Landgericht Osnabrück
v. 18.04.2007, Az.: 1 O 295/07

Bibliographie

Gericht
LG Osnabrück
Datum
18.04.2007
Aktenzeichen
1 O 295/07
Entscheidungsform
Entscheidung
Referenz
WKRS 2007, 61023
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGOSNAB:2007:0418.1O295.07.0A

Tenor:

  1. Der Beklagte wird verurteilt, zwecks Einreichung beim Amtsgericht - Grundbuchamt - Osnabrück folgende Löschungsbewilligung abzugeben:

  2. Als Eigentümer der im Grundbuch von Hollage des Amtsgerichts Osnabrück Blatt ... und Blatt ... verzeichneten herrschenden Grundstücke bewillige ich die Löschung der Belastungen Abteilung II laufende Nummer 4 auf dem im Grundbuch von Hollage des Amtsgerichts Osnabrück Blatt ... unter BV-Nr. 12 eingetragenen dienenden Grundstück Gemarkung Hollage Flur ..., Flurstück ..., Gebäude- und Freifläche, ....straße zur Größe von ... qm.

  3. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Frage, ob der Beklagte zur Erteilung der Löschungsbewilligung einer Grunddienstbarkeit verpflichtet ist.

2

Die Klägerin ist Eigentümerin eines schmalen Grundstücksstreifens, der zum Teil zwischen den Grundstücken des Beklagten verläuft.

3

Ursprünglich sollte auf dem Grundstücksstreifen der Klägerin eine Gleistrasse errichtet werden; dieser Plan wurde durch Beschluss des Verwaltungsausschusses der Klägerin im Jahr 2002 aufgegeben.

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Am 13.09.1996 schlossen die Klägerin und der Beklagte eine notariell beurkundete Vereinbarung ab, wonach der Beklagte berechtigt sein sollte, den Grundstückstreifen der Klägerin zur Anlegung von Überwegungsflächen zu nutzen und darunter Versorgungsleitungen zu legen (Bl. 56 d.A.). In dieser Vereinbarung verpflichtete sich der Beklagte, die "übrige Fläche", d.h. die Fläche, die sich nicht zwischen den Grundstücken des Beklagten befindet, zu bepflanzen und dauerhaft die Pflege dieser Fläche zu übernehmen. Weiterhin hat der Beklagte die Klägerin von jeglicher Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich der Fläche, die parallel zu den Grundstücken des Beklagten verläuft, freigestellt. Das Grundstück der Klägerin war im Zeitpunkt der Vereinbarung 1996 im Grundbuch noch als Flurstück ... bezeichnet; inzwischen besteht es aus den Flurstücken .../2 (Grundstücksteil, der parallel zu den Grundstücken des Beklagten verläuft) und Flurstück .../1 (übrige Fläche). Aus dem Grundbuch ergibt sich, dass es sich nach wie vor um ein Grundstück handelt, das Grundstück ist nicht geteilt worden (vgl. Bl. 18). Die Klägerin möchte nunmehr ihre Grundstücke, die nicht mehr für die Bahnstrecke benötigt werden, an die jeweiligen Anlieger veräußern. Vertragsverhandlungen mit dem Beklagten verliefen bislang ergebnislos; hinsichtlich des Flurstücks .../1 möchte die Klägerin lastenfrei an die Anliegerin ... veräußern. Der Abschluss des Vertrages scheitert derzeit an der Belastung des Grundstücks mit der Grunddienstbarkeit des Beklagten.

5

Die Klägerin macht geltend, der Beklagte sei zur Erteilung der Löschungsbewilligung hinsichtlich des Grundstücksteiles, der nicht zwischen seinen Grundstücken verläuft (Flurstück .../1), verpflichtet. Insoweit bestehe ein Anspruch gemäß § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB, da hinsichtlich des Flurstücks .../1 die Grunddienstbarkeit ohne Rechtsgrund bewilligt worden sei. Die Klägerin habe am 05.12.2006 die streitbefangene Vertragsbeziehung mit dem Beklagten hinsichtlich des Flurstücks .../1 gekündigt. Darüber hinaus betreffe die Grunddienstbarkeit nur Rechte des Beklagten im Hinblick auf das Flurstück .../2, so dass hinsichtlich des Flurstücks .../1 Löschungsbewilligung zu erteilen sei. Hilfsweise stützt sich die Klägerin auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage durch Aufgabe der geplanten Bahntrasse im Jahr 2002. Schließlich macht die Klägerin geltend, die Verweigerung der streitbefangenen Löschungsbewilligung durch den Beklagten stelle eine unzulässige Rechtsausübung dar.

6

Die Klägerin beantragt,

  1. den Beklagten zu verurteilen, zwecks Einreichung beim Amtsgericht - Grundbuchamt - Osnabrück folgende Löschungsbewilligung abzugeben:

  2. Als Eigentümer der im Grundbuch von Hollage des Amtsgerichts Osnabrück Blatt ... und Blatt ... verzeichneten herrschenden Grundstücke bewillige ich die Löschung der Belastungen Abteilung II laufende Nummer 4 auf dem im Grundbuch von Hollage des Amtsgerichts Osnabrück Blatt ... unter BV-Nr. ... eingetragenen dienenden Grundstück Gemarkung Hollage Flur ..., Flurstück .../1, Gebäude- und Freifläche, ....straße zur Größe von ... qm.

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Der Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

8

Er ist der Ansicht, Eintragungen im Grundbuch könnten nur im Verhandlungswege oder mit freiwilliger Löschungsbewilligung entfernt werden. Keinesfalls sei er zur Erteilung der Löschungsbewilligung verpflichtet, eine Kündigung könne das Recht im Grundbuch nicht aufheben. Etwaige, von der Klägerin geltend gemachte anderweitige schuldrechtliche Vereinbarungen seien für das Grundbuch ohne Relevanz, weil diesbezüglich keine notarielle Beurkundung vorliege.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig und begründet.

10

Ein Anspruch ergibt sich aus den Grundsätzen von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB. Es ist allgemein anerkannt, dass § 242 BGB in seltenen Ausnahmefällen anspruchsbegründende Wirkung haben kann (BGH LM § 242 Nr. 257, BAG NJW 1997, 2257, 2258).

11

Die Verweigerung der Löschungsbewilligung durch den Beklagten stellt sich im vorliegenden Fall als missbräuchliche Rechtsausübung dar, weil ihr kein schutzwürdiges Eigeninteresse zu Grunde liegt.

12

Das grundbuchlich eingetragene Nutzungsrecht des Beklagten ist wegen der faktischen Lage der verschiedenen Grundstücke naturgemäß auf das Flurstück .../2 der Klägerin beschränkt. Nur in Bezug auf diesen Teil besteht ein berechtigtes Interesse des Beklagten, eine Überwegung zu schaffen, so dass er in der Lage ist, von den ihm gehörenden Flurstücken ... und ... über das streitbefangene Grundstück der Klägerin an sein weiteres Flurstück .../1 zu gelangen. Hierdurch wird die einheitliche Nutzung seiner nur durch einen schmalen Streifen getrennten Grundstücke gewährleistet. Im Hinblick auf das Flurstück .../1 besteht dagegen kein berechtigtes Interesse des Beklagten auf Nutzung und Verlegung von Versorgungsleitungen, weil dieser Grundstücksteil nicht an seine Grundstücke angrenzt. Der Beklagte hat insoweit auch nicht vorgetragen, dass er auf das Flurstück .../1 angewiesen ist, um seine Rechte aus der Grunddienstbarkeit nutzen zu können.

13

Diese faktische Beschränkung der Grunddienstbarkeit auf einen Teil des Grundstücks der Klägerin hat auch in der schuldrechtlichen Vereinbarung der Parteien Ausdruck gefunden. So ist in der notariellen Urkunde vom 13. September 1996 festgelegt, dass der Beklagte die Klägerin hinsichtlich der Fläche, die parallel zu den Grundstücken des Beklagten verlaufe, von jeglicher Verkehrssicherungspflicht freistellt. Die Freistellung von der Verkehrssicherungspflicht ist also nur hinsichtlich des Flurstücks .../2 erfolgt, weil nur in Bezug auf diesen Grundstücksteil Überwegungsrechte faktisch auch wahrgenommen werden. Hinsichtlich der restlichen Fläche (Flurstück .../1) bestand für den Beklagten demnach kein Überwegungsrecht. Diesbezüglich haben die Parteien lediglich vereinbart, dass der Beklagte zur Unterhaltung und Bepflanzung der entsprechenden Fläche verpflichtet sei. Aus der Auslegung der schuldrechtlichen Vereinbarung ergibt sich daher, dass der Beklagte hinsichtlich des streitbefangenen Flurstücks .../1 keinerlei Rechte erworben hat, sondern dass ihn diesbezüglich lediglich Pflichten treffen. Ein schutzwürdiges Eigeninteresse des Beklagten an der Aufrechterhaltung der Grunddienstbarkeit hinsichtlich des Flurstücks .../1 ist daher nicht ersichtlich. Die Verweigerung der Löschungsbewilligung durch den Beklagten erscheint daher rechtsmissbräuchlich.

14

Dies folgt auch aus der Anwendung des Rechtsgedankens des § 1026 BGB. Danach werden im Falle der Teilung des belasteten Grundstücks die Teile, auf die die Ausübung der Grunddienstbarkeit beschränkt ist, von der Dienstbarkeit frei. Hätte hier also die Klägerin das betreffende Grundstück geteilt, so stünde ihr gemäß § 1026 ein Anspruch auf Löschungsbewilligung hinsichtlich des Flurstücks .../1 zu. Die Klage aus diesem Grunde abzuweisen und die Klägerin auf die Möglichkeit der Teilung und damit der Schaffung von anspruchsbegründenden Voraussetzungen für eine Löschungsbewilligung zu verweisen, erscheint mit dem Grundsatz der Prozessökonomie nicht vereinbar.

15

Dem Antrag der Klägerin steht auch nicht entgegen, dass die Löschungsbewilligung nur für einen Teil des dienenden Grundstücks eingetragen werden soll. Gemäß § 7 Abs. 2 GBO ist die Eintragung einer Dienstbarkeit für einen Grundstücksteil dann möglich, wenn hieraus keine Unklarheiten für das Grundbuch resultieren. Dies steht im vorliegenden Fall nicht zu befürchten, da der entsprechende Grundstücksteil durch das Flurstück .../1 genau abgrenzbar ist und durch Vorlegung einer Karte gemäß § 7 Abs. 2 S. 2 GBO genau identifiziert werden kann.

16

2.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.