Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 16.01.2018, Az.: 3 Sa 786/16 B

Wirksame Spätehenklausel mit Altersgrenze in einer betrieblichen Versorgungsordnung

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
16.01.2018
Aktenzeichen
3 Sa 786/16 B
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 61067
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
BAG - 19.02.2019 - AZ: 3 AZR 219/18

Amtlicher Leitsatz

Eine Spätehenklausel, die eine Altersgrenze enthält, kann nach § 10 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 AGG gerechtfertigt sein.

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 14.06.2016 (Az.: 8 Ca 396/15 B) abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin eine betriebliche Hinterbliebenenrente zu gewähren.

Die Klägerin ist die Witwe des ehemaligen Arbeitnehmers der Beklagten, Herrn A.. Er wurde am 07.07.1922 geboren und verstarb am 11.12.2006. Zum Zeitpunkt der Eheschließung mit der Klägerin am 25.10.2000 hatte er das 63. Lebensjahr vollendet. Das Arbeitsverhältnis zur Beklagten endete am 31.07.1981. Der verstorbene Ehemann der Klägerin bezog von der Beklagten sodann eine ausschließlich arbeitgeberfinanzierte betriebliche Altersversorgung.

Für die betriebliche Altersversorgung des verstorbenen Ehemanns der Klägerin ist die Betriebsvereinbarung Nr. 6/76 vom 21.12.1976 mit dem Namen Versorgungsordnung (nachfolgend VO 1976) unstreitig anzuwenden. Auszugsweise enthält sie folgende Regelungen:

§ 1 Grundsätze der Versorgung

(1) Die Versorgung durch die C. ergänzt die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung und umfasst

VW-Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit

(§3),

VW-Altersrente

(§4),

VW-Hinterbliebenenrente

(§5).

(2) Die Anwartschaft auf Versorgung durch die C. entsteht, wenn noch nicht 52 Jahre alte männliche oder noch nicht 49 Jahre alte weibliche Mitarbeiter ein unbefristetes Arbeitsverhältnis mit der C. beginnen. Die Versorgungszusage gilt zu diesem Zeitpunkt als erteilt.

(3) Tritt der Versorgungsfall wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit oder Tod eines VW-Mitarbeiters vorzeitig ein, so besteht Anspruch auf VW-Rente nur dann, wenn eine Wartezeit von fünf Jahren erfüllt ist (§2).

(4) Die Höhe der VW-Rente bemisst sich

a) aus der Anzahl der Jahre des Arbeitsvertrages mit der C.

und

b) aus dem durchschnittlichen monatlichen Bruttoarbeitsentgelt in den letzten zwölf Kalendermonaten des Arbeitsverhältnisses (§6).

Entsprechend der Anzahl der Jahre (a) ergibt sich ein bestimmter Prozentsatz vom Bruttoarbeitsentgelt (b), der als VW-Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit oder als VW-Altersrente monatlich gezahlt wird (§ 7 Abs. 1). Die VW-Hinterbliebenenrente ist ein Teilbetrag hiervon (§ 7 Abs. 6).

(...)

§ 4 VW-Altersrente

(1) VW-Altersrente wird gezahlt, wenn ein VW-Mitarbeiter nach Vollendung des 65. Lebensjahres aus dem Arbeitsverhältnis mit der C. ausscheidet (= Versorgungsfall bei fester Altersgrenze).

(2) VW-Altersgrenze wird vorzeitig gezahlt, wenn ein VW-Mitarbeiter nach Vollendung des 63. - bei Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit oder bei Schwerbehinderung nach Vollendung des 60. Lebensjahres aus dem Arbeitsverhältnis mit der C. ausscheidet (= Versorgungsfall bei flexibler Altersgrenze).

(...)

§ 5 VW-Hinterbliebenenrente

(1) VW-Hinterbliebenenrente wird im Falle des Todes eines VW-Mitarbeiters (=vorzeitiger Versorgungsfall) oder im Falle des Todes eines VW-Rentners (=Versorgungsfall) gezahlt, im ersten Fall jedoch nur, wenn die Wartezeit (§ 2) erfüllt ist.

(2) Hinterbliebene sind die Witwe oder der Witwer sowie diejenigen Kinder, die zu der oder dem Verstorbenen in einem von der gesetzlichen Rentenversicherung anerkannten Kindschaftsverhältnis stehen.

(3) VW-Hinterbliebenenrente an eine Witwe oder an einen Witwer setzt voraus, dass bei der Eheschließung der verstorbene Ehemann noch nicht 63, die verstorbene Ehefrau noch nicht 60 Jahre alt war. Die Ehe muss mindestens drei Monate bestanden haben, es sei denn, dass der Tod die Folge eines nach der Eheschließung eingetretenen Unfalls war.

(4) Der Anspruch eines Witwers auf VW-Hinterbliebenenrente setzt ferner voraus, dass er Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht oder deren Voraussetzungen erfüllt.

(5) VW-Hinterbliebenenrente wird erstmals für den Monat gezahlt, der auf den Monat der letzten VW-Rente oder der letzten Zahlung aus dem Arbeitsverhältnis folgt. Der Anspruch endet mit dem Sterbemonat des Hinterbliebenen.

(...)

§ 6 Berechnungsgrundlagen für VW-Renten

(1) Berechnungsgrundlagen für VW-Renten sind die Anzahl der Jahre des Arbeitsverhältnisses mit der C. nach Absatz 2 und das durchschnittliche regelmäßige Bruttoarbeitsentgelt in den letzten zwölf vollen Kalendermonaten nach den Absätzen 3 und 4.

(...)

§ 7 Höhe der VW-Renten

(1) VW-Renten wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit und VW-Altersrente bestehen aus einem Grundbetrag von 4,4 % des nach § 6 maßgebenden Bruttoarbeitsentgelts für die ersten fünf Jahre des Arbeitsverhältnisses mit der C. und einem Steigerungssatz von 0,4 % für jedes weitere Jahr des Arbeitsverhältnisses. Die VW-Rente ist auf einen Höchstsatz von 22,4 % begrenzt.

(...)

(6) Die VW-Hinterbliebenenrente für die Witwe oder den Witwer beträgt 60 %, die VW-Hinterbliebenenrente für eine Halbwaise 10 %, für eine Vollweise 20 % der VW-Rente, die der Verstorbene bezogen hatte oder die er hätte beanspruchen können, wenn er im Zeitpunkt seines Todes wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit aus dem Arbeitsverhältnis mit der C. ausgeschieden wäre. Im letzten Fall wird zur Anwendung des Absatzes 2 festgestellt, welche Renten und Versorgungsbezüge der Verstorbene insgesamt hätte beanspruchen können. An eine Vollweise werden zwei VW-Hinterbliebenenrenten in Höhe von jeweils 20 % gezahlt, wenn beide Elternteile VW-Mitglieder waren.

(...)

(10) Der nach Absatz 6 errechnete Betrag der VW-Hinterbliebenenrente für eine Witwe ermäßigt sich um 3 % für jedes über fünfzehn Jahre hinausgehende volle Jahr des Altersunterschiedes zwischen ihr und dem verstorbenen Ehemann.

(...)

§ 8 Vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses

(1) Ein VW-Mitarbeiter, der vor dem Versorgungsfall (§§ 3, 4 und 5) aus dem Arbeitsverhältnis mit der C. ausscheidet, behält seine Versorgungsanwartschaft, wenn er zum Zeitpunkt des Ausscheidens mindestens 35 Jahre alt ist und wenn sein Arbeitsverhältnis mit der C. mindestens zehn Jahre ununterbrochen bestanden hat. Anderenfalls verfällt die Versorgungsanwartschaft mit dem vorzeitigen Ausscheiden.

(2) VW-Rente aufgrund fortbestehender Versorgungsanwartschaft wird gezahlt, wenn der frühere VW-Mitarbeiter die Voraussetzungen erfüllt, unter denen er im Versorgungsfall nach §§ 3 und 4 aus der C. hätte ausscheiden können, oder wenn er vor Erreichen der flexiblen Altersgrenze (§ 4 Abs. 2) vorgezogenes Altersruhegeld der gesetzlichen Rentenversicherung in Anspruch nimmt oder wenn er stirbt.

(3) Die VW-Rente wird wie folgt berechnet: Es wird ermittelt, welche VW-Rente bei angenommener Fortdauer des Arbeitsverhältnisses mit der C. bis zum Eintritt der nach Absatz 2 maßgebenden Voraussetzungen nach § 7 zu zahlen wäre (= fiktive Vollrente). Hierbei wird das Bruttoarbeitsentgelt in den letzten zwölf vollen Kalendermonaten des Arbeitsverhältnisses mit der C. nach Maßgabe des § 6 zugrunde gelegt. Diese Rente wird in dem Verhältnis ermäßigt, in dem die erreichte Dauer des Arbeitsverhältnisses mit der C. zur erreichbar gewesenen Dauer steht (bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres = feste Altersgrenze).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage B1 (Bl. 38 ff. dA) verwiesen.

Die Klägerin bezieht spätestens ab dem 01.01.2013 die sogenannte große Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Im Jahr 2006 verlangte sie von der Beklagten mündlich und sodann mit Schreiben vom 20.12.2015 die Gewährung einer Hinterbliebenenversorgung.

Sie hat die Auffassung vertreten, ihr stehe eine betriebliche Witwenrente gegen die Beklagte zu. Die Spätehenklausel in § 5 Abs. 3 S. 1 VO 1976 sei altersdiskriminierend und damit unwirksam. Außerdem liege auch eine Diskriminierung wegen des Geschlechts vor, die die Klausel ebenfalls entfallen lasse. Da es der Klägerin wegen des Zeitablaufs und weil sie keinerlei Unterlagen über die betriebliche Altersversorgung ihres Ehemanns mehr habe, nicht möglich sei, ihre Ansprüche zu beziffern, hält sie einen Feststellungsantrag für zulässig. Nur für den Fall, dass die Feststellungsklage unzulässig sein sollte, würden die Anträge zu 2-4 in Form einer Stufenklage geltend gemacht.

Mit ihrer Klage vom 15.12.2015, die der Beklagten am 22.12.2015 zugestellt worden ist, hat die Klägerin beantragt,

1. festzustellen, dass die Klägerin gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von betrieblicher Witwenrente seit dem Eintritt des Versicherungsfalles hat.

Hilfsweise für den Fall der Unzulässigkeit der Feststellungsklage:

2. die Beklagte zu verpflichten der Klägerin Auskunft über die Höhe der ihr zustehenden betrieblichen Witwenrente zu erteilen.

3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin die nach der Höhe noch näher zu beziffernde rückständige betriebliche Witwenrente nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem jeweiligen 1. des jeweiligen Folgemonats, beginnend mit dem Eintritt des Versicherungsfalls und endend mit dem 01.11.2015 zu zahlen,

4. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin ab dem 01.12.2015 lebenslang zum Ende eines jeden Monats eine betriebliche Witwenrente in noch näher zu beziffernder Höhe zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die Spätehenklausel in § 5 Abs. 3 S. 1 VO 1976 sei rechtmäßig. Eine etwaige Altersdiskriminierung sei gerechtfertigt. Mit dem 63. Lebensjahr knüpfe die VO 1976 an die damalige Möglichkeit an, vorzeitige Altersrente zu beziehen. Außerdem stelle dieser Zeitpunkt bei der Beklagten eine dem Ende des Arbeitsverhältnisses bzw. dem Eintritt des Versorgungsfalls beim versorgungsberechtigten Beschäftigten selbst vergleichbare Zäsur dar. Hierzu hat die Beklagte behauptet, dass die Vollendung des 63. Lebensjahres der typische Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus Altersgründen bei der Beklagten sei; weniger 10 % der Beschäftigten hätten einen späteren Rentenbeginn als die Vollendung des 63. Lebensjahres. Die Beklagte hat dabei auf die Anlage B 2a und 2b Bezug genommen (Bl. 46 f.), in denen die Zugänge der Altersrentner bei der Beklagten bezüglich des Rentnerbestands 2015 in den Jahren 1987 bis 2015 nach dem jeweiligen Lebensalter in Anzahl und Mitteilung des Durchschnittsalters aufgeführt sind.

Unstreitig ist insoweit, dass die Versorgungsordnung, die nach dem Rentenreformgesetz 1992 in Kraft trat, die Spätehenklausel für alle Arbeitnehmer auf 62 Jahren festgelegt hatte entsprechend dem durch das Rentenreformgesetz für beide Geschlechter gewährten Anspruch, die gesetzliche Rentenversicherung ab diesem Zeitpunkt vorzeitig mit Abschlägen in Anspruch zu nehmen. Unstreitig ist inzwischen weiterhin, dass die Beklagte § 5 Abs. 3 VO 1976 inzwischen dergestalt anwendet, dass für Männer und Frauen unterschiedslos auf die Vollendung des 63. Lebensjahres abgestellt wird.

Die Beklagte hat sich außerdem hilfsweise auf eine erforderliche ergänzende Vertragsauslegung berufen und die Auffassung vertreten, die Spätehenklausel sei zumindest bis zum Inkrafttreten des AGG am 18. August 2006 wirksam gewesen. Hätten die Betriebsparteien von der Unwirksamkeit der Klausel Kenntnis gehabt, hätten sie vor dem Hintergrund der zusätzlichen Kosten von mindestens 4 Mio. € die Klausel wie folgt vereinbart:

"VW-Hinterbliebenenrente an eine Witwe oder einen Witwer bzw. an eine eingetragene Lebenspartnerin oder einen eingetragenen Lebenspartner setzt voraus, dass die Ehe bzw. eingetragene Lebenspartnerschaft vor Eintritt des Versorgungsfalls Alter (Austritt mit Altersrente) geschlossen wurde."

Letztlich müsse der Beklagten Vertrauensschutz gegen eine unechte Rückwirkung eingeräumt werden. Es habe keine Möglichkeit gegeben, die VO 1976 zu Lasten des Ehemanns der Klägerin abzuändern, da bislang eine Änderung einer Betriebsvereinbarung zur betrieblichen Altersversorgung zu Lasten eines Rentners unzulässig gewesen sei.

Das Arbeitsgericht Braunschweig hat mit Urteil vom 14.06.2016 der Klage stattgegeben. Es hat zur Begründung ausgeführt, die Spätehenklausel sei altersdiskriminierend und damit unwirksam. Die Spätehenklausel sei insbesondere nicht nach § 10 AGG gerechtfertigt. Die für eine ergänzende Vertragsauslegung erforderliche Regelungslücke liege nicht vor. Auch eine Anpassung wegen Störung der Vertragsgrundlage sei nicht möglich. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil, das der Beklagten am 01.07.2016 zugestellt worden ist, hat sie am 14.07.2016 Berufung eingelegt und diese, nach Fristverlängerung bis zum 04.10.2016 am 28.09.2016 begründet.

Die Beklagte vertritt weiterhin die Auffassung, die Spätehenklausel der VO 1976 sei wirksam. Insbesondere sei sie nach § 10 AGG unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen gerechtfertigt. Legitimes Ziel von Altersgrenzen in der betrieblichen Altersversorgung sei es, die Funktionsfähigkeit betrieblicher Sozialsysteme zu gewährleisten. Die Spätehenklausel diene dem Ziel, das Kalkulationsrisiko zu mindern. Auf die Vollendung des 63. Lebensjahres sei abgestellt worden, weil dieser Zeitpunkt faktisch der typische Beendigungszeitpunkt der weit überwiegenden Mehrheit der Arbeitsverhältnisse bei der Beklagten darstelle. Sie behauptet hierzu, auch in den Jahren 1976-1986 habe das Durchschnittsalter ihrer Beschäftigten bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwischen 62,69 Jahren (1976) und 63,03 Jahren (1979) gelegen und hat hierfür eine statistische Auswertung als Anlage B5 eingereicht, auf die Bezug genommen wird (Bl. 143). Die Beklagte führt des Weiteren an, dass die Spätehenklausel an den Zeitpunkt anknüpfe, mit welchem üblicherweise die Voraussetzungen für die vorgezogene Inanspruchnahme der gesetzlichen Altersrente erfüllt gewesen seien und somit auch vorzeitig Betriebsrente in Anspruch genommen werden konnte. Die Beklagte behauptet weiter, eine versicherungsmathematische Versorgungslastanalyse vom 26.03.1992 zur Auswirkung des Rentenreformgesetzes 1992 auf die betriebliche Altersversorgung gehe auch davon aus, dass die VW-Rente - von Ausnahmen abgesehen - gleichzeitig mit der gesetzlichen Altersversorgung ab zukünftig Alter 62 in Anspruch genommen werde. Bei Unwirksamkeit der Spätehenklausel ergäben sich Mehrkosten von mindestens 6,2 Mio. €.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 14.06.2016, Aktenzeichen 8 Ca 396/15 B abzuändern und die Klage kostenpflichtig abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Klägerin hält an der Unwirksamkeit der Spätehenklausel wegen Alters- und Geschlechtsdiskriminierung fest.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.01.2018 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist begründet, denn der Klägerin steht kein Anspruch auf Hinterbliebenenrente zu.

A.

Die gem. § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und daher insgesamt zulässig (§§ 66 Abs. 1 S. 1, 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG, 519, 520 ZPO).

B.

Die Berufung ist begründet. Die Klage ist zwar zulässig, jedoch nicht begründet.

I.

Insbesondere besteht das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse für den Antrag zu 1). Denn eine Feststellungsklage muss sich nicht auf ein Rechtsverhältnis im Ganzen beziehen, sondern kann sich auch auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus dem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken, wenn durch das Feststellungsurteil Rechtsfrieden geschaffen werden kann (vgl BAG 17.06.2014 - 3 AZR 412/13 - Rn. 16ff).

Unter Anwendung dieser Grundsätze kann die Klägerin vorliegend die Feststellung beantragen, dass die Beklagte dem Grunde nach verpflichtet ist, an sie eine betriebliche Witwenrente seit dem Eintritt des Versorgungsfalles zu zahlen, denn die Parteien streiten vorliegend nur über die Frage, ob die Klägerin überhaupt Hinterbliebenenversorgung beanspruchen kann. Die Höhe der Versorgung steht zwischen ihnen nicht im Streit.

II.

Entgegen der Ansicht der Klägerin steht ihr kein Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu. Sie erfüllt nämlich nicht die Voraussetzungen von § 5 Abs. 3 S. 1 VO 1976, weil ihr Ehemann zum Zeitpunkt der Eheschließung das 63. Lebensjahr schon vollendet hatte. Diese sogenannte Spätehenklausel ist wirksam.

1.

§ 5 Abs. 3 S. 1 VO 1976 enthält keine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters.

Nach § 7 Abs.1 Halbs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, u. a. wegen des Alters, benachteiligt werden.

a)

Das AGG findet auf das vorliegende Rechtsverhältnis Anwendung. Das AGG trat zwar erst am 18.08.2006 in Kraft. Allerdings setzt seine Anwendung lediglich voraus, dass unter seinem zeitlichen Geltungsbereich ein Rechtsverhältnis bestand. Ausreichend ist hierfür, wenn der Arbeitnehmer ein Betriebsrentner ist und das damit begründete Versorgungsverhältnis bei oder nach Inkrafttreten des AGG noch besteht bzw. bestand (BAG 17.04.2012 - 3 AZR 481/10 - Rn. 25; 04.08.2015 - 3 AZR 137/13 - Rn. 39).

Diese Voraussetzungen liegen hier vor, da der verstorbene Ehemann der Klägerin noch nach dem 18.08.2006 Betriebsrente von der Beklagten bezog.

b)

Es besteht zwar eine unmittelbare Benachteiligung des verstorbenen Ehemanns der Klägerin nach § 3 Abs. 1 AGG. Diese ist jedoch gem. § 10 AGG gerechtfertigt.

aa)

Nach Auffassung der erkennenden Kammer liegt eine unmittelbare Benachteiligung des verstorbenen Ehegatten der Klägerin wegen seines Alters vor. Die Benachteiligung wirkt sich nicht lediglich beim Hinterbliebenen aus. Denn bei einer Hinterbliebenenversorgung, als Teil des Versorgungsversprechens an den Arbeitnehmer, handelt es sich um einen Vertrag zugunsten Dritter iSv. §§ 328 Abs. 1 BGB. Dieser Vertrag gewährt dem betroffenen Arbeitnehmer einen unmittelbaren Vorteil. Eine betriebliche Altersversorgung ist auch Entgelt des berechtigten Arbeitnehmers, das dieser als Gegenleistung für die im Arbeitsverhältnis erbrachte Betriebszugehörigkeit erhält. Arbeitnehmer, denen keine Hinterbliebenenvorsorge zugesagt wird, sind gehalten durch ihr Spar- und Konsumverhalten bestehenden Versorgungslücken Rechnung zu tragen. Sie selbst werden daher durch eine Spätehenklausel bei der Hinterbliebenenversorgung benachteiligt (vgl. BAG 21.02.2017 - 3 AZR 297/15 - Rn. 13 f.; Schlewing/Henssler/Schip/Schnitker/Ahrendt, Lieferung 26.01.2017, Teil 7 D Rn. 98). Der Vorteil besteht somit darin, für diese Versorgung kein Vermögen aufwenden zu müssen (vgl. BAG 04.08.2015 - 3 AZR 137/13 - Rn. 41; im Ergebnis auch EuGH 24.11.2016 - C - 433/15 (Parris) - Rn. 66 ff.; a.A. LAG Baden Württemberg 09.03.2017 - 17 Sa 7/17 - Rn. 53 ff.).

bb)

Die Altersdiskriminierung durch die Spätehenklausel ist vorliegend jedoch gerechtfertigt.

(1) Nach § 10 Abs. 1 S. 1 AGG ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist; die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen nach § 10 Abs. 1 S. 2 AGG angemessen und erforderlich sein. § 10 Abs. 1 S. 3 AGG enthält eine Aufzählung von Tatbeständen, wonach derartige unterschiedliche Behandlungen insbesondere gerechtfertigt sein können. Nach § 10 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 AGG ist dies der Fall bei der Festsetzung von Altersgrenzen bei betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente.

Indem der Gesetzgeber den in Nr. 4 geregelten Tatbestand in die Rechtfertigungsgründe des § 10 Abs. 1 S. 3 AGG eingeordnet hat, hat er zum Ausdruck gebracht, dass die Festsetzung von Altersgrenzen für den Zugang zu betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit und damit auch zur betrieblichen Altersversorgung und für den Bezug von Altersrente grundsätzlich als ein von einem legitimen Ziel getragenes Mittel iSv. § 10 Abs. 1 S. 1 und S. 2 AGG zulässig sein soll. Da eine solche Altersgrenze in der jeweiligen Versorgungsregelung festzusetzen ist, muss die konkret gewählte Altersgrenze iSv. § 10 Abs. 1 S. 2 AGG angemessen sein (BAG 12.02.2013 - 3 AZR 100/11 - Rn. 26; 10.12.2013 - 3 AZR 796/11 - Rn. 26; 18.03.2014 - 3 AZR 69/12 - Rn. 24).

Die erkennende Kammer schließt sich diesen Anforderungen des BAG an die Verhältnismäßigkeitsprüfung an. Diese Auslegung entspricht der Gesetzesbegründung. Danach beschränkt sich § 10 AGG auf die Umsetzung der in den EU-Richtlinien (insbesondere RL 2000/78/EG) vorgegebenen allgemeinen Grundsätze (BT-Drs. 16/1780 S. 36). Der Gesetzgeber hat daher mit der in § 10 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 AGG getroffenen Regelung von der Ermächtigung in Art. 6 Abs. 2 der RL 2000/78/EG Gebrauch und sich damit zugleich den Regelungswillen des Richtliniengebers zu eigen gemacht. Zu § 10 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 AGG führt die Gesetzesbegründung an, dass die Festsetzung von Altersgrenzen unter den Voraussetzungen dieser Vorschrift regelmäßig keine Benachteiligung wegen des Alters darstelle (BT-Drs. 16/1780 S. 36). Mit dieser Vorschrift sollen Hemmnisse, die einer Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung entgegenstehen können, beseitigt und betriebliche Altersversorgung somit gefördert werden. Diesem Ziel dient die Rechtfertigung einer Altersdiskriminierung nach § 10 Abs. 1 Satz 3 Nummer 4 AGG (vgl Schlewing, NZA-Beilage 2015, 59, 62f). Einer gesonderten Überprüfung des Ziels einer Altersgrenze nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AGG bedarf es somit nicht.

(2) Die vorliegende Spätehenklausel fällt unter den speziellen Rechtfertigungstatbestand des § 10 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 AGG.

Auch wenn die Ziff. 4 von § 10 Abs. 1 S. 3 AGG lediglich die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit als Voraussetzung für (...) den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität regelt und Leistungen für einen Hinterbliebenen wegen Todes nicht ausdrücklich aufführt, fällt die Hinterbliebenenversorgung dennoch unter diese Ziffer. Denn die Hinterbliebenenversorgung ist lediglich "Annex" der Betriebsrente wegen Alters des verstorbenen Ehegatten und ist deshalb von dem Begriff der Altersrente mit umfasst.

Die erkennende Kammer nimmt die Auslegung daher abweichend von der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 04.08.2015 (Az. 3 AZR 137/13 -Rn. 47ff) vor. Das Bundesarbeitsgericht sah sich in dieser Entscheidung aufgrund einer unionsrechtskonformen Auslegung gehindert, die Witwen- und Witwerrente als von dem Begriff der Altersrente im Sinne von § 10 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 AGG mit umfasst anzusehen (aaO. Rn. 48 ff).

Allerdings hat nachfolgend der EuGH in der Rechtssache Parris am 24.11.2016 (C-443/15) entschieden, dass Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78 zwar ausdrücklich nur für betriebliche Systeme der sozialen Sicherheit gelte, die die Risiken von Alter und Invalidität abdecken. Dennoch falle eine Hinterbliebenenversorgung unter den Begriff der Altersrente, denn sie entspringe der Versorgung des verstorbenen Ehegatten. Dies gelte auch unter Anwendung der erforderlichen engen unionsrechtskonformen Auslegung (C-443/15 Rn. 72ff).

Weil § 10 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 AGG lediglich den Wortlaut von Art. 6 Abs. 2 der genannten Richtlinie übernimmt, steht die Vorgabe der unionsrechtskonformen Auslegung der Rechtfertigung einer Altersgrenze für eine Hinterbliebenenversorgung nach § 10 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 AGG nicht mehr im Wege.

Da die Hinterbliebenenversorgung vorliegend nur versprochen wurde, weil auch eine Altersrente zugesagt wurde und weil sich die Höhe der Witwen- und Witwerversorgung gemäß § 7 Abs. 6 VO 1976 an der Höhe der betrieblichen Altersrente orientiert, gibt es eine unmittelbare Abhängigkeit der Rente wegen Todes für die Klägerin von der Altersversorgung ihres verstorbenen Ehemanns. Die erkennende Kammer sieht die Hinterbliebenenversorgung nach der VO 1976 somit als Altersrente im Sinne von § 10 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 AGG an.

(3) Die in der VO 1976 geregelte Altersgrenze ist auch iSv. § 10 Abs. 1 S. 2 AGG angemessen.

Die Angemessenheitsprüfung erfordert eine Abwägung der gegenläufigen Interessen. Einerseits ist zu berücksichtigen, dass dem Arbeitgeber aufgrund der Freiwilligkeit der von ihm gewährten und von ihm finanzierten Altersversorgung bei der Ausgestaltung der Versorgungszusage ein gewisser Spielraum zukommt. Auf der anderen Seite darf die Regelung die berechtigten Belange des betroffenen Arbeitnehmers nicht außer Acht lassen, denn betriebliche Altersversorgung hat nicht nur Vorsorge- sondern auch Entgeltcharakter (BAG 12.02.2013 - 3 AZR 1000/11 - Rn. 32).

Durch die Regelung der hier vereinbarten Spätehenklausel wollte die Beklagte - für die Klägerin bzw. ihren Ehemann erkennbar - das von der Beklagten zu tragende Risiko der Hinterbliebenenversorgung begrenzen. Dieser Zweck ergibt sich zwanglos aus der Regelung. Sie führt nämlich unter bestimmten Voraussetzungen zum Ausschluss von der Hinterbliebenenversorgung. Dass ab einem bestimmten Lebensalter neu geschlossene Ehen nicht mehr zu einer Hinterbliebenenversorgung für den überlebenden nichtbeschäftigten Arbeitnehmer führen, dient damit unmittelbar der Verringerung des Risikos für die Beklagte, für solche Ehen Hinterbliebenenversorgung zu schulden.

§ 10 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 AGG eröffnet dem Arbeitgeber - wie gezeigt - grundsätzlich die Möglichkeit, eine Altersgrenze für das Datum der Heirat der hinterbliebenen Person mit dem Beschäftigten festzusetzen. Die Beklagte hat vorliegend ihren Ermessensspielraum, um die mit der Hinterbliebenenversorgung verbundenen zusätzlichen Risiken zu begrenzen, in zulässiger Weise ausgeübt. Denn die Interessen der Arbeitnehmer werden durch die Festlegung der Höchstaltersgrenze von 63 Jahren bei der Heirat vorliegend nicht unangemessen beeinträchtigt.

Die Höchstaltersgrenze von 63 Jahren ist nicht willkürlich gewählt. Vielmehr handelt es sich bei dieser Grenze um diejenige, zu der zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der VO 1976 die Arbeitnehmer regelmäßig eine vorzeitige Rente (Altersrente mit Abschlägen) aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Anspruch nehmen konnten.

Die Möglichkeit, die gesetzliche Altersrente vorzeitig in Anspruch zu nehmen, steht auch mit der betrieblichen Altersversorgung der Beklagten nach der VO 1976 in Zusammenhang. Denn nach § 4 Abs. 2 VO 1976 ist eine vorzeitige VW-Rente wegen Alters zu gewähren, wenn ein männlicher Mitarbeiter der Beklagten das 63. - bei Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit oder bei Schwerbehinderung nach Vollendung des 62. Lebensjahres -, eine weibliche Mitarbeiterin nach Vollendung des 60. Lebensjahres aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Mit diesem Zeitpunkt bezieht sich § 4 Abs. 2 VO 1976 auf die Altersgrenzen der gesetzlichen Rentenversicherung zum damaligen Zeitpunkt. Dies wird auch an § 1 Abs. 1 VO 1976 deutlich, wonach die betriebliche Altersversorgung die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung ergänzen soll.

Für das Ergebnis der vorzunehmenden Abwägung ist es unerheblich, ob tatsächlich die überwiegende Anzahl der Arbeitnehmer der Beklagten mit Vollendung des 63. Lebensjahres mit Bezug von Altersrente aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet. Denn die berechtigten Belange des betroffenen Arbeitnehmers werden nicht außer Acht gelassen, selbst vor dem Hintergrund, dass die betriebliche Altersversorgung nicht nur Vorsorge- sondern auch Entgeltcharakter hat.

Das Leistungsversprechen einer Hinterbliebenenversorgung birgt für den Arbeitgeber zusätzliche Unwägbarkeiten und Risiken. Durch die vorliegende Spätehenklausel hat die Beklagte die zusätzlichen Risiken auf Ehen begrenzt, die in jedem Fall vor Eintritt in die Altersrente geschlossen werden. Bei nicht vorzeitig ausgeschiedenen Arbeitnehmern findet daher die Erhöhung des Risikos noch während des Arbeitsverhältnisses statt und ist damit für die Arbeitgeberin planbar. Die auf mit Altersrente ausscheidende Arbeitnehmer abstellende Typisierung ist damit zulässig und angemessen.

Auch die Interessen der Arbeitnehmer finden ausreichende Berücksichtigung, weil bei einer Heirat nach dem 63. Lebensjahr ersichtlich ist, dass die zusätzlichen Risiken für die Arbeitgeberin durch die Hinterbliebenenversorgung in der Regel nicht mehr durch eine Arbeitsleistung nach dem 63. Lebensjahr abgedeckt werden können. Denn nach Schätzungen verschiedener Pensionsgutachter verursacht eine zusätzlich zur Altersversorgung zugesagte 60%ige Hinterbliebenenversorgung Mehrkosten von ca. 5-7 %. Bei einer rein männlichen Belegschaft werden die Mehrkosten sogar auf 10-15 % geschätzt (vgl Diller, betriebliche Altersversorgung 6/2016 S. 469). Dem Entgeltcharakter der betrieblichen Altersversorgung wird vor diesem Hintergrund dadurch ausreichend Rechnung getragen, dass sich die betriebliche Altersversorgung nach § 7 Abs. 1 VO 1976 für jedes Jahr der Beschäftigungszugehörigkeit um zumindest 0,4 % erhöht; soweit nicht wegen der Begrenzung auf den Höchstsatz von 22,4 % eine versorgungsfähige Betriebszugehörigkeit von über 50 Jahren erreicht wird. Da eine versorgungsfähige Betriebszugehörigkeit von über 50 Jahren für Arbeitnehmer, die der VO 1976 unterliegen, nur in den seltensten Fällen vorkommen wird, ist diese Ausnahme von dem zulässigen Interesse des Arbeitgebers zu pauschalieren umfasst.

Die Spätehenklausel in § 5 Abs. 3 S. 1 VO 1976 ist somit nicht wegen Altersdiskriminierung unwirksam.

2.

Die Spätehenklausel ist vorliegend auch nicht wegen einer Diskriminierung wegen des Geschlechts unwirksam.

Es fehlt nämlich schon an einer Benachteiligung der Klägerin im Sinne von § 3 Abs. 1 und 2 AGG. Die Klägerin, bzw. ihr verstorbener Ehemann, erfährt keine weniger günstige Behandlung, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Vielmehr wird die Klägerin, beziehungsweise ihr Ehemann, gegenüber beschäftigten Frauen und ihren hinterbliebenen Ehemännern - als "andere Person in vergleichbarer Situation" - begünstigt, da hinterbliebene Ehemänner schon dann keine Witwerrente mehr beziehen können, wenn ihre Ehefrau zum Zeitpunkt der Heirat 60 Jahre alt war.

Ohne Benachteiligung kommt eine Unwirksamkeit der streitgegenständlichen Spätehenklausel für männliche Werksangehörige nach § 7 Abs. 1, 2 AGG nicht in Betracht.

Außerdem wendet die Beklagte § 5 Abs. 3 S. 1 VO 1976 inzwischen dergestalt an, dass für Männer und Frauen unterschiedslos auf die Vollendung des 63. Lebensjahres abgestellt wird und somit auch aus diesem Grund eine Ungleichbehandlung nicht (mehr) vorliegt.

3.

Andere Unwirksamkeitsgründe für die Regelung in § 5 Abs. 3 S. 1 VO 1976 sind weder ersichtlich, noch vorgetragen worden.

Die Berufung war daher begründet.

C.

Die Klägerin hat gem. § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision war gem. §§ 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG zuzulassen, da die erkennende Kammer von einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (vom 04.08.2015 - 3 AZR 137/13) abweicht.