Sozialgericht Lüneburg
Urt. v. 15.04.2013, Az.: S 2 U 11/12
Anspruch auf Feststellung einer Cytomegalie-Erkrankung als Berufskrankheit
Bibliographie
- Gericht
- SG Lüneburg
- Datum
- 15.04.2013
- Aktenzeichen
- S 2 U 11/12
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2013, 41947
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGLUENE:2013:0415.S2U11.12.0A
Rechtsgrundlage
- § 9 SGB VII
Tenor:
- 1.)
Der Bescheid der Beklagten vom 26.10.2010 und der Widerspruchsbescheid vom 19.12.2011 werden aufgehoben
- 2.)
Es wird festgestellt, dass beim Kläger eine Berufskrankheit nach der Ziffer 3101 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung vorliegt.
- 3.)
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Anerkennung einer Infektion mit dem Cytomegalie-Virus (= CMV) als Berufskrankheit nach der Ziffer 3101 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (= BKV; Hier: BK 3101).
Der im Jahr 1976 geborene Kläger absolvierte von 1999 - 2008 das Studium der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften, welches er am 28.08.2008 als Diplomökonom abschloss. Studienbegleitend war er u. a. von 2002 - 2007 als studentische Hilfskraft beim NDR tätig. Außerdem war er bei der Firma G. ab dem 01.10. 2007 als Vertriebsleiter bzw. Verkäufer im Außendienst eingesetzt. Nach dem Erkrankungsverzeichnis seiner Krankenkasse war er vom 09.09.2009 - 22.09.2009 und am 02.12.2009 aufgrund der Diagnose "Thrombose" arbeitsunfähig erkrankt (Bl. 48 der Akte des Sozialgerichts (= SG)).
Anfang 2010 beabsichtigte die Fa. G., den Kläger als Vertriebsmitarbeiter zu ihrer Auslandsgesellschaft in die Mongolei zu entsenden. Zum Kennenlernen der künftigen Arbeitsbedingungen und Geschäftspartner flog der Kläger vom 01.02. 2010 - 19.02.2010 in die Mongolei (Bl. 53 der Akte der Beklagten (= BA)). Etwa 4 - 6 Wochen nach der Rückkehr von dieser Reise traten bei ihm erste Krankheitszeichen auf, die sich nach seinen Angaben zunächst wie eine schwere Grippe anfühlten. Vom 30.03.2010 - 20.04.2010 wurden mehrere Impfungen durchgeführt, darunter Polio, Tetanus, Diphtherie, FSME, Meningitis, Hepatitis und Tollwut (Bl. 30 BA). Ab dem 19.04. 2010 litt er unter hohem Fieber und verspürte eine extreme Schweißneigung in der Nacht und bei leichter Anstrengung (Bl. 27-1 BA). Vom 26. - 27.04.2010 war er aufgrund der Diagnosen "Kopfschmerzen und Fieber" arbeitsunfähig erkrankt (Bl. 48 SG-Akte). Am 30.04.2010 traten Schluckprobleme auf, worauf sein Hausarzt eine einseitige Tonsillitis (= Mandelentzündung) feststellte. Nach Verordnung von Antibiotika sei es zwar zu einer Besserung der Schluckproblematik gekommen. Allerdings hätten sich daraufhin Bauchschmerzen und Durchfälle eingestellt. Im Bericht des Herz- und Gefäßzentrums H. vom 18.05.2010 wurde ausgeführt, dass sich der Kläger nach seinen Angaben in dieser Zeit über ca. 14 Tage fast nur von Suppe hätte ernähren können (Bl. 27-1 BA).
Nach dem Abschluss einer Entsendevereinbarung am 29.04.2010 (Bl. 54-1 BA) flog der Kläger am 03.05.2010 wieder in die Mongolei. Am 10.05.2010 entwickelte sich eine Thrombose im linken Bein. Im Bericht der Vertrauensärztin der deutschen Botschaft in der Mongolei, Dr. I., vom 11.05.2010 wurde ausgeführt, dass seit dem Vortag linksseitige Wadenkrämpfe bestehen würden. Nunmehr seien plötzlich ein Schweißausbruch und eine Schwäche hinzugekommen, worauf der Kläger kollabiert sei. Nach Durchführung einer Tollwutimpfung habe der Kläger seit etwa einem Monat Fieber und seit einer Woche Durchfall. Die Halslymphknoten seien vergrößert und dolent, der Magen sei druckschmerzhaft. Beim Kläger würde eine tiefe Beinvenenthrombose links, ein unklares Fieber und eine entzündliche Erkältung vorliegen (Bl. 112 SG-Akte).
Am 15.05.2010 flog der Kläger im Rahmen einer Reiserücktransportversicherung zurück nach Deutschland. Vom 16.05.2010 - 18.05.2010 befand er sich in stationärer Behandlung im Herz- und Gefäßzentrum J ... Im Bericht vom 18.05.2010 wurde zunächst vermutet, dass eine impfassoziierte Hepatitis vorliegen könnte (Bl. 27-1 BA). Vom 18.05.2010 - 20.05.2010 schloss sich eine stationäre Behandlung im K. an. Dort wurde infolge der durchgeführten serologische Diagnostik eine CMV-Infektion festgestellt (Bl. 33-1 BA). Im Bericht der L. für Tropenmedizin vom 06.12.2010 wurde später ausgeführt, dass in der Zusammenschau der Befunde von einer CMV-Infektion als Ursache der Hepatitis auszugehen sei (Bl. 80-1 BA).
Das berufsgenossenschaftliche Feststellungsverfahren wurde durch den Durchgangsarztbericht von Dr. M. vom 17.06.2010 eingeleitet, indem die Entwicklung der Thrombose im linken Bein als Arbeitsunfall eingeordnet wurde. Nach den Angaben des Klägers hat die Beklagte hierüber noch nicht abschließend entschieden. Außerdem wurde im Durchgangsarztbericht von Dr. M. angegeben, dass sich der Kläger in der Mongolei eine Cytomegalie-Erkrankung zugezogen habe. Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit, dass in Bezug auf die CMV-Infektion die Anerkennung einer BK 3101 geprüft werde. Der Kläger führte die Cytomegalie zunächst auf die unzureichenden hygienischen Verhältnisse im Flughafen und den Restaurants während seiner zweiten Mongoleireise zurück (Bl. 9-2 BA). In der Stellungnahme der Präventionsabteilung der Beklagten vom 06.10.2010 wurde zunächst darauf hingewiesen, dass CMV-Infektionen ausschließlich von Mensch zu Mensch übertragen würden. Zwar würden genaue Angaben zur Prävalenz der CMV in der Mongolei nicht vorliegen. Die höchsten Prävalenzen seien jedoch in Südamerika, Afrika und Asien festgestellt worden, so dass davon auszugehen sei, dass das Infektionsrisko in der Mongolei grundsätzlich höher sei als in Deutschland. Da bei der Cytomegalie eine Inkubationszeit von 4 - 6 Wochen anzunehmen sei und der Aufenthalt in der Mongolei nur knappe 2 Wochen gedauert habe, könne die Infektion aber nicht in der Mongolei erfolgt sein (Bl. 37-1 BA). Zu diesem Zeitpunkt war der Beklagten allerdings die erste Mongoleireise noch nicht bekannt. Mit dem Bescheid vom 26.10.2010 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK 3101 ab. Zur Begründung wurde u. a. ausgeführt, dass die Tätigkeit als Vertriebsleiter in der Mongolei mit Kundenkontakt keine Tätigkeit sei, bei der der Kläger der Gefahr einer CMV-Infektion in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt gewesen sei, wie Personen, die im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium beschäftigt seien. Nach den vorliegenden Erkenntnissen würde die Infektion durch direkten Kontakt mit infizierten Körperflüssigkeiten (Speichel, Blut, Stuhl, Urin etc.) erfolgen. Tätigkeiten mit einem direkten Kontakt zu entsprechenden Körperflüssigkeiten würden bei Tätigkeiten als Vertriebsleiter nicht anfallen. Ein Kontakt über Händeschütteln oder ähnlichem Kontakt zu möglicherweise erregerhaltigen Oberflächen würde demgegenüber für eine Infektion nicht ausreichend erscheinen. Unabhängig davon würde die Inkubationszeit für CMV-Infektion 4 - 6 Wochen betragen, so dass eine Infektion in der Mongolei im Mai 2010 nicht stattgefunden haben könne (Bl. 38-1 BA).
Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, dass er bereits im Februar 2010 die Mongolei besucht hatte und sich die Infektion wahrscheinlich bereits bei dieser Reise zugezogen habe. Dies würde auch mit der Inkubationszeit korrelieren. Aufgrund der desolaten hygienischen Bedingungen vor Ort habe er selbstverständlich mit Körperflüssigkeiten der Geschäftspartner in Kontakt treten können, zumal die dortigen Toiletten zumeist völlig verdreckt seien und es unmöglich sei, sich dort die Hände zu waschen. In der Stellungnahme der Präventionsabteilung der Beklagten vom 20.09.2010 wurde ausgeführt, dass der Ausbruch einer Erkrankung im März bzw. Anfang April 2010 nicht ersichtlich sei. Außerdem sei nach wie vor nicht zu erkennen, wie es bei den beruflichen Tätigkeiten des Klägers zu einem Kontakt zu Speichel, Stuhl, Blut oder Urin gekommen sei. Im Übrigen seien nach den Ausführungen im "Lexikon der Infektionskrankheiten des Menschen" auch 50 % der Erwachsenen in der Bundesrepublik Deutschland - in Abhängigkeit vom sozioökonomischen Status und anderen Faktoren - serumpositiv auf das CMV. Somit würde auch in Deutschland die Möglichkeit einer solchen Infektion bestehen. Der Widerspruch wurde mit dem Widerspruchsbescheid vom 19.12. 2011 zurückgewiesen. Darin wurde ergänzend ausgeführt, dass es selbst in Familien mit infizierten Kindern nur in einem von fünf Fällen zu einer Infektion der Eltern kommen würde. Die theoretischen Möglichkeiten einer Infektion über das Händeschütteln und ähnlichem Kontakt würden nicht ausreichen, um eine ähnliche Gefährdung wie im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium anzunehmen, wo regelmäßig Kontakt zu Körperflüssigkeiten bestehen würde (Bl. 84-1 BA).
Hiergegen hat der Kläger durch seine Prozessbevollmächtigte am 11.01.2012 beim SG Lüneburg Klage erhoben und nochmals auf den mangelhaften hygienische Standard in der Mongolei hingewiesen. Nicht einmal die Hälfte der Haushalte in der Hauptstadt Ulan Bator sei mit ausreichenden sanitären Einrichtungen ausgestattet. Die Durchseuchung mit CMV in der Mongolei würde darüber hinaus bei 100 % liegen. Selbst Herr N. vom Präventionsdienst der Beklagten habe bestätigt, dass die Wahrscheinlichkeit einer Infektion in der Mongolei wesentlich höher als in Deutschland sei. Er sei daher durch seine Auslandstätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße ausgesetzt gewesen wie Beschäftigte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium. Im Übrigen seien die Symptome im Rahmen der relevanten Inkubationszeit aufgetreten.
Unter dem 24.07.2012 hat Dr. O. ein internistisches Zusammenhangsgutachten erstattet. Der Kläger habe nach seinen Angaben bei seiner ersten Mongoleireise viele mongolische Unternehmer besucht, sich von morgens bis abends in den Betrieben aufgehalten und Verhandlungen geführt, Kataloge studiert und mit mongolischen Kontaktpersonen zusammen gegessen. Er habe die Toiletten in den Betrieben benutzen und neben Händeschütteln auch die Getränke der Verhandlungspartner, wie z. B. Café, trinken müssen. Die Toiletten in den Firmen seien massiv verdreckt gewesen. Händewaschen, wenn dies überhaupt möglich gewesen sei, habe man häufig nur mit einem bräunlichen Wasser aus der Leitung durchführen können. Außerdem würde in der Stadt eine Müllabfuhr im eigentlichen Sinn nicht existieren. Die Straßen seien teilweise voll Müll. Zur Entsorgung wurden die Abfälle häufig einfach nur mit Benzin übergossen und angezündet. Außerdem würden sämtliche Abwässer ungeklärt in die Flüsse geleitet, so dass der Fluss in der Hauptstadt im Grunde eine Kloake sei. Dr. O. ist zu dem Ergebnis gelangt, dass beim Kläger eine BK 3101 vorliegt. Aufgrund der hohen Durchseuchungsrate von fast 100 % und der katastrophalen hygienischen Bedingungen sei das Risiko, an einer CMV-Infektion zu erkranken, in der Mongolei gegenüber der Situation in Deutschland massiv erhöht gewesen. Dies würde auch in Relation zu Personen, die im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium arbeiten, gelten. Der Kläger sei aus sozialen Gründen daran gehindert gewesen, sich durch Tragen von Schutzhandschuhen, Händewaschen oder Vermeidung von Nahrungsaufnahme und Getränken der potentiellen Infektionsgefahr zu entziehen. Demgegenüber könnten sich Personen, die im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium arbeiten, i. d. R. durch entsprechende Schutzausrüstungen (Schutzhandschuhe, Mundschutz, etc.) schützen. Außerdem würde das beim Kläger festgestellte Krankheitsbild dem typischen Verlauf einer CMV-Infektion entsprechen. Das P. habe deutlich erhöhte IgM-Antikörper von 231 U/I (Referenzbereich: 10-15 U/I) und somit eine floride Infektion festgestellt. Dass diese bereits einige Zeit aktiv gewesen sei, werde durch die erhöhten IgG-Antikörper von 96 U/I (Referenzbereich: 25 bis 40 U/I) dokumentiert. Auch die Inkubationszeit würde mit der Erkrankung korrelieren. Konkurrierende Ursachen seien extrem unwahrscheinlich.
Dem hat die Beklagte entgegengehalten, dass auch in Deutschland die Durchseuchung mit zunehmendem Lebensalter auf 50 - 70 % steigen würde, so dass in der Mongolei kein wesentlich erhöhtes Risiko für eine CMV-Infektion existieren würde. Außerdem würde das Virus nicht über normale gesellschaftliche Kontakte verbreitet. In der ergänzenden Stellungnahme vom 10.09.2012 hat Dr. O. an seinem Votum festgehalten. Selbst wenn man in Deutschland von einer Durchseuchung in Höhe von 70 - 80 % ausgehen würde, wäre die Wahrscheinlichkeit, eine solche Infektion in der Mongolei zu erwerben, aufgrund der dortigen hygienischen Verhältnisse doppelt so hoch.
Im weiteren Verlauf des Schriftwechsels hat die Beklagte weiterhin die Ansicht vertreten, dass eine besonders erhöhte Infektionsgefahr in der Mongolei nicht erwiesen sei, während der Kläger geltend gemacht hat, dass sich die Beklagte über die hygienischen Verhältnisse in der Mongolei falsche Vorstellungen machen würde.
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger zunächst darauf hingewiesen, dass er sich für die zweite Mongoleireise aufgrund der vorangehenden Krankheit eigentlich noch nicht ausreichend fit gefühlt habe. Sein Arbeitgeber habe ihm jedoch unmissverständlich klargemacht, dass bei einer Absage die Zusammenarbeit beendet würde. In Q. sei er während der ersten Reise i. d. R. mit einem Mitarbeiter seiner Firma mit dem Auto zu den Terminen gefahren. Er sei nie allein unterwegs gewesen, da es dort insbesondere nach Einbruch der Dunkelheit für Ausländer viel zu gefährlich sei. Er habe auch die üblichen Mahlzeiten immer gemeinsam mit den dortigen Mitarbeitern bzw. Geschäftspartnern eingenommen. Manche Wege habe er zu Fuß zurückgelegt, etwa wenn man in ein Restaurant gegangen sei und davor keinen Parkplatz gefunden habe. Auch die Verkehrssituation in Q. sei sehr prekär. So sei es durchaus vorkommen, dass das Fahrzeug die auf der gegenüberliegenden Flussseite liegenden Stadtteile nur habe erreichen können, indem man durch den völlig mit Abwässern verdreckten Fluss gefahren sei. Außerdem würden in Q. schätzungsweise 8000 Personen in der Kanalisation leben, die jedoch auch immer wieder im Stadtbild auftauchen würden. Bei seinem ersten Aufenthalt in der Mongolei habe er eine Sechs-Tage-Woche (Montag bis Samstag) absolvieren müssen. I. d. R. sei er gegen 8:00 Uhr morgens abgeholt und um 19:00 Uhr am Abend wieder am Hotel R. abgesetzt worden. Die Verhältnisse im Hotel R. seien - relativ gesehen - akzeptabel gewesen. Allerdings habe man sich in der Niederlassung seines Arbeitgebers die Toiletten mit einer Werkstatt teilen müssen. Toilettenpapier werde in der Mongolei nicht regelhaft benutzt. In der Mongolei habe er keine sexuellen Kontakte gehabt.
Hinsichtlich des genauen Wortlauts der Aussage des Klägers wird auf das Sitzungsprotokoll vollinhaltlich Bezug genommen.
Die Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt,
- 1.)
den Bescheid der Beklagten vom 26.10.2010 und den Widerspruchsbescheid vom 19.12.2011 aufzuheben,
- 2.)
festzustellen, dass beim Kläger eine Berufskrankheit gem. der Ziffer 3101 der Anlage 1 zur BKV vorliegt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Entscheidung lagen die Gerichtsakten und die Akten der Beklagten. Auf ihren Inhalt wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 und § 55 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (= SGG) zulässig. Der Kläger begehrt unter Aufhebung der Ablehnungsentscheidung der Beklagten die gerichtliche Feststellung, dass seine CMV-Infektion eine BK 3101 ist. Ein Versicherter, dem gegenüber ein Träger der gesetzlichen Unfallversicherung durch Verwaltungsakt entschieden hat, dass eine bestimmte BK nicht gegeben ist, kann deren Vorliegen als Grundlage in Frage kommender Leistungsansprüche vorab im Wege einer kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage klären lassen (Bundessozialgericht (= BSG), Urt. v. 28.04.2004 - B 2 U 21/03 R). Der Kläger hat auch ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung i. S. des § 55 Abs. 1 SGG. Darunter ist jedes nach der Sachlage vernünftigerweise gerechtfertigte Interesse zu verstehen, das rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art sein kann (BSGE 98, 12 [BSG 07.12.2006 - B 3 KR 5/06 R] = SozR 4-2500 § 132a Nr. 2, jeweils Rz. 17 m. w. N). Der Kläger hat ein rechtliches und wirtschaftliches Interesse an der baldigen gerichtlichen Feststellung, weil der Beklagte das Vorliegen einer BK durch Verwaltungsakt verneint hat und er daher mögliche Rechtsansprüche nur durch Klage wahren kann (vgl. BSGE 68, 128, 130).
Die Klage ist auch begründet, da der Kläger einen Anspruch auf Feststellung seiner Cytomegalie-Erkrankung als BK 3101 hat. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind daher rechtswidrig und waren aufzuheben. Als BK 3101 sind anerkennungsfähig:
"Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrts- pflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infek- tionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war".
Für die Anerkennung einer Berufskrankheit gelten in der gesetzlichen Unfallversicherung folgende Grundsätze: Während die gesundheitsschädlichen beruflichen Einflüsse und die Erkrankung (inklusive des Erkrankungszeitpunkts) im Wege des Vollbeweises nachgewiesen werden müssen, ist für die Feststellung des Zusammenhangs zwischen den beruflichen Einwirkungen und dem Gesundheitsschaden (haftungsausfüllende Kausalität) ein hinreichender Grad von Wahrscheinlichkeit erforderlich (Bereiter-Hahn/Mehrtens, Kommentar zur Unfallversicherung, § 9 SGB VII, Rz. 12). Dieser ist nach der Rechtsprechung erst dann erreicht, wenn bei einem vernünftigen Abwägen aller Umstände die auf eine berufliche Verursachung hinweisenden Faktoren deutlich überwiegen (BSG SozR 2200 § 548 Nr. 38). Eine Möglichkeit verdichtet sich insbesondere dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der geltenden ärztlich-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden (Bereiter-Hahn/Mehrtens, a. a. O., § 8 SGB VII, Rz. 10 ff., m. w. N.). Die reine Möglichkeit eines solchen Zusammenhangs ist daher für eine Anerkennung nicht ausreichend (vgl. BSG, Urt. v. 27.06.2000 - B 2 U 29/99 R, S. 8 f.; Urt. v. 02.05.2001 - B 2 U 16/00 R, S. 7, m. w. N.; Landessozialgericht (= LSG) Niedersachsen, Urt. v. 25.07.2002 - L 3/9/6 U 12/00, S. 6.).
Für die BK 3101 sind diese Grundsätze nach der Rechtsprechung des BSG zu modifizieren (zu dieser Thematik insgesamt: BSG, Urt. v. 02.04.2009 - B 2 U 30/07 R). Während die Listen-BKen in der Regel dadurch gekennzeichnet sind, dass Versicherte über einen längeren Zeitraum schädigenden Einwirkungen ausgesetzt sind und erst diese längerfristige Belastung zu der Erkrankung führt, besteht bei der BK 3101 die Besonderheit, dass die schädliche Einwirkung, also der Ansteckungsvorgang, bei dem die Krankheit übertragen wurde, ein einmaliges, punktuelles Ereignis darstellt, das häufig im Nachhinein nicht mehr ermittelt werden kann. Meistens sind verschiedene Infektionsquellen und Übertragungswege denkbar, ohne dass sich feststellen lässt, bei welcher Verrichtung es tatsächlich zu der Ansteckung gekommen ist. Gerade aus diesem Grund sind Infektionskrankheiten, deren auslösendes Ereignis - die einmalige Ansteckung - an sich eher die Voraussetzungen des Unfallbegriffs erfüllt, als BK bezeichnet worden (BSG, Urt. v. 21.03.2006 - B 2 U 19/05 R, Rz. 15 m. w. N.). Um den Nachweisschwierigkeiten zu begegnen, genügt bei der BK 3101 als "Einwirkungen" i. S. des § 9 Abs. 1 S. 2 SGB VII, dass der Versicherte einer der versicherten Tätigkeit innewohnenden "Infektionsgefahr besonders ausgesetzt" war. Die besondere Infektionsgefahr ersetzt daher als eigenständiges Tatbestandsmerkmal die Einwirkungen. Für die erhöhte Infektionsgefahr gelten damit hinsichtlich des Beweismaßstabes die Anforderungen, die ansonsten für das Tatbestandsmerkmal der Einwirkungen zu beachten sind. Sie muss deshalb im Vollbeweis vorliegen. Zwar setzt der Begriff der Gefahr eine Wahrscheinlichkeitsprognose voraus. Er charakterisiert einen Zustand, bei dem nach den objektiven Umständen der Eintritt eines Schadens als wahrscheinlich gelten kann (vgl. BSG, Urt. v. 13.09.2005 - B 2 U 6/05 R, Rz. 11). Allerdings ist zwischen der tatsächlichen Ebene, auf die sich die Wahrscheinlichkeitsprognose beziehen muss, und der rechtlichen Wertung, ob aufgrund der nachgewiesenen Tatsachen eine Schädigung möglich ist, zu unterscheiden.
Eine erhöhte Ansteckungsgefahr ist bei Versicherten anzunehmen, die aufgrund ihrer Tätigkeit oder ihres Arbeitsumfeldes einer Infektionsgefahr in besonderem Maße ausgesetzt sind. Die besondere Infektionsgefahr kann sich im Einzelfall aufgrund der Kriterien Durchseuchung des Umfelds der Tätigkeit und/oder der Übertragungsgefahr der ausgeübten Verrichtungen ergeben. Der Grad der Durchseuchung ist hinsichtlich der kontaktierten Personen als auch der Objekte festzustellen, mit oder an denen zu arbeiten ist. Lässt sich das Ausmaß der Durchseuchung nicht aufklären, kann aber das Vorliegen eines Krankheitserregers im Arbeitsumfeld nicht ausgeschlossen werden, ist vom Durchseuchungsgrad der Gesamtbevölkerung auszugehen. Das weitere Kriterium der mit der versicherten Tätigkeit verbundenen Übertragungsgefahr richtet sich nach dem Übertragungsmodus der jeweiligen Infektionskrankheit sowie der Art, der Häufigkeit und der Dauer der vom Versicherten verrichteten gefährdenden Handlungen. Der spezifische Übertragungsweg eines bestimmten Krankheitserregers ist unter Zuhilfenahme medizinischer, naturwissenschaftlicher und ggf. technischer Sachkunde dem im Entscheidungszeitpunkt aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu entnehmen. Als aktueller Erkenntnisstand sind solche durch Forschung und praktische Erfahrung gewonnenen Erkenntnisse anzusehen, die von der großen Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler anerkannt werden, über die also, von vereinzelten, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, Konsens besteht (vgl. BSG, Urt. v. 27.06.2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291, Rz. 20). Daneben sind die individuellen Arbeitsvorgänge zu beachten. Da für die Anerkennung der BK 3101 nicht eine schlichte Infektionsgefahr genügt, sondern eine (z. T. typisierend nach Tätigkeitsbereichen) besonders erhöhte Infektionsgefahr vorausgesetzt wird (§ 9 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 SGB VII), kommt es darauf an, welche einzelnen Arbeitshandlungen im Hinblick auf den Übertragungsweg besonders gefährdend sind.
Die Durchseuchung des Arbeitsumfeldes auf der einen und die Übertragungsgefahr der versicherten Verrichtungen auf der anderen Seite stehen schließlich in einer Wechselbeziehung zueinander. An den Grad der Durchseuchung können umso niedrigere Anforderungen gestellt werden, je gefährdender die spezifischen Arbeitsbedingungen sind. Je weniger hingegen die Arbeitsvorgänge mit dem Risiko der Infektion behaftet sind, umso mehr gelangt das Ausmaß der Durchseuchung an Bedeutung. Allerdings muss zumindest die Möglichkeit einer Infektion bestehen. Ist das nicht der Fall, weil z. B. trotz eines hohen Durchseuchungsgrades die Art der konkret ausgeübten Tätigkeit einen Infektionsvorgang ausschließt, ist für die Annahme einer Gefahr von vornherein kein Raum. Kommt indes eine Infektion in Betracht, ist im Wege einer Gesamtbetrachtung der Durchseuchung und der Übertragungsgefahr festzustellen, ob sich im Einzelfall eine Infektionsgefahr ergibt, die nicht nur geringfügig erhöht ist (hierzu BSG, Urt. v. 30.05.1988 - 2 RU 33/87 = NZA 1988, 823, 824), sondern in besonderem Maße über der Infektionsgefahr in der Gesamtbevölkerung liegt. Dabei legt der Nachweis einer infizierten Kontaktperson bei gleichzeitiger übertragungsgefährdender Tätigkeit das Vorliegen einer besonders erhöhten Infektionsgefahr nahe. Zwingend ist dieser Schluss aber nicht. Entscheidend ist dabei immer die Gesamtwürdigung der das Arbeitsumfeld und die versicherte Tätigkeit betreffenden beiden Risikobereiche unter Berücksichtigung des spezifischen Übertragungsmodus und Verbreitungsgrades der jeweiligen Infektionskrankheit. Dabei können die in der fachwissenschaftlichen Literatur für die Beurteilung der Übertragungsgefahr ausgearbeiteten Schemata herangezogen werden, sofern sie sich auf dem neuesten Stand befinden. Ihnen kommt indes keinerlei rechtliche Verbindlichkeit zu und sie ersetzen nicht die Ermittlung der erhöhten Infektionsgefahr anhand der Umstände des zu beurteilenden konkreten Einzelfalles.
Überträgt man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall, so ist zunächst festzustellen, dass der Kläger an einer CMV-Infektion erkrankt ist und somit bei ihm eine Infektionskrankheit vorliegt. Die CMV-Infektion wurde im S. durch serologische Untersuchungen eindeutig bestätigt und ist somit im Vollbeweis gesichert. Darüber hinaus war der Kläger einem besonders erhöhten Infektionsrisiko im Sinne der BK 3101 ausgesetzt. Hierbei ist zunächst zu beachten, dass die Durchseuchung in der Mongolei mit CMV fast 100 % beträgt. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Gutachten von Dr. O ... Auch die Präventionsabteilung der Beklagten ist in der Stellungnahme vom 06.10.2010 davon ausgegangen, dass weltweit eine Prävalenz von 45 % - 100 % besteht, wobei die höchsten Prävalenzen einer CMV in Afrika, Südamerika und Asien zu finden sind. Demgegenüber besteht in der Bundesrepublik Deutschland nur eine Prävalenz von circa 50 % (Stellungnahme der Präventionsabteilung der Beklagten vom 20.09. 2010). Der Ansicht, dass auch in der Bundesrepublik Deutschland eine Prävalenz bis 70 % bestehen würde, kann sich die Kammer in dieser Form nicht anschließen. Die entsprechenden Angaben, die die Beklagte aus dem Bundesgesundheitsblatt 9/2010, S. 973 ff. entnommen hat, beziehen sich lediglich auf die altersabhängige Prävalenz der Altersgruppe der über 30 -jährigen und nicht auf die Gesamtbevölkerung. Da sich im vorliegenden Fall das Ausmaß der Durchseuchung im Arbeitsumfeld des Klägers nicht genau aufklären lässt, ist nach der o. g. BSG-Rechtsprechung vom Durchseuchungsgrad der Gesamtbevölkerung auszugehen. Es sind daher auch der Durchseuchungsgrad der Gesamtbevölkerung in der Mongolei und in der Bundesrepublik Deutschland miteinander zu vergleichen. Als vorläufiges Fazit hält die Kammer daher fest, dass die Durchseuchung das Arbeitsumfeld des Klägers in der Mongolei gegenüber der Situation in Deutschland deutlich erhöht war.
Darüber hinaus war auch die Übertragungsgefahr wesentlich höher als in Deutschland. Zwar kann eine CMV-Infektion i. d. R. nur bei Kontakt zu Körperflüssigkeiten von anderen Personen übertragen werden. Aufgrund der besonderen hygienischen Verhältnisse in der Mongolei ist jedoch davon auszugehen, dass der Kläger im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit in der Mongolei mit Urin, Stuhl und Speichel anderer Personen direkt konfrontiert gewesen ist. Er hat glaubhaft dargelegt, dass er nahezu täglich verdreckte Toiletten benutzen musste, in denen weder Toilettenpapier verfügbar war, noch eine ausreichende Gelegenheit bestand, sich die Hände in angemessener Weise zu waschen. Hierbei ist zu beachten, dass den Wasserleitungen - sofern sich überhaupt eine Waschgelegenheit in Nähe der Toiletten befand - nur ein bräunlich verfärbtes und damit offensichtlich kein sauberes Wasser entnommen werden konnte. Weiterhin hat er glaubhaft dargelegt, dass die Abwässer ungeklärt in die Flüsse geleitet werden und aufgrund der prekären Verkehrssituation der die Hauptstadt der Mongolei durchlaufende Fluss bisweilen mit dem Fahrzeug durchfahren werden musste, um zu den auf der anderen Seite gelegenen Stadtteile zu gelangen. So wird über den Kontakt mit dem Fahrzeug und dessen Anhaftungen wiederum ein Kontakt zu den genannten Körperflüssigkeiten hergestellt. Da die geschilderten Zustände für sämtliche sich in der Hauptstadt der Mongolei befindenden Personen und somit auch für die Geschäftspartner des Klägers relevant sind, besteht nach Auffassung der Kammer eine besonders hohe Wahrscheinlichkeit, dass sich der Kläger über Schmierinfektionen beim Anfassen von Gegenständen (z. B. Türklinken), beim Benutzen von schlecht gereinigtem Geschirr, Gläsern oder Besteck, bei den Geschäftsessen oder auch nur beim Händeschütteln mit den genannten Körperflüssigkeiten in Kontakt kam. Auch die Kontaktpersonen des Klägers hatten nämlich nicht die Möglichkeit, sich nach den Toilettenbesuchen oder nach einem Kontakt mit Körperflüssigkeiten infizierter Personen in hygienisch ausreichender Weise die Hände zu waschen. Daher besteht in der Mongolei das deutlich erhöhte Risiko, dass das CMV-Virus im Wege der Schmierinfektion immer weiterverschleppt wird. Die vom Kläger geschilderten Situation finden weiterhin ihre Bestätigung in den von seiner Prozessbevollmächtigten im Schriftsatz vom 11.01. 2013 zitierten Internet-Berichten von World-Vision und dem Hygiene and Sanitation Situation Report vom Januar 2006 (Bl. 151 SG-Akte). Die Kammer hält daher die Ausführungen von Dr. O., nach der gerade die hygienischen Verhältnisse für die Übertragung der CMV eine entscheidende Rolle spielen und im vorliegenden Fall mit einer drastischen Erhöhung der Übertragungsgefahr einhergehen, für überzeugend. Die Beklagte hat hingegen nicht ausreichend genug beachtet, dass die Durchseuchung des Arbeitsumfeldes auf der einen und die Übertragungsgefahr aufgrund der versicherten Verrichtungen auf der anderen Seite in einer Wechselbeziehung zueinander stehen und im vorliegenden Fall ein hoher Durchseuchungsgrad und aufgrund der hygienischen Verhältnisse eine hohe Übertragungsgefahr sich gegenseitig verstärken. Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass die hohe Durchseuchung in der Mongolei unmittelbar auf die hygienischen Verhältnisse zurückzuführen sein dürfte. Bei einer Durchseuchungsrate von 100 % lässt sich schließlich auch die Aussage, dass es in Familien mit infizierten Kindern nur in einem von fünf Fällen zu einer Infektion der Eltern kommen würde, jedenfalls für die Mongolei bereits rein rechnerisch nicht ohne weiteres aufrecht erhalten.
Weiterhin war der Kläger auch während der Geschäftsessen und Restaurantbesuche, denen er sich nicht entziehen konnte, unfallversicherungsrechtlich geschützt. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass nach der Rechtsprechung des BSG während einer Dienstreise bereits der Weg zu und von der Nahrungsaufnahme grundsätzlich zu den Verrichtungen gehört, die im ursächlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen, die den Versicherten in die fremde Stadt geführt hat. Die unterschiedliche Behandlung des Versicherungsschutzes auf Wegen nach und von der Nahrungsaufnahme und während der Einnahme des Essens rechtfertigt sich während einer Dienstreise daraus, dass der Versicherte zu Hause nicht durch die versicherte Tätigkeit gehalten ist, ein Restaurant aufzusuchen (BSG SozR 2200 § 548 Nr. 50). Aufgrund der katastrophalen hygienischen Verhältnisse und der damit verbundenen besonderen Gefährdung standen darüber hinaus auch Verrichtungen, die üblicherweise privaten bzw. eigenwirtschaftlichen Charakter besitzen - Nahrungsaufnahme und Aufenthalt auf der Toilette - im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit (Bereiter-Hahn/Mehrtens, Unfallversicherung, Kommentar, § 8 SGB VII, Rz. 7.15.4)
Dr. O. hat schließlich überzeugend dargelegt, dass der Kläger sogar in größerem Maße der Gefahr einer CMV-Infektion ausgesetzt war als Personen, die in der Bundesrepublik Deutschland im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder einem Laboratorium arbeiten. Der Kläger war nämlich aus sozialen Gründen daran gehindert, ausreichende Schutzmaßnahmen zu treffen und konnte sich nicht durch das Tragen von Schutzhandschuhen oder der Vermeidung von Nahrungsaufnahme der potentiellen Infektionsgefahr entziehen. Demgegenüber haben die Beschäftigten im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium die Möglichkeit, sich durch geeignete Schutzmaßnahmen insbesondere Schutzhandschuhe und Mundschutz, vor einer Infektion zu schützen.
Nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. O. stellen schließlich auch die Krankheitssymptome, die der Kläger ab Mitte April 2010 aufwies (Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen, Mandelentzündung, Lymphknotenschwellung), die typischen Krankheitsanzeichen einer CMV-Infektion dar. Dazu korreliert auch die Inkubationszeit einer CMV-Infektion, die schätzungsweise 4 - 8 Wochen beträgt.
Abschließend weist die Kammer darauf hin, dass sie die Ermittlungen der Beklagten hinsichtlich der arbeitstechnischen und medizinischen Voraussetzungen für nicht ausreichend ansieht. Dies betrifft nicht nur die offenbar völlig unzutreffenden Vorstellungen über die hygienischen Zustände in einem sog. Entwicklungsland, sondern auch den Umstand, dass für ihre Auffassung keine ausreichende medizinisch-sachverständige Expertise vorliegt. Die erforderliche medizinische Sachverhaltsaufklärung, in der fachkundig der konkrete Sachverhalt zu den rechtlich-medizinischen Voraussetzungen in Beziehung zu setzen ist, musste daher durch das Gericht nachgeholt werden. Die Beklagte muss daher in künftigen Fällen damit rechnen, dass ihr bei einer vergleichbaren Konstellation gemäß § 192 Abs. 4 SGG die Kosten hierfür auferlegt werden. Für die Begutachtung und die ergänzende Stellungnahme von Dr. O. mussten immerhin über 1800.- EUR aufgewendet werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.