Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 24.10.2008, Az.: VgK-35/2008

Zulässigkeit der Anrufung der Vergabekammer ab Aufhebung der Ausschreibung für einen öffentlichen Auftrag durch den öffentlichen Auftraggeber; Fortbestehender Vergabewillen des Auftraggebers als Voraussetzung eines Rückgängigmachens der Aufhebung einer Ausschreibung; Pflicht zur Nachprüfung des Entsprechens des Angebots den Anforderungen der Leistungsbeschreibung als Voraussetzung eines Angebotsausschlusses wegen Abweichungen von den Vorgaben; Originäre Pflicht des Bieters zur Abgabe eines eindeutigen und unmissverständlichen und damit einer ordnungsgemäßen Wertung zugänglichen Angebots; Aufklärungspflicht des Auftraggebers bei Vorliegen einer auf einer unklaren Leistungsbeschreibung beruhenden Unklarheit im Angebot

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
24.10.2008
Aktenzeichen
VgK-35/2008
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2008, 30123
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgegenstand

Vergabeverfahren Anmietung von dezentralen Fotokopiergeräten und zentralen Drucksystemen, diverse Fachbereiche und Schulen der ...

In dem Nachprüfungsverfahren
...
hat die Vergabekammer
durch
den Vorsitzenden MR Gause,
die hauptamtliche Beisitzerin BOAR'in Schulte, und
den ehrenamtlichen Beisitzer, Herrn RA Hintz,
ohne mündliche Verhandlung
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Die Auftraggeberin wird verpflichtet, erneut in das Vergabeverfahren und die Angebotswertung einzutreten, diese unter Beachtung der aus den Gründen ersichtlichen Rechtsauffassung der Vergabekammer durchzuführen und das Angebot der Antragstellerin zu prüfen.

  2. 2.

    Die Kosten des Verfahrens hat die Auftraggeberin zu tragen. Die Auftraggeberin ist jedoch von der Entrichtung der Kosten befreit.

  3. 3.

    Die Kosten werden auf ... EUR festgesetzt.

  4. 4.

    Die Auftraggeberin hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war für die Antragstellerin notwendig.

Begründung

1

I.

Die Auftraggeberin hat mit Datum vom ... die Anmietung von dezentralen Fotokopiergeräten und zentralen Drucksystemen für diverse Fachbereiche und ihre Schulen europaweit im offenen Verfahren ausgeschrieben. In der Bekanntmachung wies sie darauf hin, dass eine Unterteilung der zu erbringenden Leistungen in Lose vorgesehen ist; Varianten/Alternativangebote waren nicht zulässig. Es wurden Nachweise zur Beurteilung der rechtlichen, wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit gefordert. Zuschlagskriterium sollte nur der niedrigste Preis sein.

2

Die Bieter wurden bei den technischen Mindestanforderungen und Eigenschaften des hier streitigen Loses 1 - Fotokopiergeräte/Multifunktionsgeräte - darauf hingewiesen, dass die Nichterfüllung von nur einer Mindestanforderung zum Ausschluss des Angebotes führt.

3

Der Leistungsbeschreibung ist auf Seite 1 Folgendes zu entnehmen:

"Die anzumietenden Fotokopiergeräte sollen als Stand-alone Geräte (ausschließlich als Kopierer) oder im Datennetz der Auftraggeberin betrieben werden. Bei den vernetzten Gerätenmüssen die Funktionen "Drucken über das Netz", "Scannen über das Netz" sowie Fax Senden und Empfangen" unabhängig von einander hinzugefügt bzw. entfernt oder aktiviert bzw. deaktiviert werden können." (Hervorhebung durch die Vergabekammer)

4

Ferner ist auf Seite 3 der Leistungsbeschreibung unter Faxfunktionalität ausgeführt:

" Falls in den Geräteneine Faxschnittstelle existiert, muss diese über Servicefunktionen deaktivierbar sein. Empfangene Faxe sollen nicht automatisch am Gerät ausgedruckt werden, sondern als Datei per Mail an eine vorgegebene Adresse weiter geleitet werden." (Hervorhebung durch die Vergabekammer)

5

Da zu den nicht vernetzten Fotokopiergeräten keine weiteren Anforderungen gestellt wurden, hatten während der Frist zur Abgabe eines Angebotes mehrere Bewerber, unter ihnen auch die Antragstellerin, Anfragen auch zu diesem Punkt gestellt. So lautete eine Bieter-Frage ( Frage 4 ):

"In der "Geräteliste/Stellplatzliste" wird beikeinem Stellplatz eine Faxfunktionalität gefordert, Sie fragen aber (unter Punkt 5), ob die Faxweiterleitung an eine Mailadresse möglich ist...!? - Welche Geräte sollen denn eine Faxfunktionalität haben, bzw. soll die Faxkarte grundsätzlich optional für ALLE Systeme angeboten werden?

Antwort 4:

Es ist möglich, dass während der Vertragslaufzeit bereits vorhandene Geräte mit der Option ausgestattet werden, bzw. dass zusätzliche Geräte mit dieser Funktion angemietet werden. Die Faxkarte muss daher nicht für alle in der Ausschreibung aufgeführten Geräte angeboten werden.Die Nachrüstung einer Faxkarte muss allerdings bei allen geforderten Gerätetypen möglich sein " (Hervorhebung durch die Vergabekammer).

6

In weiteren Bieterfragen ging es u.a. um technischen Mindestanforderungen und Eigenschaften der Geräte. Vorbemerkung zu den Fragen 22 bis 26:

"In der Geräteliste sind die Geräte zu 90% als dezentrale Fotokopiergeräte im Einsatz und sind Standardgeräte mit 12 bis 20 Seiten/Minute. Bei der Aufstellung der technischen Mindestanforderungen und Eigenschaften sind nun aber nachfolgende Mindestanforderungen aufgestellt:

Frage 24:

Muss die Faxweiterleitung per E-Mail für alle Geräte erfüllt sein oder ist ein Gerätetausch mit Aufpreis während der Vertragslaufzeit möglich? Wenn ja, bei welchen Geräten ist dies der Fall und wie kann dies im Leistungsverzeichnis ausgewiesen werden?

Antwort 24:

Soweit Faxfunktionalität angeboten und eingesetzt wird, muss die Weiterleitung per E-Mail ohne Nachrüstung möglich sein.

Frage 25:

Kann man die Anzahl der Geräte, die bei Nutzung der Druck-, Fax- und Scannfunktion individuell zu vergebenen ID-Codes benötigen, eingrenzen oder müssen alle Geräte diese Anforderung sicherstellen?

Antwort 25:

Die LHH nutzt praktisch im gesamten Verwaltungsbereich Drucker für die Ausgabe von Dokumenten mit zu schützendem Inhalt.Die Sicherheitsfunktion für den vertraulichen Druck muss deshalb in allen Multifunktionsgeräten vorhanden sein.

Frage 26:

Ist es alternativ möglich, diese Mindestanforderungen auf ein Bewertungskriterium zurückzustufen?

Antwort 26:

Nein."

7

Bei der Verdingungsverhandlung am 11.08.2008 wurde festgestellt, dass drei Bieter ein Angebot eingereicht hatten. Ein weiterer Bieter hatte alternativ die Lose 1 und 2 als Gesamtangebot eingereicht.

8

Mit Datum vom 18.08.2008 hielt die Auftraggeberin in einem Vermerk fest, dass das Verfahren aufgehoben werden soll, da keines der Angebote den Ausschreibungsbedingungen entspreche. Es wurde festgehalten, dass man im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens neue Angebote einholen wolle.

9

In einem Nachtrag vom 10.09.2008 zum Vergabevermerk vom 18.08.2008 wurde als Ausschlussgrund für das Angebot der Antragstellerin genannt, dass die Mindestbedingung unter 5. Faxfunktionalität: "Eingehende Faxe werden direkt per Mail an eine vorgegebene Adresse weitergeleitet" erst bei den Geräten mit einer Geschwindigkeit von 25 Seiten möglich ist.

10

Diese Feststellung entnahm die Auftraggeberin folgender Angabe der Antragstellerin in ihrem Angebot:

"5. Faxfunktionalität (als Option)

Eingehende Faxe werden direkt per Mail an ja/nein ja - ab Modell ...

eine vorgegebene Adresse weitergeleitet"

11

(Anmerkung der Vergabekammer . Die Zusätze "als Option" und "ja - ab Modell ..." wurden von der Antragstellerin eingetragen)

12

Mit Schreiben vom 22.08.2008, Eingang bei der Antragstellerin am 04.09.2008 informierte die Auftraggeberin die Bieter, dass sie das offene Verfahren aufhebe, da kein Angebot den Ausschreibungsbedingungen entspricht. Der Rechtsanwalt der Antragstellerin, jetzt Bevollmächtigter im anhängigen Nachprüfungsverfahren, rügte mit Schreiben vom 08.09.2008 die Aufhebung. Daraufhin teilte die Auftraggeberin mit Schreiben vom 10.09.2008 der Antragstellerin mit, dass ihr Angebot ausgeschlossen wurde, da sie in ihrem Angebot darauf hingewiesen habe, dass die automatische Weiterleitung erst bei den Geräten ab 25 Seiten pro Minute möglich ist. Die Auftraggeberin weist darauf hin, dass damit 56% der von der Antragstellerin angebotenen Geräte diese technische Mindestanforderung nicht erfüllen.

13

In einem weiteren Schreiben an die Auftraggeberin vom 15.09.2008 vertrat die Antragstellerin die Auffassung, dass der vermeintliche Ausschlussgrund nicht als zwingende Mindestanforderung für alle Geräte formuliert war, sondern lediglich als Option im Falle der Existenz einer Faxschnittstelle. Zu diesen Ausführungen verwies die Auftraggeberin mit Schreiben vom 19.09.2008 auf ihre Antwort zur Frage 4 des ersten Bieterrundschreibens und führte aus, dass aus ihrer Antwort klar erkennbar sei, dass die geforderte Funktionalität für alle Gerätetypen gegeben sein muss und nicht erst für Geräte ab 25 Seiten.

14

Mit Schriftsatz vom 22.09.2008, eingegangen bei der Vergabekammer am selben Tage, beantragte die Antragstellerin die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Sie begründet ihren Nachprüfungsantrag unter Zugrundelegung ihrer beiden Rügeschreiben und führt ferner aus, dass ihr Angebot auch im Punkt Faxfunktionalität den Anforderungen genüge. Wie sich aus der Stellplatzliste der Auftraggeberin eindeutig ergebe, sei für die Geräte mit der Geschwindigkeit 12, 15 und 20 Seiten, die sie mit ihren Geräten ... und ... abdecken werde, ausdrücklich keine Netzwerkverbindung vorgesehen. Insoweit war für diese Geräte auch keine Druckfunktion anzubieten. Falls die Auftraggeberin für diese Geräte eine Druckfunktion wünsche, sei als erster Schritt zunächst die Hardwarevoraussetzungen auf Seiten des Datennetzwerkes der Auftraggeberin erforderlich. Anschließend könnten auch ihre Geräte ... und ... für die optionale Druckfunktion mit einer Netzwerkkarte nachgerüstet werden. So sei auch im Angebotsvordruck zu Los 1 die Abfrage:

15

"Erhöhung der monatlichen Mindestabnahme, wenn die Druckfunktion genutzt wird. (Pro Gerät) " hinsichtlich sämtlicher Geräte zu verstehen. Dass weder die Druck- noch die Faxfunktion bei den Geräten ohne Vernetzung erforderlich gewesen waren, ergäbe sich auch aus dem Bieterhinweis der Auftraggeberin vom 10.07.2008 zur Frage 4. Dort seinen die Bieter darauf hingewiesen worden, dass die geforderte Funktionalität für diese Stellplätze nicht bereits zwingend mit der Angebotsabgabe gefordert waren. Es sei lediglich gefordert gewesen, dass die hierzu angebotenen Geräte über die sich aus der Stellplatzliste ergebenden betreffenden Funktionen verfügen bzw. bewerkstelligen müssen, soweit später entsprechend ein Gerät entweder umgestellt oder eine entsprechende Einbindung nachgerüstet werde. Mit den von ihr angebotenen entsprechenden Komponenten, nämlich einer Druckerkarte mit integrierter Netzwerkkarte und einer Faxkarte sei der geforderte Funktionsumfang vollständig gewährleistet. Gleiches gelte für die automatische Weiterleitung von eingehenden Faxen an eine E-Mails-Adresse, wenn die ausdrücklich als Option angebotenen Systemkomponenten (Druckerkarte inkl. Netzwerkkarte und Faxkarte) installiert würden.

16

Die Nachrüstung sei jederzeit zu den optional angebotenen Preisen in Form der Erhöhung der monatlichen Mindestabnahmebenutzung möglich. Dies ergäbe sich auch aus ihrem Schriftsatz vom 17.10.2008, in dem sie unter Beifügung eines entsprechenden Screenshots ausgeführt habe, dass die erforderliche Funktionalität bereits in derSoftware, die bereits bei der Auslieferung beiliege, als Menü enthalten ist. Es handele sich lediglich um ein weiteres Menü, das sich durch den bei Bedarf erfolgenden nachträglichen Einbau entsprechender Karten (Fax-Karte bzw. Drucker-Netzwerkkarte) automatisch aktiviere. Eine neue Software sei nicht erforderlich. Auch die anderen geforderten Funktionalitäten seien von Anfang an auch bei den kleineren Geräten gegeben; sie würden im Falle der Nachrüstung mit Platinen durch entsprechende Steckplätze in den Hauptplatinen erfolgen. Diese Funktionen seien von der Auftraggeberin ausdrücklich optional zum Nachrüsten abgefragt worden.

17

Bei ihren Modellen des Typs ... (oder höher) sei hingegen lt. Stellplatzliste in allen Fällen eine Vernetzung gefordert. Dort sei nur die optionale Nachrüstung eines Faxkits erforderlich, da die Druckerkarte mit Netzwerkkarte dort bereits serienmäßig vorhanden sei.

18

Die Antragstellerin beantragt,

  1. 1.

    die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens gem. § 107 ff GWB,

  2. 2.

    festzustellen, dass die Antragstellerin in ihren Rechten auf § 97 VII GWB verletzt ist,

  3. 3.

    geeignete Maßnahmen zu treffen, um die von der Vergabekammer festgestellten Rechtsverletzungen zu beseitigen,

19

hilfsweise

  1. 4.

    für den Fall der Erledigung des Nachprüfungsverfahrens durch Erteilung des Zuschlags, durch Aufhebung oder in sonstiger Weise, festzustellen, dass eine Rechtsverletzung vorgelegen hat,

  2. 5.

    festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für die Antragstellerin erforderlich gewesen ist,

  3. 6.

    festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für die Antragsgegnerin nicht erforderlich gewesen ist,

  4. 7.

    dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

20

Die Auftraggeberin beantragt,

  1. 1.

    den Antrag zurückzuweisen,

  2. 2.

    der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

21

Die Auftraggeberin tritt den Behauptungen und Rechtsauffassungen der Antragstellerin entgegen.

22

Zunächst weist sie darauf hin, dass nach Ziffer 1 der Leistungsbeschreibung die dezentralen Fotokopiergeräte die Möglichkeit aufweisen müssen, empfangene Faxe nicht automatisch am Gerät auszudrucken, sondern als Datei per Mail an eine vorgegebene Adresse weiterzuleiten. Die Antragstellerin habe in ihrem Angebot dazu ausgeführt, dass jedoch nur ein Teil der von ihr angebotenen Geräte, nämlich ab Modell ... diese Funktion aufweise. Da jedoch nach der Leistungsbeschreibung alle Geräte diese Funktion ohne Einschränkung erfüllen müssen, erspräche das Angebot der Antragstellerin nicht den geforderten Mindestvoraussetzungen.

23

Soweit sich die Antragstellerin darauf berufe, dass nach der Leistungsbeschreibung nicht zwingend für alle Geräte die Faxfunktion und damit auch nicht die Weiterleitung per E-Mail, für die die Faxfunktion Voraussetzung ist, gegeben sein muss, weist die Auftraggeberin darauf hin, dass lt. Leistungsbeschreibung sich die Deaktivierung der Faxfunktion jedoch lediglich auf den Einzelfall bezieht, sofern sie nicht benötigt werde. Zur Begründung verweist sie auf Ihre Antworten vom 10.07.2008 zu den Bieterfragen. Ferner sei unstreitig, dass für die von ihr, der Auftraggeberin, verlangten Möglichkeit der direkten Weiterleitung eingehender Faxe per Mail eine Netzwerkschnittstelle und eine Faxfunktionalität vorhanden sein muss. Insoweit übersehe die Antragstellerin, dass es sich hierbei um eine notwendige, keinesfalls aber hinreichende Voraussetzung handelt. Im Übrigen hätte die Antragstellerin erstmals im Nachprüfungsverfahren mit Schriftsatz vom 13.10.2008 mitgeteilt, dass ihre Geräte diese Funktionalität aufweisen. Ob das tatsächlich der Fall sei, könne sie anhand der Angaben im Schriftsatz nicht überprüfen. In der Anlage "Optionale Preise" seien als preiserhöhende Faktoren die Druck-, Scan- und Faxfunktion genannt worden. Dies bedeute, dass alle diese Funktionen von vornherein nicht vorhanden seien und nur optional durch Softwarefreischaltung oder Hardwarenachrüstung genutzt werden können. Zwar habe die Antragstellerin in ihrem Anschreiben zum Angebot ausgeführt, dass die Faxfunktionalität bei allen angebotenen Systemen als Option lieferbar sei, im nächsten Satz aber darauf hingewiesen, dass eine automatische Weiterleitung der eingehenden Faxe an eine vorher definierte Mailadresse erst bei Geräten ab ... möglich sei, ohne dass das Fax vom System ausgedruckt werde. Damit habe die Antragstellerin eindeutig erklärt, dass das Vorhandensein der einzelnen Optionen für sich genommen, nicht zu der angegebenen Funktionalität führe. Insoweit sei das Angebot eindeutig gewesen und hätte auch keinen Anlass für Nachfragen oder Aufklärung geboten.

24

Selbst wenn das Angebot der Antragstellerin als einziges wertbar wäre, ergäbe sich hieraus unter Hinweis auf die Rechtssprechung des EuGH keine Pflicht zur Fortführung des Verfahrens.

25

Die Beteiligten haben gem. § 112 Abs. 1 Satz 2 GWB einer Entscheidung nach Lage der Akten ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

26

Wegen des übrigen Sachverhaltes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Vergabeakte Bezug genommen.

27

II.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig und begründet. Die Entscheidung der Auftraggeberin, das Angebot der Antragstellerin auszuschließen und das Vergabeverfahren aufzuheben, verletzt die Antragstellerin in ihren Rechten gem. §§ 97 Abs.7, 114 Abs. 1 GWB. Die Auftraggeberin war nicht berechtigt, das Angebot der Antragstellerin wegen Abweichung von den Vorgaben der Verdingungsunterlagen gem. § 25 Nr.1 Satz 1 lit. d VOL/A i.V.m. § 21 Nr.1 Abs. 4 VOL/A von der Angebotswertung auszuschließen, ohne zuvor gem. § 24 Nr.1 VOL/A aufzuklären, ob die von der Antragstellerin hinsichtlich der Fax-Funktion als optional nachrüstbar angebotenen Fotokopiergeräte auch hinsichtlich der gewünschten Weiterleitung als Datei per Mail den Anforderungen der Leistungsbeschreibung in Verbindung mit der Bieterinformation vom 10.07.2008 (Bieterfragen und Antworten zum offenen Verfahren Nr.... der ...) entspricht.

28

1.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei der Auftraggeberin handelt es sich um eine Gebietskörperschaft und damit um einen öffentlichen Auftraggeber i. S. des § 98 Nr.1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs.1 GWB. Danach gilt der vierte Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um die Anmietung von dezentralen Fotokopiergeräten und zentralen Drucksystemen und damit um einen Liefer- und Dienstleistungsauftrag i. S. des § 1 VOL/A, für den gem. § 2 Nr. 3 der Vergabeverordnung (VgV) ein Schwellenwert von 206.000 EUR gilt. Der Wert des hier streitbefangenen Loses 1 - Fotokopiergeräte/Multifunktionsgeräte - überschreitet diesen Schwellenwert deutlich. Ausweislich der in der Vergabeakte enthaltenen "Niederschrift VOL-Vergaben" vom 11.08.2008 weist bereits das in diesem Verfahren eingegangene preislich niedrigste Angebot Kosten in Höhe von ... EUR netto/Monat auf. Bezogen auf die ausgeschriebene vierjährige Vertragslaufzeit (01.11.2008 bis 31.10.2012) wird der Schwellenwert damit deutlich überschritten.

29

Die Antragstellerin ist auch gem. § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, in dem sie vorträgt, die Auftraggeberin habe ihr Angebot zu Unrecht ausgeschlossen, obwohl die von ihr angebotenen Geräte den Vorgaben der Leistungsbeschreibung auch unter Berücksichtigung der im Zuge des Vergabeverfahrens durch die Antworten auf die Bieteranfragen erfolgten Konkretisierungen entsprechen. Sie könnten insbesondere nicht nur hinsichtlich der Faxfunktionalität nachgerüstet werden, sondern auch gewährleisten, dass in diesem Falle empfangene Faxe nicht automatisch am Gerät ausgedruckt werden, sondern als Datei per Mail an eine vorgegebene Adresse weitergeleitet werden. Die Voraussetzungen für ein Angebotsausschluss gem. § 25 Nr.1 Abs.1 VOL/A lägen daher nicht vor. Deshalb sei in der Folge die Auftraggeberin auch nicht berechtigt, das Vergabeverfahren gem. § 26 VOL/A aufzuheben, da zumindest sie, die Antragstellerin, ein wertbares und zuschlagsfähiges Angebot abgegeben habe. Voraussetzung für die Antragsbefugnis gem.§ 107 Abs. 2 GWB ist, dass das Antrag stellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass die Antragstellerin diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht,§ 107, Rdnr. 52). Die diesbezüglichen Anforderungen an die Darlegungslast dürfen aber nicht überspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, 2 Auflage, § 107 GWB, Rdnr. 954). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis dargelegt. Sie hat schlüssig vorgetragen, dass sie bei aus ihrer Sicht vergaberechtskonformer Angebotswertung eine Chance auf den Zuschlag hätte. Der Antragsbefugnis steht vorliegend auch nicht entgegen, dass die Auftraggeberin entschieden hat, das Angebot der Antragstellerin wegen vermeintlicher Abweichung von festen Vorgaben der Verdingungsunterlagen von der Wertung auszuschließen. Die Frage, ob die Voraussetzungen für einen solchen Ausschluss gegeben sind, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit (vgl. OLG Celle, Beschluss v. 02.10.2008, Az.: 13 Verg 4/08 unter Hinweis auf BGHZ 169, 131, 142 Tz 32 m.w.N.).

30

Die Antragsbefugnis der Antragstellerin entfällt auch nicht deshalb, weil die Auftraggeberin das streitbefangene Vergabeverfahren bereits vor Stellung des Nachprüfungsantrages gem. § 26 VOL/A aufgehoben hat. Nach dem Beschluss des BGH v. 18.02.2003, Az.: X ZB 43/02 ("Jugendstrafanstalt"; vgl. VergabeR 3/2003, S. 313 ff.) kann ein Bieter auch dann, wenn einöffentlicher Auftraggeber die Ausschreibung für einenöffentlichen Auftrag bereits aufgehoben hat, noch in zulässiger Weise die Vergabekammer anrufen und geltend machen, durch Nichtbeachtung der die Aufhebung der Ausschreibung betreffenden Vergabevorschriften in seinen Rechten nach § 97 Abs.7 GWB verletzt zu sein. Allerdings kann auch nach der Rechtssprechung des Bundesgerichtshofes nur in Ausnahmefällen eine "Aufhebung der Aufhebung" erreicht werden. Eine solche Rückgängigmachung der Aufhebung kommt nur bei fortbestehendem Vergabewillen des Auftraggebers in Betracht. Diese Auffassung stützt der Bundesgerichtshof maßgeblich auf die Feststellung, dass ein Auftraggeber nach wie vor nicht zur Zuschlagserteilung gezwungen werden kann und darf, selbst wenn er im Ergebnis nach den maßgeblichen Vorschriften keinen Grund zur Aufhebung des Vergabeverfahrens hat (vgl. auch OLG Celle, Beschluss v. 22.05.2003, Az.: 13 Verg 9/03; OLG Koblenz, Beschluss v. 23.12.2003, Az.: 1 Verg 8/03). Daher kann eine Vergabekammer nur dann eine Aufhebung der Aufhebung anordnen, wenn der Vergabewille der Vergabestelle fortbesteht. Ansonsten könnte der Auftraggeber gegen seinen Willen zur Zuschlagserteilung verpflichtet werden.

31

Im vorliegenden Fall besteht der Vergabewille der Auftraggeberin aber unstreitig fort. Entgegen der bis zur zitierten Entscheidung des BGH nahezu einhellig vertretenen Auffassung in Rechtssprechung und Schrifttum (vgl. Franke/Kämper/Zanner/

32

Grünhagen, § 26 VOB/A, Rdnr.7, m.w.N.) kann ein Auftraggeber, sofern der Vergabewille fortbesteht, nicht mehr jederzeit und ohne nähere Begründung, sondern nur unter den Voraussetzungen des § 26 VOL/A bzw. VOB/A eine Ausschreibung unanfechtbar aufheben. Ist die Aufhebung nicht durch § 26 VOL/A bzw. § 26 VOB/A gedeckt, kann ein Bieter grundsätzlich nicht mehr die Rückgängigmachung einer Aufhebung im Wege des Nachprüfungsverfahrens erreichen. Ob die Voraussetzungen für eine Aufhebung nach § 26 VOL/A bzw. VOB/A vorliegen, ist im Rahmen der Begründetheit des Nachprüfungsantrages zu prüfen.

33

Die Antragstellerin ist auch ihrer Pflicht gem. § 107 Abs.3 Satz 1 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer die behaupteten Verstöße gegen Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren selbst gegenüber der Auftraggeberin unverzüglich zu rügen. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder ein Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Ausreichend für die positive Kenntnis eines Mangels i. S. von § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betrachtung gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.08.2002, Az.: Verg 9/02). Unter Zugrundelegung dieses zutreffenden Maßstabes hat die Antragstellerin den Ausschluss ihres Angebotes und die Aufhebung des Vergabeverfahrens rechtzeitig gerügt. Mit Schreiben vom 22.08.2008, eingegangen bei der Antragstellerin am 05.09.2008, (Eingangsstempel) hatte die Auftraggeberin die Antragstellerin darüber informiert, dass sie das Vergabeverfahren mangels ausschreibungskonformer Angebote gem. § 26 Nr. 1 a VOL/A aufhebt, ohne den Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin näher zu erläutern. Bereits mit Anwaltsschriftsatz vom 08.09.2008 rügte die Antragstellerin ausführlich den Angebotsausschluss und die Aufhebung des Vergabeverfahrens und forderte die Auftraggeberin unter Androhung eines Nachprüfungsverfahrens auf, den geltend gemachten, vermeintlichen Vergaberechtsverstößen bis zum 10.09.2008 abzuhelfen. Angesichts der Tatsache, dass die Antragstellerin mit der Prüfung der Sach- und Rechtslage und der Formulierung des Rügeschreibens in nicht zu beanstandender Weise einen Rechtsanwalt beauftragte, erfolgte die Absetzung der Rüge innerhalb von nur vier Tagen nach Kenntniserlangung vom Angebotsausschluss und der Aufhebung des Verfahrens unverzüglich i. S. des§ 107 Abs. 3 Satz 1 GWB.

34

2.

Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet. Die Auftraggeberin ist nicht berechtigt, das Angebot der Antragstellerin gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. d VOL/A i.V.m. § 21 Nr.1 Abs. 4 VOL/A wegen Abweichung von Vorgaben der Verdingungsunterlagen von der Angebotswertung auszuschließen, ohne zuvor zu prüfen und gegebenenfalls bei Bedarf gem. § 24 Nr.1 VOL/A aufzuklären, ob das Angebot auch hinsichtlich der als optional nachrüstbar angebotenen Fotokopiergeräte die Anforderungen an die Faxfunktionalität erfüllt, insbesondere auch die Möglichkeit der Weiterleitung empfangener Faxe per Mail an eine vorgegebene Adresse gewährleistet ist (im Folgenden a). Ergibt die Prüfung, dass das Angebot den Ausschreibungsbedingungen entspricht, so liegen die Voraussetzungen für eine Aufhebung nach § 26 Nr. 1 lit. a VOL/A nicht vor. Aber auch soweit die Auftraggeberin die Aufhebung hilfsweise auf den Ausschlussgrund des § 26 Nr. 1 lit. d VOL/A ("andere schwerwiegende Gründe") stützt, ist ein derartiger die Aufhebung berechtigender schwerwiegender Grund nicht automatisch schon deshalb gegeben, wenn lediglich ein wertbares Angebot vorliegt (im Folgenden b).

35

a)

Entgegen der Auffassung der Auftraggeberin war und ist nach dem vorliegenden Sachverhalt auch unter Berücksichtigung der diesbezüglich von der Auftraggeberin zitierten Formulierungen im Angebotsanschreiben der Antragstellerin vom 07.08.2008 nicht offenkundig, dass das Angebot der Antragstellerin von Festlegungen der Verdingungsunterlagen abweicht und deshalb gem. § 25 Nr. 1 Abs.1 lit. d VOL/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 4 VOL/A zwingend auszuschließen und deshalb nicht zuschlagsfähig ist. Nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. d VOL/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 4 VOL/A sind Angebote zwingend auszuschließen, bei denen Änderungen oder Ergänzungen an den Verdingungsunterlagen vorgenommen worden sind. Die Bieter müssen grundsätzlich davon ausgehen, dass der Auftraggeber die Leistung so angeboten haben will, wie er sie in den Verdingungsunterlagen festgelegt hat. Falls die Bieter eine anders geartete Leistung oder eine Leistung zu anderen Bedingungen für zweckmäßig halten, können sie zwar einenÄnderungsvorschlag machen oder ein Nebenangebot einreichen. Auch dies gilt allerdings nur, soweit Nebenangebote nicht ausdrücklich - wie im vorliegenden Fall - ausgeschlossen sind. Änderungen an den Verdingungsunterlagen oder Abweichungen von den Festlegungen der Verdingungsunterlagen sind unzulässig, da sie die Vergleichbarkeit der Angebote gefährden. Gehen die Bieter von unterschiedlichen Voraussetzungen aus, fehlt es an der Vergleichbarkeit der eingereichten Angebote (vgl. Brinker/Ohler in: Beck'scher VOB-Kommentar, § 25 VOB/A, Rdnr.17; Franke/Grünhagen, VOB, § 21 VOB/A, Rdnr. 142, m.w.N.). Neben dem Schutz des Wettbewerbs und der Gleichbehandlung aller Bieter sowie der Vergleichbarkeit der Angebote bezwecken die zwingenden Ausschlussregelungen des § 25 Nr.1 Abs. 1 lit. d VOL/A und des § 25 Nr. 1 Abs.1 lit. b VOB/A gerade auch, dass der Auftraggeber eigenverantwortlich bestimmen kann, zu welchen Bedingungen er den Vertrag abschließen möchte (vgl. Franke/Grünhagen, a.a.O.,§ 25 VOB/A, Rdnr.141).

36

Vorliegend hat die Auftraggeberin den Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin damit begründet, dass die Antragstellerin mit ihrem Angebot erklärt habe, dass nur ein Teil der von ihr angebotenen Geräte die von der Auftraggeberin geforderte Faxfunktionalität dergestalt gewährleistet, dass eingehende Faxe nicht unmittelbar ausgedruckt, sondern direkt per Mail an eine vorgegebene Adresse weitergeleitet werden. Die Auftraggeberin hatte den Bietern mit den Verdingungsunterlagen eine Auflistung mit technischen Mindestanforderungen und Eigenschaften der dezentralen Fotokopier-/Multifunktionsgeräte vorgegeben, deren Einhaltung die Bieter jeweils ausdrücklich mit "ja" zu bestätigen hatten. Die Bieter wurden ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Nichterfüllung von nur einer Mindestanforderung zum Ausschluss des Angebotes führt. Unter "5. Faxfunktionalität" hatte die Auftraggeberin ausdrücklich folgende Mindestbedingungen vorgegeben:

"Eingehende Faxe werden direkt per Mail an eine vorgegebene Adresse weitergeleitet"

37

Die Antragstellerin hatte in ihrem Angebot diese Mindestbedingung zwar ausdrücklich mit "ja" bestätigt, aber handschriftlich die Ergänzung "ab Modell ..." vorgenommen. Damit hat sie erklärt, dass die von ihr gleichfalls angebotenen, einfacher ausgestatteten und billigeren Geräte "..." und "..." über diese Eigenschaft nicht verfügen. Nach der Leistungsbeschreibung der Antragstellerin waren die Bieter aber auch gar nicht gehalten, ausschließlich Geräte anzubieten, die über die entsprechende Faxfunktionalität verfügen. Das folgt bereits aus der Formulierung auf Seite 3 der Leistungsbeschreibung. Dort heißt es:

" Fax-Funktionalität:

Falls in den Geräten eine Faxschnittstelle existiert, muss dieseüber Servicefunktionen deaktivierbar sein. Empfangene Faxe sollen nicht automatisch am Gerät ausgedruckt werden, sondern als Datei per Mail an eine vorgegebene Adresse weitergeleitet werden. Ist die Faxschnittstelle aktiviert, muss sichergestellt sein, dass über diese Schnittstelle keine Remote-Einwahl in das lokale Datennetz möglich ist....." (Hervorhebungen durch die Vergabekammer)

38

Die Tatsache, dass nicht alle angebotenen Geräte über die beschriebene Faxfunktionalität verfügen mussten, ergab sich für die Bieter aber darüber hinaus auch aus der den Verdingungsunterlagen als Anlage 1 beigefügten "Übersicht dezentrale Fotokopiergeräte". Dort wurden nicht nur sämtliche Fachbereiche und Standorte der bisher vorhandenen dezentralen Fotokopiergeräte unter Angabe des monatlichen Kopiervolumens dezidiert aufgeführt. Es wurde auch für jedes Kopiergerät angegeben, ob dieses vernetzt ist oder nicht. Der Bieter hatte in einer freigelassenen rechten Spalte für jeden Standort den von ihm jeweils angebotenen Gerätetyp einzutragen. Aus dieser Übersicht ergab sich für die Bieter eindeutig, dass der weit überwiegende Teil der derzeitigen Kopiergeräte nicht vernetzt ist.

39

Hinweise auf das Erfordernis einer optionalen Nachrüstbarkeit enthielten die Verdingungsunterlagennicht. Dieses Erfordernis wurde den Bietern erst durch Beantwortung einer entsprechenden Bieteranfrage mitgeteilt. Mit einem in der Vergabeakte enthaltenen Schreiben vom 10.07.2008 über "Bieteranfragen zum offenen Verfahren Nr. ... der ..." wurden die Bieter u.a. wie folgt informiert:

"Frage 4:

In der "Geräteliste/Stellplatzliste" wird beikeinem Stellplatz eine Faxfunktionalität gefordert. Sie fragen aber (unter Punkt 5), ob die Faxweiterleitung an eine Mail-Adresse möglich ist.... ? - Welche Geräte sollen denn eine Faxfunktionalität haben bzw. soll die Faxkarte grundsätzlich optional für alle Systeme angeboten werden?

Antwort 4:

Es ist möglich, dass während der Vertragslaufzeit vorhandene Geräte mit der Option ausgestattet werden bzw. dass zusätzliche Geräte mit dieser Funktion angemietet werden. Die Faxkarte muss daher nicht für alle in der Ausschreibung aufgeführten Geräte angeboten werden. Die Nachrüstung einer Faxkarte muss allerdings bei allen geforderten Gerätetypen möglich sein."

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Die Antragstellerin hatte in Übereinstimmung mit dieser Bieterinformation auf Seite 2 des Anschreibens zu ihrem Angebot vom 07.08.2008 folgenden Hinweis aufgenommen:

"Faxfunktionalität:

Eine Faxfunktionalität ist bei allen angebotenen Systemen als Option lieferbar. Bei den vernetzten Systemen ab ... ist eine automatische Weiterleitung der eingehenden Faxe an eine vorher definierte Mailadresse möglich, ohne dass das Fax am System ausgedruckt wird." (Hervorhebung durch die Vergabekammer)

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Durch diese Formulierung hat die Antragstellerin unter Berücksichtigung des Empfängerhorizontes des Auftraggebers lediglich erklärt, dass nur die von ihr angebotenen besser ausgestatteten und höherpreisigen Geräte ihres Sortiments ab "..." und damit auch die gleichfalls angebotenen Geräte "..." schon ab Werk und standardmäßig über die entsprechende Weiterleitungsfunktion verfügen.

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Daraus konnte die Auftraggeberin aber umgekehrt nicht den Schluss ziehen, dass die von der Antragstellerin angebotenen, einfacher ausgestatteten Modelle "..." und "..." diese Funktion nicht erfüllen. Denn die Antragstellerin hatte sowohl durch ihr Angebotsanschreiben als auch durch die dem Angebot beigefügte Anlage "optionale Preise" ausdrücklich deutlich gemacht, dass auch diese Geräte - wie von der Auftraggeberin in der Beantwortung der Bieteranfragen vom 10.07.2008 gefordert - optional mit einer Faxfunktion nachgerüstet werden können.

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Allenfalls bot das Angebot der Antragstellerin Anlass dafür, gem. § 24 Nr.1 VOL/A aufzuklären, ob im Falle einer Nachrüstung der einfacheren Modelle "..." und "..." der Faxfunktion gleichzeitig auch gewährleistet ist, dass mit der Nachrüstung der Faxfunktion auch die automatische Weiterleitung des Faxes per E-Mail möglich ist. Die Vorschrift des § 24 VOL/A bietet dem Auftraggeber gerade die Möglichkeit, aufkommenden Fragen hinsichtlich des Angebotes oder des Bieters nachzugehen. Nach dieser Vorschrift darf nach Öffnung der Angebote bis zur Zuschlagserteilung den Bietern über ihre Angebote nur verhandelt werden, um Zweifel über die Angebote oder die Bieter zu beheben. Verweigert ein Bieter die geforderten Aufklärungen oder Angaben, so kann sein Angebot unberücksichtigt bleiben. Dem Auftraggeber ist dabei ausschließlich eine Aufklärungsmaßnahme im engeren Sinne gestattet. Durch die Aufklärung dürfen keine Änderungen der Angebote oder der Preise herbeigeführt werden (§ 24 Nr.2 Abs.1 VOL/A). Daraus ergibt sich ein grundsätzliches Verhandlungsverbot (Regel-Ausnahme-Verhältnis). Deshalb können Aufklärungsverhandlungen insgesamt nur dazu dienen, einen feststehenden Sachverhalt aufzuklären, nicht aber diesen zu verändern (vgl. Greb in: Müller-Wrede, VOL/A, 2. Auflage,§ 24, Rdnr. 9, 10, m.w.N.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.03.2001 - Verg 30/00, VergabeR 2002, 226). Die Begrenzung der Aufklärung ergibt sich auch aus dem Wettbewerbsprinzip. Die Wettbewerbslage soll durch nachträgliche Zugeständnisse vom Bieter nicht verändert werden bzw. einzelne Bieter dürfen nicht bevorzugt werden. Voraussetzung für ein Aufklärungsgespräch ist, dass Aufklärungsbedarf besteht und der Auftraggeber für eine ordnungsgemäße Wertung des Angebotes auf diese Aufklärung angewiesen ist. Hat ein Auftraggeber - wie im vorliegenden Fall - Zweifel über den Inhalt eines Angebotes, kann er diesen Zweifeln durch Befragung des Bieters nachgehen. Der Bieter wird die Aufklärung regelmäßig nicht verweigern, schon weil sein Angebot sonst gem.§ 24 Nr.1 Abs.2 VOL/A ausgeschlossen werden kann.

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Zwar ist die Aufklärung gem. § 24 VOL/A ausdrücklich in das Ermessen des Auftraggebers gestellt. Denn es ist die originäre Pflicht des Bieters, ein eindeutiges, unmissverständliches und damit einer ordnungsgemäßen Wertung zugängliches Angebot abzugeben und ggf. bei Bedarf vom Auftraggeber gem. § 17 Nr. 6 VOL/A nähere Aufklärung zu verlangen. Dieses Ermessen kann sich jedoch ausnahmsweise zur Aufklärungspflicht verdichten, wenn etwaige Unklarheiten im Angebot ihrerseits auf einer unklaren Leistungsbeschreibung beruhen. Dann ist der Auftraggeber verpflichtet, die Unklarheiten im Rahmen eines Aufklärungsgespräches zu beseitigen, bevor er das Angebot ausschließt (vgl. Stolz in: Willenbruch/Bischoff, Kompaktkommentar Vergaberecht, § 24 VOL/A, Seite 788, Rdnr.12; Kammergericht Berlin, Beschluss v. 22.08.2001 - Az.: Kart Verg 3/01, VergabeR 2001, Seite 392; OLG Celle, Beschluss v. 21.08.2003 - Az.: 13 Verg 13/03).

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Eine derartige, zur Aufklärung verpflichtende Sachlage ist vorliegend gegeben, da die Auftraggeberin einerseits Mindestanforderungen zur Faxfunktionalität formuliert hat und andererseits in ihrer Leistungsbeschreibung deutlich gemacht hat, dass nicht alle anzubietenden Geräte über diese Funktionalität verfügen müssen. Darüber hinaus hat sie erst im Wege der Beantwortung einer Bieteranfrage den Bietern mitgeteilt hat, dass auch Geräte, die bei Vertragsbeginn noch nicht für einen vernetzten Standort vorgesehen sind und über die Faxfunktionalität nicht verfügen müssen, diesbezüglich nachrüstbar sein müssen. Angesichts dieser Sachlage ist die Auftraggeberin gehalten, ihren Zweifeln und Fragen zum Inhalt des Angebotes der Antragstellerin im Wege der Aufklärung gem.§ 24 VOL/A nachzugehen, bevor sie über die für den Bieter schärfste Sanktion des Vergaberechts, den Angebotsausschluss, entscheidet (vgl. 1. VK Sachsen, Beschluss v. 21.05.2001 - Az.: 1/SVK/32-01; Weyand, VergabeR, 2.Auflage, § 24 VOB/A, Rdnr.5216).

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Die Auftraggeberin ist daher gehalten, gem. § 24 Nr. 1 VOL/A das Angebot der Antragstellerin aufzuklären und zu prüfen, ob auch die von der Antragstellerin angebotenen Geräte "..." und "..." optional mit der von der Auftraggeberin beschriebenen Faxfunktion nachgerüstet werden können und insbesondere auch die Weiterleitungsfunktion per E-Mail im Optionsfall gewährleistet ist. Der Antragstellerin ihrerseits obliegt wiederum der Nachweis der Nachrüstbarkeit dieser Funktionalitäten im Rahmen der von ihr gemäß ihrer Anlage "optionalen Preise" genannten Bedingungen. Preise und Inhalt des Angebotes dürfen keinesfalls verändert werden (§ 24 Nr.2 Abs.1 VOL/A).

47

b)

Da die Auftraggeberin ohne Durchführung der Angebotsaufklärung noch nicht vergaberechtskonform entscheiden kann, ob das Angebot der Antragstellerin zuschlagsfähig ist oder ausgeschlossen werden muss, kann sie auch noch nicht über die Aufhebung des Verfahrens gem. § 26 Nr.1 lit. a VOL/A entscheiden. Die bereits erfolgte, mit Schreiben der Auftraggeberin vom 22.08.2008 erklärte Aufhebung verletzt die Antragstellerin daher in ihren Rechten i.S.d. § 97 Abs.7 GWB. Eine Aufhebung des Vergabeverfahrens gem.§ 26 Nr.1 lit. a VOL/A ist ausdrücklich nur dann zulässig, wenn kein Angebot eingegangen ist, das den Ausschreibungsbedingungen entspricht. Aus diesem insoweit eindeutigen Wortlaut folgt, dass die Aufhebung nach dieser Fallgruppe dann nicht möglich ist, wenn zumindest ein wertbares Angebot vorliegt (vgl. OLG Koblenz, Beschluss v.23.12.2003 - Az.: 1 Verg 8/03, VergabeR 2004, Seite 244 ff. (247); VK Schleswig-Holstein, Beschluss v. 24.10.2003 - Az.: VK-SH 24/03; Lischka in: Müller-Wrede, VOL/A, 2. Auflage, § 26, Rdnr.47). Auch die von den Beteiligten zitierte Rechtssprechung des EuGH (Urteil v. 16.09.1999 - Rs. C-27/98 (Metalmeccanica) = NZBau 2000, Seite 153 ff. (154) lässt angesichts der eindeutigen Regelung des § 26 Nr.1 lit. a VOL/A keine andere Auslegungsmöglichkeit zu. Der EuGH hat lediglich entschieden, dass eine Regelung des Österreichischen Bundesvergabegesetzes, nach der eine Aufhebung bei Vorlegen nur eines wertbaren Angebotes zulässig ist, richtlinienkonform ist, weil bei nur einem Angebot eine verringerte Wettbewerbsintensität vorliege. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Regelung des § 26 Nr.1 lit. a VOL/A entgegen ihres ausdrücklichen Wortlautes als richtlinienkonform dahingehend auszulegen ist, dass die Ausschreibung auch bei Vorliegen lediglich eines wertbaren Angebotes aufgehoben werden darf (vgl. VK Schleswig-Holstein, Beschluss v. 24.10.2003 - Az.: VK-SH 24/03).

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Eine Aufhebung trotz Eingangs eines einzigen wertbaren Angebotes ist vielmehr lediglich dann gerechtfertigt, wenn nach dem Sachverhalt eine der anderen Fallgruppen des § 26 VOL/A (b - d) vorliegt, wenn sich also die Grundlagen der Ausschreibung wesentlich geändert haben, die Ausschreibung kein wirtschaftliches Ergebnis gehabt hat oder andere schwerwiegende Gründe bestehen. Aber auch soweit die Auftraggeberin im Zuge des Nachprüfungsverfahrens ihrer Aufhebung hilfsweise auf das Vorliegen anderer schwerwiegender Gründe i. S. des § 26 Nr. 1 lit. d VOL/A gestützt hat, liegen die diesbezüglichen Voraussetzungen nicht vor. Eine Aufhebung auf Grund des Vorliegens schwerwiegender Gründe kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht. Dies gebietet der Vertrauensschutz für die Bieter, die sich in Erwartung der Verfahrensbeendigung durch Zuschlag am Vergabeverfahren beteiligen und Aufwendungen für die Angebotserstellung erbracht haben (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 19.11.2003 - Verg 59/03). Daher können nur solche "schwerwiegenden Gründe" die Voraussetzungen des § 26 Nr.1 lit. d VOL/A erfüllen, deren Gewicht den in § 26 Nr.1 lit. a - c VOL/A aufgeführten Aufhebungsgründen gleichkommt. Eine zur Aufhebung aus schwerwiegendem Grund berechtigende Sachlage kann u.a. eintreten, wenn im Rahmen des Vergabeverfahrens überhaupt nur ein Angebot eingegangen ist und sich dem Auftraggeber deshalb keine Vergleichsmöglichkeiten bieten, so dass der auch von den europarechtlichen Vorgaben bezweckte Wettbewerb nicht in ausreichendem Umfang erreicht wurde (vgl. Lischka, a.a.O., § 26, Rdnr.81).

49

Eine Aufhebung kann jedoch auch gem. § 26 Nr.1 lit. d VOL/A angesichts der hieran zu stellenden strengen Anforderungen dann nicht mehr rechtmäßig erfolgen, wenn mehrere Angebote eingegangen sind und lediglich nach der Prüfung der Angebote nur eines in der Wertung verbleibt (vgl. Lischka, a.a.O., § 26, Rdnr. 81; Fett in: Willenbruch/Bischoff, VergabeR, § 26 VOL/A, Seite 924, Rdnr. 58, 59). Der vorliegende Sachverhalt steht deshalb entgegen der Auffassung der Auftraggeberin einer wettbewerblichen Entscheidung auch dann nicht entgegen, wenn lediglich ein wertbares Angebot im Vergabeverfahren verbleibt. Ausweislich der in der Vergabeakte enthaltenen "Niederschrift VOL-Vergaben" v. 11.08.2008 sind zum streitbefangenen Los 1 insgesamt drei Angebote eingegangen. Das günstigste Angebot weist einen Preis von ... EUR netto/Monat und das teuerste einen Preis von ... EUR netto/Monat aus. Das Angebot der Antragstellerin liegt mit ... EUR netto/Monat dazwischen und damit preislich im Rahmen. Selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die anderen beiden Angebote aus unterschiedlichen Gründen ausgeschlossen wurden, liegen bezüglich des Angebotes der Antragstellerin zumindest keine Anhaltspunkte für einen unangemessenen Preis i. S. des § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A vor.

50

Gemäß § 114 Abs.1 GWB trifft die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Sie ist dabei gem. § 114 Abs.1 Satz 2 GWB an die Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken. Wegen der festgestellten Vergabeverstöße ist es erforderlich, die Auftraggeberin zu verpflichten, erneut in das Vergabeverfahren und die Angebotswertung einzutreten und sich im Wege der Aufklärung gem. § 24 Nr.1 VOL/A zunächst zu vergewissern, ob das Angebot der Antragstellerin den Vorgaben der Verdingungsunterlagen entspricht oder nicht. Erst danach ist sie in der Lage zu entscheiden, ob das Angebot der Antragstellerin zuschlagsfähig ist oder ausgeschlossen werden muss und deshalb mangels wertbarer Angebote das Verfahren gem. § 26 Nr.1 lit. a VOL/A aufgehoben werden kann. Die Antragstellerin ihrerseits ist gem. § 24 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A gehalten, die optionale Nachrüstmöglichkeit ihrer Fotokopiergeräte zu den von ihr im vorliegenden Angebot angebotenen Bedingungen nachzuweisen. Änderungen oder Erweiterung des Angebotes ist gem. § 24 Nr. 2 VOL/A ausdrücklichnicht zulässig.

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III. Kosten

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art. 7 Nr. 5 des 9. Euro-Einführungs-

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gesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die

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DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, so dass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 Euro, die Höchstgebühr 25.000 Euro bzw. in Ausnahmefällen 50.000 Euro beträgt.

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Es wird eine Gebühr in Höhe von ... EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.

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Der zugrunde zu legende Auftragswert beträgt hinsichtlich der die euroweite Ausschreibungspflicht begründenden Baukonzession nach dem Ergebnis der streitbefangenen Ausschreibung ... EUR brutto. Dieser Betrag entspricht den Kosten nach dem Angebot der Antragstellerin über die gesamte ausgeschriebene vierjährige Vertragslaufzeit (... EUR (brutto) X 48 Monate) und damit ihrem Interesse am Auftrag.

57

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999 in der zurzeit gültigen Fassung vom 01.01.2003. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR ( § 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 25.000 EUR ( § 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt. Bei einer Ausschreibungssumme von ... EUR ergibt sich eine Gebühr in Höhe von ... EUR.

58

Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten oder Kosten durch Zeugenvernehmung in der mündlichen Verhandlung sind nicht angefallen.

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Die in Ziffer 2 des Tenors verfügtegrundsätzliche Kostentragungspflicht der Auftraggeberin folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Verfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin in einem entscheidenden Punkt begründet ist und zur Verpflichtung der Auftraggeberin zur Aufhebung des Vergabeverfahrens geführt hat. Von einer Kostenquote zulasten der Beigeladenen hat die Vergabekammer abgesehen, weil die Beigeladene keinen eigenen Antrag gestellt hat.

60

Die Auftraggeberin ist jedoch von der Entrichtung der Kosten gemäß § 128 Abs. 1 GWB i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 Nds. VwKostG von der Kostentragungspflicht befreit (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 13.07.2005, Az.: 13 Verg 9/05; OLG Dresden, Beschluss vom 25.01.2005, Az.: WVerg 0014/04).

61

Gemäß § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2 VwVfG in entsprechender Anwendung war auf Antrag der Antragstellerin gem. Ziffer 4 des Tenors auszusprechen, dass die Zuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren notwendig war. Das folgt daraus, dass die Antragstellerin ungeachtet der Tatsache, dass das GWB für das Nachprüfungsverfahren 1. Instanz vor der Vergabekammer keine rechtsanwaltliche Vertretung vorschreibt, gleichwohl wegen der Komplexität des Vergaberechts und des das Nachprüfungsverfahren regelnden Verfahrensrechts einerseits sowie auch der Komplexität des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens rechtsanwaltlicher Beratung und Begleitung bedurfte.

62

Die Auftraggeberin hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten.

63

IV. Rechtsbehelf

64

Gemäß § 116 GWB kann gegen diese Entscheidung sofortige Beschwerde eingelegt werden. ...

Gause
Schulte
Hintz