Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 03.03.2004, Az.: 13 LA 477/03
Anfechtung; Begründung; Bewilligung; Dritter; Einwendung; Erlaubnis; Ermessen; Ermessensfehler; Ermessensunterschreitung; Nachbar; Niedersachsen; Prüfung; Unterschreitung; Wasser; Wasserrecht; Überprüfung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 03.03.2004
- Aktenzeichen
- 13 LA 477/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 50980
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 07.11.2003 - AZ: 6 A 26/02
Rechtsgrundlagen
- § 13 WasG ND
- § 29 WasG ND
- § 3 WasG ND
- § 4 WasG ND
- § 114 VwGO
- § 39 Abs 1 VwVfG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis oder Bewilligung steht im Ermessen der Behörde.
Im Rahmen ihres Ermessens hat die Wasserbehörde zu prüfen, ob Einwendungen Dritter zu berücksichtigen sind.
Gründe
Der Zulassungsantrag des Beigeladenen ist nicht innerhalb der Rechtsmittelfrist des § 124 a Abs. 2 Satz 1 VwGO gestellt worden und damit unzulässig.
Für den Beigeladenen gelten im Rahmen der Berufungszulassung die vorgeschriebenen Rechtsmittelfristen, die Bestimmungen über die Anschlussberufung finden keine Anwendung.
Die Auffassung des Beigeladenen, eines fristwahrenden Antrages habe es nicht mehr bedurft, nachdem der Beklagte bereits fristgemäß einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt habe, geht fehl. Da sich der Beigeladene nicht gegen das Rechtsmittel des Beklagten wendet (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl., § 127 Rdnrn. 4, 11), sondern selbst die Zulassung der Berufung begehrt, liegt ein sog. Anschlussrechtsmittel nicht vor. Ungeachtet der Rechtsstellung des notwendig Beigeladenen im Prozess kann dieser ein selbständiges Rechtsmittel nur innerhalb der dafür vorgeschriebenen Frist einlegen. Eine Regelung, wie sie § 127 Abs. 2 Satz 1 VwGO für die (unselbständige) Anschlussberufung trifft, gibt es für einen Zulassungsantrag als selbständiges Rechtsmittel des Beigeladenen nicht. Nur für den nachträglich Beigeladenen läuft die Rechtsmittelfrist erst ab Zustellung der in dem Verfahren, zu dem er beigeladen wird, ergangenen Endentscheidung an ihn (Kopp/Schenke, aaO, Vorb. § 124, Rdnr. 36). Dieser Fall liegt hier nicht vor. Das Vorbringen des Beigeladenen ist demzufolge lediglich dahingehend zu würdigen, dass er das Zulassungsbegehren des Beklagten unterstützt.
Der Zulassungsantrag des Beklagten bleibt jedoch ohne Erfolg.
Zwar erfordert der Antrag auf Zulassung der Berufung eine genaue Bezeichnung des angefochtenen Urteils, Ungenauigkeiten sind jedoch unbeachtlich, wenn keine Zweifel über das angefochtene Urteil bestehen.
Nach § 124 a Abs. 4 Satz 3 VwGO muss der Zulassungsantrag das angefochtene Urteil bezeichnen. Hierzu ist grundsätzlich die Angabe des Gerichts, das das Urteil erlassen hat, des Aktenzeichens, des Datums und der Beteiligten erforderlich. Zwar wendet der Kläger zutreffend ein, dass diesen Anforderungen in dem Zulassungsantrag des Beklagten nicht vollständig Rechnung getragen wird. Unvollständige Angaben schaden jedoch nicht, wenn gleichwohl nicht zweifelhaft sein kann, welches Urteil konkret angefochten werden soll (Kopp/Schenke, aaO, § 124 a, Rdnr. 47). Solche Zweifel legt die Antragserwiderung des Klägers nicht dar. Sie bestehen auch objektiv nicht.
Der Zulassungsantrag erfüllt aber bereits nicht die Anforderungen, die § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO aufstellt. Der Beklagte macht zwar ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils geltend (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Dieser Zulassungsgrund ist jedoch nur dann gegeben, wenn nach Maßgabe der Ausführungen in der Antragsschrift erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die angefochtene Entscheidung im Ergebnis einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhalten wird. Hierzu fehlen in dem Zulassungsantrag zureichende Ausführungen. Der Beklagte wendet sich gegen das erstinstanzliche Urteil vielmehr nach Art einer Berufungsbegründung, was zur Darlegung des geltend gemachten Zulassungsgrundes indessen nicht ausreicht.
Unabhängig davon ist der Begründung des Zulassungsantrags auch nicht zu entnehmen, dass der Erfolg des Rechtsmittels, dessen Zulassung begehrt wird, wahrscheinlicher ist als der Misserfolg oder dass zumindest der Ausgang des angestrebten Berufungsverfahrens offen wäre. Zum Teil vermag das Vorbringen des Beklagten nicht zu überzeugen, zum Teil erscheint es widersprüchlich.
Die Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis ergeht als Ermessensentscheidung.
Soweit der Beklagte zunächst geltend macht, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass die Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis eine Ermessensentscheidung der Wasserbehörde sei, steht dieser Einwand mit der herrschenden Meinung nicht im Einklang. Da grundsätzlich ein Rechtsanspruch auf die Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis oder Bewilligung nicht besteht, wird in der behördlichen Entscheidung über einen entsprechenden Antrag nahezu einhellig eine Ermessensentscheidung gesehen (Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht, 2. Aufl., Rdnr. 187 mit Nachweisen, insb. auch OVG Lüneburg, Urt. vom 14.1.1964, GWF 1964, 541, sowie Rdnrn. 229 u. 475 ff.). Da der Beklagte im Zulassungsverfahren ausdrücklich vorträgt, eine gebundene Entscheidung getroffen zu haben, ergibt sich bereits daraus die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Erlaubnis, weil eine sog. Ermessensunterschreitung vorliegt.
Die Wasserbehörde hat bei ihrer Ermessensentscheidung auch die Einwendungen Dritter zu berücksichtigen.
Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt, dass die Wasserbehörde verpflichtet ist, im Rahmen ihres Ermessens zu prüfen, ob Einwendungen Dritter zu berücksichtigen sind (Haupt/Reffken/Rohde, NWG, § 29, Rdnr. 4; vgl. auch Breuer, aaO, Rdnr. 443 ff.). Mit dem Verwaltungsgericht ist der Senat der Auffassung, dass der Beklagte im Rahmen des Erlaubnisverfahrens die schutzwürdigen privaten Belange des Klägers, die dieser mit seinem Widerspruch geltend gemacht hat, hätte abwägen müssen. Der Kläger beruft sich in der Antragserwiderung insoweit zu Recht darauf, im Verwaltungsverfahren nicht angehört worden zu sein. Eine rechtzeitige Beteiligung des Klägers hätte sich dem Beklagten angesichts der örtlichen Verhältnisse aber aufdrängen müssen, zumal der Bürgermeister der Gemeinde Rehlingen in den Schreiben vom 25. Juni und 1. bzw. 2. Oktober 2001 Bedenken hinsichtlich einer möglichen Vernässung des Grundstücks des Klägers aufgeworfen hatte. Im Rahmen des Klageverfahrens hat der Kläger substantiiert eine Verletzung eigener Rechte durch die streitige wasserrechtliche Erlaubnis geltend gemacht, und zwar gerade deshalb, weil durch die Einleitung des Oberflächenwassers vom Schweinemaststall in den Graben sein Grundstück zunehmend vernässt oder überflutet werden könne. Weder die erteilte wasserrechtliche Erlaubnis des Beklagten vom 30. Juli 2001 noch der dazu ergangene Widerspruchsbescheid vom 9. Januar 2002 befassen sich mit diesen Gesichtspunkten und lassen Ausführungen darüber, ob es eine andere, für den Beigeladenen zumutbare Möglichkeit des Ableitens des Oberflächenwassers gibt, auf die der Kläger aber gerade verweist, nicht erkennen.
Damit Ermessenserwägungen überprüfbar sind, müssen sie in der Verwaltungsentscheidung schriftlich begründet werden.
Widersprüchlich ist die Begründung des Zulassungsantrags des Beklagten insoweit, als er auf Seite 2 der Antragsschrift einerseits vorträgt, die erteilte Erlaubnis enthalte nicht die Befugnis, das Oberflächenwasser in das Gewässer, das sich auf dem Grundstück des Klägers befindet, einzuleiten bzw. durchzuleiten, andererseits aber behauptet, die Frage einer möglichen Beeinträchtigung des Klägers geprüft zu haben. Denn auf Seite 3 der Begründung trägt der Beklagte vor, aus den Umständen und Gegebenheiten vor Ort habe sich eine Vernässung des Grundstücks des Klägers von vornherein nicht ergeben. Eine Vernässung könne nur eintreten, wenn die "hydraulische Leistungsfähigkeit" des Gewässerprofils (Tiefe, Breite und Gefälle des streitbefangenen Grabens) nicht ausreichend groß sei. Die "hydraulische Leistungsfähigkeit" der in den streitbefangenen Grabenabschnitt einmündenden Verrohrung unter der Kreisstraße sei aber als ausreichend angesehen worden. Für das dargestellte Einzugsgebiet sei das dem Graben maximal bei Schneeschmelze zufließende Oberflächenwasser mit 85 l pro Sekunde errechnet worden. Darin sei das von den Dachflächen der Gebäude des Beigeladenen abfließende Wasser mitenthalten. Zwar will der Beklagte im Rahmen des Erlaubnisverfahrens die Aufnahmefähigkeit des streitbefangenen Grabens auch im Hinblick auf das vom Beigeladenen abgeleitete Oberflächenwasser geprüft haben. Insoweit hat das Verwaltungsgericht aber zu Recht beanstandet (S. 9 des Urteilsabdrucks), dass diese Berechnungen und die entsprechenden Ermessenserwägungen nicht Eingang in die angefochtene wasserrechtliche Erlaubnis gefunden haben. Denn ohne entsprechende schriftliche Begründung ist die nach § 114 VwGO gebotene Prüfung von Ermessenserwägungen nicht möglich (vgl. § 39 Abs. 1 Satz 3 VwVfG).
Nach allem lässt sich nicht die Feststellung treffen, dass für einen Erfolg der Berufung zumindest eine gleiche Wahrscheinlichkeit wie für ihren Misserfolg sprechen würde. Mithin bestehen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils nicht, so dass eine Zulassung der Berufung nicht erfolgen kann.