Sozialgericht Lüneburg
Urt. v. 15.04.2013, Az.: S 2 U 130/10

Vorliegen eines Arbeitsunfalls bei selbstständigem Tätigwerden eines Arbeitslosen ohne Aufforderung nach § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII

Bibliographie

Gericht
SG Lüneburg
Datum
15.04.2013
Aktenzeichen
S 2 U 130/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2013, 41941
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGLUENE:2013:0415.S2U130.10.0A

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Arbeitsunfalls.

Der im Jahr 1972 geborene Kläger besitzt einen Universitätsabschluss als Diplom-Kaufmann. Von 2003 - 2010 war er als Medizin Controller und Qualitätsmanager beschäftigt, zuletzt bei der F ... Am Freitag, den 05.02.2010, wurde ihm von seinem Arbeitgeber mit Wirkung zum 31.03.2010 gekündigt. Am darauf folgenden Montag stellte er bei der Agentur für Arbeit Lüneburg einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II. Am 15.02.2010 wurde zwischen der Agentur für Arbeit (= AfA) Lüneburg und dem Kläger eine Eingliederungsvereinbarung geschlossen. Die Eingliederungsvereinbarung enthielt unter dem Stichpunkt "Bemühungen des Klägers" unter anderem die Verpflichtung, zur Stellensuche intensiv persönliche Netzwerke, Job-Börsen, Arbeitgeber-Homepages u. ä. zu nutzen. Als nächster Termin zur Vorsprache bei der AfA Lüneburg war der 31.03.2010 angegeben.

Am 07.02.2010 erlitt der Kläger auf dem Weg zur AfA Lüneburg einen Unfall, als er auf der dortigen Eingangstreppe abrutschte. Im Durchgangsarztbericht von Dr. G. vom 18.02.2010 wurde als Diagnose eine "Fraktur des 5. Mittelfußknochens links" angegeben. Mit dem Schreiben vom 03.03.2010 teilte die Beklagte Dr. G. mit, dass ein Arbeitsunfall nicht vorgelegen habe und das Heilverfahren zulasten der Beklagten mit sofortiger Wirkung einzustellen sei. Eine Kopie dieses Schreibens ging an den Kläger mit der Bitte um Mitteilung, ob er einen rechtsbehelfsfähigen Bescheid wünsche. Im Schreiben vom 12.03.2010 vertrat der Kläger die Auffassung, dass die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII in seinem Fall erfüllt seien. Die Meldepflicht des § 309 SGB III würde auch für ihn gelten. Die im Gesetz vorgeschriebene besondere Aufforderung sei in seinem Fall durch die Eingliederungsvereinbarung ersetzt worden. Gemäß § 119 Abs. 4 Nr. 3 SGB III sei die Pflicht zur Inanspruchnahme von Informationseinrichtungen der AfA darüber hinaus auch gesetzlich verankert. Mit dem Bescheid vom 16.04.2010 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 17.02.2010 als Arbeitsunfall ab. Zwar habe der Kläger grundsätzlich der Meldepflicht des § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII unterlegen. Es habe jedoch keine an seiner Person gerichtete Aufforderung der AfA Lüneburg vorgelegen, am Unfalltag diese oder eine andere Stelle aufzusuchen. Die Eingliederungsvereinbarung sei keine Willensäußerung, sich zu einem bestimmten Termin - d. h. hier: 17.02.2010 - bei der AfA Lüneburg im Berufsinformationszentrum vorzustellen. Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit dem Widerspruchsbescheid vom 22.09. 2010 zurückgewiesen.

Hiergegen hat der Kläger am 23.10.2010 beim Sozialgericht (= SG) Lüneburg Klage erhoben und weiterhin die Auffassung vertreten, dass vor dem Hintergrund der in § 119 Abs. 4 Nr. 3 SGB III genannten gesetzlichen Verpflichtungen die Eingliederungsvereinbarung einer an ihn gerichteten Aufforderung gleichkommen würde. Demgegenüber hat die Beklagte die Auffassung vertreten, dass nicht sämtliche Eigenbemühungen eines Arbeitslosen unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung fallen würden. Zum Unfallzeitpunkt habe keine konkrete Aufforderung der AfA Lüneburg bestanden, sich dort vorzustellen. Schließlich hat der Kläger geltend gemacht, dass Versicherungsschutz auch gemäß der Vorschrift § 2 Absatz ein Nr. 3 SGB VII vorliegen würde.

Der Kläger beantragt,

  1. 1.)

    den Bescheid der Beklagten vom 16.04.2010 und den Widerspruchsbescheid vom 22.09.2010 aufzuheben,

  2. 2.)

    festzustellen, dass es sich bei dem Ereignis vom 17.02.2010 um einen Arbeitsunfall gehandelt hat.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Entscheidung wurden die Gerichtsakten und die Akten der Beklagten zugrunde gelegt. Auf ihren Inhalt wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gem. § 54 Abs. 1 und § 55 Abs. 1 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz (= SGG) zulässig. Nachdem die Beklagte einen Leistungsanspruch des Klägers insgesamt mit der Begründung verneint hat, ein Arbeitsunfall liege nicht vor, ist zunächst diese Voraussetzung als Grundlage möglicher Leistungsansprüche im Wege der Feststellungsklage zu klären (BSG, Urt. v. 15.02.2005 - B 2 U 1/04; Urt. 07.09.2004 - B 2 U 45/03 - SozR 4-2700 § 2 Nr. 2). Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig, da das Ereignis vom 17.02.2010 nicht als Arbeitsunfall anerkannt werden kann. Gemäß § 8 Abs. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (= versicherte Tätigkeit). Eine versicherte Tätigkeit ist gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit.

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII (i. d. F. des Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz, BGBl. I 2005, 2729) sind in der Unfallversicherung u. a. kraft Gesetzes Personen versichert, die nach den Vorschriften des SGB II der Meldepflicht unterliegen, wenn sie einer besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung des nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II zuständigen Trägers nachkommen, diese oder eine andere Stelle aufzusuchen.

Der Kläger unterlag im Zeitpunkt zwar des Unfalls der allgemeinen Meldepflicht nach § 59 SGB II i. V. m. § 309 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (= SGB III), da er kurz vorher einen Antrag auf SGB II-Leistungen gestellt hatte. Der Weg, auf dem er den Unfall erlitt, wurde jedoch von ihm nicht unternommen, weil er "im Einzelfall" einer "Aufforderung" des nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB II zuständigen Trägers (hier der AfA Lüneburg) nachgekommen wäre. Zwar hält es die Kammer für glaubhaft, dass der Kläger am 17.02.2010 auf dem Weg zur AfA Lüneburg einen Unfall mit Verletzungen des 5. linken Mittelfußknochens erlitten hat. Eine konkrete Aufforderung der AfA Lüneburg, diese gerade an diesem Tag aufzusuchen, hat jedoch nicht vorgelegen. Das selbstständige Tätigwerden des Arbeitslosen ohne Aufforderung ist wiederum nach der Rechtsprechung des BSG grundsätzlich nicht versichert (BSG, Urt. v 31.01.1974 - 2 RU 169/72 - SozR 2200 § 550 Nr. 1; BSG SozR 2200 § 539 Nr. 119; BSG, Urt. v. 24.06.2003 - B 2 U 45/02 R). Diese Entscheidungen sind zwar zu Versicherten nach dem SGB III ergangen. Nichts anderes gilt aber für die selbständige Arbeitssuche eines Beziehers von Leistungen nach dem SGB II (Landessozialgericht (= LSG) Sachsen-Anhalt, Urt. v. 11.10.2012 - L 6 U 6/10, m. w. N.). Eine Aufforderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII setzt dabei die Äußerung eines auf Herbeiführung einer Rechtswirkung gerichteten Willens voraus. Maßstab zur Beurteilung, ob eine bestimmte Verlautbarung eine derartige Willenserklärung darstellt, ist ihr Erklärungswert. Entscheidend hierfür ist nicht, was die auffordernde Stelle äußern wollte, sondern wie der Inhalt der Verlautbarung unter den gegebenen Umständen vom Empfängerhorizont aus betrachtet objektiv zu verstehen ist (BSG, Urt. v. 11.09.2001 - B 2 U 5/01 R). Zwar kann auch eine mit einer Bitte oder Empfehlung umschriebene Äußerung eine Aufforderung sein, sofern nur der Eindruck vermittelt wird, es werde ein bestimmtes Verhalten erwartet (BSG, Urt. vom 08.12.1994 - 2 RU 4/94 - SozR 3-2200 § 539 Nr. 32; BSG, Urt. v. 05.02.2008 - B 2 U 25/06 R - SozR 4-2700 § 2 Nr. 11, m. w. N.). Unter einer Aufforderung i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII ist allerdings mehr als ein (stillschweigendes) Einverständnis oder eine Anregung oder Ausführungen in einem Merkblatt zu verstehen (BSG, Urt. v. 24.06. 2003 - B 2 U 45/02 R).

Vor diesem Hintergrund hat nach Auffassung der Kammer die zwischen der AfA Lüneburg und dem Kläger geschlossene Eingliederungsvereinbarung eine konkrete Aufforderung, bei der AfA Lüneburg am Unfalltag zu erscheinen, nicht ersetzt. Vielmehr wurde in der Eingliederungsvereinbarung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Kläger erst wieder am 31.03.2010 dort vorstellig werden musste. Die in der Eingliederungsvereinbarung genannte Verpflichtung, zur Stellensuche intensiv persönliche Netzwerke, Job-Börsen, Arbeitgeber Homepages u. ä. zu nutzen, umschreibt demgegenüber allgemeine Verpflichtungen des Klägers, die einer konkreten, auf den Einzelfall bezogenen, besonderen Aufforderung, an einem bestimmten Ort zu erscheinen, nicht bedürfen. Vielmehr können und sollen die genannten Eigenbemühungen auch ohne Beteiligung des zuständigen SGB II-Trägers in Angriff genommen werden.

Die Kammer befindet sich mit dem gefundenen Ergebnis auch im Einklang mit der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt. Dieses hat im Urteil vom 11.10.2012 (L 6 U 6/10) unter anderen folgendes ausgeführt:

Der einengende Wortlaut des § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII ist auch kein Zufall. Wie sich bereits aus den Gesetzesmaterialien zur RVO ergibt, war grundsätzlich kein allgemeiner Versicherungsschutz für Arbeitslose oder Arbeitssuchende gewollt, sondern nur eine eher punktuell zu nennende Regelung (vergl. Becker, Sozialrecht aktuell 2009, 95). Ein Vorstoß des Ausschusses für Arbeit- und Sozialpolitik des Bundesrates, solche Personen in den Schutz des geplanten § 539 Abs. 1 Nr. 4 RVO einzubeziehen, die auf eine an sie persönlich gerichtete Aufforderung eines Unternehmers zur Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses Arbeits- oder Verträglichkeitsproben ablegen, ist bewusst abgelehnt worden (BR-Drs. 94/1/63, 51; BT-Drs. IV/938, 4).

Die Rechtslage gilt weiter, wie bereits der insoweit unveränderte Wortlaut des Gesetzes zeigt. Im Gegenteil hat der Gesetzgeber § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII im Zuge der Einführung des SGB II geändert, was sich bereits zwanglos daraus ersehen lässt, dass das SGB II in dieser Vorschrift ausdrücklich zitiert wird (seit der Schaffung des SGB II durch das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003; vgl. Art. 7 Nr. 1 dieses Gesetzes). Über den - soweit hier von Interesse - unveränderten Wortlaut wird dies auch anhand der Gesetzesentwurfsbegründung deutlich, wonach es sich nur um eine Anpassung an die neuen Zuständigkeiten bzw. eine redaktionelle Anpassung handelt (BT-Drs. 15/1516, 73 zum Vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt). Trotz mehrfacher Änderungen blieb der Wortlaut in dem maßgeblichen Teil bis heute gleich. Dies wird besonders deutlich durch den jüngst eingefügten § 2 Abs. 1 Nr. 14 b) SGB VII, wodurch die bisherige Vorschrift im Wesentlichen unverändert zu § 2 Abs. 1 Nr. 14 a) SGB VII wurde (vgl. Viertes Gesetz zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22. Dezember 2011, BGB. I 2011, 3062). Denn hierdurch sollte eine Anpassung an die neuen Instrumente der Arbeitsförderung vorgenommen werden (dazu BT-Drs. 17/6764, 24). Trotzdem ist der Wortlaut der hier besonders relevanten Tatbestandsmerkmale nicht geändert worden; weiter wird von einer "besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung ( ) des nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Zweiten Buches zuständigen Trägers ( ), diese oder eine andere Stelle aufzusuchen", ausgegangen.

Damit bleibt die eigenständige Stellensuche im alleinigen Verantwortungsbereich des Versicherten, auch wenn eine Eingliederungsvereinbarung nach § 15 SGB II bzw. § 35 Abs. 4 SGB III vorliegt, die den Betroffenen zum Teil umfangreiche Pflichten auferlegt und insbesondere Eigenbemühungen abverlangt (siehe näher hierzu nur Spellbrink in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 15 Rn. 24 ff.). Dies ersetzt keine besondere Aufforderung im Einzelfall i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII. Trotz des Interesses der staatlichen Gemeinschaft an einer funktionierenden Arbeitsvermittlung und einer niedrigen Arbeitslosigkeit dient die Erlangung eines Arbeitsplatzes vornehmlich den Interessen des Arbeitslosen (Urteil des Senats vom 14. April 2011, L 6 U 99/06 - [...], Rn. 33; vergl. auch Becker, a.a.O.). Rechtsgrund für den hier umstrittenen Versicherungsschutz sind nämlich nur das Rechtsverhältnis zur Arbeitsverwaltung und die sich aus diesem Rechtsverhältnis ergebenden Pflichten. Den meldepflichtigen Personen soll bei der Erfüllung der im Interesse einer geordneten Arbeitsvermittlung liegenden Meldepflicht und bei Herstellung der von der Verwaltung für erforderlich gehaltenen persönlichen Kontakte Unfallversicherungsschutz in gleicher Weise gewährt werden, wie ihn ein Arbeitnehmer in Bezug auf den Weg zum und den Aufenthalt am Arbeitsplatz hat (BSG, Urteil vom 8. Dezember 1994 - 2 RU 4/94 - SozR 3-2200 § 539 Nr. 32 = [...] Rn. 29 mwN). Daher bietet es sich an, hier die selbständige, eigenwirtschaftliche Tätigkeit von dem weisungsabhängigen, eher fremdnützigen Befolgen einer Aufforderung abzugrenzen.

Der Träger von SGB II-Leistungen kann nur abstrakt und allgemein zu Bewerbungsbemühungen auffordern und insoweit maximal eine generelle, "antizipierte" Aufforderung zu Vorstellungsgesprächen vorsehen, sofern sich dafür eine Gelegenheit ergeben sollte. Eine besondere Aufforderung im Einzelfall, wie sie das Gesetz ausdrücklich vorsieht, ist hier aber schon sprachlich nicht denkbar. Dieser aus dem allgemeinen Sprachgebrauch zu entnehmende Wortsinn einer "besonderen, an sie im Einzelfall gerichteten Aufforderung" bildet den Ausgangspunkt und bestimmt zugleich die Grenze der Auslegung, da das, was jenseits des möglichen Wortsinns liegt, mit ihm auch bei "weitester" Auslegung nicht mehr vereinbar ist, nicht als Inhalt des Gesetzes gelten kann (BSG, Urteil vom 24. Juni 2003 - B 2 U 45/02 R - [...] zu § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB VII unter Hinweis auf Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Aufl, 163, 164). Eine Ausweitung des Unfallversicherungsschutzes nach § 2 Abs. 1 Nr. 14 SGB II auf die selbstständige Stellensuche ist so weit vom Wortlaut in dieser Norm entfernt, dass eine richterliche Rechtsfortbildung nicht mehr in Betracht kommt.

Die Ausweitung des Versicherungsschutzes auf alle Tätigkeiten, die der Erlangung einer Arbeitsstelle dienen, ist nicht möglich, da dann der Unfallversicherungsschutz konturen- und letztlich uferlos würde. Unklar wäre auch die Sachlage, wenn mehr als die der Anzahl nach konkret aufgegebenen Bewerbungen pro Monat abgegeben werden würde und nur die letzte - möglicherweise Monate später - in ein Vorstellungsgespräch münden würde (vgl. zu Bewerbungen aus Eigeninitiative Urteil des Senats vom 25. Mai 2011 - L 6 U 123/07 - [...]). Hier stellen sich viele Abgrenzungsfragen und auch Fragen der Gleichbehandlung, soweit man im Übrigen - wie das BSG - Bewerbungen aus Eigeninitiative weiterhin nicht unter den Schutz der Gesetzlichen Unfallversicherung stellt. Ein allgemeiner Versicherungsschutz für Arbeitslose und Arbeitssuchende ist jedoch nicht gewollt (Urteil des Senats vom 14. April 2011, L 6 U 99/06 - [...], Rn. 33; vergl. auch Becker, a.a.O.).

Es besteht daher keine Gesetzeslücke. Fälle wie der vorliegende sind nicht deshalb vom Gesetz nicht erfasst, weil der Gesetzgeber solche Sachverhalte übersehen hätte, sondern im Gegenteil nicht unter Unfallversicherungsschutz stellen wollte (ausführlich dazu Schlegel in Schulin, Handbuch Unfallversicherung, § 18 Rn. 15). Das BSG hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass für die Zubilligung von Unfallversicherungsschutz bei einem Arbeitslosen beim Vorliegen anerkennenswerter bzw. zwingender Gründe jenseits des gesetzlichen Tatbestandes kein Raum besteht (BSG, 24. Juni 2003 - B 2 U 45/02 R - [...]; siehe auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 4. Juli 2012, L 3 U 209/11 - [...]). Die Tatbestandsvoraussetzungen, die an die für den Unfallversicherungsschutz für Arbeitslose erforderliche Aufforderung zu stellen sind, wurden vom Gesetzgeber des SGB VII gerade gegenüber dem zumindest weiteren Wortlaut der Vorgängervorschrift der RVO "präzisiert" (vgl. BT-Drucks 13/2204, 75 zu Nr. 14), um den Unfallversicherungsschutz genau auf diesen Bereich möglicher Aktivitäten der Arbeitslosen zu begrenzen und ihn nicht ausufern zu lassen. Eine Rechtsfortbildung würde demgegenüber der Sache nach sogar noch einen zusätzlichen neuen Tatbestand schaffen, bei dessen Vorliegen Arbeitslose unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stünden. Angesichts dieser Ausgangssituation und der bewussten Zurückhaltung des Gesetzgebers trotz der genannten Entscheidung des BSG könnte eine solche Ausweitung des Unfallversicherungsschutzes nicht von der Rechtsprechung vorgenommen werden, sondern nur vom Gesetzgeber. Dies ist nicht geschehen (vgl. BSG, 24. Juni 2003 - B 2 U 45/02 R - [...]).

Diesen Ausführungen schließt sich die Kammer vollinhaltlich an.

Versicherungsschutz besteht schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des § 2 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII. Versichert sind danach Personen, die sich Untersuchungen, Prüfungen oder ähnlichen Maßnahmen unterziehen, die aufgrund von Rechtsvorschriften zur Aufnahme einer versicherten Tätigkeit oder infolge einer abgeschlossenen versicherten Tätigkeit erforderlich sind, soweit diese Maßnahmen vom Unternehmen oder einer Behörde veranlasst sind. Diese Vorschrift bezieht sich im Wesentlichen auf Eignungstests, gesundheitliche Untersuchungen, Schutzimpfungen u. ä., die zur Aufnahme eines bestimmten, bereits hinreichend konkretisierten Beschäftigungsverhältnisses erforderlich sind. Die Eigenbemühungen im Rahmen des SGB II beziehungsweise SGB III betreffen demgegenüber eine Situation, in der noch nicht einmal Klarheit darüber besteht, ob der Arbeitssuchende überhaupt eine Stelle findet. Die Vorschrift ist daher nach Auffassung der Kammer hier nicht einschlägig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.