Landgericht Osnabrück
Urt. v. 14.06.2007, Az.: 4 O 2942/06 (331)
Begleichung der Steuerschuld beider Eheleute bei Zahlung nur eines Ehegatten; Erstattungsberechtigung beider Ehegatten nach § 37 Abs. 2 AO 1977
Bibliographie
- Gericht
- LG Osnabrück
- Datum
- 14.06.2007
- Aktenzeichen
- 4 O 2942/06 (331)
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 63445
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOSNAB:2007:0614.4O2942.06.331.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- OLG Oldenburg - 27.11.2007 - AZ: 9 U 43/07
Rechtsgrundlagen
- § 37 Abs. 2 AO 1977
- § 26 EStG
In dem Rechtsstreit
...
hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück auf die mündliche Verhandlung vom 24. Mai 2007 durch den Richter am Landgericht xxx als Einzelrichter
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Die Klage wird abgewiesen.
- 2.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
- 3.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Mit vorliegender Klage macht der Kläger gegen den Beklagten unter anderem einen Anspruch aus behaupteter ungerechtfertigter Bereicherung geltend.
Durch Beschluss des Amtsgerichts Osnabrück vom 16. Mai 2006 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Frau xxx eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Der Beklagte des vorliegenden Rechtsstreits ist der Ehemann der Insolvenzschuldnerin. Diese war bis zum Jahr 2004 als Ärztin in dem "Kinderwunschzentrum Osnabrück" als Teilhaberin einer Gemeinschaftspraxis tätig. Von den anderen Gesellschaftern der Gemeinschaftspraxis war der Insolvenzschuldnerin fristlos gekündigt worden. Zahlungen auf die Übertragung ihres Anteils an der Gemeinschaftspraxis hatte die Insolvenzschuldnerin seit April 2002 gegenüber dem Verkäufer nicht mehr vorgenommen. Der Verkäufer hatte daher für den Zeitraum April 2002 bis Februar 2004 insgesamt 440.000,00 EUR und den restlichen Kaufpreis über insgesamt 660.251,58 EUR gegenüber der Insolvenzschuldnerin eingeklagt. Durch Endurteil des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 29. März 2005, Az.: 9 U 84/04 wurde die Insolvenzschuldnerin sodann verurteilt, diesen Gesamtbetrag zuzüglich Zinsen an den Verkäufer zu zahlen.
Die Insolvenzschuldnerin war seinerzeit vollumfänglich berufstätig gewesen und hatte aus ihrer Tätigkeit beachtliche Einkünfte erzielt. Der Beklagte, also der Ehemann der Insolvenzschuldnerin, organisierte und versorgte unterdessen den gemeinsamen Haushalt und befasste sich mit der Erziehung bzw. Versorgung der beiden gemeinsamen Töchter. Zudem hatte er es im Rahmen der Arbeitsteilung der innerfamiliären Aufgaben übernommen, die Geldgeschäfte der Familie zu regeln. Unstreitig wurden Beträge von Konten der Gemeinschuldnerin auf Konten des Beklagten übertragen. Die Höhe der Beträge sind zwischen den Parteien streitig. In jedem Fall aber wurden vom Vermögen der Insolvenzschuldnerin die Steuervorauszahlungen an das Finanzamt unter der gemeinsamen Steuernummer 65/134/04901 geleistet. Die Vorauszahlungsbescheide waren aufgrund der ertragssteuerpflichtigen Tätigkeit der Insolvenzschuldnerin berechnet und ausgerichtet worden. Sie waren gleichwohl an die Eheleute als Gesamtschuldner adressiert, da die Eheleute eine gemeinsame Veranlagung durchgeführt haben.
Für den Veranlagungszeitraum 2003 und 2004 ergab sich keine Steuerlast. Der Steuerbescheid für 2003 vom 09. November 2006, Steuer-Nummer: 65/134/12390, setzte eine Einkommenssteuerlast in Höhe von 7.841,00 EUR fest. Aufgrund der vorausgezahlten Beträge ergab sich ein Erstattungsguthaben hinsichtlich der Einkommenssteuer in Höhe von 58.767,00 EUR, hinsichtlich der Zinsen in Höhe weiterer 2.057,00 EUR, hinsichtlich der Kirchensteuer in Höhe von 5.348,88 EUR und bezüglich des Solidaritätszuschlages in Höhe von weiteren 3.218,54 EUR. Der Steuerbescheid für 2004 vom 02. Oktober 2006, Steuer-Nummer 65/134/04901 für den Veranlagungszeitraum 2004 setzte eine Einkommenssteuerlast in Höhe von 0,00 EUR fest. Aufgrund der vorausgezahlten Beträge ergab sich ein Erstattungsguthaben hinsichtlich der Einkommenssteuer in Höhe von 10.196,00 EUR, bzgl. der Zinsen in Höhe von weiteren 305,00 EUR, betreffend der Kirchensteuer in Höhe von 857,00 EUR und hinsichtlich des Solidaritätszuschlages in Höhe von nochmals 523,00 EUR.
Der mit vorliegender Klage seitens des Klägers geltend gemachte Klagebetrag errechnet sich aus der Hälfte der vom Finanzamt erstatteten Beiträge in Höhe von 40.636,21 EUR.
Der Kläger ist der Ansicht, dass der Beklagte den auf ihn entfallenden Betrag in Höhe von 40.636,21 EUR nur aufgrund von formalem Steuerrecht erhalten habe. Aufgrund der zivilrechtlichen Betrachtung, insbesondere der Vermögens- und Eigentumsverhältnisse, stünde dem Beklagten der vorgenannte Betrag jedoch nicht zu. Der Beklagte habe das Vermögen seiner Frau auf seinem Konto "verwaltet". Die Rückerstattung dieser Beträge stehe insoweit der Insolvenzschuldnerin, respektive der Insolvenzmasse, vertreten durch ihn - den Kläger - zu. Zum einen trage der Beklagte vor, dass er eine Art Treuhandverhältnis mit der Insolvenzschuldnerin bezüglich dieser Vermögensbeträge getroffen habe. Zum anderen könne man auch davon ausgehen, dass zumindest die Insolvenzschuldnerin dem Beklagten leihweise die Beträge auf seinem Konto zur Begleichung von Verbindlichkeiten zur Verfügung gestellt habe. Hieraus ergebe sich ein entsprechender Rückzahlungsanspruch betreffend nicht nur dieser Beträge sondern auch entsprechend der vorliegend streitigen Rückzahlungsbeträge. Ferner stehe der Insolvenzschuldnerin ein Anspruch aus GOA sowie § 812 Abs. 1 BGB zu. Da die Insolvenzschuldnerin mit ihrem Ehemann zusammenwirkend die rückgezahlten Beträge einbehalte, sei dies als Schuldnerbegünstigung i. S. von § 263d Abs. 1 StGB anzusehen, so dass hier ein Erstattungsanspruch gegenüber den Beklagten gem. § 823 Abs. 2 BGB in Betracht zu setzen sei.
Hilfsweise werde klägerseits die Insolvenzanfechtung ausgesprochen. So seien auf das Konto des Beklagten bei der Sparkasse Osnabrück, Konto-Nummer:0005 816 145 in der Zeit vom 06. Mai 2002 bis 31. Dezember 2005 von der Insolvenzschuldnerin Beträge in einer Gesamthöhe von 139.900,00 EUR gezahlt worden. Des Weiteren seien in der Zeit vom 06. Mai 2002 bis 31. Dezember 2005 von der Insolvenzschuldnerin auf das Konto des Beklagten bei der Sparkasse Osnabrück, Konto-Nummer: 4 658 000 478 weitere Beträge in einer Gesamthöhe von 895.600,00 EUR gezahlt worden.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn - den Kläger - 40.636,21 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 29. November 2006 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Ansicht, ihm stehe der an ihn seitens des Finanzamtes unstreitig erstattete Betrag nicht nur "aufgrund von formalem Steuerrecht" zu sondern im Einklang mit der gesamten Rechtsordnung. Der Kläger berufe sich nibulös darauf, dass ihm - dem Beklagten - "aufgrund der zivilrechtlichen Betrachtung, insbesondere der Vermögens- und Einkommensverhältnisse" der Betrag nicht zustehe. An einer Anspruchsgrundlage, unter welcher der Sachverhalt zu subsummieren wäre, fehle es indessen. So habe die Ehefrau des Beklagten Einkünfte gehabt, die nach ihrem Verständnis dazu verwendet werden sollten, den Lebensunterhalt der gesamten Familie, also auch des Beklagten und der gemeinsamen beiden Töchter, zu decken. Die Einkünfte sollten deshalb auch dazu dienen, die Zahlungsverpflichtungen aller Familienmitglieder zu begleichen. Aus der zufälligen Zwischenlagerung von Geldbeträgen auf diversen Konten, könne deshalb keine vermögensrechtliche Zuordnung der Geldbeträge abgeleitet werden. Im Übrigen habe er - der Beklagte - auch nicht vorgetragen, dass er in einer Art Treueverhältnis mit seiner Ehefrau gestanden habe. Da er - der Beklagte - im Rahmen der Arbeitsteilung der innerfamiliären Aufgaben es übernommen habe, die Geldgeschäfte zu regeln, sei es auch völlig abwegig, wenn der Kläger davon ausgehe, dass die Insolvenzschuldnerin dem Beklagten irgendwelche Beträge leihweise zur Verfügung gestellt habe. Die Insolvenzschuldnerin habe auch keinen Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag, da die Erledigung der die Familie betreffenden Geldgeschäfte, insbesondere auch der Zahlung an das Finanzamt, keine Geschäftsführung ohne Auftrag gewesen sei, sondern die Erledigung von Arbeiten, die aufgrund der innerfamiliären Arbeitsteilung von der Beklagten zu erledigen gewesen seien. Darüber hinaus habe der Beklagte mit Rechtsgrund, nämlich auf Grundlage der steuerrechtlichen Bestimmungen, den hälftigen Erstattungsbeitrag vom Finanzamt erhalten. Nicht zuletzt würden die Auszahlungen in Höhe von 139.900,00 EUR und 895.600,00 EUR bestritten. Im Übrigen führe die isolierte Betrachtung der Übertragungen nicht weiter, da dann auch zu beachten wäre, welche Auszahlungen vom Konto des Beklagten wiederum im Interesse der Familie und teilweise auch allein im Interesse der Insolvenzschuldnerin vorgenommen worden seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Im Übrigen wird Bezug genommen auf den Hinweis- und Auflagenbeschluss vom 05. April 2007. Im Termin vom 15. März 2007 sind im Übrigen die Akten 10 O 1268/04 (116) des Landgerichts Osnabrück und die Akte 4 O 2237/06 (295) des Landgerichts Osnabrück beigezogen worden und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung der eingeklagten 40.636,21 EUR.
Wie der Beklagtenvertreter zurecht vorgetragen hat, ist eine Anspruchsgrundlage, die dem Begehren des Klägers zum Erfolg verhelfen könnte, nicht ersichtlich.
Die Zahlungen der Steuererstattungsbeiträge an den Beklagten vom Finanzamt Osnabrück - Stadt hinsichtlich der Einkommenssteuer 2003 und 2004 sind wie auch der Kläger in seiner Klageschrift ausdrücklich einräumt - zurecht erfolgt. Nach § 37 Abs. 2 AO 1977 ist erstattungsberechtigt derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist. Das ist nicht derjenige, auf dessen Kosten die Zahlung erfolgt ist. Es kommt also nicht darauf an, von wem und mit wessen Mitteln gezahlt worden ist, sondern nur darauf, wessen Steuerschuld nach dem Willen des Zahlenden, wie er im Zeitpunkt der Zahlung dem Finanzamt gegenüber erkennbar hervorgetreten ist, getilgt werden sollte. Dies gilt auch für den Fall, dass mehrere Personen als Gesamtschuldner die überzahlte Steuer schuldeten, wie es bei zusammen veranlagten Ehegatten hinsichtlich der Einkommenssteuer der Fall ist. Auch hier steht der Erstattungsanspruch demjenigen Ehegatten zu, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist. In Ermangelung entgegenstehender ausdrücklicher Absichtsbekundungen kann allerdings das Finanzamt als Zahlungsempfänger, solange die Ehe besteht und die Eheleute nicht dauernd getrennt leben, davon ausgehen, dass derjenige Ehegatte, der die Zahlung auf die gemeinsame Steuerschuld bewirkt, mit seiner Zahlung auch die Steuerschuld des anderen mit ihm zusammen veranlagten Ehegatten begleichen will (vgl. Urteil des BFH vom 15. November 2005, Az.: VII R 16/05, S. 2, m.w.N.). Soweit also im Zeitpunkt der Zahlung Anhaltspunkte für eine bestimmte andere Tilgungsabsicht des zahlenden Ehegatten fehlen, ist davon auszugehen, dass die Zahlung der Einkommenssteuer auf Rechnung beider Ehegatten als Gesamtschuldner bewirkt worden ist. Das hat zur Folge, dass beide Ehegatten nach § 37 Abs. 2 AO 1977 erstattungsberechtigt sind und demzufolge der Erstattungsbetrag dann - wie im vorliegenden Fall - zwischen ihnen nach Köpfen aufzuteilen ist (vgl. BFH, a.a.O., S. 3). Wenn - wie hier - Anhaltspunkte für eine bestimmte andere Tilgungsabsicht fehlen, findet die Annahme einer Tilgungsabsicht des zahlenden Ehegatten auch für die Steuerschulden des anderen Ehegatten ihre Rechtfertigung in der bei nicht dauernd getrennt lebenden Eheleuten bestehenden Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft, die nach § 26 EStG Voraussetzung für die beantragte Zusammenveranlagung ist und die bei getrennt lebenden Eheleuten und anderen Gesamtschuldnern nicht vorliegt. Auch der Bundesgerichtshof vertritt die Ansicht (vgl. BGH MDR 2002, 1252 = NJW 2002, 1570 [BGH 20.03.2002 - XII ZR 176/00]), dass bei bestehender ehelicher Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft die Annahme gerechtfertigt ist, dass derjenige, der die Zahlung auf die gemeinsame Schuld bewirkt, nicht nur sich selbst, sondern auch den anderen von seiner Schuld befreien will, ohne auf ihn Rückgriff zu nehmen. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.
Der Kläger hat im Übrigen auch weder bewiesen, dass zwischen der Insolvenzschuldnerin und dem Beklagten des vorliegenden Rechtsstreits eine Art Treueverhältnis bestanden hat, noch dass etwa Geldbeträge an den Kläger darlehnsweise übergeben worden sind, so dass von daher der Insolvenzschuldnerin kein Anspruch gegen ihren Ehemann, den Beklagten, auf Rückzahlung des an ihn ausgezahlten Erstattungsbetrages seitens des Finanzamtes besteht. Gleiches gilt für einen Anspruch aus GOA, denn, wie der Beklagte unwidersprochen vorgetragen hat, hatte es der Beklagte im Rahmen der Arbeitsteilung der innerfamiliären Aufgaben übernommen, die Geldgeschäfte zu regeln. Eine derartige Aufteilung der familiären Aufgaben ist in der heutigen Zeit auch durchaus nachvollziehbar und wird in einer immer größer werdenden Zahl von Familien auch so praktiziert. Ein Anspruch aus GOA lag daher offensichtlich nicht vor. Auch ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung ist nicht gegeben, da der Beklagte ja gerade auf Grundlage der steuerrechtlichen Bestimmungen den hälftigen Erstattungsbeitrag vom Finanzamt ausgezahlt bekommen hatte.
Im Übrigen greift auch die hilfsweise geltend gemachte Insolvenzanfechtung vorliegend nicht durch. Zwar hat der Kläger mit Schriftsatz vom 20. Februar 2007 u.a. vorgetragen, dass auf das Konto des Beklagten bei der Stadtsparkasse Osnabrück Konto-Nummer: 0005 816 145 von der Insolvenzschuldnerin in der Zeit vom 06. Mai 2002 bis zum 31. Dezember 2005 Beträge in einer Gesamthöhe von 139.900,00 EUR gezahlt worden seien und des Weiteren in der Zeit vom 06. Mai 2002 bis zum 31. Dezember 2005 weitere 895.600,00 EUR auf das Konto des Beklagten bei der Sparkasse Osnabrück Konto-Nummer 4 658 000 478. Unabhängig davon, dass der Beklagte die behaupteten Auszahlungen ausdrücklich bestritten hat und der Kläger insoweit beweisfällig geblieben ist, hätte der Kläger in diesem Zusammenhang detailliert vortragen müssen, welche Beträge nicht im Interesse der Familie bzw. im Interesse der Insolvenzschuldnerin von dem Beklagten insoweit aufgebracht worden sind. Ein Anfechtungstatbestand ist daher vorliegend insoweit nicht gegeben.
Angesichts dieser Sachlage greift daher die Klage nicht durch. Die Entscheidung bzgl. der Kosten und vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 91 und 709 ZPO.