Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 22.10.2018, Az.: 12 TaBV 23/18
Rechtstellung des Betriebsrats; Recht auf Einsicht in nicht anonymisierte Listen über Bruttolöhne und -gehälter
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 22.10.2018
- Aktenzeichen
- 12 TaBV 23/18
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2018, 49146
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Hannover - 01.03.2018 - AZ: 2 BV 10/17
Rechtsgrundlagen
- BetrVG § 80
- BetrVG § 80 Abs. 2 S. 2 Hs. 2
Fundstellen
- AA 2019, 43-44
- ArbR 2019, 51
- ArbRB 2019, 42-43
- AuA 2019, 115
- AuR 2019, 189-190
- DSB 2019, 61
- EzA-SD 11/2019, 16
- GWR 2019, 115
- NZA-RR 2019, 92-94
- RDV 2019, 145
- ZD 2019, 178-180
- ZIP 2019, 1548
- finanzen.steuern kompakt 2019, 9
Amtlicher Leitsatz
Zur effektiven Wahrnehmung seiner Überwachungsrechte aus § 80 Abs. 1 BetrVG ist der Betriebsrat gemäß § 80 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz BetrVG berechtigt, in die nichtanonymisierten Listen über die Bruttolöhne und -gehälter Einblick zu nehmen.
Tenor:
Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover vom 01.03.2018 - 2 BV 10/17 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beteiligte zu 2) verpflichtet wird, einem vom Betriebsrat benannten Mitglied Einsicht in die Bruttolohn- und Gehaltslisten unter Namensnennung der einzelnen Arbeitnehmer und Aufschlüsselung der Bruttoentgelte nach ihren Bestandteilen mit Ausnahme der leitenden Angestellten gemäß § 5 Abs. 3 BetrVG zu gewähren.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
A.
Die Beteiligten streiten in der Beschwerdeinstanz noch darüber, ob die Arbeitgeberin dem Einblicksrecht des Betriebsrats nach § 80 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz BetrVG bereits dadurch genügt, dass sie einem vom Betriebsrat benannten Mitglied Einblick in anonymisierte Bruttolohn- und -gehaltslisten gewährt.
Die Beteiligte zu 2) (im Folgenden: Arbeitgeberin) ist Teil der M.-Gruppe mit 78 Rehabilitationskliniken, Akutkrankenhäusern und Wiedereingliederungseinrichtungen an 48 Standorten in Deutschland. Am Standort in A-Stadt beschäftigt sie im "M. Ambulantes Gesundheitszentrum" ca. 100 Arbeitnehmer. Der Beteiligte zu 1) (im Folgenden: Betriebsrat) ist der bei der Arbeitgeberin gebildete 5-köpfige Betriebsrat.
Nachdem der Betriebsrat in der Vergangenheit nur sporadisch Einsicht in die Lohnlisten genommen hatte, forderte er die Arbeitgeberin im Jahr 2016 auf, ihm regelmäßig Einsicht zu gewähren. Die Einsichtnahme erfolgte nach mehrfachem Schriftwechsel am 14.07.2016 in A-Stadt, dabei wurde dem Betriebsrat jedoch nur eine anonymisierte Liste der gezahlten Bruttolöhne und -gehälter vorgelegt. Dieses Verfahren praktizierte die Arbeitgeberin auch bei den Folgeterminen.
Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, dass er nur bei Vorlage der Gehaltslisten und der Nennung der betroffenen Arbeitnehmer ausreichend in die Lage versetzt werde, mögliche Diskriminierungen zu erkennen. Gerade die Überprüfung der Verteilungsgerechtigkeit der Gehälter könne ohne eine Individualisierung nicht wirksam erfolgen. Die Anwesenheit von Frau Me. oder Herrn G. von der Arbeitgeberin bei der Einsichtnahme in die vorgelegten Lohnlisten sei eine unzulässige Überwachung durch die Arbeitgeberin und daher zu unterlassen.
Der Betriebsrat hat beantragt,
1. Die Arbeitgeberin zu verpflichten, einem vom Betriebsrat benannten Mitglied Einsicht in die Bruttolohn- und Gehaltslisten unter Namensnennung der einzelnen Arbeitnehmer und Aufschlüsselung der Bruttoentgelte nach ihren Bestandteilen zu gewähren;
2. Es zu unterlassen, gegen den Willen des Betriebsrats Personen zur Überwachung der Einsichtnahme zu entsenden;
3. Für jede Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung aus Ziff. 2 ein Ordnungsgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, festzusetzen.
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, dass im Rahmen der Einsichtnahme die Vorlage anonymisierter Lohnlisten ausreiche, um eine mögliche Diskriminierung der Arbeitnehmer erkennen zu können. Für die Überwachung des Gleichbehandlungsgrundsatzes sei die Nennung der Namen der einzelnen Arbeitnehmer nicht erforderlich. Zudem hat sie die Auffassung vertreten, dass das Gebot der Datensparsamkeit und die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Arbeitnehmer zu beachten seien und dieser einer Offenlegung der Klarnamen gegenüber dem Betriebsrat entgegenstünden. Eine solche Offenlegung müsse erst erfolgen, wenn der Betriebsrat bei Durchsicht der anonymisierten Daten Unregelmäßigkeiten erkenne und in Bezug auf diese Daten die Nennung der dahinterstehenden Arbeitnehmer verlange.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten erster Instanz wird auf die dort gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der Anhörung der Beteiligten vor dem Arbeitsgericht am 01.03.2018 verwiesen.
Mit Beschluss vom 01.03.2018 hat das Arbeitsgericht Hannover die Arbeitgeberin verpflichtet, einem vom Betriebsrat benannten Mitglied Einsicht in die Bruttolohn- und -gehaltslisten unter Namensnennung der einzelnen Arbeitnehmer und Aufschlüsselung der Bruttoentgelte nach ihren Bestandteilen zu gewähren. Im Übrigen hat das Arbeitsgericht die Anträge des Betriebsrats zurückgewiesen. Diese Entscheidung wurde am 26.03.2018 an die Verfahrensbevollmächtigten der Arbeitgeberin zugestellt. Die hiergegen gerichtete Beschwerdeschrift ist am 09.04.2018 und die dazugehörige Beschwerdebegründung am 26.06.2018 und damit am letzten Tag der verlängerten Beschwerdebegründungsfrist beim Landesarbeitsgericht eingegangen.
Zur Begründung ihrer Beschwerde macht die Arbeitgeberin geltend, die vom Bundesarbeitsgericht im Beschluss vom 14.01.2014 (1 ABR 54/12) gezogenen Schlussfolgerungen seien auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar, da die dortige Entscheidung "auf einem vollkommen anderen Sachverhalt beruhte". Vorliegend sei nicht die Einsichtnahme als solche, sondern nur deren Reichweite streitig. Die Praxis der Arbeitgeberin ziele unter Berücksichtigung datenschutzrechtlicher Belange darauf nicht aufgabenbezogene Details zu kappen. Vom Betriebsrat sei bezüglich des "Wie" der Einsichtsgewährung der erforderliche Aufgabenbezug nicht dargelegt worden. Es sei nicht ersichtlich, welche sich aus dem Betriebsverfassungsgesetz ergebenden Aufgaben der Betriebsrat nicht bereits mit der anonymisierten Liste wahrnehmen könne. Der vom Arbeitsgericht formulierte Beschlusstenor sei zu weit gefasst, da durch den Begriff der "Arbeitnehmer" auch etwaige leitende Angestellte im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG erfasst seien. Zu berücksichtigen seien für die vorliegende Problematik auch die Wertungen des Entgelttransparenzgesetzes. Das gesamte Regelwerk des Entgelttransparenzgesetzes ergebe nur dann Sinn, wenn man davon ausgehe, dass der Betriebsrat eben nicht automatisch bereits auf Grundlage von § 80 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz BetrVG über sämtliche Informationen verfüge. Das Arbeitsgericht habe die datenschutzrechtlichen Aspekte nicht ausreichend gewürdigt und insbesondere nicht die notwendigen Schlüsse aus den zu beachtenden Geboten der Datensparsamkeit bzw. Datenminimierung gezogen. Im Rahmen des ordnungsgemäßen Vollzugs der EU-DSGVO, welche gegenüber dem BDSG vorrangig sei, habe die Arbeitgeberin die Pflicht, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen. Die Regelung in § 80 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz BetrVG regele nicht alle konkreten Modalitäten der Einsichtnahme. Insbesondere sei dort nicht geregelt, dass die Listen mit den Klarnamen der Beschäftigten vorzulegen seien. Eine Begrenzung des Informationsanspruchs des Betriebsrates sei unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten zulässig und geboten. Der Betriebsrat sei datenschutzrechtlich nur dann als "Nicht-Dritter" anzusehen, wenn er im Rahmen der ihm gesetzlich übertragenen Aufgaben agiere.
Ergänzend wird auf die Beschwerdebegründung der Arbeitgeberin vom 26.06.2018 (Bl. 280 ff. d. A.) sowie den ergänzenden Schriftsatz vom 10.10.2018 verwiesen.
Die Arbeitgeberin beantragt,
auf die Beschwerde der Arbeitgeberin hin den Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover vom 01.03.2018 - 2 BV 10/17 - abzuändern und den Antrag des Betriebsrats voll umfänglich zurückzuweisen.
Der Betriebsrat beantragt,
die Beschwerde mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Arbeitgeberin verpflichtet wird, einem vom Betriebsrat benannten Mitglied Einsicht in die Bruttolohn- und Gehaltslisten unter Namensnennung der einzelnen Arbeitnehmer und Aufschlüsselung der Bruttoentgelte nach ihren Bestandteilen mit Ausnahme der leitenden Angestellten gemäß § 5 Abs. 3 BetrVG zu gewähren.
Der Betriebsrat verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung und macht geltend, um überprüfen zu können, ob bei der Bemessung der Vergütung jede sachwidrige Diskriminierung unterbleibt, sei er darauf angewiesen, Listen einsehen zu können, in denen sämtliche Vergütungsbestandteile den jeweils betroffenen Arbeitnehmern namentlich zugeordnet seien. Die Einsichtnahme in nicht-anonymisierte Vergütungslisten durch den Betriebsrat sei das einzige Mittel, im Verborgenen unternommene Diskriminierungen aufzudecken. Erst mit Hilfe des Namens könne der Betriebsrat konkret feststellen, welcher Arbeitnehmer welche Vergütungsbestandteile er erhalte, ob Arbeitnehmer betroffen seien, die ggfls. von Arbeitgeberseite aus in einer Gruppe zusammengefasst seien und welche Vergütungsbestandteile einzelne oder in Gruppen zusammen gefasste Arbeitnehmer beziehen. Es könne dem Betriebsrat nicht zugemutet werden, quasi in detektivischer Kleinarbeit zu versuchen, die Zuordnung der einzelnen Entgelte zu den einzelnen Arbeitnehmern selbst vorzunehmen. Das von der Arbeitgeberin konstruierte Zwei-Stufen-Konzept spalte den Sachverhalt unnatürlich auf und entbehre jeder Grundlage im Gesetz. Es verzögere die Überprüfung durch den Betriebsrat durch Einfügen einer konstruierten "Nachfrage-Zwischenstufe". Datenschutzrechtliche Belange stünden dem geltend gemachten Anspruch des Betriebsrats nicht entgegen. Der Grundsatz der Datensparsamkeit werde nicht verletzt. Der Betriebsrat sei kein Dritter im Sinne des BDSG. Die Einsicht in die Bruttolohn- und Gehaltslisten sei erforderlich für die Aufgabenwahrnehmung nach dem BetrVG.
Ergänzend wird auf die Beschwerdeerwiderung des Betriebsrats vom 16.08.2018 verwiesen.
B.
I.
Der vom Betriebsrat zuletzt gestellte Antrag ist in der gebotenen Auslegung hinreichend bestimmt im Sinne des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und damit zulässig. Der Betriebsrat möchte die Verpflichtung der Arbeitgeberin festgestellt wissen, einem vom Betriebsrat benannten Mitglied Einsicht in die Bruttolohn- und -gehaltslisten unter Namensnennung der einzelnen Arbeitnehmer und Aufschlüsselung der Bruttoentgelte nach ihren Bestandteilen mit der Ausnahme der leitenden Angestellten gemäß § 5 Abs. 3 BetrVG zu gewähren. Der Betriebsrat möchte damit Einblick nehmen in alle tariflichen, außertariflichen, laufenden und einmaligen Leistungen, die die Arbeitgeberin ihren Arbeitnehmern gewährt. Der Schwerpunkt des Streites liegt dabei darauf, dass der Betriebsrat eine Zuordnung der gezahlten Entgelte und Entgeltbestandteile zu den Namen der beschäftigten Arbeitnehmer verlangt.
II.
Der Antrag ist begründet. Die Arbeitgeberin ist nach § 80 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz BetrVG verpflichtet, einem vom Betriebsrat zu benennenden Betriebsratsmitglied Einsicht in die Bruttoentgeltlisten zu gewähren. Dies umfasst auch die Zuordnung der gezahlten Entgeltkomponenten zu den Klarnamen der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Datenschutzrechtliche oder grundrechtliche Belange stehen diesem Anspruch des Betriebsrats nicht entgegen.
1.
Nach § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG sind dem Betriebsrat auf Verlangen jederzeit die zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen; in diesem Rahmen ist der Betriebsausschuss oder ein nach § 28 BetrVG gebildeter Ausschuss berechtigt, in die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter Einblick zu nehmen. Das Einsichtsrecht nach § 80 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz BetrVG unterliegt dabei den Grenzen der allgemeinen Regelung in § 80 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz BetrVG.
a)
In Betrieben, in denen kein Betriebsausschuss gebildet ist, kann das Einsichtsrecht durch den Betriebsratsvorsitzenden, dessen Stellvertreter oder ein anderes beauftragtes Betriebsratsmitglied, dem die Führung der laufenden Geschäfte nicht übertragen sein muss, wahrgenommen werden. Da der Betriebsrat hier nur fünf Mitglieder hat, war nach § 27 Abs. 1 BetrVG kein Betriebsausschuss zu bilden. Einen etwaigen nach § 28 BetrVG gebildeten Ausschuss haben die Beteiligten in beiden Instanzen nicht erwähnt. Das Einsichtsrecht steht daher einem vom Betriebsrat zu benennenden Mitglied zu.
b)
Nach dem Wortlaut des § 80 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz BetrVG besteht der Einsichtsanspruch "in die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter". Mit der Verwendung des bestimmten Artikels "die" macht das Gesetz einerseits deutlich, dass der Betriebsrat nur Einsicht in Unterlagen verlangen kann, die der Arbeitgeber zumindest in Form einer elektronischen Datei tatsächlich besitzt. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, nicht vorhandene Unterlagen erst zu erstellen. Andererseits ist der Arbeitgeber nicht befugt, dem Betriebsrat lediglich gefilterte oder reduzierte Listen bezüglich der Bruttolöhne und -Gehälter zur Verfügung zu stellen. Betriebsrat und Arbeitgeber können und dürfen insoweit auf "die"(-selben) Bruttolohn- und -gehaltslisten zugreifen. Es besteht hier insofern "Waffengleichheit".
c)
Das Einsichtsrecht umfasst alle Lohn- und Gehaltsbestandteile tariflicher wie außertariflicher Art, unabhängig davon, ob es sich um einmalige oder wiederkehrende Leistungen des Arbeitgebers handelt und unabhängig davon, ob sie kollektivrechtlich oder einzelvertraglich vereinbart sind. § 80 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz BetrVG lässt sich nicht entnehmen, dass bestimmte Lohnbestandteile generell vom Einsichtsrechts des Betriebsrats ausgenommen wären.
d)
Das Einsichtsrecht des Betriebsrats besteht, soweit dies zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlich ist.
Dabei muss aufgrund der Art der gesetzlichen Regelung der Betriebsrat ein besonderes Überwachungsbedürfnis nicht darlegen. Der nötige Aufgabenbezug ist regelmäßig schon deshalb gegeben, weil der Betriebsrat nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG darüber zu wachen hat, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze und Tarifverträge durchgeführt werden. Hierzu gehört auch die sich aus § 75 Abs. 1 BetrVG ergebende Verpflichtung des Arbeitgebers zur Beachtung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes. Der Darlegung eines besonderen Anlasses für die Ausübung des Einsichtsrechts bedarf es dabei auch im Hinblick auf individuell vereinbarte übertarifliche Vergütungen nicht. Der Betriebsrat benötigt die Kenntnis der effektiv gezahlten Vergütungen, um sich ein Urteil darüber bilden zu können, ob insoweit ein Zustand innerbetrieblicher Lohngerechtigkeit existiert oder nur durch eine andere betriebliche Lohngestaltung erreicht werden kann. Ein Einsichtsrecht besteht deshalb auch dann, wenn der Betriebsrat gerade feststellen will, welche Arbeitnehmer Sonderzahlungen oder Zulagen erhalten und wie hoch diese sind. Die Grenzen des Einsichtsrechts liegen dort, wo ein Beteiligungsrecht oder eine sonstige Aufgabe offensichtlich nicht in Betracht kommt (BAG, 14.01.2014, 1 ABR 54/12, Rn. 23).
e)
Nach diesen Grundsätzen ist es erforderlich, dem vom Betriebsrat benannten Mitglied den Einblick in die Bruttoentgeltlisten zu ermöglichen, in denen die gezahlten Entgeltbestandteile den Namen der einzelnen Beschäftigten zugeordnet sind. Die Zuordnung der gezahlten Entgelte zu den Namen der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ermöglicht es, dem Betriebsrat im Rahmen seiner Überwachungsfunktion - stichprobenartig - zu überprüfen, ob die für einzelne Entgeltbestandteile (beispielsweise Erschwerniszulagen oder Nachtzuschläge) erforderlichen tatsächlichen Voraussetzungen auch vorliegen. Der Betriebsrat wird durch die namentliche Zuordnung in die Lage versetzt, Mitarbeiter darauf anzusprechen, ob sie beispielsweise aktuell in der Nachtschicht eingesetzt sind oder kann dies anhand der Dienstpläne nachvollziehen. Die Überwachungsrechte des Betriebsrates nach § 80 BetrVG erstrecken sich insoweit nämlich nicht nur darauf, dass im Betrieb hinsichtlich der Entgeltgerechtigkeit "nach Aktenlage" alles in Ordnung ist. Der Betriebsrat hat das Recht - auch ohne das Vorliegen konkreter Verdachtsmomente - stichprobenartig zu überprüfen, ob die tatsächlichen Umstände, die die Zahlung bestimmter Entgeltbestandteile rechtfertigen, in Person der begünstigten Arbeitnehmer auch tatsächlich gegeben sind. Solche stichprobenartigen Überprüfungen sind auch im Rahmen einer internen Revision, wie sie arbeitgeberseitig durchgeführt wird, ein ganz normaler Vorgang. Es würde die Überwachungstätigkeit des Betriebsrates unzumutbar erschweren, wenn der Betriebsrat für eine solche Überprüfung erst einen konkreten Verdacht äußern müsste.
Zudem würde das von der Arbeitgeberin favorisierte "Zwei-Stufen-Modell" die Wahrnehmung der dem Betriebsrat nach § 80 BetrVG obliegenden Schutzaufträge und Förderungspflichten durch eine zeitliche Verzögerung und erschweren: Wenn sich die Arbeitgeberin im Einzelfall die Offenlegung der Klarnamen auf der zweiten Stufe - ggf. auch ohne tragfähige Argumente - verweigert, müsste der Betriebsrat zur Durchsetzung seiner Rechte gleichwohl jeweils ein Beschlussverfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen einleiten. Bis zur Rechtskraft einer zweitinstanzlichen Entscheidung entstünde - das Obsiegen des Betriebsrats angenommen - leicht eine Verzögerung von bis zu einem Jahr.
2.
Dem Anspruch des Betriebsrats auf einen Blick in die Bruttoentgeltlisten stehen datenschutzrechtliche Belange nicht entgegen.
Bruttoentgeltlisten enthalten personenbezogene Daten, die von Arbeitgebern zur Durchführung des Arbeitsverhältnisses nach § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG zulässigerweise verarbeitet werden. Gewährt die Arbeitgeberin einem Betriebsratsmitglied nach § 80 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz BetrVG Einblick in die Bruttoentgeltlisten, handelt es sich um einen nach § 26 Abs. 1 BDSG zulässige Form der Datennutzung. Dies folgt schon daraus, dass das vom Betriebsrat ermächtigte Mitglied in Ausübung oder Erfüllung seiner sich aus dem Betriebsverfassungsgesetz ergebenden Rechte und Pflichte der Interessenvertretung der Beschäftigten tätig wird (§ 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG). Zu den Interessenvertretungen der Beschäftigten in diesem Sinne zählt auch der Betriebsrat. Auch in § 26 Abs. 6 BDSG wird noch einmal ausdrücklich klargestellt, dass die Beteiligungsrechte der Interessenvertretungen der Beschäftigten unberührt bleiben. Solange sich der Betriebsrat im Rahmen der Wahrnehmung seiner gesetzlichen Aufgaben bewegt - was oben bereits bejaht wurde - handelt es sich bei ihm nicht um einen "Dritten" im Sinne von Art. 4 Ziff. 10 EU-DSGVO. Eine Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung ist hier nach Art. 6 Abs. 1 c) EUR-DSGVO gegeben, da die Einsichtnahme in die Bruttolohn- und -gehaltslisten der Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung der Arbeitgeberin gegenüber dem Betriebsrat dient.
3.
Die Regelungen des EntgTranspG sehen keine Einschränkung der betriebsverfassungsrechtlichen Rechte und Pflichten des Betriebsrates, sondern deren Erweiterung vor (vgl. Kania, Betriebsratsbeteiligung bei der Durchsetzung von Entgelttransparenz in NZA 2017, S. 819 ff., 820). In der Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen heißt es dazu u.a., dass "in Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten bei gleichzeitiger Stärkung des Betriebsrates bei der Wahrnehmung des Auskunftsanspruches" ein individueller Auskunftsanspruch geschaffen wird (vgl. die Begründung zum Gesetzesentwurf, Bundesratsdrucksache 8/17 vom 12.01.2017). Dieser gesetzgeberische Hintergrund zur Stärkung des Betriebsrates bei der Wahrnehmung des Auskunftsanspruches würde in sein Gegenteil verkehrt, würde man nun die nach dem EntgTranspG herzustellenden Bruttoentgeltlisten (ohne Namen und Vornamen der dort aufzulistenden Beschäftigten gem. § 12 Abs. 3 EntgTranspG) nehmen, um den betriebsverfassungsrechtlichen Einsichtsanspruch des § 80 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz BetrVG zu begrenzen. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber mit den Regelungen des Entgelttransparenzgesetzes in dessen Abschnitt 2 (§§ 10 ff.) ausdrücklich "individuelle Verfahren zur Überprüfung von Entgeltgleichheit" und damit die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Herstellung bestimmter Bruttoentgeltlisten mit im Gesetz geregelten Inhalten eingeführt hat. Der Gesetzgeber hat an dieser Stelle dem Umstand Rechnung getragen, dass nach überwiegender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur bislang die Herstellung entsprechender Listen mit konkreten, vom Gesetzgeber vorgesehenen Inhalten, nicht vorgesehen war (vgl. hierzu auch Kania a.a.O. m.w.N.). Dementsprechend kann die Inbezugnahme des § 80 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz BetrVG in § 13 Abs. 2 EntgTranspG nur als Verweisung auf das Verfahren, wie es die betriebsverfassungsrechtlichen Normen beschreiben, gesehen werden, nicht aber als materiell-rechtliche Modifikation des Einsichtsrechts außerhalb des EntgTranspG. Hierfür spricht auch die Regelung in § 13 Abs. 6 EntgTranspG, wonach gesetzliche und sonstige kollektiv-rechtlich geregelte Beteiligungsrechte des Betriebsrates vom EntgTranspG unberührt bleiben (LAG Hamm 19.09.2017, 7 TaBV 43/17, Rn. 51).
4.
Es bedarf keiner Entscheidung, ob das durch Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleisteter Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Arbeitnehmer dem Einsichtsrecht des Betriebsrats entgegensteht. Der Arbeitgeber ist nicht befugt, sich gegenüber dem Anspruch des Betriebsrats aus § 80 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz BetrVG auf Grundrechte von Arbeitnehmern zu berufen (BAG 14.02.2014, 1 ABR 54/12, Rn. 29).
5.
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde erfolgt gemäß §§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG mit Rücksicht auf die bereits vom Landesarbeitsgericht Hamm (Beschluss vom 19.09.2017, 7 TaBV 43/17) der weiteren Entscheidung durch das Bundesarbeitsgericht zugänglich gemachte Frage, ob die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz BetrVG nicht anonymisiert dem Betriebsrat zur Einsichtnahme bereitgestellt werden dürfen.