Landgericht Osnabrück
Beschl. v. 29.06.2007, Az.: 9 S 187/07
Einstellung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens; Anschließendes Bußgeldverfahren nach strafrechtlicher Einstellung; Anspruch eines Pflichtverteidigers auf Gebühren
Bibliographie
- Gericht
- LG Osnabrück
- Datum
- 29.06.2007
- Aktenzeichen
- 9 S 187/07
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 46564
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOSNAB:2007:0629.9S187.07.0A
Verfahrensgang
Rechtsgrundlagen
- § 17 Nr. 10 RVG
- § 43 OWiG
- Nr. 4141 VV RVG
Fundstellen
- StRR 2008, 43 (amtl. Leitsatz)
- VRR 2008, 43 (Kurzinformation)
Amtlicher Leitsatz
Es entsteht auch dann die zusätzliche Gebühr Nr. 4141 VV RVG, wenn nach einer Verfahrenseinstellung durch die Staatsanwaltschaft das Verfahren zur Durchführung eines Bußgeldverfahrens an die Verwaltungsbehörde abgegeben wird.
In dem Rechtsstreit
...
hat die 9. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück
am 29.06.2007
beschlossen:
Tenor:
Die Kammer beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Papenburg vom 21.03.2007 (Aktenzeichen 4 C 928/06) gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung nicht erfordert und die Berufung auch keine Aussicht auf Erfolg hat.
Gründe
Nach Vorlage der Berufungsbegründung erwägt die Kammer, die Berufung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, da diese zwar zulässig, jedoch nicht begründet ist. Das Amtsgericht hat die Beklagte zu Recht verurteilt, den Kläger von der Verbindlichkeit aus der Angelegenheit zum Aktenzeichen 06/0438 seiner Prozessbevollmächtigten in Höhe von 163,47 EUR freizustellen. Insofern wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO auf das erstinstanzliche Urteil verwiesen. Dieses enthält weder eine Rechtsverletzung zum Nachteil der Beklagten noch sind nach § 529 ZPO Tatsachen zugrunde zu legen, die eine andere Entscheidung rechtfertigen.
Auch das Berufungsgericht geht unter Hinweis auf § 17 Nr. 10 RVG davon aus, dass es sich bei einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren und einem nach dessen Einstellung sich anschließendem Bußgeldverfahren um verschiedene Angelegenheiten handelt. Aus diesem Grund hat der Verteidiger nach einer Einstellung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens und einer Abgabe an die Ordnungswidrigkeitenbehörde gemäß § 43 OWiG einen Anspruch auf die Gebühr gemäß Nr. 4141 VV RVG. Die dagegen von der Beklagten vorgebrachten Bedenken überzeugen die Kammer nicht. Sie beruhen größtenteils auf der alten Rechtslage nach der BRAGO und sind auf die heutige Rechtslage nicht zu übertragen. Der Gesetzgeber hat vielmehr in der Gesetzesbegründung zu § 17 Nr. 10 RVG (Drucksache des Deutschen Bundestages 15/1971, Seite 192) ausgeführt:
"Mit Nummer 10 soll klargestellt werden, dass das strafrechtliche Ermittlungsverfahren und ein nach dessen Einstellung sich anschließendes Bußgeldverfahren verschiedene Angelegenheiten bilden. Dies entspricht der Auffassung eines Teils der Literatur schon nach geltender Rechtslage (...). In der Rechtsprechung wird die Frage unterschiedlich beantwortet. In diesen Fällen soll jedoch im Bußgeldverfahren die Grundgebühr nicht mehr besonders entstehen (....)."
Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass der Gesetzgeber sich der Streitigkeit nach den Regeln der BRAGO bewusst war und im Hinblick auf diese Auseinandersetzung in Rechtsprechung und Literatur den § 17 Nr. 10 RVG geschaffen hat. Dieser kann nicht anders verstanden werden, als dass der Gesetzgeber die Streitigkeit durch die eindeutige Regelung, dass strafrechtliches Ermittlungsverfahren und sich anschließendes Bußgeldverfahren verschiedene Angelegenheiten im Sinne des RVG darstellen, entschieden hat.
Die von der Beklagten vorgelegte Entscheidung des Amtsgerichts München vom 07.07.2006 (Aktenzeichen 155 C 11172/06) überzeugt die Kammer nicht. Diese Entscheidung setzt sich mit § 17 Nr. 10 RVG überhaupt nicht auseinander. Dementsprechend ist die Entscheidung in einer Anmerkung als nicht zutreffend gewürdigt worden. Dagegen wird die vom Amtsgericht und vom Berufungsgericht getroffene Entscheidung durch ein Urteil des Amtsgerichts Regensburg (StraFo 2006, Seite 88) und durch Stimmen in der Literatur gestützt (vgl. u.a. Madert AGS 2006, Seite 105; Burhoff RVGReport 2007, Seite 161 (162)).
Im Hinblick auf die eindeutige Gesetzeslage ist das Berufungsgericht auch nicht daran gehindert, durch einen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zu entscheiden. Eine mündliche Verhandlung und sodann ein Urteil, in dem gegebenenfalls die Revision zugelassen wird, ist nicht erforderlich. Denn die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechtes oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist nicht erforderlich.
Der Beklagte wird Gelegenheit zur Stellungnahme und zur Entscheidung, ob die Berufung aufrechterhalten bleiben soll, binnen einer Frist von 2 Wochen gegeben.