Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 15.03.2004, Az.: 1 ME 45/02

Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung; Versagung des Eilrechtsschutzes; Gesundheitsrisiken durch Emissionen aus Intensivtierhaltungsanlagen

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
15.03.2004
Aktenzeichen
1 ME 45/02
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 36085
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2004:0315.1ME45.02.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Oldenburg - 22.01.2002 - AZ: 4 B 4175/01

Fundstelle

  • NuR 2005, 262-263 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Anfechtung einer Baugenehmigung (Nachbarklage)

In der Verwaltungsrechtssache ...
hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht - 1. Senat -
am 21. März 2002
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 4. Kammer - vom 22. Januar 2002 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind erstattungsfähig.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 10.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

1

Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs vom 3. Juni 1999 gegen die dem Beigeladenen durch den Antragsgegner unter dem 4. Mai 1999 erteilte Baugenehmigung für die Errichtung eines Hähnchenmaststalles mit 39370 Mastplätzen, drei Futtermittelsilos und einer Sammelgrube auf dem Flurstück 181/128 der Flur 4 und 5 der Gemarkung E.. Der geringste Abstand zwischen dem genehmigten Stallgebäude und der südlichen Grenze des Grundstücks der Antragstellerin beträgt 230 m.

2

Das Verwaltungsgericht hat den Eilrechtsschutzantrag der Antragstellerin mit Beschluss vom 22. Januar 2002 abgelehnt.

3

Die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet.

4

Der begehrte Eilrechtsschutz ist zu versagen, weil die dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung voraussichtlich Nachbarrechte der Antragstellerin nicht verletzt. Ob das Vorhaben des Beigeladenen Belange des Denkmalschutzes berührt, ist für das vorliegende Verfahren nicht von Bedeutung. Hierbei handelte es sich um objektiv-rechtliche Gesichtspunkte, die die Antragstellerin im vorliegenden Nachbarschutzverfahren nicht mit Erfolg geltend machen kann. Das Verwaltungsgericht hat hierzu zutreffende Ausführungen gemacht. Es bedarf deshalb auch keiner Prüfung, ob der Hähnchenmaststall nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 4 BauGB zulässig ist, weil sich die Antragstellerin nur auf die Verletzung des in § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 BauGB verankerten Rücksichtnahmegebots stützen kann. Das Grundstück der Antragstellerin liegt nicht in einem Dorfgebiet, sondern im Außenbereich. Nach dem bei den Verwaltungsvorgängen befindlichen Lageplan bilden die in F. vorhandenen Baulichkeiten keinen Ortsteil. Dazu ist die Zahl der vorhandenen Bauten zu gering. Der Bebauungszusammenhang ist nicht Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur. Es handelt sich vielmehr um eine Splittersiedlung. Der Antragsgegner hat darauf hingewiesen, dass der Flächennutzungsplan der Gemeinde G. für den Siedlungsbereich F. keine Darstellung für eine bauliche Nutzung enthält.

5

Im Übrigen könnte die Antragstellerin selbst bei Annahme eines Dorfgebietes - die Antragstellerin spricht von einem landwirtschaftlich geprägten Dorf - das Vorhaben des Beigeladenen nicht abwehren. Denn die Halbierung der vollen Richtlinienabstände ist nach der VDI-Richtlinie 3472 Tierhaltung - Hühner sowohl für den Außenbereich als auch für Dorfgebiete zulässig (vgl. Ziff. 3.2.3.2 der Richtlinie). Den von der Landwirtschaftskammer Weser-Ems in der fachgutachtlichen Stellungnahme vom 20. Mai 1998 ermittelten Abstand von 135 m hält das Vorhaben des Beigeladenen selbst dann ein, wenn es sich bei dem Siedlungsbereich F. um ein Dorfgebiet handelte.

6

Die Aussagen des Senats in seiner Entscheidung vom 19. August 1999 - 1 M 2711/99 -, NVwZ-RR 2000, 91, zu den möglichen Gesundheitsgefahren in der Umgebung eines Stallgebäudes mit Intensivtierhaltung haben nach wie vor Gültigkeit. Die von der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren vorgelegten Unterlagen führen nicht zu einer anderen Einschätzung. Das vom Land Niedersachsen in Auftrag gegebene dreigliedrige Forschungsvorhaben zum Thema Gesundheitsrisiken durch Emissionen aus Intensivtierhaltungsanlagen hat bisher nicht zu Erkenntnissen geführt, die eine andere Beurteilung rechtfertigen. Prof. Dr. H. hat nach seinem Sachstandsbericht vom 19. Dezember 2001 zum Teilprojekt A "Erfassung und Modellierung der Bioaerosolbelastung im Umfeld von Geflügel-Ställen" bisher lediglich erste theoretische und praktische Vorarbeiten durchgeführt. Gegenwärtig ist der Gutachter dabei, noch geeignete konventionell betriebene Stallanlagen für die Untersuchung auszuwählen. Auch das Schreiben des Niedersächsischen Ministeriums für Frauen, Arbeit und Soziales vom 16. Januar 2002 gibt lediglich einen Überblick darüber, welche Beweggründe für die Durchführung des Forschungsvorhabens maßgeblich waren. Am Ende heißt es ausdrücklich, dass ein Untersuchungsergebnis in etwa zwei bis drei Jahren vorliegen werde. Nach dem gegenwärtigen Stand der wissenschaftliche Erkenntnisse ist deshalb bei der hier gegebenen Entfernung zwischen dem Stallvorhaben des Beigeladenen und dem Grundstück der Antragstellerin nicht mit schädlichen Wirkungen von Luftverunreinigungen durch Stallluft zu rechnen. Es kann deshalb dahinstehen, ob neu entwickelte Abluftreinigungsanlagen bei Geflügelstallanlagen im Vergleich zu den herkömmlichen Louisiana-Ställen besser geeignet sind, die Emissionsbelastung zu mindern.

7

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.

8

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG).

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 10.000,-- EUR festgesetzt.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 13 Abs. 1 Satz 1, 20 Abs. 3 GKG.

Schmaltz
Claus
Muhsmann