Sozialgericht Lüneburg
Beschl. v. 11.02.2013, Az.: S 45 AS 50/13 ER

Anspruch eines an mehreren gesundheitlichen Einschränkungen leidenden Sozialhilfeempfängers auf Übernahme von Kosten für ein Umzugsunternehmen im Wege der einstweiligen Anordnung

Bibliographie

Gericht
SG Lüneburg
Datum
11.02.2013
Aktenzeichen
S 45 AS 50/13 ER
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2013, 47596
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGLUENE:2013:0211.S45AS50.13ER.0A

Tenor:

  1. 1.

    Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, vorläufig und unter dem Vorbehalt der Rückforderung bei Unterliegen der Antragstellerin in der Hauptsache, die Übernahme der Kosten für den Umzug von der Wohnung D. zur Wohnung E. zuzusichern und i. H. v. 2.589,44 EUR zu übernehmen.

  2. 2.

    Der Antragsgegner hat der Antragstellerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

I.

Die Antragstellerin verlangt vom Antragsgegner die Übernahme von Kosten für ein Umzugsunternehmen im Wege der einstweiligen Anordnung.

Die Antragstellerin steht im ständigen Leistungsbezug beim Antragsgegner und wohnt bislang in einer Wohnung im Anwesen F. zur Miete. Dieses Mietverhältnis ist inzwischen gekündigt, eine Räumungsklage der Vermieterin erhoben. Inzwischen hat die Antragstellerin für eine Wohnung in der E. einen neuen Mietvertrag abgeschlossen. Das Mietverhältnis begann zum 01.02.2013. Mit Schreiben vom 15.01.2013 beantragte die Antragstellerin u. a. die Übernahme von Umzugskoste für den Wohnungswechsel. Beigefügt waren Angebote von 3 verschiedenen Umzugsfirmen, wobei das billigste Angebot einen Gesamtbetrag von 2.589,44 EUR auswies. Mit dem Schreiben vom 16.01.2013 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass die Kosten für die neue Wohnung grundsätzlich übernommen werden. Mit dem Bescheid vom 25.01.2013 lehnte der Antragsgegner allerdings den Antrag auf Übernahme der Kosten für ein Umzugsunternehmen ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass nur die Kosten für einen Mietwagen übernommen werden könnten. Im Rahmen der Selbsthilfe sei es der Antragstellerin unter Mitwirkung von Freunden und Bekannten zumutbar, den Umzug eigenständig durchzuführen. Über den hiergegen erhobenen Widerspruch ist noch nicht entschieden.

Am 30.01.2013 hat die Antragstellerin durch ihren Prozessbevollmächtigten beim Sozialgericht (= SG) Lüneburg beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Kosten für ein Umzugsunternehmen zu übernehmen. Zur Begründung wurde ausgeführt und eidesstattlich versichert, dass sie den Umzug nicht selbst durchführen könne. Ihre meisten Bekanntenkreis würden in Hamburg wohnen und seien nicht in der Lage, bei einem Umzug von G. nach H. zu helfen. Auch die Bekannten und Freunde, die sie in ihrem örtlichen Umkreis habe, hätten ihr mitgeteilt, dass sie bei dem Umzug nicht helfen könnten. Dies wurde durch die Erklärungen von Frau I. und von Frau J. bestätigt. Außerdem würde sie an mehreren gesundheitlichen Einschränkungen, wie einem beidseitigem Tennisarm, einer Zuckererkrankung, einer chronischen Sehnenscheidenentzündung, einer Einschränkung der Schulterbeweglichkeit und einem Zustand nach mehreren Operationen leiden, die Durchführung des Umzugs ohne Hilfe unmöglich machen würden.

Die Antragstellerin beantragt,

den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Kosten für ein Umzugsunternehmen zu übernehmen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Der Entscheidung wurden die Gerichtsakten zugrunde gelegt. Auf ihren Inhalt wird Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag ist begründet.

Gem. § 86 b Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (= SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Außerdem kann das Gericht eine einstweilige Anordnung auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86 b Abs. 2 S. 2 SGG). Voraussetzung hierfür ist, dass ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht sind (§ 86 Abs. 2 S. 4 SGG, § 920 Abs. 3 Zivilprozessordnung (= ZPO)). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen erfolgt i. d. R. durch eine summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage sowie der wesentlichen Interessen.

Im vorliegenden Fall sind beide Voraussetzungen erfüllt. Ein Anordnungsanspruch ergibt sich aus § 22 Abs. 6 SGB II. Danach können Umzugskosten bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug örtlich zuständigen kommunalen Träger anerkannt werden. Im vorliegenden Fall ist zu beachten, dass sich der Antragsgegner im Bescheid vom 25.01.2013 grundsätzlich bereit erklärt hat, Umzugskosten zu übernehmen. Streitig ist lediglich deren Höhe. Umfasst werden durch die Vorschrift grundsätzlich alle im Zusammenhang mit und wegen des Umzugs anfallenden Kosten (Berlit in LPK-SGB II, § 22 Rz. 164). Zwar ist der Leistungsberechtigte im Rahmen seiner Obliegenheit, die Hilfebedürftigkeit zu verringern, regelmäßig gehalten, einen Umzug selbst zu organisieren und durchzuführen (Berlit, a. a. O.; BSG, Urt. v. 06.05.2010 - B 14 AS 7/09 R, Rz. 19). Kann der Leistungsberechtigte den Umzug jedoch nicht selbst vornehmen, etwa wegen Alters, Behinderung, körperlicher Konstitution oder aus sonstigen in seiner Person liegenden Gründen, kommt auch die Übernahme der Aufwendungen für einen gewerblich organisierten Umzug in Betracht (Berlit in LPK-SGB II, § 22 Rz. 165). So liegt es hier. Die Antragstellerin hat im Wege der eiderstattlichen Versicherung glaubhaft gemacht, dass sie nicht zur alleinigen Durchführung des Umzugs in der Lage ist und Freunde und Bekannte auf entsprechende Anfragen sich nicht bereitgefunden haben, bei einem Umzug zu helfen. Dies ergibt sich insbesondere aus den Erklärungen von Frau I. und Frau K ... Nach Auffassung der Kammer ist es auch nicht zulässig, die Antragstellerin abstrakt auf die Hilfe von Freunden und Bekannten zu verweisen, da aufgrund der nicht unerheblichen körperlichen und zeitlichen Anstrengungen, die bei Umzugsarbeiten zwangsläufig anfallen, derartige Hilfeleistungen keinesfalls ein Selbstverständnis darstellen. Darüber hinaus leidet die Antragstellerin an mehreren gesundheitlichen Einschränkungen, wie einem beidseitigem Tennisarm, einer Zuckererkrankung, einer chronischen Sehnenscheidenentzündung, einer Einschränkung der Schulterbeweglichkeit und einem Zustand nach mehreren Operationen leiden, die Durchführung des Umzugs ohne Hilfe unmöglich machen.

Da der Antragsgegner der der Antragstellerin nicht angeboten hat, den Umzug selbst organisieren bzw. keine kostengünstigeren und adäquaten Hilfsangebote aufgezeigt hat, sind im vorliegenden Fall die Kosten für einen gewerblichen Umzug vom Antragsgegner zu übernehmen. Infolge der Verpflichtung, alle Möglichkeiten zur Verringerung der Hilfebedürftigkeit auszuschöpfen (§ 2 Abs. 1 S. 1 SGB II), ist die Antragstellerin jedoch auf das kostengünstigste Angebot zu verweisen. Insoweit ist das Ermessen der Antragsgegnerin auf null reduziert.

Auch ein Anordnungsgrund ist im vorliegenden Fall glaubhaft gemacht, da bezüglich der alten Wohnung bereits eine Räumungsklage läuft und das neue Mietverhältnis bereits am 01.02.2013 begonnen hat. Ein weiteres Zuwarten ist der Antragstellerin daher nicht zuzumuten, zumal ein Umzugsunternehmen i. d. R. mehrere Tage Vorlauf benötigt, um den Umzug zu organisieren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Rechtsmittelbelehrung: Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde an das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen zulässig (§ 172 SGG). Sie ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses beim Sozialgericht Lüneburg, Adolph-Kolping-Straße 16, 21337 Lüneburg, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen (§ 173 SGG). Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist bei dem Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Georg-Wilhelm-Str. 1, 29223 Celle oder bei der Zweigstelle des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen, Am Wall 198, 28195 Bremen, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.