Landgericht Osnabrück
Urt. v. 14.08.2007, Az.: 8 O 2431/06
Bibliographie
- Gericht
- LG Osnabrück
- Datum
- 14.08.2007
- Aktenzeichen
- 8 O 2431/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 61021
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOSNAB:2007:0814.8O2431.06.0A
Tenor:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 4 199,95 € nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2006 abzüglich am 06.10.2006 gezahlter 4 199,95 € zu zahlen.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner darüber hinaus verurteilt, an die Klägerin anwaltliche außergerichtliche Kosten in Höhe von 335,90 € nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.9.2006 abzüglich am 10.10.2006 gezahlter 287,80 € zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin 40 % und die
Beklagten als Gesamtschuldner 60 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Parteien bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung jeweils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die andere Partei zuvor Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.
Tatbestand
Die Klägerin macht restlichen Schadensersatz auf Grund eines Verkehrsunfalles vom 12.08.2006 gegen die Beklagten geltend.
Alleinige Unfallverursacherin war die Beklagte zu 3., die das Fahrzeug der Beklagten zu 2. fuhr.
An dem Fahrzeug der Klägerin entstand erheblicher Sachschaden.
Der Sachverständige W. bezifferte in seinem Gutachten vom 18.08.2006 (Bl. 9 ff. der Akte) die voraussichtlichen Reparaturkosten für das Fahrzeug der Klägerin auf 8 318,21 €. Den Restwert für das Fahrzeug, welches zum Unfallzeitpunkt sieben Jahre alt war und eine Laufleistung von 333 420 km aufwies, veranschlagte er auf 2 500,00 €. Mit Schreiben vom 18.08.2006 stellte er der Klägerin für die Erstattung des Gutachtens 699,70 € in Rechnung.
Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 24.08.2006 (Bl. 32 f. der Akte) beanspruchte die Klägerin von der Beklagten zu 1., dem Haftpflichtversicherer des von der Unfallverursacherin gefahrenen Fahrzeugs, die vom dem Sachverständigen W. veranschlagten Reparaturkosten in Höhe von 8 318,21 €, die von diesem in Rechnung gestellten Kosten für die Erstellung des Gutachtens in Höhe von 699,70 € sowie eine Unkostenpauschale in Höhe von 25,00 €.
Unter Hinweis auf den nach einer Auskunft der Firma A. vom 30.8.2006 für das Fahrzeug zu erzielenden Restwert in Höhe von 6 215,52 € (netto) überwies die Beklagte zunächst an die Klägerin 2 957,46 €.
Das Fahrzeug der Klägerin wurde von ihrem Geschäftsführer, der Kfz-Mechaniker ist, repariert.
Mit Schreiben vom 04.10.2006 (Bl. 90 f. der Akte) übersandte die Beklagte zu 1. den Prozessbevollmächtigten der Klägerin den Prüfbericht der Firma E. vom 02.10.2006 (Bl. 88 f. der Akte), worin die Stundenverrechnungssätze für Karosserie- bzw. Mechanikarbeiten mit 65,00 € und die Sätze für Lackierarbeiten mit 80,00 € angegeben wurden. Die Reparaturkosten für das Fahrzeug der Klägerin sind in dem Prüfbericht auf der Grundlage dieser Stundenverrechnungssätze mit 6 432,71 € veranschlagt. Als Referenzwerkstatt wird die Firma Auto-C. angegeben.
Die Klägerin hat am 05.10.2006 gegen die Beklagten Klage auf Zahlung von 6 085,45 € sowie auf Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 335,90 € erhoben.
Am 06.10.2006 hat die Beklagte zu 1. an die Klägerin weitere 4 199,95 € gezahlt und dabei die von der Firma E. veranschlagten Reparaturkosten in Höhe von 6 432,71 €, Gutachterkosten in Höhe von 699,70 € und eine Auslagenpauschale in Höhe von 25,00 € zu Grunde gelegt.
Am 10.10.2006 hat die Beklagte zu 1. auf die von der Klägerin beanspruchten vorgerichtlichen Anwaltskosten weitere 287,80 € gezahlt.
Die Klägerin meint, die Beklagten seien verpflichtet, die von dem Sachverständigen W. im Rahmen seines Gutachtens vom 18.08.2006 auf der Grundlage der Stundensätze der Mercedes-Fachwerkstatt GmbH ermittelten Reparaturkosten in Höhe von 8 318,21 € zu erstatten. Als Geschädigte stehe ihr derjenige Geldbetrag zu, der ihr bei einer Reparatur in einer Fachwerkstatt in Rechnung gestellt worden wäre.
Die Klägerin beantragt,
- 1.
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 6 085,45 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2006 abzüglich am 06.10.2006 gezahlter 4 199,95 € zu bezahlen;
- 2.
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie anwaltliche außergerichtliche Kosten in Höhe von 335,90 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2006 abzüglich am 10.10.2006 gezahlter 287,80 € zu bezahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie hätten den an dem Fahrzeug der Klägerin entstandenen ersatzfähigen Schaden bereits ausgeglichen.
Der von der Beklagten zu 1. vorgenommenen Regulierung lägen die konkreten Stundenverrechnungssätze der Fachwerkstatt Firma Auto-C. zu Grunde. Diese betreibe ein großes Autohaus samt Fahrzeugreparaturwerkstatt und Tankstelle. Es handele sich dabei um einen ausgewiesenen Fachbetrieb für Fahrzeugbau. Der Betrieb führe Reparaturen aller Marken streng nach den jeweiligen Richtlinien und Angaben der Fahrzeughersteller aus und verwende dabei ausschließlich Originalersatzteile. Die Firma Auto-C. besitze moderne Spezialwerkzeuge. Ihre Mitarbeiter würden ständig weitergebildet. Es handele sich um einen Meisterbetrieb der Kfz-Innung. Für die Klägerin sei es ohne Weiteres möglich, dort die Reparatur ihres Fahrzeugs durchführen zu lassen. Laut Routenplaner betrage die Entfernung zwischen ihrem Geschäftssitz und der Werkstatt lediglich 20 km, während die Entfernung von dem Geschäftssitz der Klägerin zu der in dem von ihr vorgelegten Schadensgutachten benannten Reparaturfirma Autohaus A. laut Routenplaner sogar 120 km betrage.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen X. sowie auf Grund des Beweisbeschlusses vom 28.02.2007 (Bl. 130 der Akte) durch schriftliche Vernehmung der Zeugin A. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 28.02.2006 (Bl. 124 ff. der Akte) und auf die schriftliche Aussage der Zeugin A. vom 06.03.2007 (Bl. 150 der Akte) verwiesen.
Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber nur zu einem geringen Teil begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung weiterer 1 885,50 € als fiktive Mehrkosten für eine Reparatur ihres Fahrzeugs in einer Mercedes-Vertragswerkstatt.
Nach § 249 BGB ist der Geschädigte so zu stellen, wie wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand und damit der Unfall nicht eingetreten wäre. Dabei ist der Schadensersatz nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB bei einer fiktiven Abrechnung auf den für die Herstellung dieses Zustandes erforderlichen Geldbetrag beschränkt. Erforderlich sind nach ständiger Rechtsprechung die Aufwendungen, die ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Bei der Beurteilung der Erforderlichkeit ist ein Ausgleich zwischen dem Integritätsinteresse des Geschädigten einerseits und dem schadensrechtlichen Bereicherungsverbot andererseits zu finden, wobei von dem Prinzip der Totalreparation auszugehen ist.
Infolgedessen hat der Geschädigte bei einer Regulierung nach § 249 Abs. 2 S. 1 BGB zwar ein Anspruch auf vollen Ersatz des auf Grund des Unfalls entstandenen Schadens, andererseits muss er sich aber unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht auf eine ohne Weiteres zugängliche günstigere und gleichwertigere Reparaturmöglich verweisen lassen, wenn ihm konkrete Möglichkeiten einer technisch einwandfreien Reparatur dargelegt werden ( BGH NJW 2003, 2806 ff.).
Die Auffassung der Klägerin, dass sich aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergebe, dass bei einer fiktiven Abrechnung stets die besonderen Verrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zu Grunde zu legen seien, teilt das Gericht nicht.
Allerdings hat der Schädiger die konkreten Tatsachen darzulegen und zu beweisen, aus denen sich die Unwirtschaftlichkeit der Abrechnung und damit ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht ergibt, wenn der Geschädigte - wie hier - die Kosten der Instandsetzung auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens abrechnet ( BGH NJW 2003, 2086 ff.).
Die Klägerin hätte die Reparatur ihres Fahrzeugs bei der Firma A. auf Kosten der Beklagten im Rahmen einer Naturalrestauration (§ 249 Abs. 1 BGB) ohne Weiteres durchführen lassen können. Bei der von ihr vorgenommenen fiktiven Abrechnung gemäß § 249 Abs. 2 S. 1 BGB kann als erforderlicher Geldbetrag im Sinne dieser Bestimmung jedoch nur die konkret nachgewiesene preiswertere Reparaturmöglichkeit maßgebend sein, da ansonsten dem Grundsatz des schadensrechtlichen Bereicherungsverbots nicht hinreichend Rechnung getragen werden kann.
Auf Grund der durchgeführten Beweisaufnahme steht fest, dass die Firma ..., die in dem von den Beklagten der Klägerin vorgelegten Prüfbericht der Firma E. vom 02.10.2006 als Referenzwerkstatt angegeben ist, in der Lage ist, die zur Reparatur des Fahrzeugs der Klägerin erforderlichen Karosserie- und Lackierarbeiten in fachlich gleichwertiger Qualität wie eine Mercedes-Fachwerkstatt auszuführen.
Der Zeuge X. hat nach Durchsicht des Gutachtens des Sachverständigen-
büros B. bestätigt, dass in seiner Werkstatt die Unfallschäden an dem Fahrzeug der Klägerin durchaus hätten repariert werden können. Der Zeuge ist Kraftfahrzeugmeister. Seinen Angaben zufolge war er, bevor er sich selbstständig gemacht hat, 12 Jahre in einer Mercedes-Werkstatt beschäftigt. Der Betrieb, so der Zeuge, gehöre der Kfz-Innung an. Den Ausführungen des Zeugen zufolge verfügt die Werkstatt über alle für Unfallreparaturen erforderlichen Werkzeuge. So seien ein
Alu-Schweißgerät, eine Richtbank sowie ein Achsvermessungsgerät vorhanden. In dem Betrieb sind nach Aussagen des Zeugen sechs Gesellen und ein Lehrling beschäftigt. In der Werkstatt werden den Angaben des Zeugen zufolge vor allen Dingen Reparaturen an Mercedes-Fahrzeugen vorgenommen. Die für die Reparatur von Mercedes-Fahrzeugen erforderlichen Diagnosegeräte, so der Zeuge, seien vorhanden. Außerdem würden in der Regel Originalteile von Mercedes im Rahmen der Reparaturen eingesetzt.
Lediglich Lackierarbeiten, so der Zeuge, würden in seiner Werkstatt nicht durchgeführt. Die Fahrzeuge würden dafür in die Lackierwerkstatt T. verbracht, wo im Übrigen auch Fahrzeuge im Auftrage von Mercedes-Vertragswerkstätten lackiert würden.
Der Zeuge hat bestätigt, dass in seiner Werkstatt für Karosserie-Arbeiten 65,00 € und für Mechanik-Arbeiten 55,00 € oder 65,00 € pro Stunde berechnet würden.
Das Gericht sieht keinen Anlass, an der Richtigkeit und Zuverlässigkeit der Angaben des Zeugen X. zu zweifeln. Danach ist davon auszugehen, dass die Firma ... fachlich in der Lage ist, die an dem Fahrzeug der Klägerin erforderlichen Reparaturarbeiten in gleicher Qualität durchzuführen, wie eine Mercedes-Fachwerkstatt.
Da die Firma für Karosserie- bzw. Mechanik-Arbeiten 65,00 € und für Lackierarbeiten einschließlich Material, wie die Zeugin A. bestätigt hat, 80,00 € berechnet, kann die Klägerin daher nicht die in dem Gutachten des Sachverständigen W. zu Grunde gelegten Stundenverrechnungssätze der Mercedes-Vertragswerkstatt erstattet verlangen.
Zwar bestreitet die Klägerin, dass die Firma ... den Schaden fachgerecht und technisch einwandfrei in Stand setzen kann und hat dies unter Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens gestellt. Da die Klägerin den angeforderten Auslagenvorschuss nicht erbracht hat, ist das Gutachten nicht einzuholen. Im Übrigen hat die Klägerin keine konkreten Umstände dargetan, die dagegen sprechen könnten, dass die Firma ... nicht in der Lage ist, die Reparaturarbeiten fachgerecht und technisch einwandfrei auszuführen.
Da die Klägerin die Verbringungskosten der Lackierwerkstatt nicht erstattet verlangen kann, weil diese nicht angefallen sind, kann sie den ihr infolge des Unfalls entstandenen Schaden hinsichtlich der fiktiven Reparaturkosten lediglich in Höhe von 6 432,71 €, wie in dem Prüfbericht der Firma E. vom 02.10.2006 veranschlagt, erstattet verlangen. Diese hat die Beklagte zu 1. beglichen.
Da die Beklagten Zahlung erst nach Ablauf der dafür gesetzten Frist geleistet haben, kann die Klägerin Zinsen entsprechend §§ 286, 288 BGB beanspruchen.
Im Übrigen hat die Klägerin gegen die Beklagten noch einen weitergehenden Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 48,10 €, ausgehend von einem Streitwert in Höhe von 7 157,41 €. Denn nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 07.03.2007 - VIII ZR 86/06 - verbleibt eine bereits entstandene
Geschäftsgebühr unangetastet. Durch die hälftige Anrechnung verringert sich eine später nach Nr. 3100 VVRVG angefallene Verfahrensgebühr.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711, ZPO.