Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 16.03.2004, Az.: 1 ME 14/04
Überscheitung des Planungshorizonts für einen Bebauungsplan bei der Festsetzung von Sondergebieten durch nichtnukleare Energiegewinnungsanlagen auf dem Gelände eines Kraftwerkes; Beachtung der gesetzlichen Verpflichtung durch die Gemeinde zur Errichtung eines standortnahen Zwischenlagers bei der Abwägung einer Festsetzung ; Überprüfen einer Festsetzung im Hinblick auf die Frage nach dem Bestandsschutz des Bebauungsplans für das Kernkraftwerk; Erteilung einer Genehmigung für die Beförderung bestrahlter Brennelemente
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 16.03.2004
- Aktenzeichen
- 1 ME 14/04
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 11360
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2004:0316.1ME14.04.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- NULL
Rechtsgrundlagen
- § 9a Abs. 2 S. 3 AtG
- § 1 Abs. 4 BauGB
- § 130 NGO
- § 131 NGO
- § 131 Abs.1 NGO
- § 1 Abs. 3 BauGB
- § 1 Abs.6 BauGB
- § 9a Abs.1 S.2 AtG
- § 4 Abs 2 Nr. 7 AtG
Fundstellen
- BauR 2004, 1574-1577 (Volltext mit amtl. LS)
- BauR 2004, 877-878
- NVwZ 2004, VIII Heft 6 (Kurzinformation)
- NVwZ 2004, 1136-1138 (Volltext mit amtl. LS)
- NordÖR 2004, 316 (Pressemitteilung)
- NuR 2004, 469-472 (Volltext mit amtl. LS)
- UPR 2005, 32-36 (Volltext mit amtl. LS)
- UPR 2005, 33-36
- ZfBR 2004, 807 (amtl. Leitsatz)
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Mit der Festsetzung eines Sondergebiets "Erzeugung, Entwicklung und Erforschung von Energie durch nichtnukleare Energiegewinnungsanlagen" auf dem Gelände eines Kernkraftwerkes, dessen Restlaufzeit und anschließender Rückbau die Verwirklichung der Planung frühestens in 21 Jahren zulassen, wird der Planungshorizont für einen Bebauungsplan deutlichüberschritten.
- 2.
Die gesetzliche Verpflichtung in § 9 a Abs. 2 Satz 3 AtG zur Errichtung eines standortnahen Zwischenlagers für abgebrannte Kernelemente hat die Gemeinde bei der Abwägung einer Festsetzung mit dem unter 1. genannten Inhalt zu beachten.
- 3.
Eine Festsetzung, die die Errichtung eines Zwischenlagers für abgebrannte Kernelemente ausschließt, ist mit dem landesplanerischen Ziel, den Standort des Kernkraftwerkes als "Vorrangstandort für Großkraftwerk" zu sichern, nicht vereinbar, weil der Bebauungsplan den Bestandsschutz für das Kernkraftwerk, dessen weitere Nutzung ohne das Zwischenlager nicht möglich ist, in Frage stellt.
Gründe
Die Antragstellerin, eine Gemeinde, begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine kommunalaufsichtliche Verfügung des Antragsgegners.
Der Rat der Antragstellerin beschloss am 3. Juli 2003 den Bebauungsplan Nr. 41 "Rodenkirchen", mit dem auf einem bisher unbeplanten Areal, auf dem das Kernkraftwerk Unterweser betrieben wird, ein Sondergebiet "Erzeugung, Entwicklung und Erforschung von Energie durch nichtnukleare Energiegewinnungsanlagen" festgesetzt wird. Die Kraftwerksbetreiberin erhielt am 22. September 2003 die atomrechtliche Genehmigung zur Einrichtung eines Zwischenlagers für abgebrannte Brennelemente auf dem Betriebsgelände. Über den Bauantrag der Kraftwerksbetreiberin für das Zwischenlager ist noch nicht entschieden.
Der Antragsgegner beanstandete mit Verfügung vom 6. November 2003 den Ratsbeschluss und ordnete die Aufhebung der am 3. Juli 2003 beschlossenen Satzung an. Die sofortige Vollziehung wurde angeordnet. Zur Begründung führte der Antragsgegner aus: Der beanstandete Bebauungsplan verstoße gegen § 1 Abs. 3 BauGB. Die Planung sei nicht erforderlich im Sinne der genannten Vorschrift, weil sie den regelmäßigen Planungs- und Realisierungszeitraum von Bebauungsplänen bei weitem übersteige. Wegen der Restlaufzeit des Kernkraftwerkes und des sich anschließenden Rückbaus komme eine Realisierung frühestens in 25 Jahren in Betracht. Der Bebauungsplan verstoße auch gegen § 1 Abs. 4 BauGB. Die vorhandene Anlage genieße auf Grund der Festlegung im Landesraumordnungsprogramm als "Vorrangstandort für Großkraftwerk" Bestandsschutz. Davon werde auch das Zwischenlager für abgebrannte Brennelemente erfasst. Hiergegen erhob die Antragstellerin Widerspruch, über den noch nicht entschieden ist.
Den Eilrechtsschutzantrag der Antragstellerin hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 18. Dezember 2003 abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Planung stelle sich nach der Entstehungsgeschichte der Satzung als nicht erforderliche unzulässige Negativplanung dar, die dazu diene, das Zwischenlager an dem Standort planungsrechtlich zu verhindern. Selbst nach Angaben der Antragstellerin sei eine Nutzung, wie sie der Bebauungsplan festsetze, frühestens ab 2021 möglich. Nach Einlagerung der ersten Kernbrennelemente werde die weitere Nutzung für nichtnukleare Zwecke für die Laufzeit des Zwischenlagers von rd. 40 Jahren zumindest erheblich erschwert. Die Planung verletze auch das Abwägungsgebot. Denn die Antragstellerin habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass die Kraftwerksbetreiberin auf Grund einer gesetzlichen Regelung im Zuge des sog. Atomkompromisses verpflichtet sei, ein Zwischenlager in oder in unmittelbarer Nähe der Anlage zu errichten.
Die Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet.
Die vorgetragenen Beschwerdegründe, auf deren Prüfung sich das Beschwerdegericht gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, rechtfertigen nicht eine Abänderung des angegriffenen Beschlusses. Die Verfügung vom 6. November 2003, deren Vollziehungsanordnung der Antragsgegner gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ausreichend begründet hat, ist voraussichtlich rechtmäßig, sodass die Interessenabwägung im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO zu Lasten der Antragstellerin ausfällt. Soweit das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang von einer "Abwägung der sich gegenüber stehenden öffentlichen oder privaten Interessen" spricht, ist dies missverständlich. Das von dem Antragsgegner zur Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung angeführte besondere öffentliche Interesse, die Entsorgung der bestrahlten Kernbrennstoffe durch Einrichtung eines Zwischenlagers zu dem gesetzlich vorgegebenen Datum 1. Juli 2005 sicherzustellen, ist mit dem von der Antragstellerin geltend gemachten öffentlichen Interesse an ungestörter Ausübung ihrer Planungshoheit im Rahmen kommunaler Selbstverwaltungsgarantie abzuwägen. Eine solche Interessenbewertung hat das Verwaltungsgericht unter Berücksichtigung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs vorgenommen. Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die kommunalaufsichtliche Verfügung des Antragsgegners mit hoher Wahrscheinlichkeit einer Überprüfung im Widerspruchsverfahren bzw. in einem sich evtl. anschließenden Klageverfahren standhält.
Der vom Rat der Antragstellerin beschlossene Bebauungsplan Nr. 41 "Rodenkirchen" verletzt Vorschriften des Baugesetzbuches. Der Antragsgegner ist deshalb als Kommunalaufsichtsbehörde befugt, gemäß §§ 130 und 131 NGO einzuschreiten. Nach§ 130 Abs. 1 Satz 1 NGO kann die Kommunalaufsichtsbehörde Beschlüsse und andere Maßnahmen einer Gemeinde beanstanden, wenn sie das Gesetz verletzen. Die Gesetzmäßigkeitskontrolle erstreckt sich auch auf gemeindliche Satzungen (Thiele, NGO, 6. Aufl. 2002, § 127 Anm. 2). Erfüllt eine Gemeinde die ihr gesetzlich obliegenden Pflichten und Aufgaben nicht, so kann die Kommunalaufsichtsbehörde gemäß § 131 Abs. 1 NGO anordnen, dass die Gemeinde innerhalb einer bestimmten Frist das Erforderliche veranlasst. Die angefochtene Verfügung, die auf diese Vorschriften gestützt wird, erweist sich voraussichtlich als rechtsfehlerfrei.
Der Bebauungsplan der Antragsgegnerin verstößt gegen§ 1 Abs. 3 und Abs. 6 BauGB. Er ist deshalb nichtig. Mit der Festsetzung eines Sondergebietes "Erzeugung, Entwicklung und Erforschung von Energie durch nichtnukleare Energiegewinnungsanlagen" wird der Bebauungsplan der Antragstellerin nicht den Anforderungen gerecht, die§ 1 Abs. 3 BauGB an die Rechtmäßigkeit der Planung stellt. Nach dieser Vorschrift haben die Gemeinden Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Das Erforderlichkeitsmerkmal grenzt die Planungsmöglichkeiten der Gemeinden ein. Die Bauleitplanung muss einen bodenrechtlichen Bezug haben, d.h. sie bedarf der Rechtfertigung durch städtebauliche Gründe (BVerwG, Urt. v. 12.12.1969 - IV C 105.66 -, BVerwGE 34, 301; Beschl. v. 11.5.1999 - 4 BN 15.99 -, BRS 62 Nr. 19). Welche städtebaulichen Ziele die Gemeinde sich setzt, liegt in ihrem planerischen Ermessen. Der Gesetzgeber ermächtigt sie, die"Städtebaupolitik" zu betreiben, die ihren städtebaulichen Ordnungsvorstellungen entspricht (BVerwG, Beschl. v. 14.8.1995 - 4 NB 21.95 -, Buchholz 406.11, § 1 BauGB Nr. 86). Erforderlich ist eine Bauleitplanung nicht nur dann, wenn sie dazu dient, Entwicklungen, die bereits im Gange sind, in geordnete Bahnen zu lenken, sondern auch dann, wenn die Gemeinde die planerischen Voraussetzungen schafft, die es ermöglichen, einer Bedarfslage gerecht zu werden, die sich erst für die Zukunft (konkret) abzeichnet. Hält sich die Gemeinde durch einen Bebauungsplan die Inanspruchnahme des überplanten Grundstücks für einen völlig unbestimmten Zeitraum offen, ist das Merkmal der Erforderlichkeit nicht gegeben (Urt. d. Sen. v. 15.3.2001 - 1 K 2405/00 -, NVwZ 2001, 485; Urt. v. 22.4.1998 - 1 K 2132/96 -, NVwZ-RR 1998, 548; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 22.1.1993 - 8 C 46.91 -, BVerwGE 92, 8). Unzulässig ist auch ein Bebauungsplan, der aus zwingenden rechtlichen Gründen vollzugsunfähig ist oder der auf unabsehbare Zeit keine Aussicht auf Verwirklichung bietet (BVerwG, Beschl. v. 11.5.1999 - 4 BN 15.99 -, a.a.O.). Gemessen an diesen Grundsätzen hat die Antragstellerin die ihr durch § 1 Abs. 3 BauGB eingeräumten Gestaltungsmöglichkeiten überzogen. Es ist aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen nicht absehbar, dass der am 3. Juli 2003 vom Rat der Antragstellerin beschlossene Bebauungsplan Nr. 41 verwirklicht wird. Es lässt sich nicht feststellen, dass sich die von der Antragstellerin ihrer Planung zu Grunde gelegte Bedarfslage für die Zukunft (konkret) abzeichnet.
Die Antragstellerin wird wegen der in wesentlichen Teilen des Sondergebietes vorhandenen Nutzung durch das Kernkraftwerk Unterweser gehindert sein, ihre Zielvorstellungen in einem noch überschaubaren Planungshorizont umzusetzen. Nach der Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Energieversorgungsunternehmen vom 11. Juni 2000 ("Energiekonsens") beträgt die noch zu produzierende Reststrommenge ab 1. Januar 2000 für das Kernkraftwerk Unterweser Netto 117,98 TWh (vgl. Anl. 3 zu § 7 Abs. 1a AtG i.d.F. der Novelle vom 22.4.2002, BGBl. I 2002, S. 1351). Daraus hat der Antragsgegner eine Restlaufzeit bis 2012 ermittelt. Er stützt sich dabei auf eine Auskunft der Kraftwerksbetreiberin. Diese Annahme deckt sich im Wesentlichen mit den Berechnungen der Antragstellerin, die bei ihrer Planung von einer Restlaufzeit bis 2011/12 ausging. An die Abschaltung des Kernkraftwerkes schließt sich der Rückbau an. Der Ansatz der Antragstellerin, der Abbruch der Anlage erfordere einen Zeitraum von 8 bis 10 Jahren, ist zu optimistisch. Erfahrungen mit dem 1995 stillgelegten Kernkraftwerk Würgassen belegen, dass die Demontagearbeiten deutlich länger dauern. In Würgassen soll der Gesamtumfang der atomrechtlich relevanten Arbeiten im Jahr 2008 abgeschlossen werden (vgl. die Antwort der nordrhein-westfälischen Landesregierung auf eine kleine Anfrage, LT-Drs. 13/1831 vom 23.11.2001). Deshalb ist die Einschätzung des Antragsgegners in seinem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 17. Dezember 2003, der Rückbau beanspruche einen Zeitraum von 12 bis 15 Jahren, deutlich realitätsnäher. Bei einer Restlaufzeit bis 2012 und einer sich daran anschließenden Rückbauphase von mindestens 12 Jahren kann mit der Verwirklichung des Bebauungsplanes für das gesamte Kernkraftwerksgelände frühestens im Jahr 2024 gerechnet werden. Damit wird der Planungshorizont für einen Bebauungsplan deutlichüberschritten.
Einzuräumen ist, dass sich die höchstzulässige Planungsperspektive für einen Bebauungsplan - anders als für einen Planfeststellungsbeschluss nach § 75 Abs. 4 VwVfG - nicht auf einen nach Jahren zu bemessenden Zeitraum genau fixieren lässt. Zu berücksichtigen sind jeweils die konkreten Umstände der Planungssituation. Eine Planung, die sich frühestens in 21 Jahren verwirklichen lässt, ist jedenfalls nicht absehbar. Selbst für Flächennutzungspläne wird allgemein nur ein Planungshorizont von 10 bis 15 Jahren angenommen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.7.2002 - 5 S 1601/01 -, NuR 2002, 750 [VGH Baden-Württemberg 15.07.2002 - 5 S 1601/01], zu einem vergleichbaren Fall am Standort des Kernkraftwerkes Philippsburg). Soweit die Antragstellerin auf die Planung des Wesertunnels verweist, für den ein Planungsfenster von nahezu exakt 20 Jahren erforderlich gewesen sei, übersieht sie, dass es sich bei diesem Vorhaben um ein Großprojekt handelt, bei dem nicht nur allein wegen seiner Raumbedeutsamkeit der Abstimmungsbedarf und Planungsaufwand deutlich höher ist als bei einer gemeindlichen Planung, um die es hier geht. Hinzu kommt, dass der Bau eines Tunnelprojekts dieser Dimension viel mehr Zeit in Anspruch nimmt als ein Bauvorhaben in einem gemeindlichen Bebauungsplan, sodass der Anteil der Bauphase an den genannten 20 Jahren erheblich ins Gewicht fällt.
Bei der anzusetzenden Realisierungschance in frühestens 21 Jahren - gerechnet vom Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses - ist noch nicht berücksichtigt, dass als Alternative zum direkten Rückbau auch der sog. sichere Einschluss in Betracht kommt, bei dem das Kernkraftwerk nach Abtransport der Brennelemente komplett stillgelegt und für einen Zeitraum, der die Dauer des Rückbaus wesentlich übersteigt, hermetisch abgeriegelt wird. So befindet sich das 1977 wegen technischer Mängel vom Netz gegangene Kernkraftwerk Lingen seit 1988 im sicheren Einschluss, der wenigstens noch bis 2013 andauern soll (vgl. Neue Züricher Zeitung vom 21.5.2003). Hierbei handelt es sich um eine Option, auch wenn die Kernkraftbetreiber zunehmend die Demontage vorziehen, um das Know-how ihrer Mitarbeiter weiterhin nutzen zu können.
Die Überlegung der Antragstellerin in der Begründung des Bebauungsplanes, mit der Verwirklichung der Planfestsetzungen bereits während der Rückbauphase beginnen zu können, lässt sich kaum umsetzen. Eine Ansiedlung Dritter auf dem Kernkraftwerksgelände scheidet aus sicherheitstechnischen Gründen aus, weil in der Rückbauphase noch Kontaminationen am Maschinenhaus und Reaktorgebäude zu beseitigen sind.
Nach Auswertung aller konkreten Umstände des Einzelfalles geht der Senat mit dem Verwaltungsgericht davon aus, dass es der Antragstellerin im Wesentlichen darum geht, das von der Kraftwerksbetreiberin geplante Zwischenlager für abgebrannte Brennelemente zu verhindern. Die Festsetzung des Sondergebietes mit der Zweckbestimmung Erzeugung, Entwicklung und Erforschung von Energie durch nichtnukleare Energiegewinnungsanlagen im Bebauungsplan Nr. 41 "Rodenkirchen", die in dem in den Blick zu nehmenden Planungshorizont keine Chance auf Verwirklichung hat, verstößt gegen § 1 Abs. 3 BauGB und führt zur Nichtigkeit des Bebauungsplanes. Die Frage einer Teilnichtigkeit des Bebauungsplanes stellt sich nicht. Die außerhalb des Kraftwerksgeländes festgesetzten Flächen teilen das Schicksal der am Standort des Kernkraftwerkes überplanten Flächen, weil das Plankonzept der Antragstellerin in erster Linie darauf ausgerichtet ist, das Betriebsgelände des Kernkraftwerkes zu überplanen.
Der Bebauungsplan verletzt auch § 1 Abs. 6 BauGB, der die Gemeinde verpflichtet, bei der Aufstellung des Bebauungsplanes die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen (vgl. zu den zu beachtenden Grundsätzen: BVerwG, Urt. v. 12.12.1969 - IV 105.66 -, a.a.O.). In die Abwägung des beanstandeten Bebauungsplanes war einzustellen das Interesse, auf dem Kraftwerksgelände und damit im Geltungsbereich des Bebauungsplanes ein Zwischenlager für abgebrannte Kernelemente errichten und betreiben zu dürfen. In Übereinstimmung mit dem so genannten Energiekonsens zwischen der Bundesregierung und den Energieversorgungsunternehmen vom 11. Juni 2000 und weiteren Folgevereinbarungen erklärt § 9 a Abs. 1 Satz 2 AtG die Abgabe von bestrahlten Kernbrennstoffen zur schadlosen Verwertung in Wiederaufarbeitungsanlagen vom 1. Juli 2005 an für unzulässig. § 9 a Abs. 2 Satz 3 AtG verpflichtet deshalb die Anlagenbetreiber dafür zu sorgen, dass ein Zwischenlager innerhalb des abgeschlossenen Geländes der Anlage oder in dessen Nähe errichtet wird, um die anfallenden bestrahlten Kernbrennstoffe bis zu deren Ablieferung an eine Anlage zur Endlagerung radioaktiver Abfälle dort aufzubewahren. Angesichts dieser rechtlichen Verpflichtung besteht ein Interesse der Betreiberin des Kernkraftwerkes Unterweser daran, dass die Antragstellerin diese Sorgepflicht des Betreibers in § 9 a Abs. 2 Satz 3 AtG bei der Aufstellung des Bebauungsplanes berücksichtigt. Dahinstehen kann, ob es sich dabei um einen privaten Belang handelt, den die Kernkraftwerksbetreiberin im Beteiligungsverfahren hätte vortragen müssen. Denn mit der genannten Regelung wird das Ziel verfolgt, die Anzahl der Atommülltransporte in die zentralen Zwischenlager (Ahaus, Gorleben) zu reduzieren und Entsorgungsengpässe, die durch das Verbot der Wiederaufarbeitung möglicherweise auftreten könnten, zu verhindern (Kühne/Brodowski, Das neue Atomrecht, NJW 2002, 1458). Hierbei handelt es sich um ein öffentliches Interesse, das die Bezirksregierung Weser-Ems und die Oldenburgische Industrie- und Handelskammer im Beteiligungsverfahren gemäß § 4 BauGB mit ihren Hinweisen auf die gesetzliche Verpflichtung, ein Zwischenlager standortnah zu errichten, geltend gemacht haben. Diesen Belang hat die Antragstellerin nicht gesehen oder nicht sehen wollen. Die Begründung zu dem Bebauungsplan setzt sich mit der Notwendigkeit der Errichtung eines Zwischenlagers nicht auseinander, obwohl die Betreiberin des Kernkraftwerkes Unterweser vor der Beschlussfassung über den Bebauungsplan die atomrechtliche Genehmigung und die Baugenehmigung für das Zwischenlager bei den zuständigen Behörden beantragt hatte. Dieses erhebliche Abwägungsdefizit bei der Einstellung des abwägungsbeachtlichen Materials schlägt auf das Ergebnis der Abwägung durch.
Der Einwand der Antragstellerin, die Kernkraftwerksbetreiberin hätte sich bereits vor oder jedenfalls nach dem Satzungsbeschluss um Alternativstandorte für ein Zwischenlager bemühen müssen,überzeugt nicht. Die Regelung in § 9 a Abs. 2 Satz 3 AtG verpflichtet den Anlagenbetreiber, standortnah das Zwischenlager zu errichten, also entweder innerhalb der abgeschlossenen Anlage oder in deren Nähe. Schon wegen der auf dem Kraftwerksgelände bestehenden Sicherungseinrichtungen ist es nachvollziehbar, dass die Anlagenbetreiberin das Zwischenlager innerhalb des geschützten Bereiches errichten will. Es besteht keine Veranlassung für die von der gesetzlichen Regelung betroffenen Kernkraftbetreiber, möglicherweise weiter entfernt liegende Alternativstandorte ins Auge zu fassen, wenn ihnen der Gesetzgeber die Möglichkeit einräumt, der Sorgepflicht durch Aufbau eines Zwischenlagers unmittelbar am Standort des Kernkraftwerkes nachzukommen. Hinzu kommt, dass auch im öffentlichen Interesse längere Transportwege zwischen Kernkraftwerk und Zwischenlager zu vermeiden sind.
Ferner sind Transporte zwischen einem Kernkraftwerk und den zentralen Zwischenlagern ab dem 1. Juli 2005 nicht nur nicht erwünscht, sondern durch die gesetzliche Pflicht zur Errichtung und Inbetriebnahme von standortnahen Zwischenlagern bis zu dem genannten Zeitpunkt im Regelfall ausgeschlossen. Soweit § 4 Abs. 2 Nr. 7 AtG ausnahmsweise die Erteilung einer Genehmigung für die Beförderung bestrahlter Brennelemente zu zentralen Zwischenlagern gestattet, ist die in dieser Vorschrift genannte Genehmigungsvoraussetzung, dass eine Lagermöglichkeit in einem nach § 9 a Abs. 2 Satz 3 AtG zu errichtenden standortnahen Zwischenlager nicht verfügbar ist, darauf gerichtet sicherzustellen, dass sich ein Anlagenbetreiber der in § 9 a Abs. 2 Satz 3 AtG angeordneten Verpflichtung nicht entziehen kann (Müller-Dehn, in: Posser/Schmans/Müller-Dehn, Atomgesetz, Kommentar zur Novelle 2002, 2003,§ 4 Rdnr. 31).
Die Antragstellerin beruft sich auch ohne Erfolg darauf, mit der beanstandeten Bauleitplanung komme sie ihrer Pflicht zur Anpassung an die Ziele der Raumordnung gemäß § 1 Abs. 4 BauGB nach. Das Verwaltungsgericht hat die Frage eines Verstoßes gegen § 1 Abs. 4 BauGB offen gelassen. Angesichts der Beschwerdebegründung zu diesem rechtlichen Gesichtspunkt sind folgende Ausführungen veranlasst: Die Planung der Antragstellerin verletzt § 1 Abs. 4 BauGB, wonach Bauleitpläne den Zielen der Raumordnung anzupassen sind. Der Geltungsbereich des Bebauungsplanes ist, soweit er sich auf das Kernkraftwerksgelände erstreckt, im Landesraumordnungsprogramm 1994, Teil II, in der Zeichnerischen Darstellung als "Vorrangstandort für Großkraftwerk" festgelegt. Im textlichen Teil des Landesraumordnungsprogrammes 1994, Teil II, wird unter C 3.5, Ordnungsziffer 04, der Standort Unterweser als Standort eines bestehenden Großkraftwerkes bestätigt und als Vorrangstandort für nichtnukleare Energiegewinnungsanlagen gesichert. Mit der Bestimmung des Standortes Unterweser zum Vorrangstandort für ein Großkraftwerk legt das Landesraumordnungsprogramm 1994, Teil II, ein verbindliches Ziel der Raumordnung fest, welches den Spielraum der Gemeinde für planerische Aktivitäten erheblich einschränkt. Die Gemeinde muss dann ihre Planung auf die Vereinbarkeit mit der Standortvorgabe ausrichten (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 11.4.1986 - 6 OVG C 17/83 -, ZfBR 1986, 287, zu einem Vorrangstandort für großindustrielle Anlagen). Die Planung der Antragsgegnerin, mit der diese ein Sondergebiet "Erzeugung, Entwicklung und Erforschung von Energie durch nichtnukleare Energiegewinnungsanlagen" festsetzt, ist mit der landesplanerischen Zielaussage nicht vereinbar. Der Bebauungsplan stellt den Bestandsschutz für das Kernkraftwerk Unterweser in Frage. Die weitere Kraftwerksnutzung im Rahmen der vorgegebenen Restlaufzeit ist nur gewährleistet, wenn nach der bundesrechtlichen Vorgabe in§ 9 a Abs. 2 Satz 3 AtG standortnah ein Zwischenlager zur vorübergehenden Aufbewahrung abgebrannter Brennelemente errichtet wird. Die Festsetzung eines Sondergebietes, in dem ein Zwischenlager nicht zulässig wäre, unterläuft damit die vorrangig festgelegte Zweckbestimmung des Standortes Unterweser. Die angefochtene Verfügung vom 6. November 2003 wird sich danach voraussichtlich als rechtmäßig erweisen, sodass die Interessenbewertung zu Ungunsten der Antragstellerin ausgeht.