Sozialgericht Oldenburg
Urt. v. 23.10.2002, Az.: S 6 KR 152/01

Bibliographie

Gericht
SG Oldenburg
Datum
23.10.2002
Aktenzeichen
S 6 KR 152/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2002, 35817
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGOLDBG:2002:1023.S6KR152.01.0A

Tenor:

  1. für R e c h t erkannt:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Klägerin streitet um die Kostenübernahme für eine extracorporale Stoßwellentherapie (ESWT).

2

Die 1962 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Sie leidet unter eine Polyarthritis calcarea und AC-Gelenkarthrose. Der Orthopäde Dr. O. in L. erklärte die Klägerin im Mai 2001 als mit sämtlichen konservativen (kassenmäßigen) Behandlungen erfolglos durchtherapiert. Er sah nur noch die Möglichkeit, die Kalkschale mittels o.g. Therapie anzugehen. Die Beklagte lehnte eine entsprechende Kostenübernahme ab (Bescheid vom 14.05.2001).

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Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein, wobei sie sich darauf berief, die Therapie sei schon erfolgreich durch Dr. O. durchgeführt worden (1. Maßnahme am 04.05.2001).

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Die Beklagte wies den Widerspruch nun gestützt auf die entsprechende Negativempfehlung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen zurück (Widerspruchsbescheid vom 19.07.2001).

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Dagegen richtet sich die binnen Monatsfrist nach Bekanntgabe erhobene Klage, mit der die Klägerin ihre Ansprüche weiterverfolgt.

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Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 14.05.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.07.2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr 605,88 € zu erstatten.

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Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

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Sie hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig.

9

Die Gerichtsakten sowie die Verwaltungsakten der Beklagten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Auf ihren Inhalt wird verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die frist- und formgemäß erhobene Klage ist zulässig. Sie ist unbegründet.

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Nach § 12 Abs. 1 SGB V haben die Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) Anspruch auf ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche, das Maß des Notwendigen nicht überschreitende Leistungen. Diese Leistungen werden den Versicherten kostenlos auf Versichertenkarte zur Verfügung gestellt, sogenanntes Sach- (und Dienst™ )Leistungssystem im Gegensatz zum Kostenerstattungssystem der privaten Krankenversicherung (PKV). Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dabei dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen, § 2 Abs. 1 SGB V. Das Sachleistungssystem der GKV setzt voraus, daß die Krankenkasse mit den Leistungserbringern (Ärzten, Krankenhäusern, Apotheken, Hilfsmittelherstellern usw.) Verträge schließt, in denen die den Versicherten kostenlos zu erbringenden Leistungen festgelegt werden. Die Vertragspartner haben sich dabei nach den genannten gesetzlichen Vorgaben auf den Leistungsumfang zu einigen, das Leistungsrecht (Recht der Versicherten auf Leistungen) folgt dann automatisch dem jeweiligen, sich nach dem Stand der medizinischen Erkenntnisse laufend ausweitendem Leistungserbringerrecht (Recht der Leistungserbringer, auf Kosten der Krankenkasse Leistungen abzugeben). Versicherte, die Leistungen über das Sachleistungsprinzip hinaus in Anspruch nehmen (wollen), weil sie, ggfs. unterstützt durch den Leistungserbringer, der Meinung sind, die Krankenkasse hätte betreffs dieser Leistungen Verträge mit dem Leistungserbringer schließen müssen, haben

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1. sich zunächst an ihre Krankenkasse zu wenden und ihre vermeintlichen Ansprüche bei dieser geltend zu machen

13

2. einen (Leistungs-)Systemmangel darzulegen und ggfs. zu beweisen.

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Zu 1):

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Sobald die Leistung erbracht ist, der geltend gemachte Leistungsanspruch durch den Leistungserbringer also erfüllt ist, kommt für die Versicherten nur noch ein Anspruch gegen die Krankenkasse in Betracht, ihnen wie im Recht der PKV Kostenerstattung zu gewähren bzw. sie von den Zahlungsforderungen des Leistungserbringers freizustellen. Der entsprechende Anspruch aus § 13 Abs. 3 SGB V setzt aber voraus, daß der oder die Versicherte durch die Ablehnung der Krankenkasse ursächlich veranlaßt worden ist, sich die Leistung selbst zu beschaffen. Die Versicherten müssen der Krankenkasse mithin die Prüfung ermöglichen, inwieweit der geltend gemachte Anspruch im Rahmen des schon bestehenden Leistungsrechts ggfs. alternativ realisiert werden kann, sie haben der Krankenkasse z. B. bei Hilfsmitteln die kostengünstigste Versorgung wählen zu lassen (BSG vom 06.02.1997 - 3 RK 9/96 - usw.) Die Krankenkasse darf keinesfalls vor vollendete Tatsachen gestellt werden. Wird eine Prüfung und Entscheidung der Krankenkasse nicht abgewartet, sind Kostenerstattungsansprüche verwirkt, so schon BSG in Breithaupt 1993, 855, bestätigt in Breithaupt 1998, 101.

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Wurde eine Dauerleistung begonnen, scheidet eine Kostenerstattung auch für nachfolgende Leistungen aus, wenn sich die Ablehnung nicht mehr auswirken konnte, BSG vom 19.06.2001 - B 1 KR 23/00 R -. D.h., wenn der oder die Versicherte in Bezug auf das Kostenrisiko schon vorzeitig eine endgültige Entscheidung getroffen hatte, verbleibt es bei der Leistungsverwirkung, so daß über die Ansprüche auf Kostenerstattung auch keine Ansprüche auf künftige entsprechende Sachleistung durch die Krankenkasse mehr geltend gemacht werden können.

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Zu 2:

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In Bezug auf neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (einschließlich Arzneitherapien, jedenfalls soweit Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Medikaments nicht in einem arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahren überprüft worden sind, BSG vom 28.03.00 -B 1 KR 11/98 R-) hat der Gesetzgeber die Voraussetzungen für die Annahme eines Systemmangels mittels der Regelung des § 135 Abs. 1 SGB V beschränkt. Nach dieser Vorschrift besteht ein Verbot solcher Leistungen mit Erlaubnisvorbehalt durch den Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen (BA), d. h. solche neuen gegenüber der Krankenkasse vom Leistungserbringer nicht abrechnungsfähige Methoden dürfen schlichtweg zu Lasten der Krankenkasse nicht erbracht und damit von den Versicherten auch nicht beansprucht werden, wenn in Bezug auf sie die obengenannten gesetzlichen Vorgaben vom BA nicht ausdrücklich als gegeben angesehen worden sind (positive Empfehlung).

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Im einzelnen bedeutet das folgendes:

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a) Der BA hat die gutachterliche Alleinkompetenz festzustellen, ob eine neue Methode dem neuesten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht, der BA hat dabei insbesondere nach dem wissenschaftlich allein maßgeblichen Kriterium der statistischen Signifikanz zu prüfen, ob biometrische raridomisierte Doppel-Blind-Studien bei externer Validität den Nutzen der neuen Methode ergeben. Die Krankenkassen wie auch die Gerichte haben mithin nicht das Recht, sich eine eigene Auffassung über den diagnostischen oder therapeutischen Nutzen der fraglichen Methode zu bilden, Gerichtsgutachten entfallen von vornherein. Schon gar nicht hilfreich sind wissenschaftliche Ausführungen, mit denen die neue Methode plausibel gemacht wird, es kommt nicht darauf an, daß die Methode funktionieren müßte, sie muß statistisch nachweislich funktionieren, und wenn sie das tut, gehört sie m den Leistungskatalog der GKV, auch wenn unklar ist, warum sie eigentlich funktioniert (Black-Box-Prinzip).

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b) Solange der BA die Studien nicht ausgewertet hat und zu einer Entscheidung über die neue Methode gekommen ist, bleibt es beim Leistungsverbot, und zwar selbst dann, wenn die Voraussetzungen für eine Aufnahme in den Leistungskatalog schon nicht mehr zweifelhaft sind, BSG vom 03.04.01 - B 1 KR 22/00 R -.

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Grund der Regelung ist es, eine bundesweit und alle Krankenkassen erfassende gleichmäßige Praxis der Leistungsgewährung sicherzustellen. In diesem Sinn sind die Feststellungen des BA untergesetzliche Rechtsnormen, grundlegend BSG-Urteile vom 16.09.1997 - 1 RK 17/95, 28/95; 30/95; 32/95; 14/96 -, mittlerweile gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung.

23

Ein Systemmangel, der von Gerichts wegen zu Gunsten der Versicherten beseitigt werden kann, besteht im Ergebnis lediglich

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- wenn der BA seine Prüfung und Entscheidung pflichtigwidrig verzögert, BSG-Urteile vom 16.09.1997 a.a.O., vgl. BSGE 81, 54 S. 65 f. Nur in einem solchen Fall hat sich das Gericht eine eigene Auffassung über den Nutzen der Methode zu bilden, lediglich rein hilfsweise (siehe BSG vom 28.03.2000 - B 1 KR 11/98 R) kann auf die medizinische Praxis (Akzeptanz) abgestellt werden. Der Leistungsanspruch besteht ab dem fiktiven Entscheidungstag.

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- wenn der BA zu einer Entscheidung kommt, die rechtlich als Fehlentscheidung erscheint (z.B. eine aus dem BA nicht zustehenden rechtspolitischen Erwägungen getroffene Nichtempfehlung), d.h. , wenn der BA nach den eingangs genannten gesetzlichen Vorgaben richtigerweise eine Empfehlung im Sinne des § 135 Abs. 1 SGB V hätte abgeben müssen. In einem solchen Fall besteht ein Leistungsanspruch dabei folgerichtig aber nur auf Untersuchungs- und Behandlungsmaßnahmen ab diesem Tag, BSG vom 03 04 2001 - B 1 KR 17/00 R -. Zur Klarstellung: Für vorher selbstbeschaffte Maßnahmen besteht auch in einem solchen Fall kein Kostenerstattungsanspruch.

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Die Klage scheitert nach dem vorhergesagten sowohl nach den unter 1. wie auch den unter 2. genannten Gesichtspunkten. Zur Verdeutlichung sei in Bezug auf die ESWT noch folgendes ausgeführt So plausibel wie die Behandlungsmethode in Bezug auf das hier anzugehende Beschwerdebild auch erscheint und so erfolgreich sie denn auch nach der Darstellung der Klägerin war, entscheidend ist wie gesagt allein, daß statistische Erhebungen die allgemeine Wirksamkeit bzw. den Nutzen der ESWT in Bezug auf Erkrankungen wie hier belegt haben, was offensichtlich nicht der Fall ist. Nach der Rechtsprechung des BSG kommt es auch nicht darauf an, daß es der ärztlichen Kunst (!) im Einzelfall entsprechen mag, eine nicht als allgemein wirksam erwiesene Methode jedenfalls einmal in einem Fall wie dem vorliegenden versuchsweise anzuwenden.

27

Bei dieser Sach- und Rechtslage sah sich das Gericht zur weiteren Ermittlungen nicht veranlasst.

28

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.