Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 22.05.2003, Az.: 14 U 221/02

Umfang eines Schmerzensgeldanspruchs; Geltendmachung einer Schmerzensgeldrente; Kriterien für die Berechnung einer angemessenen Schmerzensgeldrente

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
22.05.2003
Aktenzeichen
14 U 221/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 33692
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2003:0522.14U221.02.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 15.08.2002 - AZ: 19 O 104/95

In dem Rechtsstreit ...
hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 25. März 2003
unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht ...,
des Richters am Oberlandesgericht ... und
des Richters am Landgericht ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 15. August 2002 verkündete Schlussurteil der 19. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagten zu 1 und 3 die unter 1. des Tenors des angefochtenen Urteils ausgeurteilte monatliche Schmerzensgeldrente in Höhe von 400 DM (= 204,52 EUR) seit dem 1. August 1997 an den Kläger zu zahlen haben.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung wegen der Kosten des Berufungsverfahrens durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Wert der Beschwer des Klägers übersteigt 20.000 EUR.

Streitwert des Berufungsverfahrens: 88.964,79 EUR (= 174.000 DM).

Gründe

1

I.

Aufgrund des in dieser Sache ergangenen Grund- und Teilurteils der 19. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 9. März 2000 (Bl. 337 ff.) steht fest, dass die Beklagten verpflichtet sind, dem Kläger den Schaden zu ersetzen, den dieser am 24. Juli 1992 bei einem Verkehrsunfall in Polen erlitten hat; außerdem hat das Landgericht dem Kläger in jenem Urteil, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, wegen der bei diesem Unfall erlittenen erheblichen Verletzungen bereits ein Teilschmerzensgeld in Höhe von 100.000 DM zugesprochen.

2

Neben einem materiellen Schadensersatzanspruch und der beantragten Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten für alle weiteren materiellen und immateriellen Zukunftsschäden, die beide nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens sind, hat der Kläger einen weiteren Schmerzensgeldkapitalbetrag in Höhe von 150.000 DM sowie eine monatliche Schmerzensgeldrente in Höhe von 400 DM ab August 1997 und in Höhe von 800 DM ab September 2001 geltend gemacht. Nach Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zu Art und Umfang der verbliebenen unfallbedingten Beeinträchtigungen des Klägers hat das Landgericht - soweit für das Berufungsverfahren von Bedeutung - dem Kläger eine von den Beklagten zu 1 und 3 als Gesamtschuldner zu zahlende monatliche Schmerzensgeldrente in Höhe von 400 DM (ab August 1997) zuerkannt, die Klage wegen der weitergehenden Schmerzensgeldansprüche jedoch abgewiesen.

3

Gegen dieses Urteil, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe zur näheren Sachdarstellung ebenfalls verwiesen wird, wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er die vom Landgericht für nicht gerechtfertigt erachteten Schmerzensgeldansprüche gegenüber den Beklagten zu 1 und 3 weiterverfolgt.

4

Der Kläger beantragt,

  1. 1.

    die Beklagten zu 1 und 3 als Gesamtschuldner zu verurteilen, an

    ihn eine monatliche Schmerzensgeldrente in Höhe von 204,52 EUR (= 400 DM) ab August 1997 und in Höhe von 409,03 EUR (= 800 DM) ab September 2001 zu zahlen und

  2. 2.

    die Beklagten zu 1 und 3 als Gesamtschuldner zu verurteilen,

    ihm ein weiteres Schmerzensgeld in Höhe von 76.693,78 EUR

    (= 150.000 DM) nebst 4 % Zinsen seit dem 14. Dezember 1993

    zu zahlen.

5

Die Beklagten zu 1 und 3 beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

6

Sie verteidigen das angefochtene Urteil.

7

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

8

II.

Die Berufung des Klägers ist unbegründet. Ihm stehen gegenüber den Beklagten zu 1 und 3 keine weitergehenden Schmerzensgeldansprüche zu, als das Landgericht sie ihm in dem Grund- und Teilurteil vom 9. März 2000 sowie in dem angefochtenen Urteil zuerkannt hat. Allerdings war der Tenor zu 1. des angefochtenen Urteils gemäß § 319 ZPO dahin zu ergänzen, dass die von den Beklagten zu 1 und 3 an den Kläger zu zahlende monatliche Schmerzensgeldrente in Höhe von 400 DM ab dem 1. August 1997 geschuldet wird. Aus den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils ergibt sich, dass das Landgericht dem Kläger die monatliche Rente ab dem genannten Datum zusprechen wollte, den Zeitpunkt des Rentenbeginns jedoch versehentlich nicht in den Tenor aufgenommen hat.

9

Gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat der Senat die vom Landgericht festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Danach kann nicht festgestellt werden, dass das Urteil des Landgerichts im Ergebnis fehlerhaft ist.

10

Nimmt man eine Kapitalisierungsberechnung der vom Landgericht zugesprochenen monatlichen Schmerzensgeldrente in Höhe von 400 DM (der Einfachheit halber soll hier durchweg mit DM-Beträgen gerechnet werden) ab August 1997 vor, so ergibt sich ein Kapitalbetrag von ca. 80.000 DM. Bei einer 5 %igen Verzinsung und einem Ausgangsalter des Klägers zum Zeitpunkt des Beginns der Rentenzahlung von 35 Jahren ist von einem Kapitalisierungsfaktor von 16,842 auszugehen (vgl. Anhang I zum Barwert einer vorschüssig zahlbaren Monatsrente bei Geigel/Schlegelmilch, Der Haftpflichtprozess, 23. Aufl.). Multipliziert man die dem Kläger vom Landgericht zugesprochene Jahresrente in Höhe von 4.800 DM (= 400 DM/Monat x 12 Monate) mit diesem Kapitalisierungsfaktor, so errechnet sich ein Betrag von 80.841,60 DM. Addiert man zu diesem Betrag das Teilschmerzensgeld in Höhe von 100.000 DM, das das Landgericht dem Kläger in seinem Grund- und Teilurteil vom 9. März 2000 zuerkannt hat, so errechnet sich eine Summe aus Schmerzensgeld und kapitalisierter Schmerzensgeldrente in Höhe von ca. 180.000 DM.

11

Diese Summe muss sich im Rahmen dessen halten, was für vergleichbare Fälle zugebilligt wird (vgl. nur Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Aufl., § 253 Rn. 23 m. w. N.). Dies ist hier mit den vom Landgericht ausgeurteilten Beträgen im Gegensatz zur Auffassung des Klägers der Fall. Die Vorstellungen zur Höhe des Schmerzensgeldes, die der Kläger mit seiner Berufung weiterverfolgt, überschreiten den Rahmen des Angemessenen erheblich. Dabei sei durchaus betont, dass die ganz erheblichen Verletzungen, die der seinerzeit erst 30-jährige Kläger bei dem Verkehrsunfall vom 24. Juli 1992 erlitten hat und unter denen er weiter dauerhaft leidet, - insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Darstellung der Unfallfolgen auf S. 6 unten bis S. 8 oben der Leseabschrift des angefochtenen Urteils Bezug genommen - in keiner Weise bagatellisiert werden sollen. Der Senat ist jedoch an die Vergleichsrechtsprechung gebunden und verweist insoweit beispielsweise auf die Nachweise unter den laufenden Nummern 2515 bis 2525 sowie 2632 bei Hacks/Ring/Böhm, Schmerzensgeldbeträge, 20. Aufl. Auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Senats, dass Schmerzensgeldbeträge durchaus großzügig bemessen werden sollen, ist er der Auffassung, dass die vom Landgericht ausgeurteilten Schmerzensgeldbeträge durchaus schon im oberen Bereich des angemessenen Rahmens liegen. Dabei darf auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Kläger trotz seiner erheblichen Verletzungen nicht auf die Hilfe Dritter angewiesen ist und - jedenfalls bisher - über einen Arbeitsplatz verfügt.

12

Da die vom Landgericht vorgenommene Bemessung des Schmerzensgeldes nach alledem unter keinem tatsächlichen oder rechtlichen Gesichtspunkt zu beanstanden ist, war die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers - nach Maßgabe der eingangs unter II. erwähnten Korrektur - zurückzuweisen.

13

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 Abs. 1 ZPO . Den Wert der Beschwer hat der Senat im Hinblick auf § 26 Nr. 8 EGZPO festgesetzt. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 543 ZPO liegen nicht vor.

14

Der Streitwert des Berufungsverfahrens war auf 88.964,79 EUR (= 174.000 DM) festzusetzen (Berufungsantrag zu 1: Differenz zwischen 800 DM/Monat und 400 DM/Monat = 400 DM/Monat x 12 Monate x 5 = 24.000 DM, § 17 Abs. 2 GKG; Berufungsantrag zu 2: 150.000 DM).