Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 25.01.2018, Az.: 5 Sa 537/17

Verzugspauschale bei Zahlungsverzug der Arbeitgeberin

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
25.01.2018
Aktenzeichen
5 Sa 537/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 61070
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Nienburg - 23.03.2017 - AZ: 2 Ca 540/16

Amtlicher Leitsatz

§ 288 Abs. 5 BGB findet auch im Arbeitsrecht Anwendung. Die gesetzliche Neuregelung ist eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, die eine planwidrige Regelungslücke bereits im Ansatz ausschließt.

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Nienburg vom 23.03.2017 - 2 Ca 540/16- wird zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten - soweit für dieses Teilurteil von Bedeutung - um die Zahlung einer Verzugsschadenpauschale.

Die Klägerin war seit dem 01.09.2016 bei der Beklagten Arbeitnehmerin. Das befristete Arbeitsverhältnis, welches mit dem Rechtsvorgänger geschlossen worden war, ging auf die Beklagte zu diesem Zeitpunkt über.

Für den Monat Februar 2017 schuldete die Beklagte 106,08 € brutto, welche die Klägerin erstinstanzlich eingeklagt hat. Zusätzlich hat sie die Zahlung der Verzugspauschale in Höhe von 40,00 € eingeklagt.

Wegen weiterer Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, dort Bl. 2 bis 5 desselben, Bl. 151 bis 154 der Gerichtsakte, verwiesen.

Mit Urteil vom 23.03.2017 hat das Arbeitsgericht - soweit für dieses Teilurteil von Bedeutung - die Zahlungsverpflichtung der Beklagten zugunsten der Klägerin in Höhe von 106,08 € brutto nebst Zinsen für den Monat Februar 2017 sowie die Zahlung einer Verzugspauschale ausgeurteilt.

Wegen der genauen Einzelheiten der rechtlichen Würdigung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils, dort Bl. 5 bis 11 desselben, Bl. 154 bis 160 der Gerichtsakte, verwiesen.

Dieses Urteil ist der Beklagten am 24.04.2017 zugestellt worden. Mit einem am 19.05.2017 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat sie Berufung eingelegt und diese mit einem am 14.07.2017 eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem zuvor das Landesarbeitsgericht mit Beschluss vom 16.06.2017 die Rechtsmittelbegründungsfrist bis zum 14.07.2017 verlängert hatte.

Mit ihrer Berufung wendet sich die Beklagte nur gegen die Zahlung der Verzugspauschale, die Zahlungsverurteilung in Höhe von 106,08 € brutto nebst Zinsen greift sie nicht an.

Sie vertritt die Auffassung, aufgrund analoger Anwendung von § 12 a Abs. 1 ArbGG sei der Anspruch auf die Verzugspauschale ausgeschlossen. Denn diese Norm des § 288 Abs. 5 Satz 3 BGB sehe vor, dass die Pauschale auf einen geschuldeten Schadensersatzanspruch anzurechnen sei, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet sei. Diese Regelung folge aus Artikel 6 Abs. 3 der Richtlinie 2011/7/EU, wonach unter diesen Rechtsverfolgungskosten die Kosten für einen mit der Geltendmachung des Entgelts beauftragten Rechtsanwalts oder Inkassobüros zu verstehen sei. Bei § 288 Abs. 5 BGB handele es sich aus diesem Grunde nach um einen pauschalisierten Schadensersatz für die Kosten der Rechtsverfolgung, dessen Entstehung aber gerade durch § 12 a ArbGG gesperrt sei. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass Sinn und Zweck der umgesetzten Richtlinie darin bestehe, den Zahlungsverkehr und insbesondere die Zahlungsmoral zwischen Unternehmen, also nicht Verbrauchern, zu verbessern.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Nienburg vom 23.03.2017 (2 Ca 540/16) abzuändern und nach dem Schlussantrag erster Instanz zu erkennen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung hinsichtlich der ausgeurteilten Verzugspauschale und rügt eine fehlende Auseinandersetzung mit dem erstinstanzlichen Urteil seitens der Beklagten. Sie hält die Berufung der Beklagten bereits für unzulässig.

Entscheidungsgründe

A.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64, 66 ArbGG, 519, 520 ZPO).

Insbesondere liegt eine hinreichende Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen der ersten Instanz im Sinne des § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO vor.

I.

Nach dieser Form muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergibt. Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll. Die zivilprozessuale Regelung soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffes ausreichend vorbereitet wird. Deshalb hat der Berufungsführer die Beurteilung des Streitfalles durch den Erstrichter zu überprüfen und darauf hinzuweisen, in welchen Punkten und mit welchem Grund er das angefochtene Urteil für unrichtig hält (BAG - 28.05.2009 - AZR 223/08 - Juris).

II.

Diesen Anforderungen wird die Berufungsbegründung gerecht. Sie begründet, aus welchen Gründen die Verzugspauschale nicht hätte zugesprochen werden dürfen, nämlich, dass sie aufgrund der analogen Anwendung des § 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG ausgeschlossen sei. Die Berufungsbegründung nennt auch noch Argumente für die Verdrängung durch § 12 a ArbGG als spezialgesetzliche Ausnahmeregelung zu § 288 Abs. 5 BGB. Dies ist genügend, um dem Begründungserfordernis des § 520 Abs. 3 Nr. 2 ZPO Rechnung zu tragen.

B.

Die Berufung ist unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das angefochtene Urteil der Klägerin die Verzugspauschale zugesprochen.

I.

Das Landesarbeitsgericht macht sich zunächst einmal die überzeugenden erstinstanzlichen Entscheidungsgründe die Verzugspauschale betreffend zu Eigen, verweist hierauf und stellt dies fest (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Von der Verweisung erfasst sind die Ausführungen zu II. der Entscheidungsgründe, dort Bl. 5 bis 7 derselben.

II.

Die Berufungsbegründung und der Sach- und Streitstand im Übrigen veranlassen lediglich folgende (kurze) ergänzende Anmerkungen:

Eine für den Bereich des Arbeitsrechts verdrängende analoge Anwendung des § 12 a ArbGG kommt deswegen nicht in Betracht, weil es bereits bezüglich der Vollzugspauschale gemäß § 288 Abs. 5 BGB an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt. Denn die Ausgestaltung durch die gesetzliche Neuregelung im Jahr 2014 stellt sich als eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers dar, die eine planwidrige Regelungslücke bereits in Ansatz ausschließt. So spricht insbesondere auch der Wortlaut für eine Anwendung auch auf arbeitsrechtliche Entgeltansprüche. Eine Bereichsausnahme für das Arbeitsrecht sieht der Wortlaut der Vorschrift in keiner Weise vor. Darüber hinaus dient diese Vorschrift der Umsetzung der EU-Richtlinie zur Bekämpfung des Zahlungsverzuges im Geschäftsverkehr und der deutsche Gesetzgeber hat mit dieser Norm die Vorgabe der Richtlinie bewusst übererfüllt. Hieraus lässt sich aufgrund einer historischen Auslegung der Vorschrift eindeutig schließen, dass ihr Anwendungsbereich auch im Arbeitsrecht eröffnet ist. In diesem Zusammenhang wird das Argument der Berufungsbegründung nicht geteilt, der Sinn und Zweck der umgesetzten Richtlinie liege (allein) darin, den Zahlungsverkehr und die Zahlungsmoral zwischen Unternehmen, also nicht Verbrauchern, zu verbessern. Dieser Richtlinie zufolge soll die Verbesserung der Zahlungsmoral auch erreicht werden, wenn ein Verhandlungspartner ein Unternehmen und der andere Verhandlungspartner ein Verbraucher ist.

Ferner erscheint es nicht überzeugend, sondern im Gegenteil systemwidrig, wenn ein Arbeitnehmer bei verspäteter oder unvollständiger Zahlung des Arbeitsentgelts zwar den gesetzlichen Verzugszins nach § 288 Abs. 1 BGB und ggf. den weitergehenden Verzugsschaden nach § 288 Abs. 4 BGB geltend machen könnte, ihm jedoch der neue Pauschalschadensersatz nach § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB verwehrt bliebe. Denn diese Neuregelung knüpft systematisch gerade an die vorherigen Absätze des §§ 288 Abs. 5 und den gesetzlichen Verzugszins an.

Soweit von Kritikern dieser Norm eingewandt wird, die Erstreckung auf Arbeitsverhältnisse sei rechtspolitisch verfehlt, ist dieser Einwand unerheblich. Denn die Gerichte sind auch zur Anwendung einer Gesetzesnorm verpflichtet, deren rechtspolitischer Sinn zweifelhaft erscheint.

Nach alledem war die Berufung der Beklagten durch Teilurteil zurückzuweisen.

C.

Nach allgemeinen Grundregeln bleibt die Kostenentscheidung der Schlussentscheidung vorbehalten. Gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG war die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache zum Bundesarbeitsgericht zuzulassen.