Sozialgericht Oldenburg
Urt. v. 25.09.2002, Az.: S 61 KR 167/01

Bibliographie

Gericht
SG Oldenburg
Datum
25.09.2002
Aktenzeichen
S 61 KR 167/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 35822
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGOLDBG:2002:0925.S61KR167.01.0A

In dem Rechtsstreit

...

gegen

Krankenkasse, ...

hat das Sozialgericht Oldenburg - 61. Kammer ohne mündliche Verhandlung

am 25.09.2002

durch den Richter am Sozialgericht Lipsius - Vorsitzender -

sowie die ehrenamtlichen Richter Irma-Hildegard Michel und Hans-Georg Büsing

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Die Klage wird abgewiesen.

    Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger streitet um Kostenerstattung für eine Perücke.

2

Der 1937 geborene Kläger ist Mitglied der Beklagten. Bei ihm besteht ein (nach seinem Sachvortrag krankhafter) Verlust der gesamten Körperbehaarung seit 1971. Die Glatze kaschiert der Kläger seitdem mit Perücken, deren Kosten wiederholt von der Krankenkasse übernommen bzw. bezuschußt wurden. Unter dem 09.04.2001 verordnete der Allgemeinmediziner Dr. L dem Kläger eine neue Perücke unter dem Vorbehalt einer Genehmigung durch die Beklagte. Dr. L erläuterte in seinem Schreiben vom 07.06.2001, im Falle des Klägers handele es sich um ein Therapeutikum für eine seelische Störung durch den Haarausfall. Der Kläger besorgte sich trotz des Genehmigungsvorbehaltes im Vertrauen auf die bisherigen Kostenübernahmen sogleich die Perücke selber.

3

Die Beklagte lehnte eine Kostenübernahme gestützt auf die Stellungnahmen des Dr. L vom MDKN C vom 13.06.2001 ab (Bescheid vom 19.06.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04.09.2001).

4

Dagegen richtet sich die binnen Monatsfrist erhobene Klage, mit der der Kläger darauf abhebt, der Haarausfall sei bei ihm nicht schicksalsbedingt. Er hat die Rechnung des Friseursalons mittlerweile selbst bezahlt. Dementsprechend beantragt er,

5

den Bescheid der Beklagten vom 19.06.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04.09.2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm 1.081,50 DM in Euro zu erstatten, hilfsweise ihm einen Zuschuß zu der von ihm selbst im Mai 2001 besorgten Perücke zu leisten.

6

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

7

Sie hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig.

8

Die Gerichtsakten sowie die Verwaltungsakten der Beklagten waren Gegenstand der Entscheidung. Auf ihren Inhalt wird verwiesen.

9

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe

10

Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, § 124 Abs. 2 SGG:

11

Die frist- und formgemäß erhobene Klage ist zulässig. Sie ist unbegründet.

12

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Kostenerstattung (statt Sachleistung) nach § 13 Abs. 3 SGB V vorliegend erfüllt sind, verlangt wird nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine Ursächlichkeit der ablehnenden Entscheidung der Beklagten für die Selbstversorgung, d. h. eine Entscheidung der Krankenkasse ist abzuwarten, sie darf keinesfalls vor vollendete Tatsachen gestellt werden, vgl. beispielsweise BSG vom 19.06.2001 - B 1 KR 23/00 R -. Auch die Argumentation des Klägers, der Haarausfall sei bei ihm krankhaft und nicht schicksalsbedingt und er habe wegen der bisherigen Handhabung auch auf eine Kostenübernahme durch die Beklagte vertrauen können, bedarf keiner näheren Erörterung. Jedenfalls im Alter des Klägers bei der Beschaffung der neuen Perücke ist eine Vollglatze etwas, das im Normbereich des schicksalsbedingten Aussehens bei Männern liegt. Wenn bei dem Kläger jetzt aufgrund genetischer Veranlagung totaler Haarausfall auf dem Kopf eingetreten wäre, wäre dies mithin als ganz normal hinzunehmen. Damit handelt es sich vorliegend nach der ständigen und einhelligen Rechtsprechung der Sozialgerichtsbarkeit um eine rein kosmetische Angelegenheit, die keinen Leistungsfall der gesetzlichen Krankenversicherung darstellt. Wenn der Kläger im Sinne der Ausführungen des verordnenden Arztes bei selbstunsicherer Persönlichkeit mit Neigung zur Vermeidung von Sozialkontakten wegen der Glatze seelisch gestört ist, ist dem, wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat, nicht mittelbar zu begegnen. Das Bundessozialgericht hat ausgeführt, eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung komme selbst dann nicht in Betracht, wenn infolge der Unzufriedenheit mit dem Körperzustand Suizidgefahr gegeben sei. Die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung ginge bei einer derartigen Auslegung der Vorschriften des § 20 ff. SGB V ins Uferlose. Mit der Begründung, daß anderenfalls eine psychiatrische Behandlung von der Krankenkasse zu bezahlen sei, könnten von der gesetzlichen Krankenversicherung schließlich auch die abwegigsten Leistungen beansprucht werden, beispielsweise finanzielle Unterstützung allgemeiner Art in einer wirtschaftlichen Krisensituation, die den Versicherten psychisch belastet. Wirtschaftlich im Sinne des § 12 SGB V sei es auch nur, eine tiefersitzende Persönlichkeitsstörung, die zu einer Fixierung auf als unschön empfundene Körperzustände geführt hat, direkt anzugehen. Wegen der Rechtsprechung wird beispielsweise auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 10.02.1993 - 1 RK 14/92 - verwiesen.

13

Bei dieser Sach- und Rechtslage waren weitere Ermittlungen nicht anzustellen.

14

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG: