für eine Beteiligung am Lizenzerlös von Internet-Casinos mit den im Urteilstenor im einzelnen aufgeführten Formulierungen zu werben.
Mit Recht nimmt der Kläger den Beklagten persönlich auf Unterlassung in Anspruch. Dieser handelt - wie sich aus dem Rundschreiben vom 5. Januar 2005 ergibt - als Direktor des Unternehmens „pp.“, welches auch für den beanstandeten Werbeprospekt als verantwortlich zeichnet. Darauf, wer das Marketing übernommen hat, kommt es nicht an, abgesehen davon, dass der Beklagte nicht dargelegt hat, wer diese Aufgabe übernommen haben soll.
Die beanstandeten Aussagen sind wettbewerbswidrig. Die Kammer schließt sich in vollem Umfang der Bewertung und auch der Argumentation des Klägers in der Klageschrift vom 3. März 2005 an. Danach gilt im einzelnen Folgendes, wobei sich die anschließende Nummerierung nach den arabischen Zahlen im Tenor richtet.
1. Das Leitmotiv des Angebotes suggeriert, dass nur wenig Geld eingesetzt werden müsse, um hohe Gewinne zu erzielen. Dafür gibt es keinerlei Beleg. Es spricht nichts dafür, dass die Versprechungen eingehalten werden und auch der Prozessbevollmächtigte des Beklagten vermochte in der mündlichen Verhandlung keine konkreten Beispiele zu nennen. Die Tatsache, dass die Internet-Casinos als solche große Gewinne erzielen, besagt nichts über tatsächliche Erträge aus einer etwaigen stillen Beteiligung. Es handelt sich auch nicht um ein neuartiges Geschäftsmodell und für eine Begeisterung der Anleger hat der Beklagte ebenfalls nichts vorgetragen. Die Aussage ist damit zur Täuschung im Sinne von § 5 UWG geeignet.
2. Diese Aussage kann von einem Leser dahingehend verstanden werden, dass der entsprechende Ertrag nicht nur für möglich gehalten, sondern durch die gewählte Formulierung auch erwartet wird. Hier werden Zahlen in den Raum gestellt, die sich vor allem dadurch auszeichnen, dass sie im Verhältnis zum eingesetzten Kapital außerordentlich hohe Erträge versprechen. Selbst die geringste Summe, die hier erzielt werden soll, ergäbe pro Jahr einen Gewinn von 4.692,00 €, also fast doppelt so viel wie das Kapital, welches eingesetzt wird. Angeblich sollen sich diese Erträge auf 1.563,00 € pro Monat steigern, was einem jährlichen Ertrag von 18.756 € entspräche, also mehr als das Siebenfache des eingesetzten Kapitals wäre.
Derartige Gewinne sind unrealistisch. Es gibt auch nicht die geringsten Anhaltspunkte dafür, dass sie auch nur von einem einzigen Anleger erzielt worden sind. Die beanstandete Aussage ist irreführend und zur Täuschung zumindest geeignet.
3. Mit dieser Aussage wird das Versprechen zu 2. in anderer Formulierung wiederholt und vertieft. Durch den Hinweis darauf, dass angeblich die Auszahlung jeweils 10 Tage nach Ende eines Kalendermonats erfolgt, wird eine besondere Sicherheit und Stetigkeit des Ertrages vorgespiegelt. Das wird noch dadurch verstärkt, dass die Zahlung angeblich Monat für Monat erfolgen soll. Die Stetigkeit der Zahlung wird obendrein durch den Satz „Eine neue Form von Zusatzrente?“ suggeriert. Dass sich hinter dem Wort „Zusatzrente“ ein Fragezeichen befindet, nimmt der Leser angesichts der übrigen reißerischen Formulierungen kaum wahr. Auch das Wort „möglich“, welches das Gewinnversprechen anscheinend relativieren soll, fällt angesichts der ansonsten aber als sicher dargestellten Erträge nicht ins Gewicht. Es soll sich offenbar auch nur auf die Höhe des Gewinns beziehen, der aber in jedem Falle als außerordentlich hoch versprochen wird.
4. Aus der genannten Zahl von 50 Mio. Dollar kann in der Tat nicht abgeleitet werden, dass rasch ansteigende Gewinnauszahlungen erfolgen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Aussage „mitmachen lohnt sich also!“ eine tatsächliche Grundlage hat. Der Hinweis darauf, dass es nur für kurze Zeit noch die Gelegenheit zum Einstieg gebe, ist eine geradezu typische Maßnahme, den Interessenten von einer kritischen Überprüfung der Anlageform abzuhalten.
5. Hier wird das übertriebene Anlocken möglicher Interessenten fortgesetzt und der Eindruck erweckt, als vermehre sich das Geld wie von selbst, wobei die Marktentwicklung allenfalls noch zu weiteren Steigerungsmöglichkeiten beitragen soll. Derartige Versprechungen sind in hohem Maße unseriös und es kann nur noch einmal wiederholt werden, dass der Beklagte nach wie vor nicht dargelegt hat, dass seine Angaben zutreffend seien. Dies darzulegen, wäre jedenfalls in dem hier vorliegenden Hauptsacheverfahren seine Aufgabe gewesen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist gem. § 709 ZPO getroffen worden.