Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 31.01.2018, Az.: 2 Sa 945/17

Formularmäßige Ausschlussfrist für Ansprüche aus unerlaubter Handlung und aufgrund von Wettbewerbsverstößen; Unbegründete Widerklage der Arbeitgeberin auf Schadensersatz wegen Wettbewerbsverstößen bei verspäteter Geltendmachung

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
31.01.2018
Aktenzeichen
2 Sa 945/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 61072
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
BAG - 19.12.2018 - AZ: 10 AZR 233/18

Fundstellen

  • NZA-RR 2018, 351-354
  • NZA-RR 2019, 573-574
  • PflR 2019, 354-362

Amtlicher Leitsatz

Die in einem Formulararbeitsvertrag als Allgemeine Geschäftsbedingung enthaltene Ausschlussfrist von "zwei Wochen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses und Klagerhebung innerhalb von vier Wochen für Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis" erfasst neben vertraglichen Schadensersatzansprüchen auch Ansprüche des Arbeitgebers aus unerlaubter Handlung und wegen Wettbewerbsverstößen (entgegen BAG, 20 Juni 2013, 8 AZR 280/12).

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts C-Stadt vom 6. April 2016 - 2 Ca 493/15 - wird auch hinsichtlich der Widerklage zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens vor dem Bundesarbeitsgericht - 10 AZN 454/17 - trägt die Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 175.109,16 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche der Beklagten wegen Wettbewerbsverstößen der Klägerin.

Die Beklagte betreibt einen Pflegedienst. Sie beschäftigte unter anderem die Arbeitnehmer S., N., Sch., B., R., E., W. und D.

Die Klägerin war bei der Beklagten vom 13. März 2014 bis zum 16. November 2015 als Pflegedienstleitung beschäftigt. Sie erzielte bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden einen Bruttomonatslohn in Höhe von 2.600,00 €. Dem Arbeitsverhältnis lag - zuletzt - der Arbeitsvertrag vom 1. April 2015 zugrunde. Darin heißt es unter anderem (Bl. 8 f. d. A.):

"...

§ 4 - Kündigung

Während der Zeit einer Befristung und in der Probezeit kann der Anstellungsvertrag von beiden Seiten mit einer Frist von 14 Tagen ohne Angaben von Gründen gekündigt werden. Im Übrigen gelten die gesetzlichen Kündigungsfristen.

Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis können nur innerhalb von zwei Wochen nach Beendigung geltend gemacht werden, Klageerhebung innerhalb von vier Wochen. Späteres Geltendmachen von Ansprüche ist hiermit ausgeschlossen.

Kündigungen haben in jedem Falle schriftlich zu erfolgen.

..."

Mit Schreiben vom 9. Oktober 2015 erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 16. November 2015.

Die Arbeitnehmerinnen R. und E. kündigten ihre Arbeitsverhältnisse mit der Beklagten mit Schreiben vom 21. Oktober 2015 zum 15. November 2015 (Bl. 35, 36 d. A.). Ebenfalls zum 15. November 2015 beendete die Arbeitnehmerin D. ihr Arbeitsverhältnis mit der Beklagten. Die Arbeitnehmerin W. nahm ihre Tätigkeit bei der Beklagten nach einer Arbeitsunfähigkeit im November 2015 nicht mehr auf. Das Arbeitsverhältnis endete im Wege eines Prozessvergleiches zum 30. November 2015.

Mit Schreiben vom 27. Oktober 2015 forderte die Beklagte die Klägerin auf, Abwerbeversuche bei Patienten und Mitarbeiter zu unterlassen. In dem Schreiben heißt es unter anderem (Bl. 64 f. d. A.):

"...

Unsere Mandantin hat Kenntnis davon erlangt, dass Sie diverse Patienten und auch Arbeitnehmer unserer Mandanten angesprochen haben, um diese dazu zu bewegen, das Vertragsverhältnis mit unserer Mandantin zu beenden und zu einem neuen Anbieter bzw. Arbeitgeber zu wechseln. Ganz offensichtlich handelt es sich um einen Anbieter bzw. Arbeitgeber, für den Sie nach Ende der Beschäftigung bei unserer Mandantin tätig sein werden.

...

In Folge Ihrer bisherigen Abwerbetätigkeit ist unserer Mandantin ein nicht unerheblicher Schaden entstanden. Für diesen wird unsere Mandantin Sie noch gesondert ersatzpflichtig machen.

..."

Dem Schreiben war eine Unterlassungserklärung beigefügt (Bl. 219 d. A.), welche die Klägerin nicht unterzeichnete.

Die Klägerin teilte der Beklagten unter dem 4. November 2015 mit, dass sie weder Patienten noch Arbeitnehmer der Beklagten abgeworben habe bzw. dieses auch nur versucht habe.

Die Beklagte erbrachte Pflegeleistungen unter anderem für das Ehepaar S.. Unter dem 10. November 2015 kündigten die Eheleute S. den Pflegevertrag zum 15. November 2015. Nach einem Anruf vom 12. November 2015 erklärten die Eheleute S., doch bei der Beklagten bleiben zu wollen und ihre Kündigung "zurückzuziehen".

Mit Schreiben vom 28. Oktober 2015 kündigten die Eheleute F. den Pflegevertrag mit der Beklagten zum 31. Oktober 2015. Am 30. Oktober 2015 rief die Klägerin gegen 18:20 Uhr bei dem von der Beklagten betreuten Patienten Herrn M. an und erkundigte sich nach dessen Gesundheitszustand. Sie bat darum, seine Ehefrau sprechen zu können. Mit Schreiben vom 9. November 2015 kündigte Herr M. den Pflegevertrag mit der Beklagten mit sofortiger Wirkung. Die Patienten P., F., R., H., H., Sch. und B. kündigten ihre Pflegeverträge noch während der Beschäftigungszeit der Klägerin zum 15. November 2015. Sie werden nunmehr ebenso wie Herr M. von der Pflegedienst P.-L. GmbH (ehemals Pflegedienst B. & B. GmbH) betreut.

Die Klägerin ist seit Januar/Februar 2016 alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin der Pflegedienst P.-L. GmbH. Die ehemaligen Arbeitnehmerinnen der Beklagten R., E. und W. sind nunmehr ebenfalls bei der Pflegedienst P.-L. GmbH beschäftigt.

Mit ihrer am 7. Dezember 2015 beim Arbeitsgericht C-Stadt eingegangenen Klage hat die Klägerin von der Beklagten die Zahlung der restlichen Vergütung für Oktober und November 2015 sowie Abgeltung für elf Urlaubstage verlangt.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 5.000,- € brutto abzüglich gezahlter 1.619,99 € netto nebst Zinsen in Höhe fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, über die Lohnansprüche der Klägerin für Oktober 2015 und November 2015 eine Abrechnung zu erteilen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit ihrer am 1. Februar 2016 beim Arbeitsgericht eingegangenen Widerklage begehrt sie die Feststellung, dass sich die Klägerin ihr gegenüber ersatzpflichtig gemacht habe, indem sie in grober Weise gegen ihre arbeitsvertraglichen Verpflichtungen verstoßen und während des laufenden Beschäftigungsverhältnisses drei Mitarbeiter und mindestens 13 Patienten abgeworben und zu ihrem neuen Arbeitgeber "mitgenommen habe". Die Klägerin habe zusammen mit der ebenfalls ausgeschiedenen Mitarbeiterin D. mindestens sechs ihrer Arbeitnehmer angesprochen und versucht, diese zu einem Wechsel zu der Pflegedienst B. & B. GmbH (jetzt Pflegedienst P.-L. GmbH) in W. zu bewegen. Die Klägerin sei an den jeweiligen Mitarbeiter herangetreten und habe mitgeteilt, dass sie das Arbeitsverhältnis zur Beklagten kündigen und eine neue Tätigkeit bei der Pflegedienst B. & B. GmbH (jetzt Pflegedienst P.-L. GmbH) aufnehmen werde. In diesem Zusammenhang würde eine Reihe von anderen Mitarbeitern und Patienten die Beklagte verlassen. Die Beklagte gebe es nicht mehr lange, sie werde "pleite" gehen. Die Mitarbeiter sollten das Arbeitsverhältnis zur Beklagten beenden, weil der neue Arbeitgeber eine höhere Vergütung zahle. Die Mitarbeiter S., Sch. und B. hätten dies abgelehnt. Die Klägerin habe die Arbeitnehmer N., E., W. und R. am 8. Oktober 2015 zu einem Gespräch in die Bäckerei M. & E. in die M.-Straße in C-Stadt eingeladen. Dabei habe sie dem Mitarbeiter N. den Entwurf eines Arbeitsvertrages überreicht. Der Mitarbeiter N. habe den Arbeitsvertrag unterzeichnet und ihn sodann widerrufen und sei bei der Beklagten geblieben. Dass die Arbeitnehmer E., W. und R. auf Veranlassung der Klägerin das Arbeitsverhältnis beendet hätten, sei durch das konspirative Treffen in der Bäckerei M. & E. belegt.

Die Klägerin habe mehrfach versucht, die Eheleute S. zu veranlassen, den Pflegedienst zu wechseln. Am 22. Oktober 2015 habe die Klägerin den Eheleuten F. eine Visitenkarte der Pflegedienst B. & B. GmbH (jetzt Pflegedienst P.-L. GmbH) ausgehändigt. Die Patienten P., F., R. und Sch. seien von der Mitarbeiterin W. betreut worden. Diese Patienten hätten in Folge der Abwerbung der Mitarbeiterin W. neue Verträge mit der Pflegedienst B. & B. GmbH (jetzt Pflegedienst P.-L. GmbH) abgeschlossen. Es komme nicht darauf an, ob die Klägerin diese Patienten abgeworben habe. Die Patienten, die von den Mitarbeiterinnen W. und D. betreut worden seien, hätten weiter von ihnen betreut werden wollen und deshalb das Vertragsverhältnis der Beklagten beendet. Der Patient H. sei von der Klägerin mehrfach aufgefordert worden, den Pflegedienst zu wechseln.

Widerklagend hat die Beklagte beantragt,

festzustellen, dass die Klägerin der Beklagten zum Schadensersatz verpflichtet ist aufgrund der Tatsache, dass diese während der Dauer ihres Beschäftigungsverhältnisses die Mitarbeiterinnen R., E. und W. geb. W. sowie die Patienten E. und K. F., P., F., R., M., A. und G. S., H., Sch., B. und T. in der Weise abgeworben hat, dass diese die bestehenden Vertragsverhältnisse mit der Beklagten beendet haben und neue Vertragsverhältnisse mit der Pflegedienst B. & B. GmbH eingegangen sind.

Die Klägerin hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Die Klägerin hat behauptet, sie habe keine Mitarbeiter und Patienten der Beklagten abgeworben und sie auch nicht aufgefordert, das Vertragsverhältnis mit der Beklagten zu beenden. Nach Bekanntwerden ihrer Kündigung sei sie von Mitarbeitern darauf angesprochen worden. Ihre Kollegen hätten sich eigenständig dazu entschlossen, das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten zu beenden. Unabhängig davon könne die Beklagte auch einen Schaden kaum beziffern. Patienten könnten ihre Verträge mit einem ambulanten Pflegedienst - wie ihn die Beklagte unterhalte - jederzeit ohne Einhaltung von Kündigungsfristen oder Angabe von Gründen kündigen (BGH - III ZR 2003/10 -). Die Beklagte könne bei einem täglichen Kündigungsrecht nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass diese Verträge auf unabsehbare Zeit Bestand hätten. Sie könne bei ihren Schadensberechnungen ein zukünftig nach Dauer und Umfang gesichertes Vertragsvolumen nicht zugrunde legen und damit auch keine gesicherten zukünftigen Einnahmen. Es sei auch nicht ungewöhnlich, wenn der Wechsel einer von den Patienten geschätzten Pflegekraft zu einem anderen Pflegedienst einen entsprechenden Wechsel des Patienten zur Folge habe. Gerade dies solle durch das jederzeitige Kündigungsrecht des Pflegevertrages sichergestellt werden. Vorsorglich wende sie ein, dass die in Rede stehenden Vertragsverhältnisse auch ohne die - unterstellte - Einflussnahme von ihr bereits zum nächst zulässigen Zeitpunkt nach der behaupteten Einflussnahme von den jeweiligen Patienten gekündigt worden wären.

Mit Urteil vom 6. April 2016 hat das Arbeitsgericht C-Stadt der Klage bis auf einen geringen Teil des Zinsantrages stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Die zulässige Widerklage sei unbegründet. Der Beklagten stehe weder ein Schadenersatzanspruch aus Vertragsverletzung (§ 280 Abs. 1 BGB) noch aus unerlaubter Handlung (§ 823 ff. BGB) noch aus § 61 Abs. 1 Halb. 1 HGB zu. Die Beklagte habe zur Begründung der Schadensersatzansprüche die Entstehung eines kausalen Schadens bzw. eine kausal zum Schaden führenden Verletzungshandlung der Klägerin nicht hinreichend dargelegt. Substantiierte Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin vor ihrem Ausscheiden aus dem Betrieb der Beklagten über Vorbereitungshandlungen hinausgehend unzulässig Arbeitnehmer abgeworben habe, ließen sich dem Sachvortrag der Beklagten nicht entnehmen. Ein bloßer Verdacht reiche nicht aus. Dem Vortrag der Beklagten lasse sich auch nicht entnehmen, dass die Klägerin Patienten abgeworben habe. Die Beklagte hätte im Einzelnen darlegen müssen, wann und wem gegenüber die Klägerin welche Erklärungen, die sich als unzulässige Abwerbung von Kunden darstellten, abgegeben habe. Allein der zeitliche Zusammenhang zwischen der Beendigung der Verträge, der (auch) von der Klägerin betreuten Patienten mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses genüge in diesem Zusammenhang nicht. Wegen der weiteren Einzelheiten der rechtlichen Würdigung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils, S. 6 - 15 desselben, Bl. 110 - 119 d. A. Bezug genommen.

Das Urteil ist der Beklagten am 29. April 2016 zugestellt worden. Hiergegen hat sie mit einem am Montag, dem 30. Mai 2016 beim Landesarbeitsgericht Niedersachsen eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 29. Juli 2016 eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem zuvor auf ihren Antrag vom 29. Juni 2016 durch Beschluss vom 30. Juni 2016 die Berufungsbegründungsfrist bis zum 29. Juli 2016 verlängert worden war.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihre erstinstanzlichen Ziele weiter. Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen.

Das Arbeitsgericht habe zu Unrecht die Widerklage abgewiesen. Die Abwerbung der Mitarbeiterinnen R., E. und W. habe sich wie bei dem Mitarbeiter N.n vollzogen und zwar während des Treffens am 7. oder 8. Oktober 2015 in der Bäckereifiliale M. & E.. Die Klägerin habe bei diesem Treffen geschildert, dass sie sich selbstständig machen wolle. Sie habe nachgefragt, ob irgendwelche Einwendungen seitens der Anwesenden bestehen würden, wenn der Mitarbeiter N.n die Pflegedienstleitung übernehmen werde. Schließlich habe die Klägerin dem Mitarbeiter N.n sowie den Mitarbeiterinnen R., E. und W. Arbeitsverträge und Mustertexte für eine Kündigung vorgelegt. Diese seien an Ort und Stelle unterzeichnet worden. Bei der ehemaligen Mitarbeiterin W. sei entscheidend, dass sie nicht mehr zur Arbeit erschienen, sondern für die heutige Gesellschaft der Klägerin tätig geworden sei. Sofern sie Abwerbeversuche der Klägerin gegenüber den Mitarbeiterinnen Sch. und S. dargelegt und hierfür Beweis angeboten habe, belege dies, mit welcher Intensität die Klägerin versucht habe, Mitarbeiter der Beklagten abzuwerben. Es sei ausreichend, dass sie gewichtige Anhaltspunkte für entsprechende Pflichtverletzungen der Klägerin vortrage. Die Klägerin trage insoweit die sekundäre Beweislast. Sie könne sich nicht auf ein einfaches Bestreiten zurückziehen. Sie habe als Gesellschafterin und Geschäftsführerin der Pflegedienst P.-L. GmbH Zugang zu allen Verträgen der ehemaligen Pflegedienst B. & B. GmbH. Bezüglich der abgeworbenen Patienten stelle das Arbeitsgericht zu hohe Hürden hinsichtlich der Darlegungs- und Beweislast auf. Die Abwerbung sei einerseits durch direktes Abwerben erfolgt und andererseits dadurch, dass Mitarbeiter abgeworben worden seien, die dann Patienten "mitgezogen" hätten. Hinsichtlich der ersten Gruppe habe sie die Abwerbehandlungen konkret vorgetragen. Bei der zweiten Gruppe sei es im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes vom 16. Januar 2013 (- 10 AZR 560/11 -) ausreichend, wenn sie vortrage, dass die betreffenden Mitarbeiterinnen abgeworben und die von ihnen betreuten Patienten dadurch zum Wechsel veranlasst worden seien. Diese Patienten hätten im Zusammenhang mit den Kündigungen neue Verträge mit der heutigen Gesellschaft der Klägerin abgeschlossen.

Mit Urteil vom 22. März 2017 - 2 Sa 552/16 - hat die erkennende Kammer des Landesarbeitsgerichtes die Berufung der Beklagten ohne Zulassung der Revision zurückgewiesen. Wegen der Einzelheiten der rechtlichen Würdigung wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils, S. 9 - 19 desselben, Bl. 241 - 251 d. A. Bezug genommen.

Auf die hiergegen durch die Beklagte am 24. Mai 2017 eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde hat das Bundesarbeitsgericht das Urteil mit Beschluss vom 23. August 2017 - 10 AZN 454/17 - aufgehoben, soweit es die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes Wilhelmshaven vom 6. April 2016 - 2 Ca 493/15 - hinsichtlich des Widerklageantrages zurückgewiesen hat und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, gemäß § 72 a Abs. 7 ArbGG an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Im dem fortgesetzten Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht den Parteien mit Beschluss vom 16. Oktober 2017 Gelegenheit gegeben, weiter vorzutragen.

Die Beklagte behauptet, wären die Patienten nicht abgeworben und weiterhin pflegebedürftig, hätten sie von ihr versorgt und betreut werden können. Der Pflegedienst werde seit ca. 20 Jahren betrieben. In dieser Zeit hätten maximal fünf Kunden/Patienten den Vertrag gekündigt. Bei Nichtabwerbung der Patienten durch die Klägerin hätte sie auch noch heute entsprechende Einnahmen und Überschüsse erzielt. Im Termin zur Kammerverhandlung hat der Geschäftsführer der Beklagten erklärt, es sei so, dass im Falle des Wechsels in der Betreuung die Patienten nach etwa einer Woche den neuen Zustand hinnähmen. Eine Bindung der Patienten an die Betreuungskraft bestehe nicht. Im Hinblick auf die "professionelle Nähe und Distanz" solle eine über die Betreuung hinausgehende persönliche Beziehung zwischen Patient und Betreuungskraft verhindert werden.

Die Beklagte vertritt die Ansicht, die Feststellungsklage sei zulässig, weil die Schadensentwicklung im Zeitpunkt der Erhebung der Widerklage noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Den entstandenen Schaden könne sie erst mit erheblichem zeitlichen Abstand berechnen, nämlich nach Aufstellung und Feststellung ihres Jahresabschlusses.

Die entstandenen Schäden in Höhe von 12.392,69 Euro für das Jahr 2015 und in Höhe von 90.894,69 Euro für das Jahr 2016 habe sie wie folgt ermittelt (Aufstellung gemäß Schriftsatz vom 23. Januar 2018, Bl. 351 ff d. A.): Zunächst habe sie den jeweiligen Personalaufwand nach den Leistungen des SGB V und SGB XI sowie den Sachaufwand je Arbeitsstunden ermittelt. Im nächsten Schritt habe sie die jeweiligen Vergütungen der Krankenkasse nach SGB V und SGB XI dargestellt und in Summe als Rohertrag erfasst. Unter Berücksichtigung des täglichen Einsatzes bei den jeweiligen Patienten, jeweils differenziert nach Leistung nach dem SGB V und dem SGB XI, habe sie den jeweiligen Lohnaufwand errechnet. Den jeweils anfallenden Sachaufwand habe sie jeweils für den einzelnen Patienten ermittelt. Die Summe von Lohnaufwand und Sachaufwand habe sie in der Spalte "Summen Kosten" zusammenaddiert. Schließlich habe sie die Kosten von dem jeweiligen Rohertrag abgezogen. Die Differenz werde in der Spalte Ertrag/Monat dargestellt. Dies entspreche auch dem jeweils entgangenen Gewinn je Patient je Monat. Für das Jahr 2016 habe sie einen pauschalen Abschlag von 30 % vorgenommen, um etwaige Differenzen bei den ersparten Kosten und eine etwaige Abwanderungsquote zu berücksichtigen. Der so ermittelte Betrag sei der Mindestschaden. Die im Jahr 2017 entstandenen Schäden könne sie noch nicht konkret darlegen, weil die erforderlichen Abgrenzungen noch nicht vorgenommen werden könnten.

Ferner vertritt die Beklagte die Ansicht, die §§ 305 ff BGB seien auf den Arbeitsvertrag der Parteien nicht anzuwenden. Hierzu behauptet sie zunächst, sie habe im Rahmen der Vertragsverhandlungen mit der Klägerin ihren Mustervertrag herangezogen. Dieser sei jedoch an verschiedenen Stellen einzeln verhandelt und abgeändert worden. Im Termin zur Kammerverhandlung am 31. Januar 2018 hat der Geschäftsführer der Beklagten erklärt, der Mustervertrag werde jeweils entsprechend der Tätigkeit und der Qualifikation des einzustellenden Mitarbeiters angepasst. Es sei kein richtiger Mustervertrag vorhanden, sondern der Arbeitsvertrag werde speziell für den einzustellenden Arbeitnehmer, seine Tätigkeit und seiner Qualifikation aus verschiedenen Elementen zusammengesetzt.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts C-Stadt vom 6. April 2016 - 2 Ca 493/15 -

1. die Klägerin zu verurteilen, an die Beklagte 76.632,33 Euro nebst Zinsen auf 11.581,46 Euro und auf 65.049,87 Euro in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz jeweils ab Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. widerklagend festzustellen, dass die Klägerin der Beklagten darüber hinausgehend zum Schadensersatz verpflichtet ist aufgrund der Tatsache, dass diese während der Dauer ihres Beschäftigungsverhältnisses die Mitarbeiterinnen R., E. und W. geb. W. sowie die Patienten E. und K. F., P., F., R., M., H., Sch., B. und T. in der Weise abgeworben hat, dass diese die bestehenden Vertragsverhältnisse mit der Beklagten beendet haben und neue Vertragsverhältnisse mit der Pflegedienst B. & B. GmbH (heute Pflegedienst P.-L. GmbH) eingegangen sind.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie behauptet, der Arbeitsvertrag sei ihr von der Beklagten vorgegeben worden. Im Hinblick darauf, dass die abgeschlossenen Verträge mit den Patienten jederzeit und sofort von diesen hätten gekündigt werden können, habe die Beklagte keine Garantie gehabt, dass über das Ende des Arbeitsverhältnisses am 16. November 2015 hinaus die benannten Patienten auf jeden Fall bei ihr geblieben wären. Es komme häufiger zu Kündigungen von Patienten/Kunden, insbesondere dann, wenn Pflegekräfte auch unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist das Arbeitsverhältnis beendeten. In jedem Falle wäre die Klägerin nicht gehindert gewesen, nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses an die Patienten der Beklagten heranzutreten, um diese für den neuen Pflegedienst zu gewinnen. Dies schließe den von der Beklagten geltend gemachten Endlosschaden aus. Deshalb sei auch ein künftiger Schaden nicht erkennbar. Die Schadensberechnung der Beklagten sei nicht einlassungsfähig. Es fehlten nachprüfbare Belege. Unklar sei auch, ob es sich um reine Nettogewinne handele oder ob die Werte noch zu versteuern seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst den zu den Akten gereichten Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 31. Januar 2018 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

Die gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten hinsichtlich der Widerklage ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und insgesamt zulässig (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

B.

Die Berufung ist unbegründet. Die zulässige Widerklage der Beklagten hat keinen Erfolg.

Etwaige Schadenersatzansprüche der Beklagten gegenüber der Klägerin wegen einer Vertragsverletzung gemäß § 280 Abs. 1 BGB, Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung gemäß § 823 BGB und Schadensersatzansprüche wegen Wettbewerbsverstößen gemäß § 61 Abs. 1 Halbsatz 1 HGB oder UWG sind gemäß § 4 Abs. 2 des Arbeitsvertrages verfallen.

I.

Gemäß § 4 Abs. 2 des Arbeitsvertrages können Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis nur innerhalb von zwei Wochen nach Beendigung geltend gemacht werden, Klagerhebung muss innerhalb von vier Wochen erfolgen. Späteres Geltendmachen von Ansprüchen ist ausgeschlossen.

II.

§ 4 des Arbeitsvertrags erfasst "Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis". Finden sich keine sachlichen Einschränkungen, so fallen unter den Begriff der "Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis" alle gesetzlichen, tariflichen und vertraglichen Ansprüche, die Arbeitsvertragsparteien aufgrund ihrer durch den Arbeitsvertrag begründeten Rechtsstellung gegeneinander haben (BAG 16. Dezember 2014 - 9 AZR 295/13 - Rn. 29, BAG, 13. Dezember 2011 - 9 AZR 399/10 - Rn. 17). Ein Schadenersatzanspruch der Beklagten gegen die Klägerin ist ein derartiger Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis. Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis im Sinne von § 4 Abs. 2 des Arbeitsvertrages erfassen alle auf Vorsatz oder Fahrlässigkeit beruhenden Haftungsansprüche der eigenen Arbeitsvertragspartei gegen die andere.

1.

Zwar hat das Bundesarbeitsgericht unter anderem mit Urteil vom 20. Juni 2013 (- 8 AZR 280/12 - Rn. 20 f) ausgeführt, da die Verjährung bei Haftung wegen Vorsatzes gemäß § 202 Abs. 1 BGB nicht im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtert werden könne und § 202 Abs. 1 BGB nicht nur Vereinbarungen über die Verjährung, sondern auch über Ausschlussfristen erfasse, sei regelmäßig davon auszugehen, dass die Vertragspartner mit vereinbarten Ausschlussklauseln keine Fälle anders als das Gesetz und unter Verstoß gegen die gesetzliche Verbotsnorm im Sinne von § 134 BGB regeln wollten. Vertragsklauseln, die nur in außergewöhnlichen, von den Vertragspartnern bei Vertragsschluss nicht für regelungsbedürftig gehaltenen Fällen gegen das Gesetz verstießen, seien wirksam. Eine am Sinn und Zweck solcher Klauseln orientierte Auslegung ergebe, dass derartige Ausnahmen von der Klausel nicht erfasst werden sollten.

2.

Dieser Auffassung schließt sich die erkennende Kammer nicht an.

a.

Bei § 4 des Arbeitsvertrages der Parteien handelt es sich um eine von der Beklagten vorformulierte Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB.

Die Beklagte hat den Arbeitsvertrag formuliert, der Klägerin in dieser Form angeboten und damit im Rechtssinne gestellt. Ob es sich bei den Regelungen des Vertrags um für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingungen handelt (§ 305 Abs. 1 BGB), bedarf keiner Entscheidung, denn der Vertrag stellt einen Verbrauchervertrag im Sinne von § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB dar. Nach dem Vorbringen der Parteien konnte die Klägerin auf den Inhalt der in § 4 des Arbeitsvertrages enthaltenen Regelung auch keinen Einfluss nehmen (§ 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB).

aa.

Die Klägerin hat bei Abschluss ihres Arbeitsvertrages als Verbraucher im Sinne von § 13 BGB gehandelt.

Nach § 13 BGB ist Verbraucher jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Der Abschluss des Anstellungsvertrags stellt keine gewerbliche oder selbständige Tätigkeit dar.

bb.

Die Klägerin konnte auf die in § 4 des Arbeitsvertrages enthaltenen Klauseln keinen Einfluss nehmen (§ 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB).

(1.)

Die Möglichkeit der Einflussnahme setzt voraus, dass der Verwender den gesetzesfremden Kerngehalt seiner AGB ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verwendungsgegner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung seiner Interessen einräumt. Das Merkmal des "Einflussnehmens" in § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB entspricht dem "Aushandeln" in § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB (BAG, 25. Mai 2005 - 5 AZR 572/04 - zu VII 2 der Gründe, BAGE 115, 19). In aller Regel schlägt sich eine Bereitschaft zum Aushandeln zwar in Änderungen des vorformulierten Textes nieder. Bleibt es nach gründlicher Erörterung bei dem vorformulierten Text, weil der Betroffene nunmehr von der sachlichen Notwendigkeit überzeugt ist, so kann der Vertrag als das Ergebnis eines Aushandelns gewertet werden. Voraussetzung dafür ist aber, dass sich der Verwender deutlich und ernsthaft zu gewünschten Änderungen der zu treffenden Vereinbarung bereit erklärt und dass dies dem Verwendungsgegner bei Abschluss des Vertrags bewusst war (BAG, 19. Mai 2010 - 5 AZR 253/09 - Rn. 25).

(2.)

Die Möglichkeit der Einflussnahme muss sich auf die konkrete Klausel beziehen. Vorformulierte Bedingungen in einem Vertragswerk, die nicht ausgehandelt wurden, bleiben kontrollfähige Allgemeine Geschäftsbedingungen. Das folgt aus der Verwendung des Wortes "soweit" in § 305 Abs. 1 Satz 3 und § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB (BAG, 19. Mai 2010 - 5 AZR 253/09 - Rn. 26).

(3.)

Ist die Möglichkeit der Einflussnahme streitig, muss der Verwender nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungslast den Vortrag des Verwendungsgegners, er habe keine Einflussmöglichkeit gehabt, qualifiziert bestreiten, indem er konkret darlegt, wie er Klauseln zur Disposition gestellt hat und aus welchen Umständen darauf geschlossen werden kann, der Verwendungsgegner habe die Klauseln freiwillig akzeptiert (BAG, 19. Mai 2010 - 5 AZR 253/09 - Rn. 27).

(4.)

Bei der gebotenen Anwendung vorstehender Grundsätze hat die Beklagte nicht hinreichend vorgetragen.

(a.)

Die Klägerin hat behauptet, ihr sei der Arbeitsvertrag vorgegeben worden.

(b.)

Soweit die Beklagte behauptet hat, sie habe im Rahmen der Vertragsverhandlungen mit der Klägerin ihren Mustervertrag herangezogen, der jedoch an verschiedenen Stellen einzeln verhandelt und abgeändert worden sei, hat sie nicht konkret dargelegt, um welche Regelungen es sich hierbei gehandelt haben soll. § 4 des Arbeitsvertrages hat sie nicht benannt.

(c.)

Auch den Erklärungen des Geschäftsführers im Termin zur Kammerverhandlung ist nicht zu entnehmen, dass die Klägerin die Möglichkeit der Einflussnahme auf § 4 des Arbeitsvertrages besaß.

Im Termin zur Kammerverhandlung am 31. Januar 2018 hat der Geschäftsführer der Beklagten erklärt, der Mustervertrag werde jeweils entsprechend der Tätigkeit und der Qualifikation des einzustellenden Mitarbeiters angepasst. Es sei kein richtiger Mustervertrag vorhanden, sondern der Arbeitsvertrag werde speziell für den einzustellenden Arbeitnehmer, seine Tätigkeit und seiner Qualifikation aus verschiedenen Elementen zusammengesetzt.

Das bloße Führen von Verhandlungen und deren Dauer dokumentieren jedoch nicht, dass der gesetzesfremde Kern der Klausel ernsthaft zur Disposition gestellt wurde. Es genügt nämlich nicht, dass der Vertragsinhalt erläutert oder erörtert wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach dem Vorbringen der Beklagten der Arbeitsvertrag zwar aus verschiedenen Elementen zusammengesetzt wird, die einzelnen Vertragselemente aber von der Beklagten vorgegeben werden. Es hätte der Beklagten oblegen, konkret darzulegen, aus welchen Gründen sich für die Klägerin erkennbar die Bereitschaft der Beklagten ergeben haben soll, gerade die Regelung der Ausschlussfrist zur Disposition zu stellen und ihr Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einzuräumen. Ein entsprechender Sachvortrag der Beklagten fehlt. Dass die Beklagte bei den Vertragsverhandlungen mit der Klägerin über das Gehalt, über die Fortbildung, über den Urlaub gesprochen hat, lässt noch keinen Rückschluss auf die Möglichkeit der Einflussnahme auf andere Klauseln zu.

b.

Bei Anwendung der für die Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen maßgeblichen Grundsätze von Ausschlussfristen, welche dem Wortlaut nach umfassend für alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis gelten sollen, ist davon auszugehen, dass auch Ansprüche erfasst sind, welche auf einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Schädigung einer der Vertragsparteien durch die andere beruhen. Mit einer Regelung, welche dem Wortlaut nach alle denkbaren, aus dem Arbeitsverhältnis ableitbaren Ansprüche erfasst, bringen die Parteien typischerweise zum Ausdruck, dass die Ausschlussfrist eine umfassende Reichweite haben soll. Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck der Ausschlussfrist und der ihr zu Grunde liegenden Interessenlage der Parteien, innerhalb eines kurzen Zeitraumes Rechtssicherheit und Rechtsfrieden zu schaffen. Weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer werden nach Anspruchsgrundlagen differenzieren, wann eine Ausschlussfrist schon ihrem Wortlaut nach für alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis gelten soll.

c.

Es kann durchaus unterstellt werden, dass weder der Arbeitgeber bei der Vorformulierung der Ausschlussfrist noch beide Arbeitsvertragsparteien in den Verhandlungen und bei Vertragsschluss an Ansprüche denken, die auf einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Schädigung von Leben, Körper oder Gesundheit einer Partei durch die andere beruhen oder wegen sonstiger Schäden aufgrund von vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzungen einer Vertragspartei bestehen. Bei einer im Rahmen der Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen zu Grunde zu legenden typisierenden Betrachtung liegt dies jedoch nicht daran, dass es sich um fernliegende Ansprüche handelt. Dies ist vielmehr bedingt durch das allgemeine Verständnis der regelmäßig beteiligten Verkehrskreise, dass die in der Ausschlussfrist allgemein für "Ansprüche" ohne Einschränkungen bestimmte Reichweite umfassend ist. Um regelungsbedürftige außergewöhnliche oder fernliegende Fälle muss man sich deswegen keine Gedanken machen. "Außergewöhnlich" oder "fernliegend" ist im Hinblick auf das Prinzip der objektiven Auslegung ohnehin nur dann anzunehmen, wenn es sich lediglich um eine theoretisch denkbare, praktisch jedoch fernliegende Verständnismöglichkeit handelt, die Klausel ersichtlich nur auf die theoretisch erfasste Fallgestaltung zugeschnitten ist oder die Berufung auf die Klausel schlechthin treuwidrig wäre. Das ist bei Schadenersatzansprüchen generell nicht der Fall. "Außergewöhnlich" bzw. "fernliegend" ist nicht zu verwechseln mit "zahlreich", insbesondere nicht auf diese Bedeutung beschränkt. Schadensersatzansprüche im Arbeitsverhältnis sind weder außergewöhnlich noch fernliegend oder zahlenmäßig belanglos. Bei einer umfassend formulierten Vertragsbestimmung muss man sich um regelungsbedürftige Fälle generell keine Gedanken machen.

Was die konkret betroffenen Parteien bedacht haben, sind im Übrigen für die Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen nicht zu berücksichtigende, den Vertragsschluss begleitende Umstände. Wer als Arbeitgeber eine für alle Ansprüche geltende Ausschlussfrist formuliert, meint dies auch so. Wer als Arbeitnehmer eine solche Klausel akzeptiert, stimmt ihr in diesem Umfang - für einen verständigen und redlichen Arbeitnehmer auch erkennbar - zu. Das schließt es aus, dass Formulierungen wie die im Arbeitsvertrag der Parteien nicht die Ansprüche aus der Verschuldenshaftung im Sinne der §§ 202 Abs. 1, 309 Nr. 7 BGB einbeziehen. Bei einem anderen Verständnis wird die für allgemeine Geschäftsbedingungen maßgebliche Auslegung nach dem objektiven Inhalt und typischen Sinn, bei der es auf den Willen der konkreten Vertragsparteien nicht ankommt, gerade nicht angewendet.

d.

Bei der vom Bundesarbeitsgericht vorgenommenen Auslegung wird dem Verwender allgemeiner Geschäftsbedingungen jedes Verwendungsrisiko bei einer Klausel genommen, mit der er einseitig versucht, bis zum Rand des Gesetzes und gegebenenfalls darüber hinaus seine Interessen durch die von ihm gestellten Vertragsbedingungen gegenüber der anderen Vertragspartei durchzusetzen. Letztlich läuft die vom Bundesarbeitsgericht vertretene vorgenommene Auslegung auf eine geltungserhaltende Reduktion der Klausel hinaus, der allerdings § 306 Abs. 2 BGB entgegensteht und die auch angesichts des Transparenzgebotes gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht in Betracht kommt.

Die Ausschlussklausel in § 4 Abs. 2 des Arbeitsvertrages erfasst aus diesem Grunde sämtliche Ansprüche der Beklagten gegen die Klägerin auf Schadensersatz, auch die Ansprüche wegen Vorsatzhaftung.

Der Auslegungsansatz des Bundesarbeitsgerichts wird schließlich dem bestehenden strukturellen Ungleichgewicht zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht gerecht, wie es im Falle von vom Arbeitgeber einseitig vorformulierten und gestellten Klauseln regelmäßig vorliegt (vgl. BAG, 23. August 2012 - 8 AZR 804/11 - NZA 2013, 268, Rn. 37). Das war gerade Grund für den Gesetzgeber, einseitig vom Arbeitgeber festgesetzte Arbeitsbedingungen vor dem Hintergrund der existentiellen Angewiesenheit des Arbeitnehmers auf einen Arbeitsplatz einer gesetzlich begründeten und nicht nur der bis dahin uneinheitlich ausgeübten richterrechtlich begründeten Inhaltskontrolle zu unterwerfen, damit das Schutzniveau der Vertragsinhaltskontrolle im Arbeitsrecht nicht hinter demjenigen des Zivilrechts zurückbleibt (BT-Drucks. 14/6857, S. 53 f.). Die Berücksichtigung eines typischerweise nicht vorliegenden und zudem einseitigen Willens zu gesetzeskonformen Verhalten auf Seiten des Arbeitgebers liefert den Arbeitnehmer intransparenten und irreführenden Vertragsklauseln aus. Gerade im Fall einer umfassend formulierten Ausschlussfrist kann er aufgrund des Wortlauts bei seinen - auf der Basis eines durchschnittlichen Vertragspartners zu unterstellenden - Verständnismöglichkeiten den wirklichen Inhalt der Klausel nicht mehr ohne Einholung von Rechtsrat erkennen. Dies schließt eine derartige Auslegung aus (vgl. BAG, 19. März 2008 - 5 AZR 429/07 - Rn. 23; vgl. zum Ganzen LAG Hamm, 9. September 2014 - 14 Sa 389/13 - Rn. 29 ff.).

e.

Auf die Unwirksamkeit dieser Klausel wegen eines Verstoßes gegen §§ 202 Abs. 1, 309 Nr. 7 BGB kann sich die Beklagte als Verwender der Klausel nicht berufen. Die Vorschriften dienen nicht dem Schutz des Klauselverwenders vor den von ihm selbst vorformulierten Vertragsbedingungen (BAG, 27. Oktober 2005 - 8 AZR 3/05 - Rn. 16; BGH, 2. April 1998 - IX ZR 79/97 - NJW 1998, 2281).

III.

Die Beklagte hat die Frist in § 4 Abs. 2 des Arbeitsvertrages nicht eingehalten.

1.

§ 4 Abs. 2 des Arbeitsvertrages stellt hinsichtlich des Fristbeginns auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ab. Der Wortlaut der Regelung ist eindeutig. Es kommt nicht auf eine Kenntnis der Beklagten vom Verhalten der Klägerin an. Ausschlussfristen dienen dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit im Vertragsverhältnis. Der Schuldner soll binnen einer angemessenen Frist darauf hingewiesen werden müssen, ob und welche Ansprüche gegen ihn noch geltend gemacht werden. Ferner soll er sich darauf verlassen können, dass nach Fristablauf gegen ihn keine Ansprüche mehr erhoben werden.

Unabhängig davon ist tragend auszuführen, dass sich die Beklagte auch nicht auf eine Unkenntnis des Verhaltens der Klägerin berufen kann. Die Beklagte hat die Klägerin bereits mit Schreiben vom 27. Oktober 2015 aufgefordert, Abwerbeversuche gegenüber Patienten und Mitarbeitern zu unterlassen. In diesem Schreiben hat die Beklagte gegenüber der Klägerin mitgeteilt, dass ihr durch die Abwerbetätigkeit der Klägerin ein nicht unerheblicher Schaden entstanden sei. Für diesen werde die Beklagte die Klägerin noch gesondert ersatzpflichtig machen. Bereits zu diesem Zeitpunkt ging die Beklagte von einer schadensbegründenden Vertragsverletzung der Klägerin aus. Mit Schreiben vom 28. Oktober 2015 kündigten die Eheleute F. den Pflegevertrag mit der Beklagten zum 31. Oktober 2015. Mit Schreiben vom 9. November 2015 kündigte Herr M. den Pflegevertrag mit der Beklagten mit sofortiger Wirkung. Die Patienten P., F., R., H., H., Sch. und B. kündigten ihre Pflegeverträge noch während der Beschäftigungszeit der Klägerin zum 15. November 2015. Eine Ausschlussfrist beginnt regelmäßig dann, wenn der Berechtigte den Anspruch rechtlich und tatsächlich geltend machen kann. Diese Annahme korrespondiert mit der Wertung des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB, wonach die regelmäßige Verjährungsfrist erst beginnt, wenn der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Dies war hier noch vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Parteien der Fall.

2.

Die Beklagte hat ihre Widerklage nicht innerhalb der Frist des § 4 Abs. 2 des Arbeitsvertrages beim Arbeitsgericht C-Stadt erhoben, sondern erst am 1. Februar 2016. Selbst wenn man zu Gunsten der Beklagten die Regelung in § 4 Abs. 2 des Arbeitsvertrages dahingehend auslegt, dass die erste Frist mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 16. November 2015 zu laufen begann und die Klagerhebungsfrist von vier Wochen sich daran anschloss, hat die Beklagte die Ausschlussfrist des § 4 Abs. 2 des Arbeitsvertrages nicht gewahrt.

IV.

Auch das weitere Vorbringen der Beklagten, auf das in diesem Urteil nicht mehr besonders eingegangen wird, weil die Entscheidungsgründe gemäß § 313 Abs. 3 ZPO lediglich eine kurze Zusammenfassung der tragenden Erwägungen enthalten sollen, führt nicht zu einem abweichenden Ergebnis.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens unter Einschluss des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens zu tragen, da sie in der Sache unterlegen ist.

Der Streitwert war in Höhe der bezifferten Widerklageforderung zu 1.) in Höhe von 76.631,33 Euro festzusetzen. Bei Festsetzung des Wertes des Widerklagantrages zu 2) hat die Kammer entsprechend der Berechnung des entgangenen Gewinns durch die Beklagte für Kalenderjahr 2016 für die Jahre 2017 - 2019 jeweils einen Abschlag von 30 % von dem Betrag des Vorjahres vorgenommen (44.967,05 Euro + 31.476,93 Euro + 22.033,85 Euro).

Die Revision war wegen Divergenz gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG zuzulassen.