Landgericht Osnabrück
Beschl. v. 01.10.2007, Az.: 1 O 1485/07
Bibliographie
- Gericht
- LG Osnabrück
- Datum
- 01.10.2007
- Aktenzeichen
- 1 O 1485/07
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 61013
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGOSNAB:2007:1001.1O1485.07.0A
Fundstelle
- JurBüro 2008, 96 (Volltext mit amtl. LS)
In dem Rechtsstreit
...
hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück am 01.10.2007 durch den Richter am Landgericht ... als Einzelrichter beschlossen:
Tenor:
- 1.
Die Erinnerung des Antragstellervertreters gegen die Vergütungsfestsetzung vom 22.08.2007 wird zurückgewiesen.
- 2.
Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die Antragsteller zu 1. und 2. sind in dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gemeinsam durch den Erinnerungsführer anwaltlich vertreten worden. Für dieses Verfahren ist nur dem Antragsteller zu 1. Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Erinnerungsführers bewilligt worden, während ein entsprechender Antrag des Antragstellers zu 2. mangels einer Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abgelehnt worden ist. Unter dem 22.08.2007 ist die dem Erinnerungsführer aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung nach § 55 RVG auf 91,75 € festgesetzt worden. Dabei handelt es sich um die Erhöhungsgebühr gemäß Nr. 1008 VV RVG. Der weitergehende Antrag auf Festsetzung einer Vergütung von insgesamt 1 233,44 € wurde zurückgewiesen.
Dagegen wendet sich der Erinnerungsführer mit seinem Schriftsatz vom 30.08.2007.
Das gemäß § 56 RVG als Erinnerung zu wertende Rechtsmittel des Antragstellervertreters ist zulässig aber unbegründet.
Die Frage, in welcher Höhe dem Prozessbevollmächtigten aus der Staatskasse eine Vergütung zu gewähren ist, wenn lediglich einem von mehreren Streitgenossen Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, ist umstritten.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ( BGH NJW 1993, 1715) und anderer Obergerichte (z.B. OLG Koblenz, MDR 2001, 1261; OLG Naumburg, Rpfleger 2004, 168) beschränkt sich die Pkh-Bewilligung in diesen Fällen bzgl, der Anwaltsgebühren auf die Erhöhungsbeträge nach § 6 I 2 BRAGO bzw. Nr 1008 VV RVG. Nach einer anderen Auffassung in Literatur und Rechtsprechung soll der Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts gegen die Staatskasse dagegen nicht deshalb gekürzt werden können, weil der Rechtsanwalt auch einen leistungsfähigen Streitgenossen vertritt ( OLG Celle, Beschluss vom 22.11.2006, Az. 23 W 13/06; Gerold/Schmidt/v. Eicken, BRAGO, 12. Aufl., § 122 Anm. 24; Hartmann, KostG, 26. Aufl., § 122 BRAGO, Anm. 65; Riedel/Sußbauer/Chemnitz, BRAGO, 7. Aufl., § 122 Rdnr. 45; Deppe-Hilgenberg, in: AK-ZPO, § 114 Anm, 2). Nach einer dritten Auffassung schließlich soll der Anwalt zwar grundsätzlich den vollen Vergütungsanspruch haben, jedoch beschränkt auf den Anteil an den Rechtsanwaltskosten, der im Innenverhältnis auf die bedürftige Partei entfällt ( OLG Köln, NJW-RR 1999, 725).
Das Gericht schließt sich der zuerst genannten, vorn Bundesgerichtshof vertretenen Ansicht an. Die Gegenmeinungen würden zu dem Ergebnis führen, dass die in Form von Prozesskostenhilfe gewährte staatliche Unterstützung nicht nur dem bedürftigen, sondern auch dem vermögenden Streitgenossen zu Gute kommt. Er würde nämlich z.T. von Kosten entlastet, die er zu tragen hätte, wenn er den Rechtsstreit allein führen müsste. Nur aufgrund der Gewährung von Prozesskostenhilfe tritt aber überhaupt ein Streitgenosse an seine Seite. Ein Grund, ihn in dieser Situation indirekt auch noch in den Genuss finanzieller Unterstützung kommen zu lassen, besteht nicht, Insoweit vermag sich das Gericht nicht dem von den Gegenansichten geäußerten Argument anzuschließen, der vermögende Streitgenosse werde durch die Beschränkung der staatlichen Hilfe auf die Erhöhungsgebühr benachteiligt. Denn ohne die Gewährung von Prozesskostenhilfe wäre er von vornherein gezwungen, seinen vermeintlichen Anspruch allein gerichtlich zu verfolgen und alle damit verbundenen Kosten zu tragen.
Dem Umstand, dass die Prozesskostenhilfe tatsächlich auch der nicht bedürftigen Partei zu Gute kommen würde, kann entgegen der Auffassung des Erinnerungsführers auch nicht dadurch angemessen Rechnung getragen werden, dass die Staatskasse in entsprechender Anwendung des § 426 Abs. 2 BGB den Ausgleichsanspruch des Bedürftigen gegen seinen Streitgenossen erwirbt. Ob dieser Anspruch durchsetzbar ist, kann - wie hier - fraglich sein. Dem Risiko der Uneinbringlichkeit der Forderung kann der Prozessbevollmächtigte jedoch - anders als die Staatskasse - wirksam begegnen, indem er sich einen entsprechenden Vorschuss zahlen lässt. Es gibt daher aus Sicht des Einzelrichters keinen hinreichenden Grund, den Anwalt zu Lasten der Allgemeinheit vom Forderungsausfallrisiko zu entlasten (s. auch unten).
Weiter läuft es nach Überzeugung des Einzelrichters nicht dem Sinn und Zweck der Prozesskostenhilfe zuwider, dass der vermögende Streitgenosse unter Umständen im Nachhinein im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs einen Teil der von ihm getragenen Kosten des Beschwerdeführers von der mittellosen Partei verlangen kann. Dazu wird zum Teil vertreten, dass ein solcher Regress schon gar nicht möglich sei, da die bedürftige Partei gemäß § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO generell von Vergütungsansprüchen des Beschwerdeführers befreit sei. Diese Befreiung hindere auch den Rückgriff des Streitgenossen ( OLG Koblenz, Rpfleger 2004, 503). Selbst wenn der Rückgriff jedoch zulässig wäre, stellt dies keine unangemessene Benachteiligung der bedürftigen Partei dar. Der Zweck der Prozesskostenhilfe liegt nämlich darin, ihr die Prozessführung zu ermöglichen, an der sie ohne eine Unterstützung gehindert wäre. Dagegen schützt die staatliche Hilfe nicht gegen jede Inanspruchnahme. So muss auch die bedürftige Partei die Kosten des obsiegenden Gegners tragen. Aus der Belastung mit Regressforderungen des vermögenden Streitgenossen erwachsen daher keine durchgreifenden Bedenken gegen die hier vertretene Auffassung (vergl. auch OLG Koblenz, MDR 2001, 1261).
Zu einer anderen Bewertung nötigt auch nicht der Umstand, dass der weitere Antragsteller im vorliegenden Fall möglicherweise selbst mittellos ist, wie der Beschwerdeführer vorträgt. Die Frage, ob ein Mandant die geschuldeten Anwaltsgebühren aufbringen kann, stellt sich für den Anwalt in jedem Rechtsstreit. Verzichtet er auf die Einforderung eines Kostenvorschusses oder entrichtet die Partei diesen nicht, dann handelt der Prozessbevollmächtigte auf eigenes Risiko, wenn er weder das Mandat niederlegt noch einen (vollständigen) Antrag auf Prozesskostenhilfe auch für diese Partei stellt, sondern den Auftrag ausführt. Ihm dieses Risiko teilweise abzunehmen und der Allgemeinheit aufzubürden, weil er außerdem eine mittellose Partei vertreten hat, besteht kein Anlass ( BGH NJW 1993, 1715).
Schließlich steht der Beschränkung des Zahlungsanspruchs gegen die Staatskasse auf die Erhöhungsgebühr nicht entgegen, dass dem Antragsteller zu 1. mit Beschluss vom 20.07.2007 unbeschränkt Prozesskostenhilfe gewährt worden ist. Mit diesem Beschluss ist lediglich der Anspruch dem Grunde nach anerkannt worden, ohne dass zur Höhe Ausführungen gemacht worden sind. Diese sind naturgemäß dem Festsetzungsverfahren vorbehalten.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 56 Abs. 2 S. 2 und 3 RVG.