Landgericht Osnabrück
Urt. v. 08.08.2007, Az.: 1 S 213/07

Anspruch eines Mieters auf Schadensersatz gegen den ehemaligen Vermieter aus einem Brandvorfall; Beschädigung von Gegenständen durch Brandlöschung der Nachbarwohnung; Ursache und Verantwortlichkeit eines Brandes; Fehler der Elektroinstallation als Ursache des Brandes

Bibliographie

Gericht
LG Osnabrück
Datum
08.08.2007
Aktenzeichen
1 S 213/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2007, 53816
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOSNAB:2007:0808.1S213.07.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Nordhorn - 29.03.2007 - AZ: 3 C 179/07
nachfolgend
BGH - 15.10.2008 - AZ: VIII ZR 321/07

In dem Rechtsstreit
...
hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück
durch
den Richter am Landgericht ... und ... und ...
auf die mündliche Verhandlung vom 08.08.2007
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Nordhorn vom 29.03.2007 wie folgt abgeändert:

  1. 1.

    Die Klage wird abgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

  3. 3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

    Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung seitens des Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, es sei denn, der Beklagte leistet vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe.

  4. 4.

    Die Revision wird zugelassen.

  5. 5.

    Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.165,00 ? festgesetzt.

Entscheidungsgründe

1

Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

2

1)

Der Kläger macht als ehemaliger Mieter Schadensersatzansprüche aus einem Brandvorfall vom 20.06.2006 gegen seinen ehemaligen Vermieter geltend.

3

Am Vorfallstag hat es in der Nachbarwohnung der vom Kläger gemieteten Wohnung in Nordhorn gebrannt. Im Zuge der Brandlöschung wurden Gegenstände, die sich im Eigentum des Klägers befanden, beschädigt.

4

Die Parteien streiten über die konkrete Ursache des Brandes und dessen Verantwortlichkeit. Der Kläger behauptet insoweit, einen technischen Defekt mit Kurzschluss im Bereich der Dunstabzugshaube in der Nachbarwohnung. Die Dunstabzugshaube ist unstreitig vom Vermieter eingebracht und installiert worden. Seinen geltend gemachten Schaden in Höhe von 2.630,00 ? beziffert der Kläger anhand der Tabelle auf Seite 3 der Klageschrift; die beschädigten Gegenstände hat er im Schriftsatz vom 20.03.2007 konkretisiert.

5

2)

Das Amtsgericht hat - nach Beiziehung der Akten der Staatsanwaltschaft ... und der Vernehmung von Zeugen - der Klage stattgegeben und einen Schadensersatzanspruch gemäß §536 Abs. 1, 2. Alternative BGB bejaht, wobei es die Höhe des Schadens gemäß §287 ZPO geschätzt hat.

6

Es hat einen Fehler in der Elektroinstallation als ursächlich für die Brandentstehung angesehen. Zu dieserÜberzeugung ist es nach Vernehmung des Zeugen ... gelangt. Andere Ursachen hat es ausgeschlossen und ausgeführt, dass eine realistische Alternative zu einem Defekt in der Elektroinstallation nicht ermittelt werden konnte.

7

Das Amtsgericht hat, weil es die Brandursache dem Verantwortungsbereich des Beklagten als Vermieter zugeordnet hat, diesen für verpflichtet gehalten, sich hinsichtlich des Pflichtverstoßes und der Ursächlichkeit des Fehlers für den Schaden zu entlasten.

8

Schließlich hat es das Verschulden des Beklagten festgestellt und dazu ausgeführt, dass dieser als Vermieter verpflichtet war, in regelmäßigen Abständen die Elektroinstallation zuüberprüfen und der Beklagte dieser Verpflichtung nicht nachgekommen ist. Es hat in diesem Zusammenhang die Ansicht vertreten, dass bei entsprechender Überprüfung der ursächliche Defekt der Elektroinstallation mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit ermittelt worden wäre.

9

Die Schadenshöhe hat es auf der Basis einer reduzierten Darlegungspflicht, da der Kläger nicht mehr über entsprechende Unterlagen verfügt, geschätzt.

10

3)

Mit seiner Berufung, mit der er die Abweisung der Klage weiterverfolgt, beanstandet der Beklagte insbesondere den Ausschluss möglicher anderer Brandentstehungsursachen, die Annahme, er sei als Vermieter verpflichtet, in regelmäßigen Abständen (auch in Räumlichkeiten, die ihm nicht jederzeit zugänglich sind) die elektrischen Anlagen des Mietobjekts zu überprüfen sowie die Feststellung der Kausalität zwischen unterlassener Überprüfung und dem Eintritt des Schadens.

11

4)

Dem Kläger steht kein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz gegen den Beklagten wegen des Brandereignisses vom 20.06.2006 zu, insbesondere ergibt sich ein solcher Anspruch nicht aus §536 a Abs. 1 S. 1, 2. Alternative BGB.

12

a)

Es begegnet bereits Bedenken, dass das Amtsgericht nach Vernehmung des Zeugen ... und der Beiziehung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte einen Fehler in der Elektroinstallation als ursächlich für die Brandentstehung in der Wohnung des Geschädigten ... feststellen konnte.

13

Unzweifelhaft, und insoweit auch von dem Beklagten nicht bestritten, ist der Brand im Bereich der kleinen Kochnische, in der sich eine Einbauküche befand, entstanden. Dort nämlich hat es die massivsten Brandzehrungen gegeben. Es ist auch nachvollziehbar, wenn das Amtsgericht auf Grund des vom Zeugen festgestellten höchsten Grades der Brandzehrungen im Bereich der Hohlschicht der ehemaligen mit Rigipsplatten verkleideten Leichtbauwand der Küchenzeile zu dem Schluss gelangt, dass der Brand im Innenbereich der Wandkonstruktion seinen Ausgang genommen hat. Die Einschätzung des Zeugen ... wonach als einzig mögliche Alternative für die Schadensursache ein Isolations- oder Installationsfehler zu suchen sei, hat das Amtsgericht allerdings unreflektiert übernommen. Dabei hat der Zeuge ... zugleich zu bedenken geben, dass auch eine mechanische Belastung als Folge eines Kabelbruchs durch Herausziehen oder ähnliche Belastungen als mögliche Ursache in Betracht zu ziehen sei. Wenn das Amtsgericht dann aber ausführt, dass eine realistische Alternative zu dem von ihm festgestellten Defekt für die Schadensverursachung nicht ermittelt werden konnte, so mag es daran gelegen haben, dass ein Großteil der Wand, an oder in der die Brandausbruchstelle festgestellt wurde, vollständig verbrannt ist und somit auch keine Spuren einer etwaig von außen auf das Kabel einwirkenden Kraft, etwa durch das Einschlagen eines Nagels, näher festgestellt werden konnten.

14

b)

Die tatsächliche Schadensursache kann aber dahinstehen, weil der Beklagte den Mangel nicht zu vertreten hat. Selbst wenn der Fehler in der Elektroinstallation gelegen hätte, müsste der Beklagte dafür nicht einstehen. Es fehlt an einer Pflichtverletzung. Grundsätzlich lässt sich allerdings Folgendes festhalten:

15

Der Beklagte ist für das von ihm vermietete Objekt verkehrssicherungspflichtig.

16

Der Verkehrssicherungspflichtige muss allerdings nicht jeder abstrakten Gefahr durch vorbeugende Maßnahmen begegnen; eine absolute Sicherheit kann und muss nicht gewährleistet werden. Es bedarf vielmehr nur solcher Sicherungsmaßnahmen, die ein verständiger und umsichtiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für ausreichend halten darf, um andere Vorschäden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zumutbar sind. Dabei bestimmt sich Art und Umfang der Verkehrssicherungspflicht nicht nur nach der Intensität der Gefahren, sondern auch nach dem Sicherungserwartungen des Verkehrs; werden Gefahren durch die gebotene Vorsorge anderer Personen gewissermaßen neutralisiert, so reduzieren sich entsprechend auch die Sicherungserwartungen an den eigentlich Verkehrssicherungspflichtigen, der auf eine solche Vorsorge vertrauen darf. Das Vertrauen, dass der eigentlich Verkehrssicherungspflichtige in die gebotene Wahrnehmung der Sicherungsmaßnahmen durch andere Personen setzen kann, wirkt somit auf seine Sicherungspflichten zurück (vgl. BGH NJW 1994, 3348 [BGH 20.09.1994 - VI ZR 162/93]; OLG Karlsruhe WUM 1996, 226).

17

Übertragen auf den Vermieter, der nach §535 BGB "den Gebrauch der Mietsache zu gewähren" hat, bedeutet dies, dass sich dessen Verpflichtungen nicht nur in einem bloßen Dulden erschöpfen, sondern dass sie in der Entfaltung einer Tätigkeit bestehen. Danach trifft den Vermieter eine positive Fürsorgepflicht für die Erhaltung der Mietsache. Was der Vermieter allerdings im Rahmen dieser Verpflichtung alles zu tun oder auch zu unterlassen hat, lässt sich nicht von vornherein genau bestimmen, sondern hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (BGH NJW 1957, 826). Diese Erhaltungspflicht erstreckt sich grundsätzlich auf alle Teile des Hauses, also nicht nur auf die der gemeinsamen Benutzung unterliegenden Einrichtungen wie Treppe, Speicher und gemeinsamen Kellerräume etc., sondern auch auf die in der Obhut der Mitmieter stehenden Wohn- und Geschäftsräume. Der Vermieter darf auch seine Pflicht, diese Mieträume zu erhalten, nicht so vernachlässigen, dass daraus eine Gefahr für die Mitmieter entsteht (BGH ZMR 1969, 271).

18

Welche Konsequenzen aus dieser allgemeinen Verkehrssicherungspflicht für den Vermieter insbesondere hinsichtlich einzelner Prüfungen abzuleiten ist, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet.

19

So wird zum Teil vertreten, dass der Vermieter verpflichtet ist, die Überprüfung der elektrischen Anlagen in regelmäßigen Abständen durchführen zu lassen, um so deren Sicherheit zu gewährleisten. Anhaltspunkte für den zeitlichen Rahmen einerÜberprüfung soll danach die Tabelle 1 A zu §5 der Unfallverhütungsvorschrift BGV A 2 bilden. Sie sieht für elektrische Anlagen und ortsfeste Betriebsmittel eine generelle Prüffrist von 4 Jahren vor (vgl. OLG Saarbrücken, NJW 1993, 3077; Ehlert in: Bamberger/Roth, BGB, Stand 01.02.2007, §535 Rndz. 200; im Grundsatz wohl auch: Eisenschmidt in: Schmidt/Futterer, Mietrecht, 9. Aufl., §535, Rndz. 132). Dieser Ansicht hat sich das Amtsgericht angeschlossen.

20

Die Kammer teilt die Auffassung nicht. Grundsätzlich dürfen Prüfungspflichten nicht überspannt werden, um zu verhindern, dass dem Vermieter letztlich im praktischen Ergebnis eine Gefährdungshaftung trifft (Staudinger-Emmerich, BGB, 2006, §535, Rndz. 32). Genau zu diesem Ergebnis würde aber die Verpflichtung eines Vermieters zur turnungsmäßigen Überprüfung der Elektroanlage führen. Daher ist eine differenzierte Betrachtung erforderlich.

21

Festzustellen ist, dass ein sogenannter "E-Check", d.h., eine Art Generalinspektion aller elektrischen Anlagen so ausdrücklich nur vom OLG Saarbrücken in der zuvor genannten Entscheidung zur Verpflichtung erhoben worden ist. Dieses Urteil ist allerdings vereinzelt geblieben. Es gibt keine gesetzlichen Vorschriften, die einen Vermieter verpflichten, in regelmäßigen Abständen die Elektroinstallation zu kontrollieren. Die Vorschriften, auf die das OLG Saabrücken Bezug genommen hat, sind nicht einschlägig (vgl. Manger GE 2003, 1406). Bei regelmäßigen und sachgerecht durchgeführten Prüfungen der Elektroanlage können zwar Risiken, wie beispielsweise der relativ häufig auftretende Fehler einer Neutralleiterunterbrechung, im Vorfeld erkannt und daher minimiert werden (vgl. Prang GE 2003 1604). Das allerdings rechtfertigt es nicht, ohne Differenzierung eine Prüfungspflicht zu statuieren. Vielmehr sollte unterschieden werden zwischen den dem Vermieter jederzeit zugänglichen Räumlichkeiten und vermieteten Räumen und Geräten, die sich im Besitz eines Mieters befinden. In den zuletzt genannten Fällen besteht nur eine eingeschränkte Prüfungspflicht, denn der Aufwand wäre ansonsten zu hoch. Zudem hat der jeweilige Mieter selbst ein großes Interesse daran, auftretende Fehler oder Unregelmäßigkeiten, die sich ihm zeigen, dem Vermieter mitzuteilen. Dazu ist er auch verpflichtet, §536 c BGB. Hierauf muss sich der Vermieter verlassen können (vgl. BGH ZMR 1969, 271; LG Hamburg ZMR 1991, 440 (jeweils für den Fall der Überprüfung von Wasserleitungen), Staudinger-Emmerich, §535, Rndz. 32). Hinzu kommt, dass der Prüfungsaufwand teilweise wegen der Komplexität des Objektes sehr hoch ist (vgl. OLG Köln NZM 2005, 179). Daher hat ein Vermieter lediglich im Einzelfall eine Kontrollpflicht, nämlich dann, wenn sich beispielsweise wegen des Alters der Anlage Bedenken an der Funktionstauglichkeit ergeben sollten oder ihm Unregelmäßigkeiten angezeigt worden sind.

22

Dieses war im vorliegenden Fall unstreitig nicht der Fall.

23

Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts war es auch nicht Sache des Beklagten sich zu exkulpieren.

24

Grundsätzlich hat der Mieter alle Voraussetzungen des Schadensersatzanspruches aus §536 Abs. 1 BGB darzulegen und ggfls. zu beweisen. Nur wenn fest steht, dass die Schadensursache im Herrschafts- und Einflussbereich des Vermieters gesetzt worden ist, hat sich der Vermieter angesichts seines Verschuldens zu entlasten. In diesem Zusammenhang muss nicht der Mieter den Pflichtverstoß und die Ursächlichkeit des Fehlers der Mietsache für den Schaden darlegen und beweisen. Voraussetzung ist allerdings, dass die Ursache unstreitig bzw. bewiesenermaßen aus dem Gefahrenbereich des Vermieters stammt (vgl. BGH NZM 2006, 358; OLG Celle NJW-RR 1996, 521 [BGH 13.12.1995 - XII ZR 194/93]; Lützenkirchen WuM 2007, 99, 108).

25

Im vorliegenden Fall ist die Darlegungs- und Beweislast nicht auf den Beklagten als Vermieter übergegangen. Der Brand war entstanden in der Wohnung des Mitmieters Hoorn, mithin nicht im Herrschafts- und Einflussbereich des Beklagten. Daher teilt die Kammer auch nicht die Ansicht des Amtsgerichts, dass offensichtlich die Entscheidung des OLG Celle für den vorliegenden Fall übertragbar gehalten hat. Hier hat es offensichtlich die besondere Fallgestaltung in dem vorgenannten Urteil zu Grunde liegenden Sachverhalt übersehen. Danach war der Brand entstanden in einem vom beklagten Vermieter selbst betriebenen Ladengeschäft und Schnellimbisses.

26

5)

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§91, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.